Studien, welche die Tendenz weisen, als Richtungsweiser dienen sollen:
Arbeitslose sterben nach einer Studie der Universität Leipzig früher als Erwerbstätige. Vor allem Erwerbslose in Ostdeutschland seien „erhöht gefährdet, krank zu werden“, sagt der Leiter des Leipziger Instituts für medizinische Psychologie, Elmar Brähler, in einem Interview der Zeitschrift „Super Illu“. Bei Arbeitslosen sei das Sterbe-Risiko„ massiv erhöht, schon kurz nach Eintritt der Arbeitslosigkeit mehr als verdoppelt“. Menschen, die mehr als zwei Jahre ohne Job seien, hätten statistisch sogar ein vier Mal höheres Sterbe-Risiko.
Daran muß man gar nicht zweifeln. Doch ist es die Arbeitslosigkeit per se, die krank macht und früher ableben läßt, oder ist es die sich daraus ergebende Armut und die soziale Ausgrenzung? Das Kind wird nicht beim Namen genannt, sondern ein Surrogat angeboten, welches die jüdisch-christliche Auffassung, wonach man nach seines Angesichts Schweiße sein Werk zu vollbringen habe, damit der ißt, der auch arbeitet.
Arbeit: Dies sei menschliche Erfüllung. Dabei geht es auch gar nicht um den ästhetischen Charakter des Arbeitens, sondern um den bloßen Lebenserhalt. Entfremdetes Wesen Mensch!
Wo wird denn nicht danach gestrebt, möglichst wenig tun zu müssen? Unternehmen bauen Mehraufwand ab, sehr zu Leidwesen der Belegschaft. Die Hausfrau baut Unnötiges und Zeitaufwendiges ab, der Arbeiter selbst umgeht unnötige Arbeit. Dies ist menschliches Streben: Und geradewegs richtig ist dies, denn gibt es nicht Sinnvolleres, seinen Tag zu verbringen?
Dabei geht es freilich nicht um Faulheit, um Schlafen und in der Hängematte liegen. Ästhetik: Um den künstlerischen Akt beim Schaffen und Arbeiten handelt es sich. Des Menschen Vision ist es nicht Schrauben einzudrehen, Datumsstempel aufzudrücken, Preise aufzukleben: Wer hinter diesen Tätigkeiten Lebenssinn wittert, spricht nicht mehr vom Menschen, sondern vom Humanmechanismus.
Nein, hier handelt es sich um Armut in erster Instanz, weshalb Menschen erkranken. Vom banalen Schraubeneindrehen alleine, kann der Mensch nicht abstumpfen in der Arbeitslosigkeit: Im Gegenteil, hier blüht er erst als Mensch auf, sofern er sich von der sozialen Ausgrenzung befreit und die Worte der Mitmenschen ignoriert, die so gerne den mahnenden Zeigefinger in die Luft strecken.
Aber diese Studien sind maßgeschneidert für ein gemeinschaftlich-öffentliches Politikprojekt, welches den Markt zu absoluten Instanz erhebt und keine Gottheiten neben sich duldet. Der Fetisch des Marktes muß alle anderen Nebenschauplätze als potenzielle Ersatzobjekte ausmerzen: Deshalb gleichgeschaltete Medien, die Wahrheiten etwas verkleiden und schminken, damit diese in einer andere Tonart daherkommen.
Und so heißt es eben dann, daß der Arbeitslose aufgrund seiner Nicht-Tätigkeit - aufgrund seines abgelegten Datumsstempels, seines verlorenen Schraubenziehers etc. - erkrankt und früher verstirbt. Die Armut bleibt außenhalb der Medienberichterstattung, daran stirbt man nicht, glaubt man diesen. Auch soziale Ausgrenzung vom gutmeinenden Mitmenschen kann demnach nicht schuldig sein.
Die Konsequenz: Auf, auf ins Ein-Euro-Jöbchen, in den Niedrigstlohnsektor, in 400-Euro-Arbeitsgelegenheiten: Hauptsache Arbeit, Hauptsache nicht durch Tatenlosigkeit erkranken, Hauptsache durch an Sinnlosigkeit glänzenden Tätigkeiten Lebenszerstreuung finden.
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