Schwarzarbeit auf deutschen Strassen – Sozialkassen werden betrogen

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 16:29:29 Mo. 09.Oktober 2006

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Wilddieb Stuelpner

RBB, Sendung "Kontraste" vom 05. Oktober 2006: Schwarzarbeit auf deutschen Strassen – Sozialkassen werden betrogen

Autor: Susanne Opalka und Steffen Mayer

Sozialabgaben in Milliardenhöhe werden hinterzogen. Auf deutschen Strassen findet Schwarzarbeit im großen Stil statt. Insider sagen, 400 000 Lkw- Fahrer betrügen. Als Scheinselbständige zahlen sie keine Beiträge zur Sozial-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Milliardenbeiträge gehen so der Solidargemeinschaft verloren. Doch die Fahrer sind zumeist auch die Opfer eines gnadenlosen Wettbewerbes im Transportgewerbe. Susanne Opalka und Steffen Mayer haben in der Branche recherchiert.

Sie donnern über unsere Autobahnen. Sie sind übermüdet. Sie rackern ohne legale Arbeitspapiere: Lkw-Fahrer, selbstständig – aber nur zum Schein. Die Dunkelziffer ist hoch, die Chance, sie zu erwischen gering. Ein gnadenloser Wettbewerb erlaubt keinen Stillstand: Immer mehr Güter müssen immer schneller und immer billiger zum Kunden gebrettert werden. Legal oder Illegal? Egal, so das Fazit von Steffen Mayer und Susanne Opalka, Hauptsache das Geschäft brummt.

Schwarzarbeit auf dem Bock. Illegale Lkw-Fahrer. Sie sind die modernen Sklaven der Straße. Keine Sozialversicherung, enge Liefertermine, volles Risiko, kaum Ruhepausen. Ein ständiger Kampf gegen die Müdigkeit. Ein Aussteiger packt aus:

Lkw-Fahrer

,,Also ich bin eingenickt und dadurch wach geworden, dass ich links rüber einem Fahrzeug schon bedrohlich nahe kam und der praktisch bis zur Leitplanke hin ausgewichen ist und gehupt hat wie ein Verrückter."

Die Zahl der Unfälle, an denen Lkw beteiligt sind, steigt - entgegen dem allgemeinen Trend. Und in den nächsten zehn Jahren soll sich der Güterkraftverkehr verdreifachen - und damit das Risiko. Fahrer ohne Sozialversicherung - so genannte Scheinselbständige – arbeiten illegal. Sie können sich gegen den Druck der Unternehmer kaum wehren.

Lkw-Fahrer

,,Es geht nur darum, dass die Ware zum bestimmten Termin beim Kunden ist. Wie sie dahin kommt, ist völlig egal. Wer sie dahin fährt, ist völlig egal. Hauptsache die Ware ist da und wird selbständig vom Fahrer be- und entladen. Und der Rest ist Wurst."

Er betrügt keine Sozialkassen. Kay Köhler ist mit ganzer Seele Trucker – seit zwanzig Jahren. Er hält seine Lenkzeiten ein, macht seine Pausen und zahlt regelmäßig seine Sozialabgaben. Dass immer mehr seiner Kollegen betrügen, ärgert ihn maßlos.

Kai Köhler, Lkw-Fahrer

,,Jeder Einzelne, der offiziell arbeitet so wie auch ich und auch andere Kollegen, die werden abgezockt durch die. Die wissen von Haus aus, dass sie das nicht zahlen und sind richtig glücklich, weil sie eben lieber den kriminellen Weg gehen."

Der Trick: Viele Fahrer sind nicht mehr angestellt, sondern selbständig. Besser gesagt:

scheinselbständig. Sie werden auf den Firmen-Lkw genauso eingesetzt wie die angestellten Fahrer. Der Unterschied: Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung werden nicht mehr bezahlt. 400.000 solcher scheinselbständigen Sozialbetrüger gibt es – sagen Experten. Eine illegale Konkurrenz für ehrliche Spediteure.

Jürgen Kluxen, Transportunternehmer

,,Das ist natürlich ein absolutes Desaster für die gesamte Branche, weil der Marktpreis einfach zu weit unten angesiedelt ist, der ist einfach irreal dann. Das kann dann ein normaler Unternehmer mit deutschen Arbeitnehmern, die also zu regulären Konditionen, Bedingungen, beschäftigt werden, das kann der gar nicht leisten."

Ein regulär Angestellter wie Kay Köhler verdient circa 2.400 Euro brutto im Monat
Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zahlen in die Sozialkassen knapp eintausend Euro. Für Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und Krankenversicherung.

Fährt jetzt aber ein Scheinselbständiger, werden diese Beiträge unterschlagen.

Bei der Vielzahl von Scheinselbständigen ergibt sich pro Jahr ein Gesamtschaden für die gesetzlichen Sozialversicherungen von fast 4.000.000.000 Euro.

