Lübeck, 18.02.06: Gestern Morgen standen in großen Teilen Schleswig-Holsteins die Busse still, in Lübeck streikten 300 Busfahrer. Der morgendliche Berufsverkehr mit Bussen kam zum Erliegen. 12 Busse aus Lübeck fuhren doch, aber darin saßen Busfahrer auf der Fahrt zur Großdemonstration in Kiel. Dort versammelten sie sich mit ihren Kollegen von weiteren 15 Busfirmen zu einem Korso aus 80 Bussen zur Zentrale von Autokraft, um die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro zu erheben.
Bei diesem Streik ging es nicht um den Tarifstreit im Öffentlichen Dienst. Grund war vielmehr die Ankündigung der Firma Autokraft, einer Tochter der Deutschen Bahn AG, im Busverkehr des Kreises Stormarn (Bad Oldesloe) ein Subunternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern mit Löhnen in Höhe von 8,32 Euro pro Stunde einzusetzen. Dadurch sollen 32 Busfahrer in Bad Oldesloe arbeitslos werden. Der Dumpinglohn liegt etwa ein Viertel unter dem Tarif von Schleswig-Holstein. Mit Tariflöhnen sei das angeblich nicht möglich gewesen, "um dem Druck des Marktes" widerstehen zu können! Das lässt schon erahnen, was mit der Bolkestein-Richtlinie noch kommen soll.
Die gewerkschaftlich gut organisierten Lübecker Busfahrer hatten schon im Juni 2005 durch einen eintägigen Streik die Pläne der Stadtwerke-Leitung vom Tisch gefegt, sie auf den Lohn der Tochtergesellschaft LVG abzugruppieren. Klar, dass dieser neue Angriff sofort solidarisch zurückgewiesen werden musste und Verdi diesen Streik organisierte.
Die "Lübecker Nachrichten" geiferten dann auch am Morgen des Streiktages in einem Kommentar unter der Überschrift gegen die "illegale Aktion" und versuchten, einen Keil zwischen die Busfahrer und die arbeitende Bevölkerung sowie die Schüler zu treiben. Das gelang so gut wie gar nicht und die Reporter der Zeitung trafen fast nur auf Bürger, die sich solidarisch mit dem Streik erklärten.
Schüler schrieben in einem Leserbrief unter anderem: "Trotz des Streiks kamen wir zur Schule, weil wir es wollten. Wir halten den Streik für absolut gerechtfertigt. Wenn wir ins Berufsleben eintreten, wollen wir ebenso wenig mit Hungerlöhnen abgespeist werden. Der Streik der Busfahrer wird als illegal bezeichnet. Demgegenüber sind wir der Meinung, dass in der Verfassung ein Streikrecht für alle Arbeitnehmer eingeführt werden sollte."
Es ist in diesem System völlig legal, wenn über Lohndumping die Löhne der Busfahrer gesenkt werden sollen. Illegal ist es nach unserer Rechtsordnung jedoch, wenn die Arbeiter dagegen streiken oder gar Solidaritätsstreiks organisieren wie gestern. Weil sich die Kollegen über den Rahmen dieses eingeschränkten Streikrechts hinwegsetzten, hat dieser Streik große politische Bedeutung. Er sollte einen weiteren Anstoß geben, ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht zu erkämpfen.
aus: rf-news