[Bahn] Neues aus Österreich

Begonnen von admin, 19:22:47 Sa. 15.November 2003

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admin

Hiermit will ich vermeiden, daß es im wesentlichen nur ein Bahn-Endlos-Thread gibt.

Was in Österreich passiert macht uns neidisch.
Um hier ähnliche Verhältnisse zu erreichen lohnt es sich, sich die Hintergründe und Aktionen unserer südlichen Nachbarn einmal näher anzusehen. Dazu habe ich ein paar Texte über den gerade beendeten 3 tägigen Streik aus dem Netz zusammengesucht:
ZitatBeitrag am 03.06.2003 br-online.de
     
Streik in Österreich
Öffentliches Leben lahmgelegt

Wer nach Frankreich, Italien oder Österreich will, braucht heute Geduld. Denn in allen drei Ländern wird gestreikt. In Österreich steht aus Protest gegen die geplante Rentenreform der öffentliche Verkehr landesweit still, es wurde keine Post ausgetragen und die Schulen blieben zu. Die Aktion soll bis in die Nacht dauern.

Mit dem größten Streik in der Nachkriegsgeschichte Österreichs wollen die Gewerkschaften gegen die von der Regierung in Wien geplante Rentenreform protestieren. Die Neuregelung sieht bis zu zwölf Prozent Einbußen bei den Renten und eine längere Lebensarbeitszeit vor. Wegen des Streiks enden alle Züge aus Deutschland an den letzten Bahnhöfen vor der Grenze, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Auch in Frankreich wird gegen die geplante Rentenreform gestreikt. Im Bahn- und Luftverkehr sind 80 Prozent der Fahrten und Flüge gestrichen. Die Lufthansa hat deshalb drei Viertel der Flüge nach Frankreich abgesagt. In Italien hat die gesamte Belegschaft der Luftfahrtgesellschaft Alitalia einen vierstündigen offiziellen Streik ausgerufen. Alitalia strich 225 Flüge. Die Mitarbeiter der Fluggesellschaft protestieren gegen den Abbau von Arbeitsplätzen.

ZitatBahn-von-unten:
Wie weiter?
Bilanz des ÖBB-Eisenbahnerstreiks am 4. November 2003
 
 
 1) Es war schon sehr beeindruckend, was sich so am 4. November in Österreich abgespielt hat. Die EisenbahnerInnen organisierten einen lückenlosen 12-stündigen Streik, alle Züge standen still, die Streikpostenlinien wurden von niemanden überschritten - die Gewerkschaftsbewegung zeigte ihre ungebrochene Macht und die Mitgliedschaft ihre ausgezeichnete Disziplin und ihre wieder belebte Kampfbereitschaft. Und trotzdem bleibt der Eindruck bestehen und kriegt man das Gefühl nicht los mit diesem Streik nicht wirklich und vor allem nicht wirkungsvoll die Öffentlichkeit erreicht zu haben.

Natürlich dürfen wir uns nicht beirren lassen von den diffamierenden Berichten der bürgerlichen Journalistenscharen, die die Gewerkschaft und die EisenbahnerInnen nur verhöhnten und dem Streik jegliche Wirksamkeit absprachen. Der Streik war ein großer Schritt vorwärts und hundertmal mehr Wert als zig Artikel, Resolutionen und Reden.  Doch ein Bild mit Symbolcharakter zeigte sich auf fast jeder Dienststelle. Nehmen wir zum Beispiel den Westbahnhof her: Der Bahnhof ist geisterhaft leer. Einige Touristen verlieren sich in der Weite der Halle. Ein Team des ORF filmt geistlos. Der Zugang zu den Geleisen ist geschlossen, davor stehen Streikposten - sie stehen dort mit verschränkten Armen. Schützen die Eisenbahn und die EisenbahnerInnen vor der Öffentlichkeit. Schützen aber auch die Öffentlichkeit vor den EisenbahnerInnen.

Der Streik - so sehr wir ihn unterstützen und siegreich sehen wollen - war ein Ebenbild davon: er war leider nur ein Streik mit verschränkten Armen! Es ist dabei zwar das Potential von Zehntausenden KollegInnen aufgezeigt worden aber gleichzeitig ist schreckhaft darauf  geachtet worden, dass dieses Potential in den Remisen, Bahnhöfen und Werkstätten bleibt.

Man stelle sich diesen 12-stündigen Streik vor bei gleichzeitiger Freisetzung der Energien und Kreativität zehntausender EisenbahnerInnen. Der öffentliche Raum wäre im Handumdrehen erobert worden und eine Welle der Solidarisierung wäre ins Rollen gebracht worden. Der Streik wäre dadurch auch eher zu einem Anliegen der gesamten ArbeiterInnenbewegung geworden und die Lüge von den "Privilegienrittern auf Schienen" würde sich schnell in Schall und Rauch auflösen.

Für das bürgerliche Lager mit seinen Lohnschreiberlingen in den diversen Printmedien ist all das, was ein Arbeiter, eine Arbeiterin mehr bekommt als zur Reproduktion seiner/ihrer Arbeitskraft notwendig erscheint ein Privileg. Diese Haltung ist derart radikal, dass sie nur so umgesetzt werden kann, indem jeweils nur ein Teil der Lohnabhängigen unter Feuer genommen wird, als Nutznießer von Privilegien enttarnt wird, wodurch gleichzeitig jede moralische Anständigkeit dieser Gruppe abgesprochen werden kann und sie damit auch kein Anrecht auf Solidarisierung, auf Unterstützung durch andere Sektoren der werktätige Bevölkerung hat. Ist diese Berufsgruppe erledigt, dann wird die nächste ins Visier genommen, und so weiter - es handelt sich hier um das moderne Teile und Herrsche!

