Anthropologie, Aufstandsbekämpfung und globaler Terrorismus

Begonnen von Kater, 20:39:12 Mi. 30.Juli 2008

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Kater

ZitatAnthropologie, Aufstandsbekämpfung und globaler Terrorismus  
     
von Gilberto Lopez Rivas - //www.tlaxcala.es , 06.07.2008
 
Am 5. Oktober 2007 veröffentlichte die New York Times einen Artikel von David Rohde (,,Die Armee rekrutiert die Anthropologie für Kriegsgebiete") über die Überlegung von US-Militärs einer ,,neuen entscheidenden Waffe in den Aufstandsbekämpfungsoperationen": eine mit Anthropologen und anderen Gesellschaftswissenschaftlern ausgestattete Mannschaft zum permanenten Einsatz in den Kampfeinheiten der US-Besatzungstruppen in Afghanistan und im Irak.

Der Korrespondent berichtet, dass diese einzigartige Verwicklung der Gesellschaftswissenschaften in die Kriegsanstrengungen der USA ein erfolgreiches experimentelles Programm des Pentagons darstellt, das, als es im Februar 2007 begann, derart von den Kommandierenden des Kriegsschauplatzes empfohlen wurde, dass im September desselben Jahres der Verteidigungsminister Robert M. Gates einen zusätzlichen Posten über 40 Millionen Dollar autorisierte, um jeder der 26 Brigaden in den beiden erwähnten Ländern ähnliche Gruppen zuzuweisen.
Im selben Artikel werden die von Teilen eines wichtigen Sektors der US-Akademie geäußerten  kritischen Reaktionen hervorgehoben, die keinen Zweifel daran lassen, das Programm als ,,Söldner - Anthropologie" und ,,Prostitution des Lehrbereichs" zu betrachten und es mit den Geschehnissen in den 60er Jahren, als Anthropologen bei Counterinsurgency - Kampagnen in Vietnam und Lateinamerika (Plan Kamelott) benutzt wurden zu vergleichen.

Bereits auf ihrer Jahrestagung im November 2006, unter Anwesenheit von Hunderten ihrer Mitglieder, verurteilte die Amerikanische Anthropologische Gesellschaft einstimmig ,,den Gebrauch der anthropologischen Wissenschaft als ein Element bei der physischen und psychologischen Folter"; die Darlegungen argumentieren, dass die Folternden des Gefängnisses von Abu Ghraib im Irak durch die Arbeit eines Anthropologen, ausgehend von der Idee, ,,die sexuell gedemütigten arabischen Männer könnten zu bequemen Informanten werden", inspiriert werden könnten. (Matthew B. Standard. ,,Montgomery McFate´ Mission. Can one anthroplogist  possibly steer the course in Iraq?". San Francisco Chronicle, April 29, 2007)

Im Juli 2007 schrieb der Anthropologe Robert J. González einen ausgezeichneten Artikel ,,In Richtung einer Söldneranthropologie? Das neue Handbuch der Aufstandsbekämpfung der Armee der USA FM – 3 – 24 und der militärisch - anthropologische Komplex". Anthropology Today, Vol. 23, No. 3 Juni ), in dem er kritisch und ausführlich die Beiträge der Anthropologen bei der Ausarbeitung besagten Handbuchs beschreibt. González beweist auch, dass einige dieser ,,Beiträge" unter dem Gesichtspunkt der anthropologischen Theorie nicht neu sind, sondern eher ,,einem Schulbuch zur Einführung in vereinfachte Anthropologie – aber mit wenigen Beispielen und ohne Illustrationen" gleichen.

