§ 14 BSHG "Alterssicherung" Kommentar

Begonnen von Hajo, 19:38:04 Mo. 05.April 2004

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Hajo

§ 14  BSHG Alterssicherung

Als Hilfe zum Lebensunterhalt können auch die Kosten übernommen werden, die erforderlich sind, um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine angemessene Alterssicherung oder auf ein angemessenes Sterbegeld zu erfüllen.

1. Bedeutung der Regelung

Die Hilfeempfänger sollen schnellstmöglich wieder unabhängig von den Leistungen der Sozialhilfe werden (vgl. § l Abs. 2). Dieses Ziel kann auch durch Übernahme von Beiträgen zur Alterssicherung erreicht werden. Aber auch wenn eine baldige Entlastung der Sozialhilfe nicht zu erwarten ist, können solche Beiträge übernommen werden, soweit es die Verhältnisse des Einzelfalles gerechtfertigt erscheinen lassen.

2. Umfang der Beitragsübernahme

Kosten für eine angemessene Alterssicherung sind insbesondere freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 7 SGB VI (vgl. Rz. 4, 4 a). Ob auch Beiträge für eine private Lebensversicherung (ggf. auch im Zusammenhang mit der ab 2002 staatlich geförderten Altersvorsorge) übernommen werden können, hat der Träger der Sozialhilfe im Einzelfall nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sollte auch geprüft werden, ob im Einzelfall die Möglichkeit besteht, eine private Lebensversicherung für die Dauer der Hilfebedürftigkeit in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln. Die Übernahme von Kosten für eine private Lebensversicherung kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Hilfesuchende nach Erreichen des Rentenalters (regelmäßig die Vollendung des 65. Lebensjahres) wegen anderweitiger Absicherung, insbesondere aufgrund der zu erwartenden Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, voraussichtlich nicht mehr auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sein wird (Hamb. OVG, FEVS 49,423). Bei den Aufwendungen für die Sicherung eines angemessenen Sterbegeldes wird es sich in erster Linie um die Übernahme der Kosten einer privaten Sterbegeldversicherung handeln. Eine Kostenübernahme bietet sich vor allem bei alten Menschen an, die eine bereits begonnene Sterbegeldversicherung mit eigenen Mitteln nicht weiterführen können. Übernommen werden können auch Beiträge zu einem Feuerbestattungsverein.

3. Rechtscharakter, Bedürftigkeitsprüfung

Es handelt sich um eine Kann-Leistung (vgl. § 4 Rz. 11-17), über deren Bewilligung der Träger der Sozialhilfe nach pflichtmäßigem Ermessen entscheidet; der Hilfesuchende hat auf die Übernahme der Beitragskosten keinen Anspruch. Maßgeblich für die Entscheidung wird insbesondere sein, ob einerseits durch die Übernahme von Beiträgen später eine Entlastung der Sozialhilfe zu erwarten ist und ob andererseits dem Hilfesuchenden zugemutet werden kann, auf die Fortsetzung oder die Aufnahme einer Versicherung zu verzichten. Vor allem wenn wegen der persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden (Alter, Beschränkung der Erwerbsfähigkeit, voraussichtliche Dauerarbeitslosigkeit) nicht zu erwarten ist, dass die gemäß § 50 SGB VI für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erforderliche Wartezeit durch eine spätere Pflichtversicherung erfüllt wird, kann die Zahlung von freiwilligen Beiträgen (§7 SGB VI) nach § 14 zweckmäßig sein. Die Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger kann sich dabei auf die Mindestbeiträge (vgl. § 167 SGB VI; im Jahr 2002 62,08 Euro monatlich) beschränken. Eine Übernahme von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung bietet sich beispielsweise an, wenn Pflichtbeiträge wegen Kindererziehung oder Rentenanwartschaften aufgrund eines anlässlich der Ehescheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs vorhanden sind, die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, die nach § 50 Abs. l SGB VI Voraussetzung für einen Anspruch auf Regelaltersrente, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Rente wegen Todes ist, jedoch noch nicht erfüllt ist. Selbstverständlich bleibt es dem Träger der Sozialhilfe unbenommen, auch nach Erfüllung der Wartezeit die Beitragsübernahme nach § 14 fortzusetzen, um hierdurch die spätere Altersrente zu erhöhen (nach VGH Baden-Württemberg, info also 1996, 132, ist für eine angemessene Alterssicherung i. S. des § 14 die bloße Einhaltung der Wartezeit von fünf Jahren nicht ausreichend). Vor einer Übernahme von freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen nach 514 ist zu prüfen, ob für den Hilfesuchenden aufgrund der Ausübung einer Pflegetätigkeit von der Pflegekasse oder der privaten Pflegeversicherung Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen sind (vgl. § 44 SGB XI, §§ 3 Satz l Nr. l a, 166 Abs. 2 SGB VI). Zu dem von einem geringfügig beschäftigten Hilfeempfänger gezahlten Aufstockungsbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung vgl. §76 Rz. 38 a. Ob eine Alters Sicherung angemessen im Sinne des § 14 ist, beurteilt sich vor allem nach dem Verhältnis zwischen den hierfür notwendigen Aufwendungen und der möglichen späteren Entlastung der Sozialhilfe. So stellt das BVerwG fest, dass freiwillige Beiträge zur Alterssicherung nur dann angemessen sind, wenn aus der Sicht der maßgeblichen Bedarfszeit Versicherungsaufwand und -ertrag in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zueinander stehen (BVerwG 491). Dementsprechend hat das BVerwG die Angemessenheit der Beitragsübernahme in einem Fall verneint, in dem die zusätzlichen Rentenleistungen, die sich aus der Zahlung von freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen durch den Sozialhilfeträger ergeben würden, den Beitragsaufwand erst in annähernd 17 Jahren nach Rentenbeginn erreichen würden (BVerwG 491). Das Saarl. OVG (FEVS 42, 126) ist der Meinung, angemessen i. S. des §14 sei eine Alterssicherung nur dann, wenn sie dazu führe, dass dem Hilfesuchenden ab Eintritt des Versicherungsfalles durch die ihm zustehende Altersrente allein oder in Verbindung mit sonstigen Einnahmen jedenfalls Mittel in einer Höhe zur Verfügung stünden, die der Höhe des sozialhilferechtlichen Bedarfs nach Abschnitt 2 entsprechen. Bei Hilfesuchenden, die noch jung und voll erwerbsfähig seien, sei prognostisch zu beurteilen, ob die künftige Alterssicherung die Beitragsübernahme notwendig mache. Die Rechtsprechung des OVG lehnt sich damit an die Rechtsprechung des BVerwG zur Beitragsübernahme für die Alterssicherung der Pflegeperson (vgl. §69b Rz. 19 ff.) an. Es erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, auch bei der Ermessensleistung nach § 14 so enge Grenzen zu ziehen. Dies gilt umso mehr, als durch Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen, die der Höhe nach den von einem Versicherungspflichtigen Durchschnittsverdiener zu entrichtenden Beiträgen entsprechen (2002: m den alten Bundesländern einschließlich Arbeitgeberanteil rund 450 Euro monatlich), erst nach etwa 25 Jahren eine Alterssicherung oberhalb der Sozialhilfeschwelle (vgl. § 11 Rz. 4) erreicht wird. In Fällen, in denen die spätere Altersrente betragsmäßig voraussichtlich unter dem sozialhilferechtlichen Bedarf nach Abschnitt 2 bleibt, darf daher eine Beitragsübernahme nicht von vornherein ausgeschlossen werden (in diesem Sinne jetzt auch BVerwG 491).