Dieses Spiel der Herrschenden kann nicht durchkreuzt werden, indem wir uns verstecken und nicht auffallen wollen. Genau das Gegenteil ist notwendig. Wir müssen aus der Defensive heraus und Angriffsgeist entwickeln. Wir müssen den Reichen und Mächtigen offensiv entgegentreten und auf den öffentlichen Plätzen ihren Lügen entgegentreten. Wir müssen ebenfalls eine radikale Sichtweise entwickeln, wir müssen die Wurzeln des Übels, die Gemeinsamkeiten aller Lohnabhängigen und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes gegen das bürgerliche Lager aufzeigen. Nur so können wir die Öffentlichkeit erobern.

2) Wer trägt nun die Verantwortung für diese unpassende Streiktaktik? Und was steckt hinter dieser Art und Weise Streiks wie ein militärisches Manöver zu inszenieren? Die Verantwortung hierfür muss unsere Gewerkschaftsführung uneingeschränkt übernehmen. Sie plant nahezu im Geheimen, wie in einem Verschwörungsszenario ihre Aktionen und zum Zeitpunkt X hat die Gewerkschaftsbasis die Schraubenschlüssel fallen zu lassen, und auf Kommando hat sie zum Zeitpunkt Y diese wieder zur Hand zu nehmen und den Streik zu beenden. Solch eine Streiktaktik tötet die Kreativität der Gewerkschaftsbasis, führt zur Passivität und demoralisiert. Diese Streiktaktik ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen - aktive Streiks, getragen vom Willen der Gewerkschaftsbasis!

Warum beschreitet aber unsere Gewerkschaftsführung diesen falschen Weg? Sie ist nicht grundsätzlich gegen die Herstellung einer dubiosen Konkurrenzfähigkeit der Bahn. Sie befürwortet daher ebenfalls eine Reform und sie will daran beteiligt werden. Sie will Überleben, sie will ihre Funktion aufrechterhalten können. Sie ist deshalb nicht nur zu einem Kompromiss bereit (was ja ab und zu tatsächlich notwendig sein kann), sondern sie bereitet durch ihre Streiktaktik einen faulen Kompromiss vor. Einen Kompromiss abzulehnen, wenn er das Ergebnis eines ehrlich geführten Kampfes ist, würde keinem vernünftigen Gewerkschaftsmitglied einfallen. Doch wenn nicht einmal ein echter Massenstreik geführt, wenn die Kräfte nicht einmal halbwegs ernst gemessen worden sind und dann eventuell sogar eine Niederlage hingenommen wird (wie z.B. beim "Pensionssicherungsgesetz"), da wäre massiver Protest aus der Basis sehr wohl zu erwarten. Dieses Gefahrenpotential soll durch die gegenwärtig gewählte Streiktaktik von vorn herein ausgeschalten werden.

Weiters kann unsere Gewerkschaftsführung mit einer "schlanken Bahn" sehr wohl leben, wenn sie nur einen gebührenden Platz darin zugesprochen bekommt. Was ist schon die Vernichtung von zig Tausenden Arbeitsplätzen - nicht das erste Mal würde eine Gewerkschaftsführung bei massiver Arbeitsplatzvernichtung mitwirken - wenn dafür nur die Organisation gerettet werden kann. Die Organisation wird so zum Selbstzweck. Sie ist kein Mittel der Gewerkschaftsmitglieder ihre Rechte zu verteidigen, sondern sie wird zum Selbstzweck der bezahlten Funktionäre, der Gewerkschaftsbürokratie. Diese Bürokratie hat in Zeiten des relativen Klassenfriedens fröhliche Urstände gefeiert, ist immer mächtiger geworden und hat die Mitgliedschaft gänzlich entrechtet. Jetzt, wo der Klassenkampf uns wieder von oben aufgezwungen worden ist, ist diese Gewerkschaftsbürokratie zu einem ernsten Hindernis geworden. Sie verfolgt ihren Eigenzweck, der zunehmend im Widerspruch zu den Interessen der Basis steht. Die Basis muss sich deshalb zusammenschließen, um diesen lähmenden und schädlichen Einfluss der Gewerkschaftsbürokratie zurückzudrängen!

3) Was ist also jetzt zu tun - angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass der Kampf um die ÖBB in die nächste, noch heißere Runde gehen wird? Die Gewerkschaftsmitglieder müssen ihrer Führung kontrollieren  und sie müssen fordern, dass nur sie über die Streiktaktik zu entscheiden haben. Aktive Streiks sind das Gebot der Stunde, weil die "Öffentlichkeit" erobert und eine breite Solidaritätsfront hergestellt werden muss. Dies sollten Forderungen an die Gewerkschaftsführung sein, erhoben auf Betriebsversammlungen, Personalvertreterkonferenzen und Vertrauensmännerausschüssen. Resolutionen sollten an die Gewerkschaftszentrale gerichtet werden, und je größer deren Anzahl ist, desto eher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Wille der Mitgliedschaft von der Gewerkschaftsführung umgesetzt wird. Sollte die Gewerkschaftsführung sich solch einer Massenstimmung versuchen zu entziehen, wäre durch diese Bewegung innerhalb der Mitgliedschaft eine Voraussetzung dafür geschaffen, notfalls auch gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie den Kampf zu einem hoffentlich erfolgreichen Ende führen zu können. Nur in dem wir Bewegung in die Gewerkschaftsbewegung bringen können wir unsere Erfolgsaussichten aufrechterhalten. Machen wir auf diese Art die Gewerkschaftsführung stark, damit sie nicht schwach wird!

