Palästina - Israel

Begonnen von Kuddel, 12:19:42 Do. 06.November 2003

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götzb

Zitat von: dagobert am 20:18:18 Mo. 14.Oktober 2024Für mich klingt der Typ wie ein typischer Islam-Hasser.

Islam Hasser ! Liest man oft, was ich z.b noch nie gelesen habe ist "Christen Hasser"

Das Problem ist, das dies oft mit Rassismus verbunden wird - wenn man den Islam als Religion vermeintlich oder wirklich hasst.

Was zum Nachdenken. :)
Sabotage als legitimes Mittel gegen Zwangsarbeit und Niedriglohn.

Kuddel

Zitat von: götzb am 01:40:09 Di. 15.Oktober 2024...was ich z.b noch nie gelesen habe ist "Christen Hasser"

Hier! Ich bin ein Christenhasser!

(Sollen die Leute glauben, was sie wollen. Wenn sie aber meinen, sich mit ihrem Glauben in das Leben anderer Leute einzumischen, ist der Spaß vorbei! Der Bremer Pastor Olaf Latzel bezeichnete Homosexuelle als »Verbrecher. « Der "Marsch für das Leben" ist ein faschistischer Aufmarsch. Christliche "Lebensschützer" in den USA ermorden Abtreibungsärzte. Christliche Fundamentalisten aus den USA nehmen mit "Spendengeldern" Einfluß auf die Politik verschiedener afrikanischer Staaten.)

Kuddel

Letze Nacht bin ich aus einem schrecklichen Traum aufgewacht, fühlte mich völlig hilflos und hätte heulen können. Ich habe vom Krieg in Palästina geträumt. Es war da kein Gemetzel, keine offene Gewalt und kein Sterben zu sehen. Ich sah Menschen, die völlig neben der Spur waren, psychisch gestört und kaputt. Völlig kaputt. Sie haben Dinge erleben und tun müssen, die kein Mensch erleben oder tun sollte. Sie werden nie wieder in ein normales Leben zurückfinden, das wird kein Therapeut und kein Antitraumaprgramm je wieder reparieren können.

Das ist Krieg. Es ist keine Selbstverteidigung.

Wanderratte

Dein Traum war schrecklich. Leider sieht die Realität genau so aus. Das ist alles sehr traurig.

So schlimm, wenn man das alles im Traum auch noch direkt vor sich sehen muss. Dann ist alles so real.

Ich verstehe nicht, warum sich die Verantwortlichen so gleichgültig den Menschen gegenüber verhalten.

counselor

Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

@Wanderratte, ja, es war ätzend. Hatte nicht das Gefühl, ach, das war nur ein Traum. Ich war wach und dachte, ja so ist es. Ein elendes Gefühl.

Ich möchte mich nochmal über die leidige Antisemitismusdebatte äußern. Sie reicht bis in mein Umfeld, sie zerreißt alle möglichen Zusammenhänge und auch die Linkspartei.

Man führt alles zurück auf den Holocaust, die Shoah. Das war gar nicht so lange her. Menschen haben gezeigt, wie grausam und unmenschlich sie sein können, wenn sie in einer aufgepeitschten Gruppe aufgehen können und sich in einer Ideologie eingebunden fühlen.

Da muß man sich die Frage stellen, wie man etwas ähnliches verhindern kann.

Ich kann mit dem inflationär gebrauchten Antisemitismusvorwurf nichts anfangen. Wenn man etwas aus Holocaust und Shoah lernen kann, ist es meiner Meinung nach, daß man nie Bevölkerungsgruppen (egal ob ethnisch, religiös oder sonstwie definiert) als geschlossen besser oder schlechter beurteilen soll. Solidarität und Hilfe sollte stets den Unterdrückten, den Schwächeren gelten.

Ich will auch nicht Zionisten und Nazis vergleichen, ich will nicht die eine Ungerechtigkeit und die eine Gewalt gegen die andere aufrechnen. Ich will nichts weiter als Menschlichkeit und ein Fünkchen Gerechtigkeitssinn. Mehr als ein Fünkchen.

Ein Gewaltakt berechtigt nicht den nächsten.