Einer besonderen Bedürftigkeitsprüfung bedarf es bei der Leistung nach § 14 regelmäßig nicht; sie kann ihrer Natur nach regelmäßig nur Bestandteil einer laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt sein. Beiträge, die im Rahmen des § 14 übernommen werden, dürfen jedoch nicht nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 vom Einkommen abgesetzt werden, da sonst eine Doppelleistung erfolgen würde. Der Träger der Sozialhilfe kann im Übrigen bei der Kann-Leistung nach § 14 seine Hilfe von bestimmten Bedingungen abhängig machen, um sicherzustellen, dass seine Zahlungen und die späteren Leistungen bestimmungsgemäß verwendet werden; dies gilt insbesondere für eine Sterbegeldversicherung. Auch im Rahmen des § 14 gilt, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist, Schulden des Hilfesuchenden abzudecken (vgl. §4 Rz. 41). Tilgungsraten auf Schuldverpflichtungen, die vor der Beantragung von Sozialhilfe entstanden sind und dem Erwerb einer Rentenanwartschaft dienten, können daher nicht nach § 14 übernommen werden (VGH Baden-Württemberg, FEVS 44, 160).

4. Weitere Beitragsübernahmen

Die ausdrückliche Regelung in § 14 schließt nicht völlig aus, dass auch in anderen Fällen der Lebensvorsorge im weitesten Sinne Versicherungsbeiträge im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt übernommen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte der vorbeugenden Hilfe nach §6 Abs. 1; vgl. hierzu auch §12 Rz. 43. Die Beitragsübernahme für die Pflegeperson nach §69b Abs. l und 2 geht als die speziellere Hilfe und (bei § 69 b Abs. 2) als Pflichtleistung der allgemeinen Ermessensleistung in § 14 vor.

Der Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 43 SGB VI setzt neben der Erfüllung der Wartezeit von fünf Jahren grundsätzlich voraus, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung wenigstens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet hat. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Versicherte bereits vor dem I.Januar 1984 die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt und jeden Kalendermonat vom Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit den in §241 Abs. 2 SGB VI aufgeführten Anwartschaftserhaltungs-zeiten (z. B. Zeiten mit freiwilligen Beiträgen, Anrechnungzeiten, Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung) belegt hat. Um die Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten, kann es zweckmäßig sein, freiwillige (Mindest-)Beiträge zur Rentenversicherung nach § 14 zu übernehmen, zumal sich diese Beiträge auch bei einer späteren Altersrente rentenerhöhend auswirken (abzulehnen ist daher die Auffassung des Bayer. VGH, FEVS 42, 48, wonach eine »Alterssicherung« im Sinne des § 14 hier nicht vorliegt). Behinderte Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, können nach § 43 Abs. 6 SGB VI eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen, wenn sie eine Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben. Die Zahlung von Pflichtbeiträgen vor Eintritt der Erwerbsminderung (vgl. Rz. 7) ist hier nicht erforderlich, sodass dieser Rentenanspruch auch ausschließlich mit freiwilligen Beiträgen erworben werden kann. Hat der behinderte Versicherte die Wartezeit von 20 Jahren noch nicht erfüllt, kommt eine Beitragsübernahme nach § 14 in Betracht.

Literaturhinweise
falterbaum, Die Übernahme der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung durch den Sozialhilfeträger, ZfSH/SGB 1999, 643; Neuser, Anwendung und Auslegung des § 14 BSHG, ZfF 1966, 132.
Quelle:  Schellhorn/Schellhorn – Kommentar zum BSHG – 16. Auflage

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