Tag der Wahrheit für HDW: Wie viele müssen gehen?
Werftchef Burmester präsentiert Strukturkonzept - Flaute im Handelsschiffbau
Kiel - Hunderte von Jobs gehen verloren, Aus für den Handelsschiffbau - in der Gerüchteküche brodelt es seit Monaten. Nun soll es Klarheit geben: Heute will der HDW-Vorstand unter Führung von Helmut Burmester (63) den Wirtschaftsausschuss des Unternehmens über ein Strukturkonzept informieren, mit dem die Werft der Auftragsflaute im Handelsschiffbau dauerhaft begegnen will. Konkrete Maßnahmen drangen zwar bis gestern nicht an die Öffentlichkeit, doch soviel ist klar: Mit Kurzarbeit für ein paar Hundert Mitarbeiter ist es nicht getan. Nur ein dreiviertel Jahr nach dem jüngsten Personalabbau stehen bei der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG erneut Arbeitsplätze auf der Kippe.
Nichts Gutes für die Zukunft von HDW als Universalwerft schwant Wolfgang Mädel, dem ersten Bevollmächtigten der IG Metall Kiel: "Ich befürchte, dass unter dem Deckmantel der Personalanpassung ein Konzept präsentiert wird, das mit seinen Einschnitten den Einstieg in das Sterben des Handelsschiffbaus in Kiel bedeutet."
Fest steht nach Informationen der Kieler Nachrichten allerdings, dass Burmester nicht das Aus für den Bau von Fähren oder Kreuzfahrtschiffen an der Förde verkünden wird. Ein solcher Schritt wäre auch nicht ratsam: Seit jeher profitiert die Werft mit ihren konzernweit mehr als 5000 Stellen (davon knapp 3400 in Kiel) davon, dass sie beides kann: Überwasserschiffe bauen und U-Boote. So können im Idealfall Nachfragelücken in einem durch Aufträge im anderen Segment ausgeglichen werden. Das Problem ist nur: Während der Bau von U-Booten dem Unternehmen Milliarden einbringt, erwirtschaftet der Handelsschiffbau rote Zahlen. Entnervt von dem Millionen-Debakel mit den griechischen "Superfast"-Fähren gab deshalb bereits Ex-Werftchef Klaus Lederer die Losung aus: Handelsschiffbau ja, aber in einem deutlich verringerten Umfang. Und Neuaufträge sollte die Werft nur noch zu Konditionen hereinnehmen, die Verluste in engen Grenzen halten. Doch solche Aufträge scheinen gegenwärtig nicht in Sicht. Die Schere zwischen Nachfrage und Angebot klafft immer dramatischer auseinander, und auch die aggressive Konkurrenz aus Südkorea macht die Preise kaputt.
Doch Mädel warnt den Vorstand davor, sich mit den Argumenten Kostendruck und Marktschwäche aus der Affäre zu ziehen: "Natürlich bewegt sich HDW in rauer See. Das darf aber nicht dazu führen, erneut an der Personalschraube zu drehen." Mit dem Abbau von mehr als 200 Mitarbeitern im vergangenen Jahr habe die Werft bereits die Untergrenze dessen erreicht, was für einen eigenständigen Handelsschiffbau nötig sei. Der Verdacht des Gewerkschafters, der auch Mitglied des HDW-Aufsichtsrats ist: Dem Management fehle es am nötigen Ehrgeiz beim Akquirieren von Aufträgen im Handelsschiffbau: "Warum schafft ausgerechnet HDW nicht das, was anderen deutschen Werften gelingt: Aufträge zu Kosten deckenden Preisen hereinzuholen?" Den Handelsschiffbau weiter zu verkleinern - etwa Teile des Stahlbaus in Billiglohnländer zu verlagern - hieße für Mädel, entscheidendes Know-how unwiederbringlich zu verlieren. Dass der Vorstand nicht einfach zusehen kann, wie die ehemals stolze Gewinne schreibende Werft in die Verlustzone rutscht, sieht auch Mädel ein. "Was wir brauchen, ist eine Überwinterungsstrategie, die uns erlaubt, flexibel zu reagieren, wenn die Auftragslage sich wieder bessert." Eine Reduzierung der Arbeitszeit könne eine Alternative sein. Auch einen finanziellen Beitrag der Beschäftigten schließt Mädel nicht aus. "Der aber macht nur dann Sinn, wenn die Weichen neu gestellt werden." Schließlich hätten die Mitarbeiter in der Vergangenheit bereits Arbeitsstunden ohne Bezahlung geleistet, ohne dass sich die Situation verbessert habe. Dabei seien bereits erhebliche Produktivitätsfortschritte erreicht worden. Mädel ist sicher: "Was diese Werft braucht, ist ein Auftrag, um zu beweisen wie gut sie ist."
Für Werftchef Burmester ist die Bewältigung der Flaute im Handelsschiffbau beileibe nicht die einzige Herausforderung. Nach Kiel geholt hatte die HDW-Mutter OEP den Ex-Chef von VAW Aluminium offenbar auch, um die Eigentümerstruktur der Werft neu zu ordnen. Und das könnte bedeuten: Verkauf von HDW an den ThyssenKrupp-Konzern mit seinen Werften Blohm+Voss (Hamburg) und Thyssen-Nordseewerke (Emden). Man betrachte HDW als "langfristige Investition" heißt es dazu bei OEP, der Investmentochter der amerikanischen Bank One. Bei der Suche nach einem Käufer stehe man nicht unter Zeitdruck