7.11.2003         Peter Haumer

Bericht vom Warnstreik der GdE in Wiener Neustadt
6:30h, Wr. Neustadt Hauptbahnhof: Dort wo sich ansonsten täglich 30.000 Reisende ihren Weg zu den Zügen bahnen findet man heute nur eine leere Bahnhofshalle und zwei Streikposten der GdE. "Hier wird gestreikt" steht auf selbstgedruckten Plakaten der GdE-OG Wr. Neustadt. Mit Sperrbändern ist der Weg zu den Bahnsteigen abgesperrt. Den vereinzelten PassantInnen wird ein Infofolder zum Streik in die Hand gedrückt. Auf die Frage nach Veranstaltungen der GdE am heutigen Streiktag wird auf die Streikleitung im Nebengebäude verwiesen. Zwei Pensionisten halten dort die Stellung, da alle Funktionäre Infoveranstaltungen am Gelände des Bahnhofes abhalten. Insgesamt 10 Veranstaltungen sind für diesen Vormittag geplant. Der Inhalt dieser Veranstaltungen war einerseits nochmalige Information über die geplanten Einschnitte der Regierung und andererseits über den momentanen Verlauf des Streiks. Der Vorsitzende der Wr. Neustädter OG der GdE versichert seinen EisenbahnerInnen die Solidarität des ÖGB, wenn die EisenbahnerInnen als die Speerspitze der Streikbewegung auftreten würden. Auch auf die Folgen eines negativen Endes des Arbeitskampfes wird hingewiesen, nämlich ein weiterer Abbau der Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung. Die lokale GdE-Führung wirkte organisiert und bestärkte die Kampfbereitschaft der EisenbahnerInnen. Nach dem Vortrag gab es noch eine SP-kritische Meldung eines Eisenbahners, der sich über die mangelnde Unterstützung seitens der Partei beschwerte. Die Streikbereitschaft der anwesenden ArbeiterInnen war offensichtlich. Im Anschluss an die Dienststellenversammlung erhielten alle EisenbahnerInnen noch das "Funke"-Flugblatt mit der Forderung nach einem unbefristeten Streik.

Ein kämpferischer Streiktag war dies allerdings noch nicht. Die Streikenden versteckten sich in ihren Dienststellen anstatt ihren Unmut öffentlich in Form einer Kundgebung oder Demo kundzutun. Aber was noch nicht ist, kann ja bekanntlich noch werden - Für den nächsten Streiktag kündigte die GdE Wr.Neustadt bereits eine Kundgebung an. Von der GdE wurde auch der Wunsch geäußert, dass die Sozialistische Jugend eine SchülerInnendemo in Solidarität mit den EisenbahnerInnen organisiert.

Unser Korrespondent aus Wr. Neustadt


Zitatbahnvonunten.deKlare Fronten beim ÖBB-Warnstreik
Lückenlos eingehalten - Züge blieben stehen!
 

Der zwölfstündige ÖBB-Streik hat klare Fronten gezogen. Die ÖBB-Führung hat sich deutlich auf die Seite der Regierung gestellt: Einhellig verurteilte man den Streik und will hart dagegenhalten. Die Eisenbahner zeigten sich unbeeindruckt und sprachen von einem "mustergültigen Streik", obwohl die Auswirkungen relativ gering geblieben waren.

Auch mehrtägige Streiks schon als nächster Schritt nicht ausgeschlossen. Eisenbahner sehen "80 bis 90 Prozent der Pendler" hinter sich.

Der halbtägige ÖBB-Streik gegen die geplante Bahnreform ist am Dienstag Punkt 12.00 Uhr zu Ende gegangen. Ein Ende des Konflikts ist aber nicht absehbar. Einig zeigten sich Regierung und Gewerkschaft nur darin, dass es der jeweils anderen Seite an Gesprächsbereitschaft mangle.
Annäherung hat es am Dienstag keine gegeben. Eisenbahner-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl erklärte nach den Ende des Warnstreiks umgehend: "Wahrscheinlich wird eine Erweiterung der Streiktätigkeit erforderlich sein."Den Warnstreik am Dienstag bewertete Haberzettl Dienstagmittag als "mustergültigen Streik". Der Protest sei "lückenlos" eingehalten worden. Es habe nicht einmal das "geringste Anzeichen" eines Streikbruchs gegeben. Insgesamt sind am Dienstag zwischen 0 und 12 Uhr laut Gewerkschaft 4.067 Züge nicht gefahren. Betroffen sind davon etwa 700.000 Fahrgäste, die am Dienstagmorgen auf die Bahn verzichten mussten.Die Gewerkschaft sieht die betroffenen Bahnfahrer dennoch hinter sich. 80 bis 90 Prozent der Pendler hätten in den Gesprächen im Vorfeld Verständnis für die Proteste gezeigt. Es sei ihm klar, dass die Stimmung kippen werde, "wenn man die Proteste überzieht". Um die künftige Existenz der ÖBB sicherzustellen, werde es aber auch "notwendig sein, unter Kippen der Stimmung den Kampf weiterzuführen", sagt Haberzettl.Zuletzt war von einem ganztägigen Streik am kommenden Dienstag die Rede gewesen - jenem Tag, an dem die ÖBB-Reform im Ministerrat beschlossen werden soll. Haberzettl will sich auf den Termin nicht festlegen und schloss im Gespräch mit der APA auch nicht aus, dass der nächste Streik länger als einen Tag dauern könnte.Zwar will Haberzettl noch eine letzte Verhandlungsrunde zwischen Regierung und Gewerkschaft abwarten, die noch vor kommenden Dienstag stattfinden soll. Zuversichtlich zeigt sich der Gewerkschafter aber nicht. "Hätte die Regierung ernsthaft verhandeln wollen, hätte sich schon in den letzten 13 Gesprächen etwas bewegen können", so Haberzettl. Die Regierung halte noch immer an ihrem ersten Reformentwurf fest. (ORF 5.11.2003)

