Original von TagX
Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt aber darauf an, sie zu verändern.
-- Karl Marx, "Thesen über Feuerbach" --
Wohl eine der bekanntesten Aussagen Marxens, gleichfalls wurde wohl keine Aussage von ihm derart mit Spitzfindigkeit behandelt. Dieses Zitat ist im Rahmen des historischen Kontext zu bewerten...
Im damaligen Europa, mit bürokratisch-preußischer Genauigkeit vorallem im Deutschland des Biedermeier, war die freie Meinungsäußerung nicht willkommen. In jeder Zeitungsredaktion, die nur den Hauch eines Zweifels am Ist-Zustand des Staates anklingen ließ, saß ein Zensor... zensiert wurde, was in den Augen des Zensoren - also rein subjektiv - Erregung erzeugen könnte. In der
"Rheinschen Zeitung", soll der Zensor sogar einmal eine Theaterkritik einer Aufführung von Dantes
"Divina Comedia" verboten haben, da man über Göttliches ja nicht spotten könne und dürfe...
Gott und König waren Maßstab, daran durfte nicht gerüttelt werden. Presse- und Meinungsfreiheit waren also beschränkt. Gleichfalls fanden sich junge Philosophen, die glaubten, man müsse diesen Mißstand rigoros ansprechen; sich in den Elfenbeinturm zurückzuziehen, um dort Theoretika auszuarbeiten, dürfe in solchen Zeiten nicht alternativ sein. Der Philosoph habe durch sein engagiertes Anklagen Veränderungen herbeizuführen.
Feuerbach, den Marx bewunderte, war aber der Ansicht, daß zunächst die Theorie zu stehen habe, quasi unumstößlich, dann könne man den Weg des Pragmatismus einschlagen und tatsächlich Veränderungen erzwingen. Die Feder solle dann zum Schwert werden. Marx wendete sich in dieser Frage von Feuerbach ab und setze seine
"Thesen über Feuerbach" auf, die mit dem oben erwähnten Zitat enden.
Wenn man so will, ist das Zitat eine Aussage aus einer Polemik heraus, so wie der junge Marx nicht wenig polemisch tätig war. Darin also mit allerlei Sprachtüftelei die tiefe Wahrheit des Marxismus zu suchen, grenzt an philosophischen Wahnsinn.
Dennoch bleibt Ungereimtheit zurück, denn Weltveränderung, wie sie Marx ja fordert, basiert immer auf Interpretation... die Interpretation kann alleine erfolgen, doch die Weltveränderung ist der Schritt vorwärts, denn Weltveränderung ohne Interpretation ist nicht möglich. Veränderung und Interpretation sind also nicht zwei nebeneinander verlaufende Gleise, sondern das Eine und Notwendige...
Link: Martin Heidegger zu Marx' Aussage