RBB, Sendung "Kontraste": Millionenwerte auf den Schrott – die Misswirtschaft der Bahn AGSendung vom 20. Oktober 2005, Autor: Ursel Sieber
Seit Jahren lässt die Bahn AG Güterwagen und Lokomotiven, die fahrbereit sind und die teilweise frisch vom TÜV kommen, verschrotten. Was das kostet, darüber schweigt der Konzern. Dabei könnten die Bahn-Manager mit dem überzähligen Fuhrpark kräftig Geld verdienen. Die private Konkurrenz würde sofort zugreifen. Doch die Bahn verkauft den Mitbewerbern weder Güterwagen noch Lokomotiven – aus Prinzip. Also landet auf dem Schrottplatz, was zuvor mit Steuergeldern angeschafft wurde. Geldverschwendung aus Missgunst. Ein Film von Ursel Sieber.
Man kann Konkurrenten auch platt machen, im wörtlichen Sinn. Was Sie hier sehen, ist eine Lok, die noch fahren könnte. Ihre Eigentümerin, die Deutsche Bahn AG, braucht sie nicht mehr. Doch statt sie zu verkaufen, lässt sie die Lok verschrotten. Macht kaputt was euch Konkurrenz macht. Übrigens, diese Lok gehört eigentlich Ihnen und mir: 100% der Deutschen Bahn AG sind Eigentum der Steuerzahler! Ursel Sieber zeigt Ihnen, wie die Deutsche Bahn damit umgeht!Das ist kein normaler Schrottplatz. Hier werden gebrauchte Lokomotiven zerlegt. Viele wären wieder fahrtüchtig zu machen, manche haben sogar noch TÜV. Die Deutsche Bahn braucht sie nicht mehr. Diese Lokomotiven würde er gerne kaufen: Doch das will die Deutsche Bahn nicht, denn Hartmut Gasser ist von der privaten Konkurrenz.
Hartmut Gasser, RAIL4CHEM„Hier wird definitiv in gewissem Umfange Volksvermögen verschrottet, die Lokomotiven sind, zumindest teilweise – das kann man sehen - noch voll einsetzbar.“Dieser Mann ist für die Verschrottung verantwortlich: Bahnchef Hartmut Mehdorn. Er hält sich so lästige Konkurrenz vom Leibe.
Zur lästigen Konkurrenz gehört auch Christian Dehns, Eigentümer einer kleinen, privaten Güterbahn. Was er hier in dem kleinen Ort Malchow, in Mecklenburg-Vorpommern, vor einem dreiviertel Jahr sah, konnte er kaum fassen: Massenhaft ließ die Deutsche Bahn AG gebrauchte Güterwagen verschrotten – Waggons, nach denen Christian Dehns und seine Firma händeringend suchen. Gebrauchte Anhänger - offenbar gerade erst runderneuert, manche hatten sogar noch sechs Jahre TÜV.
Christian Dehns, D & D Eisenbahngesellschaft„Es waren Wagen dabei, die frisch aus der Revision kamen, erst vor wenigen Tagen oder Wochen aus dem Werk Eberswalde kamen, mit neuen Fußböden, Neuanstrich, fabrikneuen Puffern und Zugfederpatronen, fabrikneuen, voll verzinkten Rangiertritten, wir haben einen Wagen gesehen, da klebte sogar noch der Lieferschein des Herstellers für den Puffer drauf, also das sind Fahrzeuge, die haben nicht einen einzigen kommerziellen Lastlauf hinter sich, die sind direkt aus der Vollaufarbeitung zum Verschrotten gefahren.“In Hamburg treffen wir Michael Oberländer, auch ein privater Konkurrent der Deutschen Bahn. Als er von der Verschrottungsaktion erfährt, wendet er sich Hilfe suchend an den Schrotthändler.
Michael Oberländer, CTL Rail GmbH„Auf meine Anfrage hin, ob es möglich wäre, Wagen, die da zur Verschrottung stehen zu kaufen, sagte mir der Schrotthändler, es wird hier alles verschrottet, es gibt keine Möglichkeit an diese Wagen heranzukommen, es wird von der Deutschen Bahn gezielt kontrolliert, und es ist dreimal die Woche mindestens ein Mitarbeiter vor Ort, der also diese Verschrottung überwacht.“Hilflos musste Michael Oberländer zusehen, wie die Güterwagen zerlegt wurden.
Michael Oberländer, CTL Rail GmbH„Eigentlich hat man Tränen in den Augen, wenn man das sieht. Es ist so, dass uns gerade bei den Aufträgen die Waggons fehlen, es ist die Sache, man verliert einen Auftrag, weil man einen Wagen nicht kriegt. Und hier wird also systematisch Volksvermögen vernichtet, und alle gucken zu und keiner macht, so sieht’s eigentlich im Moment aus.“Als die Bahn noch Staatsbahn war, hat der Steuerzahler den ganzen Fuhrpark finanziert. Jetzt bekommt sie immer noch Milliardenzuschüsse vom Staat. Dennoch weigert sie sich, überzählige Loks und Waggons zu verkaufen.
