Doch der Unmut ist nachvollziehbar. Nach einem Jahr Unsicherheit und Angst um den Arbeitsplatz wollten die Beschäftigten vor allem eins: Klarheit. Doch die gibt es nicht wirklich an diesem Vormittag. Zwar verkünden Gewerkschaft und Betriebsräte gemeinsam mit der Kieler Geschäftsführung eine "Perspektive für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", doch die präsentierten Eckpunkte lassen für einen Großteil der Belegschaft die entscheidende Frage offen: Was wird aus mir ganz persönlich?
Caterpillar: Investor übernimmt Gießerei Kiel
Einigermaßen Klarheit gibt es lediglich für die knapp 100 Beschäftigten der Gießerei Kiel: Sie werden – wenn die „unterschriftsreifen“ Verträge tatsächlich auch unterschrieben sind – ihren Job behalten, nur eben nicht mehr mit Caterpillar als Arbeitgeber: Das traditionsreiche Industrieunternehmen, das bislang ausschließlich Motorenteile für den US-Konzern herstellte, wird nach Angaben der IG Metall von einem Investor übernommen. Dessen Name allerdings wird noch unter der Decke gehalten. Auch diese Tatsache stieß in der großen Kantine in Gebäude 18 nicht gerade auf Begeisterung: „Warum legt man nicht alle Karten auf den Tisch?“, fragt ein Mittfünfziger in Blaumann, der nach der Versammlung mit düsterer Miene durchs Werktor stiefelt und die gespannten Medienleute links liegen lässt.
Beschäftigte wollten Klarheit, doch für viele gibt es die noch nicht
„Ich kann diesen Unmut gut verstehen“, sagt Stephanie Schmoliner. Fast ein Jahr lang hatte die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Kiel-Neumünster im Schulterschluss mit den Betriebsräten um eine Verständigung mit Caterpillar gerungen. Um eine Verständigung, die den rund 650 Beschäftigten in Kiel, aber auch den knapp 70 Kolleginnen und Kollegen im Logistikzentrum Henstedt-Ulzburg etwas anderes bietet als eine turbokapitalistische Kahlschlag-Perspektive. Über Monate schien es, die Amerikaner würden sich gar nicht bewegen. Doch schließlich zeigte der lange Reigen von Demos, Protestaktionen und Solidaritätsbekundungen Wirkung. Zwar rückte der Konzern nicht von seiner Entscheidung ab, den Motorenbau an der Förde einzustellen. Doch sah man sich unter dem großen öffentlichen Druck irgendwann gezwungen, den Menschen eine Perspektive zu geben.
„Es war wichtig, gemeinsam zu kämpfen und nicht locker zu lassen“, sagt Schmoliner. Und: „Es war uns wichtig, so viele Industriearbeitsplätze zu retten wie möglich – das ist uns gelungen.“ Thomas Stark, Betriebsratsvorsitzender der Caterpillar Motoren GmbH, bricht auch nicht in Jubel aus – doch letztlich ist er zufrieden: „Es war kein leichter Weg bis heute, aber die Arbeit hat sich gelohnt.“
Caterpillar: Mehr als 400 Jobs bleiben erhalten
So wie es sich jetzt abzeichnet, bleiben mehr als 400 von rund 650 Kieler Caterpillar-Jobs erhalten. Etwa ein Drittel der Belegschaft wird weiter beim US-Konzern beschäftigt sein und sich vor allem um das sogenannte After-Market-Geschäft kümmern – also etwa um Reparaturen, Ersatzteilversorgung und die Abwicklung von Garantieansprüchen. Ein weiteres Drittel wird unter der Fahne des neuen Investors weiterarbeiten können – zu den exakt gleichen Bedingungen wie heute. Zu diesen ebenfalls rund 200 Kräften zählen die Gießereibeschäftigten. Hinzu kommt Personal aus der Motorengesellschaft – wer genau, das wird sich (wie auch beim ersten Drittel) erst in den kommenden Wochen im Rahmen der Sozialauswahl entscheiden.
Und für das verbleibende Drittel, das seinen Job verliert? „Für diese Beschäftigten“, so Schmoliner, „gibt es einen sehr gut ausgestatteten Sozialplan, verbunden mit dem Angebot, in eine Transfergesellschaft zu wechseln.“
Vom Unternehmen waren am Donnerstag keinerlei Stellungnahmen zu vernehmen. Wie zu hören ist, wurde der lokalen Geschäftsführung von der Caterpillar-Europazentrale ein Maulkorb verpasst.
Im Sommer 2021 hatte Caterpillar angekündigt, die Produktion von Schiffsmotoren in Kiel einzustellen und das Geschäft ausschließlich auf Service zu fokussieren. Demnach sollten von nahezu 950 Arbeitsplätzen des Konzerns in Kiel, Rostock und Henstedt-Ulzburg nur 200 in Kiel übrig bleiben. Wie es nun in Rostock weitergeht, bleibt vorerst offen. Für die Logistik in Henstedt-Ulzburg zeichnet sich ebenfalls eine Investorenlösung ab.