Ich kann das mit Hamas Angriff vom 7. Oktober nicht mehr hören, weil so vieles in der Argumentation nicht stimmt. Der Terror vom 7.Oktober war unmenschlich und widerlich. Es war aber nicht die 1.Gewalt in der Region, sondern nur ein Glied in einer Kette der Gewalt von beiden Seiten. Dieser Terrorangriff darf keine Rechtfertigung sein für einen flächendeckenden Gegenterror, der die Vertreibung und Vernichtung von Palästinensern bedeutet.

Ich werde jetzt noch ein Tabu berühren. Israelkritik wird ja auch mit Antisemitismus gleichgesetzt. Mir geht Israel ziemlich am Arsch vorbei. Ich bin der Meinung, daß das Einzige was zählt, ist, daß die Menschen in der Region halbwegs miteinander klarkommen. Die Gründung Israels war nun auch eine fragwürdige Angegelegenheit. Daß man Sicherheit nach der organisierten Judenvernichtung der Nazis wollte, ist ja verständlich. Doch hat man bei der Gründung der Staates Israels nie wirklich vorgehabt, mit der arabischen Bevölkerkung das Land zu teilen. Man wollte sie loswerden.

Naja, und das mit der Freiheit, Sicherheit und Demokratie im Staate Israel ist wohl auch Geschmackssache. Es sind einige linke Juden auf Deutschlandrundreise gegangen, um über ihren Kampf gegen Unterdrückung und Militarismus zu berichten. Dann blieben sie irgendwann in Berlin, weil da das Leben so viel cooler ist, als im reaktionären Israel.

Es wird auch immer die 2-Staatenlösung als DIE Friedenslösung propagiert. Es gibt linke Juden, die nichts davon halten. Sie meinen, der Unrechtsstaat Israel muß aufgelöst werden, um einen neuen Staat zu gründen, in dem Juden, Palästinenser und andere Einwohner die gleichen Rechte haben.

Die Situation in der Region kommt aus einer blutigen Geschichte und sie ist im Moment besonders schlimm. Die Politik der israelischen Regierung ist im Moment verbrecherisch und die Kritik an ihr ist nicht antisemitisch, sondern notwendig.

Ich war auf einer Veranstaltung, auf der hat ein Jude die Politik Netanjahus als suizidal bezeichnet. Selbst wenn ein militärischer Sieg dabei herauskommt, wird es dazu führen, daß Israel verhaßter in der Region sein wird denn je.

Es ist wahrlich für'n Arsch. Kein Jude und kein Moslem sollte irgendwo dafür angegriffen werden, weil er Jude oder Moslem ist.

Diesen Antisemitismusvorwurf ertrage ich nicht, weil man damit eine inhaltliche Diskussion abwürgt.


https://www.youtube.com/watch?v=ZCb6sHeC7ac

Kuddel

Demokratie

ZitatIn einer Forsa-Befragung für das Magazin »Stern« lehnten 60 Prozent Rüstungsexporte nach Israel ab. 31 Prozent finden sie richtig. 9 Prozent äußerten keine Meinung.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vergangene Woche im Bundestag versichert: »Es gibt Lieferungen und wird auch in Zukunft weitere Lieferungen geben. Darauf kann das Land Israel sich immer verlassen.«
https://www.spiegel.de/ausland/israel-attackiert-sueden-beiruts-verwirrung-um-angeblichen-geldbunker-unter-krankenhaus-a-8fc3cd84-7eb7-45bd-a3b1-0eae7a9c8368

ManOfConstantSorrow

ZitatDeutschland weitet Rüstungsexporte an Israel deutlich aus

Die Bundesregierung weitet ihre Genehmigungen für Rüstungslieferung an Israel stärker aus als bisher bekannt. Alleine seit August wurden nach Angaben des Auswärtigen Amts Ausfuhren von Rüstungsgütern im Wert von 94,05 Millionen Euro an das Land erlaubt, das mit der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon im Krieg ist. Das ist mehr als doppelt so viel wie die 45,74 Millionen Euro, die das Wirtschaftsministerium noch vergangene Woche dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags für das gesamte Jahr bis zum 13. Oktober gemeldet hat.
https://www.handelsblatt.com/politik/international/nahost-deutschland-weitet-ruestungsexporte-an-israel-deutlich-aus-/29433048.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Wanderratte

Zitat von: Kuddel am 19:26:09 Do. 17.Oktober 2024@Wanderratte, ja, es war ätzend. Hatte nicht das Gefühl, ach, das war nur ein Traum. Ich war wach und dachte, ja so ist es. Ein elendes Gefühl.
Es ist sehr schlimm, wenn die Realität ein Albtraum ist. Und es ist richtig schlimm, dass Deutschland das alles auch noch unterstützt. Mich macht das alles fassungslos, traurig und wütend. Die "Politik" ist leider sehr oft ein Albtraum.