Die gekaufte US-Anthropologie zeichnet sich durch ihre Parteinahme und ihren Zynismus aus, mit dem sie die enge Zusammenarbeit zwischen Anthropologen und Militärs in imperialistischen Kriegen, die Verletzung der elementarsten Menschenrechte und der grundlegendsten Prinzipien der UNO, rechtfertigt. Eine ihrer abgehärtetsten Verfechter und geistigen Autoren ist die US - Anthropologin Montgomery McFate, die sich zur Aufgabe machte, die Militärs ,,zu erziehen", und deren Mission in den letzten fünf Jahren darin bestand, die Counterinsurgencystrategen davon zu überzeugen, dass die Anthropologie eine wirkungsvollere Waffe sein kann, als die Artillerie. McFate ignoriert die sie sehr reizende  Kritik ihrer Kollegen der Akademie, die sie als in einem Elfenbeinturm eingeschlossen betrachtet, mehr ,,daran interessiert Resolutionen zu verfassen, als Lösungen zu finden". Sie ist jetzt die ,,politische Kommissarin" der Militärs, eine der Autoren des zitierten Handbuchs der Aufstandsbekämpfung, Schöpferin des vom Pentagon initiierten Programms Operationssystem der Feldhumanforschung  und Beraterin des Verteidigungsministeriums. Rundum ein Erfolg des American way of life.

Tatsächlich ist die Teilnahme von Anthropologen in kolonialen, imperialistischen Missionen so alt wie die Anthropologie selbst, die sich als eine eng an den Kolonialismus gebundene Wissenschaft etabliert und dessen Bemühungen die Herrschaft und kapitalistische Ausbeutung weltweit durchzusetzen. Ein Klassiker zu diesem Thema ist das Buch von Gérard Leclercq, Anthropologie et colonialisme (Paris: Librairie Arthème Fayard, 1972), in dessen Einführung es heißt: ,,Der gemeinsame Beginn des zeitgenössischen kolonialen Imperialismus und der zeitgenössischen Anthropologie kann auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts datiert werden. Wir versuchen die Beziehung zwischen der imperialistischen Ideologie, in der die Anthropologie eines der Elemente der Kolonialideologie ist und den Gründen, warum die ,,Feld"forschung für die Kolonialisierung des imperialistischen Typs notwendig und möglich wurde, aufzuzeigen". (S. 15).

Man muss an die von den Anthropologen bei der Ausarbeitung der indigenen Politik gespielte protagonistische Rolle erinnern und zwar vom Augenblick an, als Manuel Gamio – Gründungsvater des Wissenschaftsbereichs in diesem Land (Mexiko) – die Anthropologie als ,,die Wissenschaft der guten Regierung" definierte und somit einen Bund zwischen Anthropologen und dem mexikanischen Staat initiierte, der erst teilweise zerbrach, als die Studenten -Volksbewegung 1968 die Bedingungen schuf, damit sich die kritischen Strömungen manifestieren und die Komplizenrolle der nach revolutionären mexikanischen Anthropologie bei der Unterstützung des internen Kolonialismus, den die zapatistische Rebellion zerbrach, denunzieren konnten. Die groteske kulturelle Kosmetik der Counterinsurgency - Anthropologie ändert weder das brutale Wesen der imperialistischen Besatzung noch gewinnt sie die Köpfe und Herzen des Widerstands und der Millionen US-Bürger, die in steigendem Maße gegen den Krieg demonstrieren.

Das neue Handbuch der US - Aufstandsbekämpfung

Als Ausdruck inwieweit die obere akademische Bürokratie in die Kriegsbestrebungen des US-Imperialismus verwickelt ist, veröffentlichte im Juli dieses Jahres die Universität von Chicago eine Taschenbuchausgabe – mit militärischem Einband selbstverständlich – des neuen Feldhandbuchs  der Counterinsurgency (No. 3 – 24). Diese offene Komplizenschaft der Hochschulkreise mit der US - Kriegsmaschinerie rief bei unabhängigen US-Intellektuellen eine Welle der Kritik hervor; sie analysierten sehr genau den von General David H. Petraeus koordinierten Text und verurteilten die schändliche Rolle der Universitätsbeamten, die der Herausgabe eines Handbuchs zustimmten, das zur Verfolgung, Folter und Ermordung von Menschen bestimmt ist und der militärischen Besatzung von Ländern, in den ,,dunklen Winkeln der Welt", in denen die USA ihre Interessen durchsetzen will.

