Wohin führt die Klientelpolitik der CDU/CSU/FDP/SPD im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich?
Statt dass die Beitragsbelastung gesenkt wird, die Kostentreiber kalt gestellt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, ist der Gesundheitsfonds von den Regierungsparteien so gestaltet worden, das er für diese Regierungsklientel zum Selbstbedienungsladen verkommt. Ihnen ist es scheißegal, daß sie als Kostentreiber die SV-Beiträge auch in Zukunft in die Höhe jagen.
Zu diesen Kostentreibern zählen die Pharmaindustrie, die Ärzteverbände, die Apothekerverbände, die Hersteller von Medizintechnik, die Krankenhäuser, die Rettungs- und Krankentransportdienste, die Krankenkassen selber, um nur einige davon zu nennen.
Aktuell gehen Vertreter von Krankenversicherungen bei Ärzteverbänden und niedergelassenen Ärzten hausieren, um dort mit unseriösen Schmiergeldangeboten die Behandlungseinstufung, die Diagnosecodierung ihrer Patienten Richtung chronischer Erkrankungen zu manipulieren. Je schwerwiegender und langanhaltender die Behandlung, desto mehr Zuwendungen erhalten die am Gesundheitsfonds begünstigenden Seiten. Und da zählt momentan nur das Prinzip: Wer zuerst kommt mahlt zuerst und kann das Meiste abstauben. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, der hat das Nachsehen und geht Pleite. Das ist eben der soziale und finanzielle Schaden am gesundheitlichem Versorgungssystem, wenn man auf konkurrierde Privatwirtschaft statt Bürgerversicherung setzt und die Gesundheit zur Handelsware macht. Konkurrenzkampf hat in bestimmten Volkswirtschaftsbereichen nichts zu suchen und dazu zählt eben das Gesundheitswesen, die Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung.
So mißbraucht man auch das Hausarztmodell, von dem auf einmal die Gesundheits-Trulla nichts mehr wissen will. So schafft man Monopolstrukturen wie in der Energieversorgung von Merkels Gnaden.
ARD/SWR, Sendung "Report Mainz" vom 19.01.2009: Verhökerte Patienten - Fragwürdige Deals zwischen Ärzten und KrankenhäusernWie das geht, dass eine Hand die andere wäscht, das zeigen wir Ihnen jetzt. In unserem Fall funktioniert es so: Ein Krankenhaus sagt zu einem Arzt, wenn Du künftig Deine Patienten alle zu mir schickst, dann soll das Dein Schaden nicht sein.
Ein klarer Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung. Denn da heißt es: Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen.
Monika Anthes zeigt, wie diese klare Regelung unterlaufen wird. Zum Schaden von uns allen.
Bericht:Alltag in Arztpraxen. Die Patientin muss operiert werden. Der Arzt empfiehlt ein bestimmtes Krankenhaus. Sie vertraut seinem Rat.
Doch was, wenn hinter dem Rat finanzielle Interessen stecken? Wenn eine Klinik dem Arzt Geld für die Überweisung bezahlt? Das ist verboten und dennoch versuchen Ärzte und Krankenhäuser immer wieder dieses Verbot zu umgehen.
REPORT MAINZ wurde eine Rahmenvereinbarung zwischen einem Ärztenetz und zwei Krankenhäusern zugespielt. Durch eine „enge qualitative Verzahnung“ solle eine „wirtschaftliche Versorgung der Patienten erreicht“ werden.
Was steckt dahinter? Wir fahren nach Rimbach im Odenwald, hier ist die Praxis von Dr. Martin Pielsticker. Er hat den Vertrag ausgehandelt. Für alle Ärzte, die mitmachen gilt: Wenn sie einen Patienten zur Operation in eines der Kooperationskrankenhäuser schicken, beauftragt das Krankenhaus den Hausarzt im Gegenzug bestimmte Untersuchungen vor und nach der OP durchzuführen.
Das sei für alle Beteiligten nur von Vorteil:
O-Ton, Dr. Martin Pielsticker, Hausarzt:»Wir haben theoretisch den Vorteil der Verdienstmöglichkeit, der Extraverdienstmöglichkeit. Das Krankenhaus hat den Vorteil, dass die Patienten kürzer liegen können, und der Patienten hat den Vorteil das er nicht für jegliche Nachbehandlung oder Voruntersuchung ins Krankenhaus muss, sondern die heimatnah bei seinem Hausarzt machen kann.«
Kürzere Liegezeiten und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Hausarzt. Klingt gut. Doch eines macht uns skeptisch: Finanziell profitieren vor allem Hausärzte wie Dr. Pielsticker von dem Deal. Der Vertrag mit den Krankenhäusern ermöglicht ihm zusätzliche Einnahmen.
Krankenhäuser und Ärzte bekommen normalerweise ihr Geld für die Behandlung von Kassenpatienten ausschließlich von den Krankenkassen.
Durch den Vertrag wird festgelegt, dass das Krankenhaus den Arzt direkt für Untersuchungen bezahlt und zwar nach dem attraktiven Tarif für Privatpatienten.
Schickt der Arzt seine Patienten in ein Krankenhaus, mit dem er keinen Vertrag hat, dann bekommt er nichts extra bezahlt. Es lohnt sich also die Patienten in das Kooperationskrankenhaus zu schicken.