Was mich zudem auch noch extrem aufregt: Dass man in Deutschland nicht sagen darf, was man für richtig hält. Dass man diffamiert oder sogar bestraft wird, wenn man Dinge sagt, die dem Staat nicht passen. Scheinbar sollen hier alle gleichgeschaltet werden. Da kann man sich schon fragen, warum. Warum die das so nötig haben! Mir macht das alles Angst, auch hier in Deutschland.

Auch, dass sich Deutschland so eindeutig auf die Seite von Israel stellt. Nur weil Deutschland diese schlimme Vergangenheit hat, kann es doch nicht sein, dass dafür jetzt ein anderes Volk ausgerottet wird.

Zitat von: Kuddel am 19:26:09 Do. 17.Oktober 2024Ich werde jetzt noch ein Tabu berühren. Israelkritik wird ja auch mit Antisemitismus gleichgesetzt. Mir geht Israel ziemlich am Arsch vorbei. Ich bin der Meinung, daß das Einzige was zählt, ist, daß die Menschen in der Region halbwegs miteinander klarkommen. Die Gründung Israels war nun auch eine fragwürdige Angegelegenheit. Daß man Sicherheit nach der organisierten Judenvernichtung der Nazis wollte, ist ja verständlich. Doch hat man bei der Gründung der Staates Israels nie wirklich vorgehabt, mit der arabischen Bevölkerkung das Land zu teilen. Man wollte sie loswerden.
So sieht es leider aus. Und ja, Israel interessiert mich auch nicht.

Zitat von: Kuddel am 19:26:09 Do. 17.Oktober 2024Es wird auch immer die 2-Staatenlösung als DIE Friedenslösung propagiert. Es gibt linke Juden, die nichts davon halten. Sie meinen, der Unrechtsstaat Israel muß aufgelöst werden, um einen neuen Staat zu gründen, in dem Juden, Palästinenser und andere Einwohner die gleichen Rechte haben.
Genau, so sieht es aus. Israel ist definitiv ein Unrechtsstaat. Und das muss ein Ende haben. Mit Antisemitismus hat das alles überhaupt nichts zu tun. Auch wenn immer wieder gerne etwas anderes behauptet wird.

Die Rüstungsausgaben für Israel sind extrem hoch. Und deswegen ist dann kein Geld mehr für die Armen da. Am liebsten würde ich auswandern, aus so einem Land wie Deutschland. Einfach nur schlimm sowas!

ManOfConstantSorrow

Ich bin kein Freund von Petitonen. Hier mache ich eine Ausnahme. Die unkontrollierte Gewalt der israelischen Armee IDF und der extremistischen Siedler unter der Politik der rechten Netanjahu-Regierung darf nicht länger hingenommen werden. Diese mörderische Politik darf nicht durch deutsche Waffenlieferungen unterstützt werden.

In einem Gefühl der Hilflosigkeit verbreite ich den Aufruf für den sofortigen Rücktritt von Außenministerin Annalena Baerbock, der bereis von rund 20.000 Menschen unterzeichnet worden ist:

https://i.diem25.org/de/petitions/127

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

ZitatNach dem Tod von vier thailändischen Staatsbürgern bei Raketenangriffen auf Nordisrael hat die Regierung in Bangkok einen besseren Schutz von Landarbeitern gefordert.
https://www.deutschlandfunk.de/thailand-fordert-von-israel-besseren-schutz-von-landarbeitern-102.html

Es fehlt in der Berichterstattung und in der politischen Debatte, daß der Palästinakonflikt nicht allein Israelis und Palästinenser betrifft. Die zahlreichen migrantische Arbeiter aus Ostasien und Afrika werden in der Wahrnehmung ausgeblendet.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

dagobert

Migranten zählen dort genauso wenig wie hierzulande.
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

dagobert

ZitatRettet uns, boykottiert uns: Aufruf eines israelischen Bürgers

Es fällt mir schwer, dies zu schreiben, nicht nur, weil es nach israelischem Recht illegal ist, zum Boykott aufzurufen, sondern auch, weil die Leidtragenden dieses Boykotts meine Familie und ich sein werden. Aber leider gibt es keine andere Wahl.