Einer dieser Kritiker ist David Price, Autor eines niederschmetternden Artikels, der auf Spanisch übersetzt und in Rebelión veröffentlicht wurde: ,,Prostitution der Anthropologie im Dienste der Kriege des Imperialismus", in dem er aufzeigt, dass ein Plagiat begangen wurde – insbesondere im 3. Kapitel des Handbuchs – von Autoren wie Victor Turner, Anthony Giddens, David Newman, Susan Silbey, Kenneth Brown, Fred Plog, Daniel Bates, Max Weber, unter anderen. Dieses von Price als zentral betrachtete Kapitel wurde von der Anthropologin Montgomery McFate geschrieben, die – erinnern wir uns – eine der inbrünstigsten Befürworter des Gebrauchs der anthropologischen Wissenschaft in der Aufstandsbekämpfung, von in die Kampfeinheiten in Afghanistan und den Irak ,,eingebauten" Anthropologen – Teams, ist. Price hebt diesen ethisch - intellektuellen Mangel hervor, da ,,die akademischen Integritätsansprüche das Fundament der geförderten Strategie des Handbuchs selbst darstellen", das von den vom Pentagon gekauften Intellektuellen in den Massenmedien, in Zeitungen und Zeitschriften wie der New York Times, Newsweek u.a. US-Publikationen gerühmt worden ist. Das Handbuch rief auch eine Jubelreaktion in den  Militärmedien in anderen Ländern hervor. Beispielsweise betrachtet  es der brasilianische General Álvaro de Souza Pinheiro als ,,das bestausgearbeitete Lehrbuch der Counterinsurgency, das die westliche Welt bis heute gesehen hat" und berichtet, dass große Teile der NATO - Armeen schon dabei sind, ihre Dokumente mit ähnlichem Inhalt auf der Grundlage des neuen nordamerikanischen Handbuchs umzuformulieren." (Chile Press, 02/04/2007)

Sicher analysiert das mexikanische Verteidigungsministerium über den Plan Mexiko eine derartige Herausgabe, um seine alten Handbücher des irregulären Krieges in den Kampagnen der Aufstandsbekämpfung in Chiapas und in anderen Staaten der Republik auf den neuesten Stand zu bringen, jetzt mit dem Beistand von integrierten Anthropologen – nach McFate-Art – zu verbessern, die den Militärs helfen, die Kultur der ,,Eingeborenen", die sich gegen die etablierte Ordnung erheben, besser zu ,,verstehen".

Die Lektüre des Handbuchs ist zum Verständnis der Mentalität der Intellektuellen im Krieg ,,gegen den Terrorismus" notwendig. Das von General Petraeus (jetziger Befehlshaber der US-Kräfte im Irak) und General James F. Amos, der berühmt berüchtigten Marines, gezeichnete Vorwort zeigt, dass die US-Militärs, wenn nicht zu Marxisten, so doch zumindest zu Dialektikern wurden, denn sie entdecken, dass: ,,Die Armee und das Marines-Corps erkennen, dass jeder Aufstand in einem Kontext steht und seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt". Deshalb erfordert eine Aufstandsbekämpfungskampagne, dass ,,Soldaten und Marines eine Mischung von Kampfaufgaben mit Kniffen, die eher mit nicht militärischen Stellen zusammenhängen, anwenden... Von Soldaten und Marines wird erwartet, sowohl Konstrukteure von Nationen als auch Krieger zu sein. Sie müssen darauf vorbereitet sein, bei der Wiederherstellung von Institutionen und örtlichen Sicherheitskräften zu helfen und beim Wiederaufbau der grundlegenden Dienstleistungen zu assistieren. Sie müssen fähig sein, die Niederlassung der örtlichen Regierung und das Imperium des Gesetzes zu vereinfachen. Die Liste dieser Aufgaben ist lang; sie sollen eine Kooperation und Koordination mit vielen Zwischenregierungsagenturen (der USA), der Gastgebernation und des internationalen Bereichs herstellen... Eine erfolgreiche Durchführung einer Counterinsurgency - Kampagne erfordert eine flexible, anpassungsfähige Kraft, angeleitet von agilen, gut informierten und kulturell schlauen Führern".

