AA Berlin Mitte

Begonnen von Lazy, 13:07:07 Mi. 14.Dezember 2005

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Lazy

Hallo, Leute, ich habe gerade den Eindruck, das AA Berlin Mitte macht vielen Leuten z.Zt. Druck. Ich musste z.B gerade eine neue Eingliederungsvereinbarung unterschreiben, die mich zu 12 Bewerbungen pro Monat verdonnert. Anderen wurde mit Ein-Euro Jobs gedroht, falls sie bis zum Jahresende keinen Job auf dem "Ersten Arbeitsmarkt" gefunden haben. Dazu werden Stapelweise "Job"angebote bei Sklavebhändlern verschickt. Wie sind Eure Erfahrungen zur Zeit ?

Wilddieb Stuelpner

12 Bewerbungen pro Monat sind unangemessen hoch nach der Broschüre Leitfaden für Arbeitslose. Ob 5 Bewerbungen pro Monat angemessen sind, wird ja schon gestritten.

Bei 12 Bewerbungen/Monat sind das immerhin 144 Bewerbungen im Jahr * 5 € Pauschalbetrag/Bewerbung, kommt ein Kostenaufwand von 720 €/Jahr zustande, wovon 260 €/Jahr max. die AA auf Deinen vorher gestellten Antrag bezahlt. Also für ca. 48 Bewerbungen im Jahr, 4 Bewerbungen im Monat, steht die AA finanziell grade, mehr ist ihr an Etatbelastung pro Arbeitsloser nicht zuzumuten, aber Dir noch 460 €/Jahr extra von Deinem Alg für sinnlose Bewerbungen abzwacken wollen.

Wie passen solche Kostenverhältnisse AA 260 €/Jahr : Arbeitsloser 460 €/Jahr zusammen? Sind die noch ganz bei Trost?

Ein Vertrag ist eine zweiseitige Willenserklärung und als solche betrachte ich die Eingliederungsvereinbarung. Es soll kein Diktat sein, was die AA Dir aufs Auge drücken darf. Du hast das gleiche Recht, Deine Vorstellungen zu Deinen Pflichten selbst zu formulieren und schriftlich niederzulegen. Und da sind 4 Bewerbungen/Monat mit pauschaler 5-€-Finanzierung durch die AA die absolute Schmerzgrenze. Aller 4 Monaten im Jahr kannst Du noch 1 Bewerbung extra anfertigen. Bewerben solltest Du Dich nur auf Jobangebote, die Deiner bisherigen beruflichen Laufbahn, Qualifizierung und Berufserfahrung oder Deinem Profiling entsprechen. Bestenfalls solltest Du Dich auch auf artverwandte Arbeitstätigkeiten und Berufe einlassen. Wenn es mal in einem Monat auf dieser Strecke keine Angebote gab, dann bist Du auch nicht verpflichtet, Dich zu bewerben.

Nur um die mengenmäßige Vorgabe zu erfüllen, auf Jobangebote in anderen Branchen zu bewerben, die weder Deiner Qualifikation, beruflichen Laufbahn, noch Deiner Berufserfahrung, Interessen und Neigungen entsprechen, ist unsinnig und überflüssig. Wir brauchen keine Tonnen- oder Mengenideologie. Solltest Du Dich lt. AA auch berufsfremd bewerben, wäre zuvor eine absolvierte Fortbildung und Umschulung in dieser Richtung nötig gewesen.

Eigenbemühungen, die Deiner individuellen Voraussetzungen entsprechen sind zu erfüllen, aber keine Bewerbungen ins Blaue hinein.

Du bist verpflichtet, Dich auf konkret vom Arbeitsvermittler ausgewählten und Dir übergebenen Jobangeboten zu bewerben. Es ist seine zu erfüllende Pflicht lt. Eingliederungsvereinbarung, passende Jobs für Dich zu akquirieren. Fehlt seine Zuarbeit, sind Dir die Hände für eine Bewerbung gebunden und ein Schuldvorwurf oder Sperrzeit ist unangebracht. Ich setze voraus, dass der Arbeitsvermittler Sachkenntnis zu den Arbeitsinhalten der Arbeitsaufgaben und zu den Berufsbildern von Jobangeboten hat, die er Dir vorschlägt.