Mehr als ein Jahr ist vergangen, ein Jahr, in dem das Dröhnen der Düsentriebwerke von Kampfflugzeugen das Zwitschern der Vögel ersetzt hat. Ein Jahr, in dem der Staat Israel, der Ort, an dem ich geboren wurde, der Ort, an dem ich meine Kinder großgezogen habe, viel zu viele Schritte in Richtung des Abgrunds gemacht hat, aus dem es kein Zurück mehr gibt.

Für Israelis lässt sich dieses Jahr mit einem Tag zusammenfassen, dem 7. Oktober 2023. Die Fernsehsender haben nicht einen einzigen Tag lang aufgehört, die Geschichte dieses Tages zu erzählen, über seine Opfer und Geschichten von Heldentum zu sprechen, während sie den Horror des Krieges in Gaza, der damals begann und bis heute andauert, fast vollständig ignorieren.

Dieser Tag ist anscheinend der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt für den Verlust des ,,Israelisch sein", von dem ich dachte, dass es existiert.

Im letzten Jahr hat der Staat Israel seine letzte Orientierung verloren. Schon vorher waren wir ein Besatzungsland, das missbraucht, ein Land, das demokratische Praktiken im Westjordanland aufgegeben hat und schnell dazu überging, sie in seinem eigenen souveränen Gebieten aufzugeben, aber heute ist die Situation schlimmer denn je.

Von einem Land, das nach Frieden strebte (zumindest teilweise), einem Land, das das Leben schätzte, haben wir uns in ein Land verwandelt, das ein Agent des Todes ist. Ein Land, dessen Medien Bilder von leidenden und sterbenden Kindern in Gaza ignorieren, aber stolz den verstümmelten Körper von Yahya Sinwar zeigen, ohne ihn zu verwischen. Ein Land, dessen Bürger:innen den Tod eines Feindes feiern, während 101 Geiseln gefangen gehalten werden.

Und derjenige, der erfolgreich auf dieser Welle des Hasses reitet, ist Premierminister Benjamin Netanjahu, ein Mann, der glaubt, dass sein persönlicher Nutzen der Nutzen des Staates ist, ein krimineller Angeklagter, der bereit ist, jeden Wert und jeden Menschen zu opfern, um an der Macht zu bleiben. Deshalb hat er auch nach der Beseitigung von Sinwar und der Niederlage der Hamas nicht die Absicht, ein Abkommen voranzutreiben, das die Freilassung der Geiseln und einen israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen vorsieht. Seine religiösen Koalitionspartner und viele seiner eigenen Parteimitglieder wollen die 2005 geräumten Siedlungen in Gaza wieder aufbauen; sie wollen erobern, nicht die Geiseln freilassen. Einige von ihnen haben bereits begonnen, über die Errichtung von Siedlungen im südlichen Libanon zu sprechen – das ist ihr Ziel: Ewiger Krieg, immer mehr Eroberungen.

Das ist jetzt das Ziel des Krieges – zu erobern und zu besiedeln, nicht zu verteidigen und schon gar nicht die Freilassung der Geiseln herbeizuführen.

Die israelische Öffentlichkeit ist zu frustriert, zu gequält, zu hasserfüllt, um das zu stoppen. Selbst die Opposition ist schwach, ängstlich und ineffektiv. Die einzige Möglichkeit, einen bedeutenden Druck zu erzeugen, der die israelische Regierung zu einer Änderung ihrer Politik zwingt, muss von außen kommen. An erster Stelle steht ein möglichst umfassendes Waffenembargo. Israel sollte ein Recht auf Defensivwaffen haben, um seine Bürger:innen vor ballistischen Raketen und Drohnen zu schützen, die aus dem Libanon, Iran, Jemen, Syrien und Irak auf uns abgefeuert werden, aber in der gegenwärtigen Situation so wenig Offensivraketen und -granaten wie möglich besitzen, die zu oft Zivilist:innen und nicht Feinde treffen.