Und so rotten Loks auf Abstellgleisen vor sich hin – während private Bahnen händeringend danach suchen. Kaufanfragen lehnt die Deutsche Bahn rigoros ab. Auch diese Elektroloks wurden mit Steuergeldern finanziert. Diese Lok bekam 2001 noch acht Jahre TÜV – doch auch sie wird verschrottet.
Christian Dehns betreibt eine private Güterbahn mit 28 Mitarbeitern. Doch wenn er sein Geschäft erweitern will, kommt er nur auf Umwegen an gebrauchte Loks heran. Diese hier, Baujahr 1969, hat er von einem Sammler erworben und runderneuert. Eine neue Lok würde 3 Millionen Euro kosten oder 45 000 Euro Leasinggebühr pro Monat– das kann er sich noch nicht leisten. Direkt an seinem Betriebsgelände vorbei fährt die Bahn jeden Tag mit einem Lokomotivtyp, den er sofort kaufen würde.
Christian Dehns, D & D Eisenbahngesellschaft"Hier sehen Sie zum Beispiel eine E-Lok der Baureihe 140 der Railion Deutschland, die hier im täglichen Einsatz sich befindet, diese Maschinen sind so ziemlich das Zuverlässigste, das je auf deutschen Schienen gefahren ist, und werden zur Zeit zu Hunderten von der Deutschen Bahn AG auf den Schrott gefahren.“Doch es hilft nichts: Wenn die Bahn gebrauchte Streckenlokomotiven ausmustert, landen sie in der Schrottpresse. Dabei könnte die Deutsche Bahn bei einem Verkauf ihrer überzähligen Technik theoretisch Millionen einnehmen.
Doch damit würde ja der Wettbewerb gestärkt: Die Firma RAIL4CHEM zum Beispiel, die größte private Güterbahn in Deutschland. Mit modernen High-Tech-Lokomotiven fährt die Firma lange Strecken quer durch Deutschland und ins. Um auch Güterverkehr auf kürzeren Strecken anbieten zu können, sucht sie gebrauchte Loks, sonst rechnet sich das Geschäft nicht.
Hartmut Gasser, RAIL4CHEM"Ich hätte gerne Lokomotiven, die sie, Deutsche Bahn mal übertragen bekommen hat, zu einem Spottpreis, die sie nicht mehr braucht, und die heute im Hochofen landen, darum geht es. Und da weigert sie sich ganz klar, weil sie vermutet, wir würden ihr damit Wettbewerb machen. Damit hat die Deutsche Bahn sogar Recht, aber es ist letzten Endes Volksvermögen, über das wir hier reden.“Auch der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt verlangt, dass Wettbewerber mehr Chancen haben. Als Bundestagsabgeordneter hat er deshalb bei Bahnchef Mehdorn und beim Bundesverkehrsminister immer wieder gegen die Verschrottung protestiert.
Albert Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsexperte"Das ist nicht nur ärgerlich, sondern an der Grenze zur Illegalität.“KONTRASTE„Wie meinen Sie das?“Albert Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsexperte„Wenn der Steuerzahler mitgeholfen hat, diese Fahrzeuge des bundeseigenen Konzerns Deutsche Bahn AG zu kaufen und sie funktionieren noch, sie haben TÜV und sie werden trotzdem kaputt gemacht, damit sie nicht jemand anders benutzt, weil man sie selber nicht mehr braucht, dann ist das eigentlich eine mutwillige Zerstörung von etwas, das der Steuerzahler mitfinanziert hat, das kann nicht im Sinne des Deutschen Bundestags sein, der solche Finanzierungen ja bewilligt hat, irgendwann mal.“Doch genau das ist die Strategie von Konzernchef Hartmut Mehdorn. Kontraste liegt ein interner Beschluss des Vorstands vor, "streng vertraulich", gezeichnet Mehdorn. Darin heißt es:
"nicht mehr benötigte Güterwagen werden aus technischen, wirtschaftlichen und wettbewerblichen Gründen nicht an Dritte veräußert"und:
"für die Produktion nicht mehr benötigte Güterwagen werden unverzüglich der Verschrottung zugeführt.“Eine Stellungnahme zum Thema Verschrottung lehnt Bahnchef Mehdorn ab. Einen Tag später treffen wir ihn in Lübeck. Er will sich feiern lassen für die Modernisierung einer Strecke, und dazu lässt er sich auch gern befragen. Auch für ein Gläschen nimmt er sich Zeit. Für uns auch?
KONTRASTE„Das wäre eine gute Gelegenheit, Sie haben doch jetzt noch ein bisschen Zeit.“Hartmut Mehdorn, Deutsche Bahn AG„Nein, lassen Sie mal, ist okay, wir sind jetzt hier zum Thema.“Und wir, seine Kunden, sind doch gleich zweifach die Dummen: Konkurrenten stellt sich die Bahn mit dem Greifbagger in den Weg und wir dürfen ihre Fahrkarten zum Monopoltarif kaufen.