Dein Arbeitsvermittler muß auch in der Eingliederungsvereinbarung festhalten, über welche zu nutzende Informationswege und -mittel Du Kenntnis von Jobangeboten auf preiswerte oder kostenlose Art erlangen sollst.

Schluß. Aus. Finito.

Falls die Eingliederung durch Verwaltungsakt gegen Deinen Willen, sprich Diktat der AA zustandekommt, sofort nach Erhalt der Eingliederungsvereinbarung schriftlichen Widerspruch gegen den nötigenden Inhalt der Eingliederungsvereinbarung einlegen. Kommt da keine oder ablehnende Reaktion heraus, ist eine Sozialklage beim Verwaltungs- oder Sozialgericht erforderlich. Welches Gericht im Klagefall zuständig ist und welche Fristen zu beachten sind, entnehme bitte der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid.

Im Leitfaden für Arbeitslose, herausgegeben vom Arbeitslosenprojekt TuWas, erschienen im Fachhochschulverlag Frankfurt am Main, 22. Auflage 2005, Stand vom 01.01.2005 steht auf S. 121 ff.:

http://www.fhverlag.de/show.php?action=show&record=3.0&thema=1&page=1&from=th&UID=1c4Ia0vu8v

"... Einige AA nutzen die Grauzone zu rechtlich zweifelhaften, Arbeitslosen einschüchternden Bescheiden. So schickte ein Arbeitsamt seinen langzeitarbeitslosen Leistungsbeziehern folgendes Formularschreiben:

'Sie haben erklärt, alle Möglichkeiten zur Beendigung ihrer Beschäftigungslosigkeit zu nutzen und nutzen zu wollen. (...)
Folgende Auflagen sind zu erfüllen: 5 Bewerbungen wöchentlich. (...)
bei persönlicher Bewerbung ist grundsätzlich vom Arbeitgeber beigefügter Nachweis auszufüllen. (...)
Aufwendungen für Eigenbemühungen und für die geforderten Nachweise können grundsätzlich nicht erstattet werden.'

Der vom Arbeitgeber auszufüllende nachweis sah so aus:

'Herr X hat sich heute bei uns um eine Arbeitsstelle u.a. auch als Hilfskraft beworben. Das kostenlose Praktikum von 12 Wochen und den Arbeitgeberzuschuß von mindestens 12 mon. 50% bei Einstellung hat er angeboten. (...)

Firmenstempel und Unterschrift'