Aber das reicht nicht aus. Der Druck muss auch von der Zivilgesellschaft ausgehen – von uns! Es fällt mir schwer, dies zu schreiben, nicht nur, weil es nach israelischem Recht illegal ist, zum Boykott aufzurufen, sondern auch, weil die Leidtragenden dieses Boykotts auch meine Familie und ich sein werden. Aber leider gibt es keine andere Wahl. Um Israel zu retten, muss die Teilnahme von israelischen Sportvereinen und Nationalmannschaften an europäischen und internationalen Sportereignissen und Ligen ausgesetzt werden – kein Europapokal mehr, kein Eurovision, kein Horizon 2020, keine akademischen Kooperationen mehr – Boykott!

Ja, es wird ein harter Schlag für mein geliebtes Basketballteam sein, für meine Tochter, die Eurovision liebt, und für viele linke Menschen, die Teil der akademischen Welt und der israelischen Geschäftswelt sind, aber da wir keine Möglichkeit haben, von innen heraus Einfluss zu nehmen, müssen wir jedes bisschen Druck unterstützen, das von außen ausgeübt werden kann.

Vertreter:innen der Europäischen Union, europäische Länder, Leiter:innen internationaler Sport- und Kulturorganisationen, es hängt von euch ab. Israel ist nicht Russland; es ist ein kleines Land, in dem die sportliche, kulturelle, wirtschaftliche und akademische Isolation viel schwieriger ist, zu schwer zu ertragen. Leider ist das im Moment die einzige Möglichkeit, Israel auf den Pfad der Vernunft zurückzuzwingen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu bewahren – für die Israelis, für die Palästinenser:innen und für die gesamte Region.

Dieser Artikel wurde von einem israelischen Staatsbürger geschrieben, der es aus Sicherheitsgründen vorzieht, dass sein richtiger Name nicht bekannt wird
https://diem25.org/rettet-uns-boykottiert-uns-aufruf-eines-israelischen-buergers/
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

dagobert

ZitatDie Eliminierung der palästinensischen Flüchtlingsfrage

Das israelische Parlament verbietet und kriminalisiert die UNRWA. Die möglichen Folgen können kaum überschätzt werden.
Von Chris Whitman

Anfang der Woche verabschiedete die Knesset mit überwältigender Mehrheit zwei Gesetze, die darauf abzielen, die Aktivitäten des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, kurz UNRWA, zu unterbinden und zu kriminalisieren. Die UNRWA wurde gegründet, um den damals 750.000 Palästinenser:innen Hilfe zu leisten, die im Zuge der israelischen Staatsgründung geflohen und vertrieben wurden. In Ermangelung eines palästinensischen Staates oder einer formellen Lösung der Flüchtlingsfrage wurde ihr Mandat seit 1950 jährlich verlängert.

Trotz öffentlicher Erklärungen und der Lobbyarbeit der Vereinigten Staaten und einer Reihe europäischer Länder hat die Knesset die Gesetze mit Unterstützung fast aller Parteien verabschiedet. Debattiert wird jetzt zwar, ob es sich ,,nur" um symbolische Akte handelt, die auch nur begrenzt umgesetzt werden. Doch bis zum Beweis des Gegenteils muss man vom Schlimmsten ausgehen, denn Regierung, Opposition und große Teile der israelischen Gesellschaft eint der Versuch, die UNRWA zum Sündenbock für die Anschläge des 7. Oktober 2023 zu machen.

Der neuen Gesetzgebung zufolge darf die UNRWA weder direkt noch indirekt auf israelischem Hoheitsgebiet vertreten sein, Dienstleistungen erbringen oder Tätigkeiten ausüben. Außerdem werden sämtliche Privilegien aufgehoben, die UN-Einrichtungen gemäß der von allen Mitgliedsstaaten ratifizierten Charta genießen, darunter Steuerbefreiungen, diplomatischer Status, Immunität und die Erteilung von Arbeitsvisa. Ziel der Entfernung der UNRWA ist im Kern die Zerstörung der ,,palästinensischen Flüchtlingsfrage". Schon lange vor dem 7. Oktober hat die derzeitige Koalition der extremen Rechten in Israel bei zahlreichen Gelegenheiten die Absicht bekundet, nicht nur die UNRWA, sondern letztlich alle Einrichtungen, die an der Versorgung der palästinensischen Flüchtlinge beteiligt sind, aufzulösen – einschließlich der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Die UNRWA ist die einzige internationale Einrichtung, die sich ausschließlich der Palästinafrage widmet und über das Budget, die Erfahrung, das Fachwissen und die Legitimität verfügt, um diese Arbeit zu leisten. Es gibt keine internationale Institution, die die UNRWA auch nur annähernd ersetzen könnte. Die Auswirkungen dieser Gesetze können deshalb gar nicht dramatisch genug eingeschätzt werden. Sie leiten den langsamen Verfall des sozialen, gesundheitlichen und bildungspolitischen Sicherheitsnetzes der palästinensischen Gesellschaft ein. Millionen Palästinenser:innen werden den Zugang zu Bildung und Gesundheit verlieren – auch wenn die meisten aufgrund des Krieges beides bereits verloren haben. Die Möglichkeiten internationaler NGOs oder der Palästinensischen Autonomiebehörde, dies zu kompensieren, sind gleich null. Das bestmögliche Szenario wäre Flickschustereien, die nicht nachhaltig und qualitativ minderwertig wären.