Euer Robert Rottensteiner

(Wien)




Zitataus der Website des Österreichischen Gewerkschaftbundes:

Gewerkschaft fordert Rücknahme der Reform.
Ministerrat beschloss am 11. November 2003 das von Rechnungshof und zahlreichen Experten kritisierte Gesetzespaket zur Zerschlagung und Privatisierung der ÖBB.

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Die Eisenbahner traten am 11. November 2003 um Mitternacht in einen unbefristeten Streik. Die Gewerkschaft der Eisenbahner (GdE) reagierte damit auf die Verabschiedung der sogenannten "ÖBB-Reform" im Ministerrat. Der Streik richtet sich gegen den gesetzlichen Eingriff in privatrechtliche Dienstverträge und die "sinnlose Zerschlagung des Unternehmens". "Mit dieser Strukturreform würde das Unternehmen in den Tot geführt", betonte der GdE-Vorsitzende Wilhelm Haberzettl und ortete "Null Kompromissbereitschaft und Flexibilität" von Seiten des Verkehrsministers. Dieser habe das Angebot der Eisenbahnergewerkschaft zur Beilegung des Konflikts ohne Nachdenken abgeschlagen: "Der Verkehrsminister will die ÖBB zerschlagen und privatisieren - der Weg für englische Zustände mit weniger Sicherheit und teureren Fahrpreisen ist somit frei."

Postbus: Protest gegen geplante Teilprivatisierung
Auch beim Postbus wurde am 12. November 2003 gestreikt. Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Robert Wurm protestierte die Postbusbelegschaft gegen die geplante Teilprivatisierung ihres Unternehmens, die in Folge eines entsprechenden Regierungsauftrags im Postbus-Aufsichtsrat fixiert worden war. Demnach soll der Postbus-Eigentümer ein Drittel des Unternehmens an Private verkaufen. Die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) verlangt eine Rücknahme der entsprechenden Beschlüsse. Sie fürchtet durch den Teilverkauf den Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen und den "wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens".

Datum: 11.11.2003

Zitataus der Website des Österreichischen Gewerkschaftbundes:
 
Haberzettl: EisenbahnerInnen werden unter Druck gesetzt
Eisenbahnergewerkschaft warnt Verkehrsministerium vor politischer Eskalation

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Die Eisenbahnergewerkschaft wies Dienstag darauf hin, dass die MitarbeiterInnen der ÖBB in einem so genannten "Topmail" vom ÖBB-Vorstand mit Schadenersatzforderungen und Entlassungsdrohungen unter Druck gesetzt werden.

Aus informierten Kreisen sei bekannt geworden, dass diese Drohungen des ÖBB-Vorstands über Auftrag der politischen Führung des Infrastrukturministeriums erfolgten, sagte GdE-Vorsitzender Wilhelm Haberzettl. Dieser Versuch, die
ÖBB-MitarbeiterInnen in einer Streiksituation derart unter Druck zu setzen, werde von der Gewerkschaft als ungeheuerlich zurückgewiesen. Haberzettl warnte die politischen Verantwortlichen des Bundesministeriums ausdrücklich vor einer Eskalation bei der politischen Verfolgung von DienstnehmerInnen und wies darauf hin, dass mit solchen Drohungen die europäische Sozialcharta verletzt würde.


Datum: 12.11.2003  
 
 

Zitatyahoo news
Österreichs Eisenbahner streiken den dritten Tag

Wien (dpa) - Die österreichischen Eisenbahner haben ihren dritten Streiktag begonnen. Bei Verhandlungen mit der Regierung sei keine Lösung erreicht worden, hieß es aus Verhandlungskreisen. Damit müssen erneut über mehr als eine Million Fahrgäste auf ihr gewohntes Transportmittel verzichten. Die Fernzüge blieben an den Grenzen stehen.

ZitatGewerkschaft der Eisenbahner online-info:

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir können mit Stolz behaupten, dass wir unser Streikziel erreicht haben.
Die von der Bundesregierung geplanten gesetzlichen Eingriffe in das Dienstrecht der ÖBB konnten erfolgreich abgewehrt werden.

Wir bedanken uns für eure tatkräftige Unterstützung bei den Streikmaßnahmen.

Mit eurer Hilfe haben wir erreicht:

DIENSTRECHT

Kein gesetzlicher Eingriff in unsere privatrechtlichen Verträge
Erhalt des Kündigungsschutzes
Kein Einfrieren der Gehälter
Keine zwangsweise Arbeitskräfteüberlassung
Keine gesetzlichen Einschränkungen für die künftige Gestaltung unseres Arbeitsrechtes
STRUKTURGESETZ

Wesentliche Veränderung der Unternehmensziele der Personalgesellschaft in Richtung Servicierung für die MitarbeiterInnen (Soziales, Aus- und Weiterbildung, Lehrlinge, usw.)
Dadurch auch Sicherung tausender Arbeitsplätze im Bereich Infrastruktur
Dieser Erfolg ist eurem unermüdlichen Einsatz und Engagement sowie der Unterstützung aller Fachgewerkschaften, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und aller befreundeten, solidarischen Organisationen und Menschen zu verdanken.