Die Analyse dieses Vorworts im Licht der neokolonialen Besatzung des Iraks betrachtet, offenbart, dass diese ,,Konstrukteure von Nationen" diejenigen waren, die ohne jegliche Rechtfertigung einen Krieg anzettelten, der den internationalen Rechtsrahmen gegen einen unabhängigen Staat und Mitglied der UNO verletzte, den Tod von 650.000 irakischen Menschen, die Zerstörung der Infrastruktur der öffentlichen Einrichtungen, den Exodus von Millionen von Bewohnern ins Ausland, die Plünderung und die Zerstörung des kulturellen Erbes, die vorsätzliche Ermordung irakischer Schriftsteller, Dozenten, Ärzte und Anwälte

verschuldeten. Die Besatzungsmacht etablierte eine Marionettenregierung mit Kollaborateuren, die sie beschönigend ,,die Regierung der Gastgebernation" nennt, die sich nur durch die tödliche, kulturelle Schlauheit der Soldaten und Marines und das Gesetzesimperium der Vereinigten Staaten aufrecht erhält.

2007 war das Jahr mit den meisten Toten für die Besatzungstruppen, mit 853 toten US-Soldaten bis November und 3.855 seit 2003 insgesamt (61,966 Tote und Verletzte wegen feindlicher und nicht feindlicher Handlungen). Funktioniert das Handbuch nicht? Lesen die Soldaten und Marines nicht? Machen die integrierten Anthropologen ihre Arbeit nicht gut? Vielleicht denken die Aufständischen dialektischer als die Counterinsurgency?

Handbuch des globalen Terrorismus

Eine grundlegende Bedingung des Handbuchs der Aufstandsbekämpfung 3 – 24 besteht im Recht der USA weltweit militärisch zu intervenieren, was gegen die Prinzipien und Gesetze im internationalen juristischen Rahmen verstößt, die den Ursprung und das Fundament der Organisation der Vereinten Nationen darstellen und festlegen. So hält das Handbuch aufrecht, dass seine Doktrin ,,per Definition perspektivisch weit ist und in den Prinzipien, Taktiken in aller Welt anwendbare Vorgehensweisen enthält... Diese Veröffentlichung möchte dazu beitragen, den Kommandierenden der Armee und Marines - Corps bei der Vorbereitung zur Durchführung von Aufstandsbekämpfungsoperationen überall auf der Welt zu helfen".

Zur Rechtfertigung dieser außer territorialen Kriegsbereitschaft – wie wir schon erwähnten – benutzen die Strategen eine rechtliche Entelechie unter der Bezeichnung ,,Gastgebernation", dessen Regierung die Vereinigten Staaten zur Aufstandsbekämpfung ihres eigenen Volkes ,,einlädt", obwohl besagte Autorität nach dem Sturz der legal konstituierten Regierung und der militärischen Besetzung des Landes durch die US - Expeditionskräfte eingesetzt wurde. Bereits 1898 bei der Annektierung der Philippinen führte die USA ihren ersten Aufstandsbekämpfungskrieg des 20. Jahrhunderts gegen den von Emilio Aguinaldo angeführten Aufstand mit dem Vorwand – laut US-Präsident William McKinley – ,,Die Philippinen zu erziehen, zu erhöhen und zu christianisieren". (Timothy K. Deady, Parameters. Spring, 2005). Auch beim US-Krieg der Counterinsurgency in Nicaragua gegen den General Augusto C. Sandino – der immer wieder die US-Marines besiegte – wandten die Yankees die Taktik ,,Eingeborene gegen Eingeborene" an, indem sie die von Anastasio Somoza García angeführte Nationalgarde schufen, die schließlich Sandino 1934 ermordete.

Eine andere Macht - Idee des Handbuchs ist, ausgehend davon, dass die USA eine überwältigende konventionell - militärische Überlegenheit besitzen, kämpfen ihre Feinde mittels eines nicht konventionellen Krieges, ,,in dem sie moderne Technologie mit alten Techniken des Aufstands und des Terrorismus mischen... Bei der Counterinsurgency gewinnt gewöhnlich die Seite, die am schnellsten lernt und sich anpasst, die dafür die bessere Organisation hat. Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen wurden zu Unterrichtskompetenzen. Diese Veröffentlichung betont, dass ,,lernen und sich anpassen" ein moderner Imperativ der Aufstandsbekämpfung für die Kräfte der Vereinigten Staaten ist."