Kriminalisierung des humanitären Völkerrechts

Eine der ersten offensichtlichen Fragen an die Gesetze betrifft das Problem, was überhaupt ,,israelisches Hoheitsgebiet" bedeutet, da Israel seine Grenzen nie offiziell erklärt hat. Als international anerkannte Grenze gilt die ,,Grüne Linie", die Waffenstillstandslinie von 1949. Israel fungiert jedoch als Besatzungsmacht sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen, wo ein großer Teil der gesamten Arbeit der UNRWA stattfindet. Israelische Behörden und Ministerien kontrollieren vollständig die Ein- und Ausreise sowie die Genehmigungen, an diesen Orten zu arbeiten. Israelisches Hoheitsgebiet sind sie aber nicht. Deshalb dürfte eine solche Kontrolle eigentlich nur innerhalb der ,,Grünen Linie" und im illegal annektierten Ost-Jerusalem ausgeübt werden. Die Arbeit der UNRWA in diesen beiden Gebieten macht jedoch nur einen geringen Teil der Gesamtarbeit aus. Zwar befindet sich der Hauptsitz des Hilfswerks in Ost-Jerusalem, aber seine Dienste hier beschränken sich auf das Flüchtlingslager Shua'afat. Israel könnte deshalb versuchen, auch die juristische Hoheit über Aktivitäten im Westjordanland und im Gazastreifen zu beanspruchen, wo Millionen von Palästinenser:innen von der UNRWA unterstützt werden. Aussicht auf internationale Anerkennung hätte das aber kaum.

Als Mitglied der Vereinten Nationen ist Israel an die UN-Charta gebunden, die vorschreibt, dass die Mitgliedsstaaten Hilfsprogramme für Menschen in Not ,,mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln" unterstützen müssen. Norwegen hat bereits bekundet, eine Resolution der UN-Generalversammlung zu beantragen, damit der Internationale Gerichtshof die Verpflichtungen Israels ausdrücklich dokumentiert und festlegt. Das könnte zu Sanktionen gegen Israel wegen der Verletzung grundlegender internationaler Normen führen. Und das während gleichzeitig der Internationale Gerichtshof den Vorwurf prüft, ob Israel in Gaza einen Genozid begeht.

Lunge palästinensischen Lebens

Warum wären die Folgen einer Verhinderung der UNRWA-Arbeit so dramatisch? Alleine im Gazastreifen beschäftigt die UNRWA in den oben genannten Arbeitsbereichen rund 13.000 Angestellte. Sie sind Teil der v. a. regional und zu einem sehr kleinen Teil auch global tätigen 30.000 UNRWA-Mitarbeiter:innen. Vor Ort sind zahlreiche Unternehmen mit der UNRWA verbunden. Die UNRWA ist die größte in den besetzten Palästinensergebieten tätige Institution, sowohl in Bezug auf die Zahl der Beschäftigten als auch hinsichtlich des Ansehens in internationalen Gremien. Im Falle von Kriegen oder Großereignissen ist die UNRWA stets als erste vor Ort und verfügt über einen Pool von Expert:innen, Analyst:innen und Logistiker:innen sowie ein ganzes System zur Durchführung von Hilfsmaßnahmen. Die UNRWA hat sich schon vor langer Zeit zur Vorreiterin bei der Entwicklung und Durchführung von Programmen mit lokalen und internationalen Partnerorganisationen entwickelt.