Mindestens 5 Fragen drängen sich bei diesem Formularschreiben auf:
[list=1][*]Ist die pauschale Forderung nach fünf Bewerbungen pro Woche zumutbar?
[*]Ist die pauschale Forderung, sich u.a. als Hilfskraft zu bewerben, zumutbar?
[*]Ist das Angebot von Zuschüssen und das Andienen der Arbeitskraft im Rahmen eines kostenlosen Praktikums zumutbar?
[*]Ist der pauschale Hinweis auf grundsätzliche Nichterstattung der Aufwendungen rechtmäßigß
[*]Welche Anfcorderungen sind an den Nachweis der Eigenbemühungen zu stellen?
[/list=1] Zu 1.: Es bietet sich an, die frühere Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum parallelen Problem des 'Nachweises eigener Arbeitsbemühungen! von Sozialhilfebeziehern (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 BSHG) heranzuziehen.'Die Anforderungen an die selbstständige Arbeitsuche eines als arbeitslos gemeldeten Hilfesuchenden dürfen jedoch nicht überspannt werden. Ob und in welcher Intensität eigene Bemühungen des Hilfesuchenden um eine Arbeitsstelle verlangt werden dürfen, hängt ab von den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere von den persönlichen (z.B. familiären, gesundheitlichen) Verhältnissen des Hulfesuchenden, seinen Arbeitsfähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in dem bereich, der dem Hilfesuchenden zugänglich ist (vgl. § 3 Abs. 1 BSHG), (BVerwG, Urteil vom 17.05.1995, Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1995, Heft 48, S. 3200 f.)Inzwischen sind erste Urteile von Sozialgerichten zur Zumutbarkeit von Eigenbemühungen ergangen.Das SG Berlin (Urteil vom 15.01.2002 - Aktenzeichen S 51 AL 1491/00, Zeitschrift Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht - info also - 2003, heft 3, S. 109 ff.) verlangt von der AA,'bei der Aufforderung zu Eigenbemühungen in jedem Einzelfall zu prüfen, in welchem Umfang konkrete Bemühungen von Betroffenen abverlangt werden können und auf welche Art und Weise diese nachzuweisen sind. Hierzu ist eine inhaltlich und spörachlich deutliche und an den individuellen Fähigkeiten des Arbeitslosen ausgerichtete Erläuterung der erwarteten Bemühungen und der hierzu vorzulegenden Nachweise erforderlich. Insoweit kann der Auffassung der [AA] nicht gefolgt werden, dass sich aus dem übergebenden Merkblatt eindeutige und unmißverständliche Belehrungen ergeben. Es steht dort gerade nicht, was konkret an Bemühungen und Nachweise verlangt wird. Vielmehr heißt es, der Arbeitsvermittler werde bei der Suche und Auswahl möglicher Eigenbemühungen beraten und unterstützen und man erhalte ein gesondertes Aufforderungsschreiben, wenn konkrete Nachweise über ihre Eigenbemühungen erforderlich werden. bei den Erläuterungen im Merkblatt handelt es sich dann lediglich um allgemeine Hinweise zum Gesetzeswortlaut und es wird deutlich, dass der Arbeitslose darauf zu achten hat, was in dem Anforderungsschreiben von ihm erwartet wird.' (a.a.O., S. 110 f.)Im Übrigen betont das SG Berlin, dass insbesondere die Vermittlungsfähigkeit und demedntsprechend die Arbeitsmarktchancen den Umfng der Eigenbemühungen bestimmen.Nach einem Urteil des SG Frankfurt am Main vom 25.11.2003 (Az.: S 1 AL 1171/02, info also 2004, Heft 5, S. 209 ff.) muss das allgemein abgefasste Gesetz einschränkend ausgelegt werden, wenn fehlende Eigenbemühungen zum Verlust des Alg führen sollen. Der Arbeitslose müsse nicht 'alle' sich bietenden Möglichkeiten ausschöpfen.' Er müsse sich nur um ihn zumutbare Arbeitsstellen kümmern und müsse nur ihm zumutbare Möglichkeiten der Arbeitssuche nutzen. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von den persönlichen (z.B. familiären, gesundheitlichen) Verhältnissen des Arbeitslosen, seinen Arbeitsfähigkeiten und der Arbeitsmarktlage ab; die Bemühungen müssen auch konkrete Erfolgsaussichten besitzen. Die AA habe nicht berücksichtigt, dass der kläger sechs Eigenbemühungen nachgewiesen habe. Es sei jedenfalls für ihn nicht erkennbar gewesen, dass dies unzureichend sein solle. Die AA habe ihm nicht gesagt, in welchem umfang Bewerbungen auf dem allgemein zumutbaren Arbeitsmarkz hätte stattfinden müssen.Die Dienstanweisung der BA nennt folgende kriterien:'Art und zeitlicher Umfang der Eigenbemühungen sind im Einzelfall, insbesondere unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes, der persönlichen Leistungsfähigkeit, der Dauer der Arbeitslosigkeit und der realen Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt festzulegen.' (DA Nr. 10 zu § 119).Gegen diese Maßstäbe verstößt das oben zitierte Formularschreiben (ebenso Ute Winkler, info also 2001, Heft 2, S. 73). Es fragt nicht nach den Arbeitsmarktchancen des einzelnen Arbeitslosen. Gefragt ist schlicht 'blinder Bewerbungsaktionismus', der nach Leandro Valgolio (Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 10 RandNr. 238) nicht verlangt werden kann.Dass die Anzahl der verlangten Bewerbungen für jeden einzelnen Sozialhilfeempfänger in Abhängigkeit von den konkreten Erfolgschancen festgelegt werden muss, hat das Verwaltungsgericht Hannover (Beschluss vom 18.01.1999, info also 1998, Heft 2, S. 80 ff. ausführlich begründet. Es hat insbesondere entschieden, dass das pauschale Verlangen nach fünf Bewerbungen pro Woche so lange rechtswidrig ist, solange das Sozialamt die besonderen Umstände, die eine solche Bewerbungsflut erfolgreich erscheinen lassen, nicht zusammenstellt und darlegt (Beschluss vom 18.01.1999, info also 1999, Heft 2, S. 86 f.) Dies muß erst recht von der AA verlangt werden gegenüber Arbeitslosen, die mit ihren Beiträgen die Arbeit der AA mitfinanzieren.Uns sind bisher keine ernsthaften Anstrengungen der BA bekannt geworden, detaillierter zu beschreiben, was an Eigenbemühungen zumutbar ist. Einen ersten versuch hat Winfried Müller, Dozent an der Fachhochschule der BA in mannheim, gestartet. Wir bringen einige Passagen aus seinem Beitrag 'eigeninitiativen Arbeitsloser - Notwendigkeit, Voraussetzungen und Grenzen' (a+b) 2004, Heft 1, S. 4 - 7): ..."