        Der Vorsitzende                                     Der Zentralsekretär

       Wilhelm Haberzettl                                      Norbert Bacher



Datum: 14.11.2003 21:31

ManOfConstantSorrow

Ich war vor nicht allzulanger Zeit in Österreich im Urlaub.

Ich erwartete eigentlich ein Alpenvölkchen, das komische Trachten trägt, Mozartkugeln herstellt und Obstler brennt und ansonsten Haider wählt.

Dann erwartete mich ein Kulturschock der anderen Art. Als ich mich in Kulturzentren umsah, hatte ich das Gefühl aus der 3. Welt zu kommen. Die Förderungen der Kultur hat man sich nicht so zusammenkürzen lassen, wie in Deutschland. Man war nicht nur technisch gut ausgestattet, ein Projekt, vergleichbar mit der alten Meierei kam auf immerhin 1,5 aus öffentlicher Hand bezahlter Stellen.

Es wurde gerade Material für den Anstehenden Wahlkamf verteilt. In einer Broschüre der Grünen las ich, daß soziale Absicherung nicht länger eine Almosengabe sein darf, sondern daß der Staat verpflichet werden muß die soziale Absicherung der Menschen zu garantieren. Das ist etwa das genaue Gegenteil der grünen Politik in Deutschland.

Ich besuchte ein freies Radio und staunte, daß am Wochenende das Staatliche Radio ein Programm sendete, daß wesentlich subversiver war, als alles, was ich beim FSK in HH je gehört habe.

In Graz wählten über 20% kommunistisch.

Gleichzeitig mußte ich auch Rassismus mitbekommen (die Schwarzen Musiker einer Reggaeband wurden in eine Disco nicht hineingelassen).

Es gibt aber eine Vielzahl politischer Organisationen und Basisgruppen, die für ein gewachsenes politisches Bewußtsein in der Bevölkerung gesorgt haben.

Hier ein paar österreichische Websites, die sich mit der BAHN auseinandersetzen:

http://www.bahnstirbt.at

http://www.eisenbahner.at/servlet/ContentServer?pagename=GDE/Page/GDE_Index&n=GDE_0

www.gruene-eisenbahner.at/
 
http://www.rettetdiebahn.at

http://www.derfunke.at
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Jim Knopf

Zitatwir können mit Stolz behaupten, dass wir unser Streikziel erreicht haben.
Die von der Bundesregierung geplanten gesetzlichen Eingriffe in das Dienstrecht der ÖBB konnten erfolgreich abgewehrt werden.


Da hat wohl die Österreichische Gewerkschaft ein wenig zu dolle auf den Putz gehauen. Ein vollständiger Sieg war es mit Sicherheit nicht.

Eine Kritische Einschätzung aus Österreich habe ich bei labounet gefunden:


Ö B B - S t r e i k: Hintergründe, Gefahren und Perspektiven

Wenig überraschend sind am 10. November die Gespräche zwischen Infrastrukturminister Gorbach, Staatssekretär Kukacka und GdE-Vorsitzendem Haberzettl über die ÖBB-Reform gescheitert. Die schwarz-blauen Pläne zur Zerschlagung der ÖBB, der sozialen Einschnitte bei den ÖBB-Bediensteten und der weitgehenden Zurückdrängung des Einflusses von Belegschaftsvertreter/innen und Gewerkschaft bei den Bundesbahnen boten der GdE-Bürokratie keinen Spielraum für Zugeständnisse. Jedes Nachgeben hätte die Kluft zwischen Gewerkschaftsspitze und Basis zu weit aufgerissen.

Der unbefristete Streik, zu dem GdE und ÖGB-Bundesvorstand nun aufrufen, ist prinzipiell die richtige Antwort auf die Regierungsprovokationen - wir warnen aber vor allen Illusionen in die Form von "Streiks", welche die GdE nun vorbereitet. Zwei Welten stehen einander gegenüber: Die der Gewerkschaftsbürokratie, die seit Jahren diverseste "Rationalisierungskonzepte" mitgetragen hat und sich sozialpartnerschaftlich verantwortungsbewusst gebärdet und Standort- und Unternehmensinteressen über die Verteidigung der Kolleg/inn/en bei den ÖBB stellt. Und die Welt der Bahnbediensteten, denen mit Hilfe der GdE/FSG Solidaropfer, höhere Sozialversicherungsbeiträge und ungünstigere Arbeitszeitregelungen aufgebürdet wurden, deren Wochenarbeitszeit weit über den 38,5 Stunden in der Privatwirtschaft liegt und die unter anderem deshalb früher die erforderliche Lebensarbeitszeit für den Pensionsantritt erreichen. Spät - vielleicht zu spät - haben GdE-Spitze und ÖGB-Bundesvorstand zuerst einen 12-stündigen Streik und nun einen mehrtägigen Streik bei den ÖBB beschlossen, um die parlamentarische Beschlussfassung über die sogenannte "ÖBB-Reform"von FPÖVP zu verhindern.

Regierungspläne
Die Pläne der Regierung - Zerschlagung der ÖBB durch Filetierung in die Bereiche Güterverkehr, Personenverkehr und Infrastruktur, die Ausgliederungvon Personal in eine eigene Personalbereitstellungsfirma zum Zwecke einer Aushebelung der sozialen Rechte der Betroffenen, Eingriffe in die Dienstverträge und Zerschlagung der Personalvertretung - sind nicht neu, sie sind im Regierungsprogramm von SchwarzBlau fixiert.