Die Arbeit der UNRWA erstreckt sich auf alle Bereiche der palästinensischen Gesellschaft. Mehr als 70 Prozent der Palästinenser:innen im Gazastreifen und 18 Prozent der Palästinenser:innen im Westjordanland zwischen 3 und 18 Jahren besuchen eine UNRWA-Schule. Ihr umfangreiches Gesundheitsnetz umfasst zahlreiche Krankenhäuser, medizinische Zentren, mobile Kliniken usw., in denen jährlich Hunderttausende behandelt werden. Im Gazastreifen ist die UNRWA seit vielen Jahrzehnten eng in die Stadtplanung, den Wohnungsbau, die Beschaffung und Verteilung von Hilfsgütern und den Bau von Unterkünften eingebunden. In vielerlei Hinsicht ist die UNRWA also eine quasi-staatliche Einrichtung, die soziale und zivile Dienste für einen großen Teil der palästinensischen Flüchtlinge bereitstellt.

Die Angriffe auf die UNRWA und der Versuch, sie zum Sündenbock zu machen, sind nicht neu. Israel hatte schon immer ein wechselhaftes Verhältnis zu dieser UN-Institution. Immer wurde aber auch bis zu einem gewissen Grad verstanden, dass die Erbringung von Dienstleistungen durch die UNRWA im israelischen Interesse liegt, da so der israelische Haushalt von der Versorgung der Palästinenser:innen entlastet wird. Denn völkerrechtlich ist Israel dafür in den besetzten Gebieten voll verantwortlich. Der UNRWA-Haushalt ist überwiegend spendenbasiert und beläuft sich auf durchschnittlich 800 Millionen bis 1,5 Milliarden US-Dollar jährlich; die Vereinigten Staaten und Deutschland gehörten in der Vergangenheit zu den größten Gebern.

Unbelegte Anschuldigungen

Seit dem von der Hamas angeführten Angriff am 7. Oktober2023 hat die israelische Regierung ausdrücklich ihre Absicht erklärt, die UNRWA zur Strafe aufzulösen, da sie die Organisation beschuldigt, direkt und indirekt an den Angriffen beteiligt gewesen zu sein. Obwohl die von israelischer Seite vorgelegten Beweise für diesen Vorwurf spärlich sind, wurde die Finanzierung von einer Reihe der Geber-Länder vorübergehend eingestellt. Nachdem handfeste Beweise weiter ausblieben, nahmen die meisten Länder ihre Finanzierung der UNRWA wieder auf. Gleichzeitig nutzt Israel die Anschuldigungen, um direkte physische Angriffe auf UNRWA-Mitarbeiter:innen zu legitimieren. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden Dutzende Mitarbeiter:innen in Gaza getötet. Am 31. Oktober 2024 zerstörte die israelische Armee das UNRWA-Büro in Tulkarem im Westjordanland.

Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen hat die israelische Regierung zahlreiche Versuche unternommen, um die UNRWA strukturell aus den Hilfsmaßnahmen für den Gazastreifen auszuschließen. Dazu gehören die systematische Behinderung von Hilfslieferungen im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen, die Ermordung von mehr als 200 UN-Mitarbeiter:innen (viele von ihnen wurden bei der Ausübung ihres Dienstes getötet) und die Angriffe auf Hunderte von UN-Einrichtungen im Gazastreifen.

Gleichzeitig versucht Israels Regierung, ,,befreundete" unpolitische Einrichtungen heranzuziehen, um die UNRWA zu ersetzen. Bisher sind all diese Versuche gescheitert. Die jüngsten Vorschläge, die vor allem aus der israelischen Zivilverwaltung kommen, befürworten die Förderung eines Hilfs-Regimes privater militärischer Auftragnehmer, beginnend im nördlichen Gazastreifen. Dies würde dem ähneln, was wir im Irak mit Firmen wie Blackwater gesehen haben. Sollte sich dieser Vorschlag durchsetzen, würden Palästinenser:innen in dicht gedrängte Enklaven gesteckt, bewacht von militärischen Firmen, die auf Profitbasis den Zugang zu Hilfsgütern nach israelischem Diktat bestimmen würden. So oder so befinden wir uns auf einem Weg in Richtung Eliminierung der palästinensischen Flüchtlingsfrage.
https://www.medico.de/blog/die-eliminierung-der-palaestinensischen-fluechtlingsfrage-19738
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

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