Sklavin

Hi Lazy,

Ich komm zwar nich aus berlin mitte aber mir gehts zur zeit ähnlich, dabei kann ich froh sein das ich "nur" 8 bewerbungen vorweisen muss, zugemüllt mit Zeitarbeitsfirmenangeboten werd ich leider wieder auch.

@joachim

Ich wurde offen dazu aufgefordert mich blind durchs telefonbuch zu bewerben und soll dann jedem potentziellen arbeitgeber mit irgendwelchen fördermöglichkeiten schmeicheln  :rolleyes: ausserdem sind telefonische bewerbungen "nicht gewünscht" bei denen ich zb abklären könnte ob denn wirklich überhaupt was frei ist und sie besteht darauf das ich mich auch bundesweit blind durch die telefonbücger bewerbe wobei es meiner meinung nach keinen unterschied macht ob ich hier mit verbundenen augen ins telefonbuch greife oder ins tel-buch ner anderen stadt.
Ist das zulässig so? Und kann man da überhaupt noch was machen wenn die eingliederungsvereinbarung schon unterschrieben ist?

LG-die Sklavin

Wilddieb Stuelpner

Bundesweite Bewerbungen sind nur bei Jugendlichen unter 25 Jahren zulässig, wenn die Arbeitsagentur am Zielort nachweisen kann, daß sie selbst keine fachlich geeigneten Arbeitslose mit entsprechender Qualifikation und Berufserfahrung aus der eigenen Region/Tagespendelbereich bei dem ausgesuchtem AG vermitteln kann. Sollte sie derartige Kandidaten haben, ist es wirtschaftlich sinnvoller, diese Leute in der Region zu vermitteln statt sinnlose Völkerwanderungen von Wanderarbeitern und Tagelöhnern quer durch die Bundesrepublik zu veranstalten, wo man alle sozialern Bindungen verliert.

Was nutzt Dir die Arbeitslosigkeit in der Fremde gegen die Arbeitslosigkeit in der Heimat? Was haben die beiden Arbeitsagenturen für Dich an zumutbaren Jobs vermittelt?

Die aktive Vermittlungstätigkeit der beiden Behörden betrachte ich auch als FÖRDERN. Meist aber fehlt jegliches FÖRDERN und es beschränkt sich nur auf ein repressives, schikanierendes FORDERN.

Darüber sollte Dein Sachbearbeiter mal nachdenken, bevor ein wilden "Bewerbungsaktionismus" ohne Ergebnis anordnet.

Zu Zeiten des Arbeitsförderungsgesetzes, also vor dem SGB III, war es gesetzliche Pflicht der Arbeitsämter die Seriösität der Stellenanbieter und privaten Arbeitsvermittler zu prüfen und unseriöse aus dem Stelleninformationssystem zu entfernen.

Heute haben wir arbeitsmarktpolitischen, rechtlich zweifelhaften Kraut- und Wildwuch in Stellenangeboten.

Wenn man sich die Bildungs- und Vermittlungsgutscheinpraxis ansieht, so ist das ein weites Betätigungsfeld für Klein- und Großkriminelle, was die Ereignisse um Maatwerk exemplarisch beweisen.

WSWS: Die Maatwerk-Insolvenz

Labournet: Vor/an/gegen die Wand! Maatwerk – Die Geschichte einer fast typischen PSA

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