Das plant die Regierung im Detail: Abbau von 12.000 Kolleg/inn/en; Ausgliederung von 5.000 ÖBBler/innen in eine neu zu gründende "Personalmanagement AG"; einen allgemeiner Lohnstopp; die Aufhebung von Urlaubs- und Zeitausgleichregelungen, Kürzung der Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall; keine Pausen- und Ruhezeitregelungen mehr; die Aufhebung des Kündigungsschutzes: das Pensionsantrittsalter wird um mindestens 5 Jahre erhöht, obwohl die ÖBBler/innen um 47 % höhere Pensionsbeiträge als unter das ASVG fallende Arbeiter/innen und Angestellte einzahlen; der Durchrechnungszeitraum wird auf 40 Jahre ausgedehnt, was zu deutlichen Pensionseinbußen führen wird; der Pensionssicherungsbeitrag wird für aktive und pensionierte ÖBBler/innen von 4,8 auf 5,8 Prozent erhöht; die Aufhebung des Bundesbahnverfassungsgesetzes (BBVG) und damit die Zerschlagung der Personalvertretung und stattdessen die Regionalisierung durch Betriebsrätevertretung.

EU-Vorgaben und britische Erfahrungen
Die derzeitige Regierung vollzieht dabei genau das, was Brüssel vorgibt. Schon seit Anfang der 90er Jahre wurden von der EU eine Reihe von Richtlinien beschlossen, die die Deregulierung, Liberalisierung und letztendliche Privatisierung des Schienenverkehrs vorbereiten. EU-weit wird von allen Mitgliedsländern damit jetzt ernst gemacht. Ziel ist es, vor allem den Bereich des Schienengüterverkehrs dem Diktat marktwirtschaftlich geführter Unternehmen zu unterwerfen. Seitens der Gewerkschaften wurde kaum nennenswerter Widerstand gegen diese Politik geleistet. Im Gegenteil. Im Kern trugen und tragen die Gewerkschaften den Kurs mit, dass auch der öffentliche Verkehr rentabel sein müsse. Die deutsche Eisenbahnergewerkschaft brüstet sich, diese Linie gegen den Widerstand der Mitglieder durchgesetzt zu haben. Die Zeche zahlen Millionen Werktätige in Europa. So wie in Großbritannien, das europaweit das einzige Land ist, das den Bahnsektor bereits voll privatisiert hat (1993). Seither stiegen die Unfallzahlen auf das Vierfache, die staatlichen Zuschüsse verdoppelten sich und die Fahrpreise explodierten. Die British Rail wurde in etwa 200 Unternehmen zerschlagen. Nachdem heuer nach einigen Rettungsversuchen des zentralen Schienenbetreiberunternehmens dieses in Konkurs wurde dieser Bereich nach einem Jahrzehnt marktwirtschaftlicher Experimente reverstaatlicht.

All dies sind keine neuen Erfahrungen, all dies ist vom europäischen Kapitel von langer Hand vorbereitet. All dies soll jetzt auch von der österreichischen Bundesregierung angegangen werden. Und von all dem weiß die GdE-Bürokratie nicht erst seit diesem Herbst. Wieso also dieser "Widerstand in letzter Minute"? Warum hat die GdE-Bürokratie zwar immer wieder vage mit Aktionen gedroht, aber weiterhin mit Gorbach, Kukacka und Vorm Walde verhandelt?

Haberzettl: Große Töne, nichts dahinter
Die ÖBBler/innen kennen das "Verhandlungsgeschick" von Willy Haberzettl bereits zur Genüge: Faule Kompromisse, Verschlechterungen bei Pensions- und Bezügeregelungen und gleichzeitig griffige, kämpferische Rhetorik pflastern seinen Weg. 1997 hat die GdE - entgegen Haberzettls ursprünglichen Ankündigungen auf öffentlichen Versammlungen - der ÖBB-Pensionsreform zugestimmt, die den Bahnbediensteten schmerzhafte Zusatzzahlungen aufbürdete - das geschah noch unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler, wohlgemerkt! Im Jahr 2000 stimmte Haberzettl einem Reformpaketvon FPÖVP zu - seither zahlen die ÖBBler 3 % ihres Bruttobezugs als "Arbeitsmarktförderungsbeitrag" an den Staat. Und während der Bewegung gegen die Pensionsreform im Mai und Juni dieses Jahres? So wie die anderen Bürokrat/inn/en des ÖGB spuckte Haberzettl zwar kämpferische Töne - gleichzeitig aber wurde alles unternommen, um eine wirkliche Streikbewegung gegen den Sozialabbau zu verhindern und in "symbolische Bahnen"zu lenken. Man lief von Rundem Tisch zu Rundem Tisch, signalisierte "Kompromissbereitschaft"und staatstragende Zurückhaltung - und als die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ am 11. Juni 03 das Pensionsraubpaket durch die parlamentarische Abstimmung peitschten, erklärte man den empörten Mitgliedern der Gewerkschaft ganz einfach, das sei nun eben "die Demokratie", und man müsse sich mit dem Scheitern der Proteste abfinden...