Wir bitten den renommierten Medizinrechtler Rudolf Ratzel den Vertrag für uns zu prüfen. Seit Jahren beschäftigt sich der Fachanwalt mit versteckten Zuweisungsprämien. Sein Urteil:
O-Ton, Rudolf Ratzel, Fachanwalt für Medizinrecht:»Meiner Auffassung nach handelt es sich um ein reines Zuweisermodell, eine Fangprämie, eine Kopfprämie, die nach meiner Meinung sowohl gegen die Berufsordnung verstößt, als auch wettbewerbsrechtlich mehr als bedenklich ist.«
Frage: Und von Bestechung oder Zuweisungsprämie wollen Sie nichts hören?
O-Ton, Dr. Martin Pielsticker, Hausarzt:»Überhaupt nicht. Ich würde nie einen Patienten zuweisen und dafür Geld annehmen, hat auch nichts damit zu tun. Sondern wir verdienen unser Geld lediglich mit den Leistungen, die wir erbringen.«
Doch auch die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sieht die Verträge kritisch:
O-Ton, Christiane Köber, Wettbewerbszentrale:»Die Regelung zur Gebührenordnung stellen eine verschleierte Zuweiserpauschale dar. Damit sollen Patientenströme in die Krankenhäuser gelenkt werden mit unfairen Wettbewerbsmethoden. Die Wettbewerbszentrale hat das abgemahnt, da die von uns geforderte Unterlassungserklärung aber nicht abgegeben wurde, werden wir jetzt Klage erheben.«
In der Region tobt ein harter Wettbewerb. Für viele Kliniken geht es ums Überleben. Die Krankenhäuser sind auf die Überweisungen der Hausärzte angewiesen. Und die würden ihre Position teilweise schamlos ausnutzen. Wer nicht mitmachen wolle, dem werde gedroht, das berichtet uns der Geschäftsführer des Heilig-Geist-Krankenhauses in Bensheim.
O-Ton, Bernhard Franzreb, Geschäftsführer Kath. Klinikverbund Südhessen:»Uns ist ein entsprechender Vertrag angeboten worden und wir haben ganz deutlich gesagt bekommen, dass wenn wir an einer solchen Vereinbarung nicht teilnehmen, dass man unter Umständen auch die Patienten nicht zu uns schicken wird.«
Versteckte Zuweisungsprämien unter dem Deckmäntelchen einer besseren Versorgung? Was wissen die Patienten davon? Nachfrage beim Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim:
Frage: Haben Sie die Patienten hier oder die Öffentlichkeit informiert über diese Verträge?
O-Ton, Stephan Allmann, Geschäftsführer Kreiskrankenhaus Bergstraße:»Nein.«
Frage: Das heißt, das sind Verträge, die zwischen Ihnen und den Ärzten liefen, von denen die Patienten auch nichts wissen?
O-Ton, Stephan Allmann, Geschäftsführer Kreiskrankenhaus Bergstraße:»Ja, Patienten wissen das nicht, aber die Patienten werden über ihren niedergelassenen Arzt natürlich informiert, dass Voruntersuchungen durchgeführt werden.«
Frage: Wissen die Patienten, dass sie bei den Krankenhäusern, mit denen Sie kooperieren, mehr Geld verdienen, als bei den anderen?
O-Ton, Dr. Martin Pielsticker, Hausarzt:»Die Patienten wissen vermutlich nicht. Wie soll ich das sagen. Also die Patienten werden über die Vergütung im einzelnen nicht informiert.«
Die Patienten ahnen demnach also nichts von dem Abkommen. Wir zeigen unsere Recherchen dem Präsidenten der bundesweit tätigen Patientenschutzorganisation DGVP.
O-Ton, Wolfram-Armin Candidus, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten:»Das ist Bestechung und auch Korruption, aber, besser gesagt, es ist eine Provision, die der Arzt erhält von der Klinik, damit die Klinik eine bessere Belegungsrate bringt. Und diese Provision bezahlt der Bürger aus den Beiträgen, die er der Krankenkasse gibt, und weiß nichts davon, dass sein Geld in dieser Form missbraucht wird. Und letztendlich leidet die Qualität der Versorgung darunter, weil nicht nach den Kriterien der besten Versorgung entschieden wird, sondern nach den Kriterien, wo läuft das Geld am besten.«
O-Ton, Stephan Allmann, Geschäftsführer Kreiskrankenhaus Bergstraße:»Es ist ja nicht so das nur unser Krankenhaus diese Kooperationsform gewählt hat, sondern das ist ja bundesweit und auch landesweit, auch überregional hier eine gängige Kooperationsform.«
O-Ton, Rudolf Ratzel, Fachanwalt für Medizinrecht:»Es ist leider kein Einzelfall, sondern seit ungefähr zwei bis drei Jahren ein zunehmendes Phänomen, das man durchaus auch als Seuche bezeichnen könnte.«
Bundesweit werden also solche Verträge geschlossen, hinter dem Rücken der Patienten und auf ihre Kosten.
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19.01.2009, 21.45 Uhr, REPORT MAINZ, Das Erste