Auch die Steuer wird von den Scheinselbständigen zumeist hinterzogen. Jährlicher Schaden für den Fiskus: bis zu 1.500.000.000 Euro.

Das Risiko bei diesem Betrug erwischt zu werden, ist für Fahrer und Unternehmer sehr gering: Denn bei Kontrollen fallen die Scheinselbständigen gar nicht auf.

Bundesautobahn 1. Die Mitarbeiter vom Bundesamt für Güterkraftverkehr sehen nach dem Rechten.

Heiko Fringes, Kontrolleur Bundesamt für Güterkraftverkehr

,,Schönen guten Tag, Verkehrskontrolle BAG Münster. Einmal die Tachoscheibe bitte von heute."

Als erstes werden die Tachoscheiben kontrolliert. Sie halten fest, ob der Fahrer seine Pausen und die Lenkzeiten eingehalten hat. Die Kontrolleure prüfen auch die Lizenz, die Frachtpapiere, Versicherungsscheine und die Ladung. Danach wird das Anstellungsverhältnis geprüft, so weit es eben geht.

Heiko Fringes, Kontrolleur Bundesamt für Güterkraftverkehr

,,Sie sind fest angestellt bei der Firma, ja?"

Lkw-Fahrer

,,Ja."

Heiko Fringes, Kontrolleur Bundesamt für Güterkraftverkehr

,,Ihren Sozialversicherungsausweis haben Sie dabei?"

Doch der Sozialversicherungsausweis allein hilft den Beamten nicht weiter. Denn aus dem Dokument geht nicht hervor, ob der Fahrer tatsächlich Angestellter ist und ob die Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich abgeführt werden.

KONTRASTE

,,Wie bekommen Sie jetzt raus, ob Sie da nicht gerade einem schwarz arbeitenden Lkw-Fahrer begegnen?"

Michael Placek, Kontrolleur Bundesamt für Güterkraftverkehr

,,Ich persönlich hier vor Ort kann das nicht überprüfen, das geht nicht. Ich kann da wohl in der Firma anrufen, aber da wird mir wahrscheinlich gesagt, der Fahrer arbeitet so und so lange bei uns, kann ich auch nicht nachvollziehen."

Doch wenn die Firma mit dem Schwarzarbeiter unter einer Decke steckt, ist auf telefonische Auskünfte kein Verlass. Eine effektive Kontrolle wäre nur möglich, wenn man alle Sozialversicherungsnummern sofort überprüfen würde, von jedem einzelnen Lkw-Fahrer. Dazu bräuchte man einen mobilen Zugang zu den Datenbanken der Rentenkassen in Echtzeit.

Heiko Fringes, Kontrolleur Bundesamt für Güterkraftverkehr

,,Wir vor Ort können diese Feststellung nicht machen, uns fehlen also diese Daten und es wäre schon besser, wenn wir Zugriff darauf hätten."

Für den ehrlichen Transportunternehmer Jürgen Kluxen aus Hamburg ist das ein Skandal. Über 600.000 Fahrzeuge werden jährlich von der BAG kontrolliert, ohne dass Schwarzarbeiter effektiv überprüft werden.

Jürgen Kluxen, Transportunternehmer

,,Insofern kann man ja die Leute gar nicht überhaupt zu fassen kriegen, nicht. Das ist dann alles irgendwie in einer Grauzone und jeder weiß, da ist irgendwas, aber es wird ja nichts gemacht."

Im Gegenteil: Scheinselbständige Fahrer werden sogar ganz öffentlich gesucht und vermittelt. Agenturen werben im Internet für Jobs. Selbständig, ohne Lkw. Das ist illegal. Denn wenn eine Firma den Lkw zur Verfügung stellt, ist der Fahrer scheinselbständig.

Wir zeigen die Annoncen zur Vermittlung von Scheinselbständigen dem Vorstand des Verbandes Güterkraftverkehr. Sein Urteil ist eindeutig.

Karlheinz Schmidt, Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik

,,Wenn man wirklich bei solchen professionellen Anzeigen, die nichts anderes im Sinne haben als illegale Beschäftigung zu vermitteln, einmal wirklich zuschlagen würde, wäre das sicherlich auch ein Signal an die Branche."

Unglaublich, sogar in der Datenbank der Bundesagentur für Arbeit stehen Annoncen für Scheinselbständige. Geboten wird freie Mitarbeit, Selbständigkeit, unbefristet in Vollzeit, der Lkw ist schon vorhanden.

Wir wollen von der Arbeitsagentur wissen, warum ausgerechnet so ein Angebot offiziell beworben wird:

KONTRASTE

,,Der Lkw wir gestellt, es soll da in Vollzeit gearbeitet werden und die Leute brauchen keine Lizenz als Frachtführer, da sind doch schon drei Kriterien, die für Scheinselbständigkeit sprechen, erfüllt?"