Sozialpartnerschaft - Verrat an den Arbeiter/innen/interessen
Sprechen wir es offen aus: Die Gewerkschaftsbürokratie verrät die Interessen der Arbeiter/innen und Angestellten, um weiterhin durch ihre Rolle im Gefüge der sogenannten Sozialpartnerschaft ihre sicheren Posten und Pöstchen zu behalten. Die Gewerkschaftsbürokrat/inn/en sind in einer ständigen Zwickmühle: Für die Kapitalist/inn/en sind sie nur solange wertvoll, als sie die Arbeiter/innen unter Kontrolle halten können - um diese Kontrolle ausüben zu können, müssen sie den Eindruck erwecken, sich für die Basis einzusetzen. Das kann sie nur, indem sie den zunehmenden Unmut, die Angst und die Kampfbereitschaft der Mitglieder so weit wie notwendig aufgreift, um den Eindruck zu erwecken, "eh was zu tun". Gleichzeitig aber dürfen die Mitglieder in der Praxis nicht mitreden oder gar mitentscheiden. Genau deswegen scheuen die KollegenVerzetnitsch, Haberzettl, Nürnberger, Sallmutter etc. ja auch den Streik wie der Teufel das Weihwasser: Jede eigene Kampferfahrung der Menschen in den Betrieben könnte ihnen zeigen, welche Macht sie selbst darstellen; könnte ihnen zeigen, was Solidarität wirklich erreichen kann; könnte Zweifel darüber aufkommen lassen, ob die ewigen Packeleien hinter verschlossenen Türen, die ewigen Kompromisse wirklich der einzige Weg sind, um "etwas"zu erreichen. Vor allem könnte die Frage auftauchen, was auf diesem sozialpartnerschaftlichen Weg eigentlich wirklich erreicht wurde. Warum die Unternehmer/innen, die ja angeblich so faire Partner/innen sind, beim Steuerrecht bevorzugt werden, während die Arbeiter/innen bis aufs Hemd ausgezogen werden? Warum die Produktivität im letzten Jahr um 4,3 % gestiegen ist, die Löhne bei den Metallern als "Leitlinie"aber nur um 2,1 % angehoben werden? Warum die Arbeitslosenzahlen ständig nach oben klettern, gleichzeitig aber das Privatvermögen der reichsten Österreicher/innen immer mehr anwächst - ein klarer Beweis für die Umverteilung von unten nach oben!

Französische Lehren und Solidarität mit den Eisenbahner/inne/n
Die ÖBBler/innen sind zurecht empört, und sie haben auch zu Recht Angst um ihre Arbeitsplätze, um ihre Altersvorsorge, um das Schicksal ihrer Familien. Sie sollten selbst über den Streik entscheiden - und über andere Protestformen, die jetzt dringend notwendig sind. Blicken wir nach Frankreich - die reformistische, der SP nahestehende, Gewerkschaft CFDT hat dort im Frühsommer der Pensionsreform der rechtsbürgerlichen Regierung Raffarin zugestimmt - gegen den Willen der Gewerkschaftsmitglieder. Vorige Woche haben sich massiv ganze Regionalverbände der CFDT-Eisenbahnergewerkschaft von ihrem bisherigen Dachverband gelöst und sind der KP-nahen CGT und den kämpferischen SUD-Gewerkschaften beigetreten. Sie haben damit nicht einfach die Mitgliedskarten getauscht, sondern klar bekundet: "Genug mit Kompromissen und dem Verkauf unserer Interessen - nur Kampfaktionen können die neoliberalen Angriffe stoppen" (wobei es keine Illusionen in die Kampfbereitschaft der CGT geben darf!).

In Österreich haben sich während der gesamten Bewegung gegen die Pensionsreform immer wieder tausende Eisenbahner/innen an Demonstrationen und Protestversammlungen beteiligt. Das ist der richtige Weg der branchenübergreifenden Zusammenarbeit von verschiedenen Teilen der Arbeiter/innen/klasse. In diesem Sinne ist es im jetzigen Kampf wichtig, dass sich andere Teile der Werktätigen nicht von Regierung und Medien gegen die Eisenbahner/innen aufhetzen lassen.

Sagten Sie "Privilegien"?
Glaubt man den unabhängigen Medien - ob Krone, ORF oder Kurier -, dann sind die "anständigen"Arbeiter/innen und Angestellten, die Beamten und - natürlich! - die Kleingewerbetreibenden auf den Bahnhöfen massiv gegen Kampfaktionen. Tenor: "Die Privilegierten haben's nötig".

Wie schaut's aber wirklich mit den Privilegien bei den ÖBB aus? Mit den "Frühpensionierungen" etwa? Im Gegensatz zu den meisten Beschäftigten in der Privatwirtschaft, die sich die 38,5 Stunden-Woche erstritten haben, gibt's für die ÖBBler/innen Schichtdienste und Wochenarbeitszeiten von bis zu 60 Stunden; Sonntags-, Feiertags- und Nachtdienste sind eine Selbstverständlichkeit - im "Dienst der Öffentlichkeit". Dass durch diese längere Wochenarbeitszeit die Lebensarbeitszeit der durchschnittlichen Werktätigen in jüngeren Jahren erreicht wird, liegt auf der Hand. Wo also liegt das "Privileg", noch dazu, da die ÖBBler/innen einen deutlich höheren Beitrag in die Pensionskassen einzahlen als die ASVG-Versicherten? Noch dazu liegt die Lebenserwartung der Eisenbahner/innen aufgrund der Belastung durch die Schichtarbeit deutlich unter der des Bevölkerungsdurchschnitts. Bei der Krankenversicherung werden die Eisenbahner/innen mit 20% Selbstbehalt belastet - "Selber schuld", sagen unsere Anti-Privilegien-Kämpfer - immerhin gab es im Jahr 2001 über 2.800 Arbeitsunfälle bei den ÖBB! Statistisch bedeutet das: Pro Jahr erleiden 5 Prozent der Eisenbahner/innen einen Arbeitsunfall - das ist deutlich höher als der Schnitt in anderen Branchen. Auch der Kündigungsschutz wird immer wieder ins Treffen geführt. Nun - der kapitalistische Staat hatte seine Gründe, warum er mit diesem "Zuckerl" Arbeitskräfte anheuerte (1970 gab es eine Rekrutierungskampagne der ÖBB mit dem Foto eines strahlenden Buben mit Teddybär am Arm und dem Text: "Der Arbeitsplatz meines Pappi ist sicher" - der Pappi war Eisenbahner). Der Kündigungsschutz sollte die ungünstigen Arbeitszeiten, die niedrige Entlohnung und den Arbeitsstress ausgleichen ... nur wird er zum Totschlagargument gegen die Eisenbahner/innen. In einem Punkt aber stimmen wir der "Krone"zu - auch wir sind der Ansicht, dass die Privilegienritter im Verkehrssektor davongejagt werden müssen. Unser Tipp: Infrastrukturminister Gorbach, der sich jüngst einen neuen Dienst-Audi um 50.000 Euro bestellt hat!

Kapitallogik und Streikperspektive
Die ständigen Kapitulationen der Gewerkschaftsführung machen die Unternehmer/innen und ihre Regierung um nichts weniger aggressiv - ganz im Gegenteil. Seit den von oben gegängelten und dann abgewürgten Streiks im Mai und Juni verschärfen die Kapitalist/inn/en ihre gewerkschafts- und betriebsratsfeindliche Gangart ganz deutlich: In Vorarlberg hat der Verleger Russ die Gewerkschaft wegen des Aktionstags vom 6. Mai wegen "Geschäftsstörung"geklagt; bei den Austrian Airlines hat die Geschäftsführung eine Betriebsversammlung des Luftpersonals mittels einstweiliger gerichtlicher Verfügung untersagen lassen; der ÖBB-Vorstand hat laut über Schadenersatzklagen gegen Kolleg/inn/en nachgedacht, die sich an Protestaktionen beteiligen. Jede Streikaktion gegen Sozialabbau und Kündigungen ist heute nicht mehr nur der Kampf der unmittelbar Betroffenen - sie ist ein Kampf für die Verteidigung der Streik- und Organisationsfreiheit aller Arbeiter/innen und Angestellten in ihrer Gesamtheit. Deshalb ist die Solidarität mit dem Kampf der Kolleg/inn/en bei den ÖBB eine absolute Notwendigkeit. Es ist positiv, dass nun auch die Postbus-Fahrer/innen solidarisch mit den ÖBBler/innen streiken wollen. Noch positiver wäre es aber, wenn die Initiativen von unten kämen, von demokratisch gewählten Streikkomitees, die zentralisiert Kampf- und Protestaktionen koordinieren sollten. Streik - das müsste bedeuten: Stilllegung des Bahn- und Postbusbetriebs, Straßenblockaden und eine zentrale Demonstration dorthin, wo die Angriffe koordiniert und geplant werden - zur Regierung und zum Parlament. Das müsste aber auch bedeuten: Herstellung einer solidarischen Kampffront gemeinsam mit Arbeiter/inne/n und Angestellten anderer Branchen. Bei ÖBB und Postbus müsste das heißen: Auch die in der GPA organisierten Angestellten müssten den Streik mittragen (statt wie vor einer Woche im Auftrag des Management die Schienenersatzverkehre durch private Busunternehmer zu organisieren). Möglichst viele Betriebe, möglichst viele Gewerkschaftsbetriebs- und Ortsgruppen müssten sich mit dem Kampf der ÖBBler/innen solidarisieren. Es geht nicht um die ÖBB, es geht um das Schicksal der Eisenbahner/innen. Es geht nicht um Sonderinteressen, sondern um die Verteidigung der Rechte aller Arbeiter/innen und Angestellten.

Ein mehrtägiger Eisenbahner/innen/streik ist für die österreichischen Klassenkampfverhältnisse ein Schritt vorwärts. Vor zu großer Euphorie muss dennoch gewarnt werden. Viele der beschriebenen notwendigen Maßnahmen werden von der Gewerkschaftsführung nicht oder nur halbherzig organisiert. Beispielsweise werden die Eisenbahner/innen bisher an ihren Dienststellen isoliert von einander und isoliert von der restlichen Arbeiter/innen/klasse "festgehalten". Demonstration wurde bisher keine angekündigt. In anderen Branchen organisiert die Gewerkschaftsführung keine systematische Solidaritätskampagne. In Österreich ist die Kontrolle des Gewerkschaftsapparates über die Mitgliedschaft besonders stark, Erfahrungen mit Selbstorganisation im Streikkomitees sind schwach ausgeprägt. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Gewerkschaftsbürokratie wie schon im Frühjahr nach einigen Streiktagen und einigen läppischen Zugeständnissen verkündet, dass nun das Parlament am Wort sei - und so den Kampf abbricht. Ein konsequenter Kampf wird nur gegen den Widerstand der konservativen, sozialpartnerschaftlichen Bürokrat/inn/en möglich sein.

In Österreich ist der Weg zur Schaffung eines kämpferischen ÖGB, einer selbstorganisierten Streikbewegung bis hin zum unbefristeten Generalstreik und der Bruch mit der kapitalistischen Logik nach Jahrzehnten Sozialpartnerschaft und Passivität natürlich schwierig - gerade weil sozialdemokratische Reformist/inn/en die Arbeiter/innen/bewegung dominieren. Eine echte Änderung der Situation der Lohnabhängigen ist nur möglich, wenn diese Dominanz gebrochen wird. Deshalb ist der Aufbau einer revolutionären Arbeiter/innen/partei heute die zentrale Aufgabe.

Paul Mazurka

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