Knut Böhrnsen, Arbeitsagentur Hamburg

,,Ja, ich sehe das nicht so, wie gesagt, die Lkw-Fahrer sind mündig, sie wissen, was in ihrer Branche abläuft und wenn da jemand sich dann auf so ein zweifelhaftes - wenn es dann so ist und die Ausgestaltung dieses Stellenangebotes entnehme ich das nicht, dann wird er sicherlich auch weiter gehen und sagen: gut, ich geh zum Verband und mach mich schlau."

Wir machen uns beim Verband schlau.

Karlheinz Schmidt, Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik

,,Bundesagentur für Arbeit, wir bieten Selbstständigkeit, Kraftfahrer. Tja, das ist natürlich interessant, wobei ich hoffe, dass die Bundesanstalt für Arbeit genau wusste, was sie an diesem Tag tut. So manchmal hat man das Problem, dass die Agenturen in ihrem Willen, Arbeitslose zu vermitteln, nicht alle Punkte im Auge haben."

Offizielle Angebote für illegale Beschäftigung - die Betrüger fühlen sich anscheinend sehr sicher, wenn es um Schwarzarbeit auf dem Lkw geht. Was muss man ändern - fragen wir den Aussteiger.

Lkw-Fahrer

,,Man müsste viel härtere Kontrollen durchführen. Und das nicht nur auf der Straße. Man müsste vor allem auch die Spediteure rechtlich belangen, weil letztendlich ist es nur so, dass die Fahrer den Druck von oben kriegen, von allen Seiten, vom Spediteur, vom Lieferanten, vom Kunden, von der BAG und Polizei und wem auch immer, und dem Spediteur passiert da nichts."

Wilddieb Stuelpner

Welche Kontrollmängel sehen wir hier:
  • Den hier sinnvollen Datenabgleich zu den Rentenkassen gibt es nicht. Bei der Terroristenverfolgung solls gemacht werden. Hier will man es nicht im Gaunerinteresse von Unternehmen.
  • Die Bundesagentur für Arbeit und ihre angeschlossenen AAs fördern aktiv organisierte Kriminalität von Spediteuren - auch ein Ergebnis der gewollten, weggefallenen gesetzlichen Kontrollpflicht der Firmen, so wie es einst im AFG geregelt war.
  • gesetzliche Mindestlöhne in Deutschland fehlen
  • Die Transportgewerkschaften Europas schlafen und sorgen nicht durch internationale Zusammenarbeit für kontinental einheitliche Sozialschutzregelungen.
  • Insbesondere den Politikern der Unternehmensparteien CDU/CSU/FDP sind die Arbeits- und Lebensbedingungen der AN in allen Branchen scheißegal. Hauptsache der Profit stimmt für den kriminellen Unternehmer. Die öffentliche Verwaltung und die Sozialsysteme können ja wegen hinterzogener Steuern und Sozialsysteme an die Wand gefahren werden. Das wollen diese Parteien. So sehen sie ein wirksames Mittel gegen vermeintliche Bürokratie und Staatseinmischung. Sie wollen eine Willkür- und Terrorherrschaft der Unternehmen ohne existierende Sozialsysteme. Unternehmer wollen gleichzeitig als Terroristen so Staatsdiktatur betreiben.
Der Fall der Spedition Betz ist nur die Spitze des Eisberges im Menschenhandel von Transportarbeitern und Kraftfahrern. Man will nicht den Rest des Eisbergs sehen.

wotse

Zusätzlich kommt noch der Druck durch osteuropäische "Fuhrparkunternehmen" auf älter eingesessene besonders ostdeutsche Unternehmen dazu. Dann darf mal eben so ein Billigpappenheimer aus Polen der hier keine LKW Steuern zahlen muss mit seinem alten W50 eine Tour von Schwedt nach Berlin schippern während die vor Ort ansässigen Unternehmen fiskalisch durch hohe LKW-Besteuerungen an die Wand gefahren werden.

Wie war das gleich noch mit dem EU-Wahnsinn? Es wird alles so schön globalisiert? Selbstverständlich, vor allem die Löhne werden schön nach unten globalisiert. Und der deutsche Kleinunternehmer der bis dato seine Leute einigermasen gut behandelte geht so nebenbei pleite.

Wilddieb Stuelpner

Wo findest Du noch einen W 50, L 60 oder Robur LO bzw. LD 2500, 3000, H3A, H6, S 4001, G 5, Framo, Barkas, Phänomen, Granit 27, 30, 33, Garant 30, 32 auf unseren Straßen?

Bestenfalls mal den Multicar aus Waltershausen (Thür.), Zweigwerk der westdeutschen Hako-Werke GmbH Bad Oldesloe geworden. Momentan produziert Multicar die Baureihen Fumo, M 26, Tremo Carrier.

Die Praga, Jelcz, Skoda, Tatra, LIAZ, MAZ, SIL, SIS, RomanDiesel, Ural, KrAZ, KamAZ, Belas, Zuk, PAZ, UAZ, GAZ, Aro, TV, Csepel, Ikarus trifft man bestensfalls in Museen oder zum Teil im Gelände an.

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