Ab diesem Vorwort folgert das Handbuch: ,,Ironischerweise stellt das Wesen der Counterinsurgency Herausforderungen an die traditionellen Systeme von Lektion - Lehre; viele nicht militärische Aspekte der Aufstandsbekämpfung führen nicht selbstverständlich zu einem schnellen taktischen Begreifen... Nicht militärische Aufgaben der Aufstandsbekämpfung umzusetzen, durchzuführen, erfordert ein Wissen in vielen verschiedenen, komplexen Materien. Sie schließen Regierungsfähigkeit, wirtschaftliche Entwicklung, öffentliche Verwaltung und das Reich der Gesetze mit ein. Kommandeure mit einem profunden Wissen in diesen Materien  können ihren Untergebenen helfen, ein herausforderndes und wenig bekanntes Umfeld zu verstehen und sich schneller an sich verändernde Situationen zu gewöhnen".

Es werden Definitionen nach Art des Aufstands und der Aufstandsbekämpfung angeboten: ,,Aufstand ist ein politisch - militärisch organisierter und verlängerter Kampf zur Schwächung der Kontrolle und Legitimität einer bestehenden Regierung, einer Besatzungsmacht oder einer anderen politischen Autorität, während die Kontrolle der Aufständischen zunimmt". Eine andere Definition von Aufstand bestätigt, dass er ,,für eine Form des inneren Krieges typisch" ist, ,, der zuerst innerhalb eines Staates stattfindet, nicht zwischen Staaten und der zumindest gewisse Elemente des Bürgerkriegs enthält. Counterinsurgency sind die militärischen, paramilitärischen, politischen, wirtschaftlichen, psychologischen und zivilen Aktionen, die von einer Regierung zur Niederschlagung des Aufstands durchgeführt werden".

Im Fall vom Irak ist zu beobachten, dass die ,,etablierte Regierung" weder Legitimität noch Kontrolle hat, weil sie eine der Besatzungsmacht unterstellte Behörde ist. Angesichts ihres Versagens gegen den patriotischen Widerstand, hat die USA einen Bürgerkrieg provoziert, Sunniten gegen Schiiten durch terroristische Attentate, die von ihren Geheimdiensten begangen wurden, ausgespielt, die faktische Unabhängigkeit der Kurden gestärkt und die nationale Einheit bis zum äußersten geschwächt.

Die große ,,Entdeckung" des Handbuchs ist sein anthropologischer Lack: ,,Das kulturelle Wissen ist für ein erfolgreiches Counterinsurgency-Unternehmen wesentlich. Die amerikanischen Ideen über das, was ,,normal" oder ,,vernünftig" ist, sind nicht universal. Im Gegenteil dazu haben Mitglieder anderer Gesellschaften oft unterschiedliche Vorstellungen über Vernunft, angemessenes Verhalten, Frömmigkeit und die Geschlechter betreffende Normen."

Der wahre Akulturierungsprozess der US-Soldaten geht weit über die Handbücher hinaus, laut den Worten eines Veteranen des Irakkrieges: ,,Ich war ein psychopathischer Mörder, weil sie mich zum Töten ausbildeten. Ich wurde nicht mit dieser Mentalität geboren. Es war das Infanteriekorps der Marines, das mich erzog, damit ich ein Gangster, ein Verbrecher der US-Trusts werde. Sie trainierten mich dafür, blind die Befehle des Präsidenten der USA auszuführen und ihm nach Hause zu bringen, was er wollte, ohne etwas moralisch abzuwägen. Ich war ein Psychopath, weil sie uns lehrten zuerst zu schießen und sich hinterher zu fragen, so wie es ein Kranker, aber kein professioneller Soldat, der sich nur einem Soldaten gegenüberstellt, tun  würde. Waren Frauen und Kinder zu töten, machten wir es. Deshalb waren wir keine Soldaten, sondern Söldner." (Jimmy Massey, Quelle: Cubadebate/Rebelión).

Spionage und Geheimdienst in der Aufstandsbekämpfung

Wenn in irgendeinem Kriegskonflikt geheimdienstliche Arbeit unentbehrlich ist, so ist sie bei der Aufstandsbekämpfung besonders lebensnotwendig, verweisen die US-Militärs. Deswegen handelt das Schlüsselkapitel des Handbuchs der Counterinsurgency 3-24 genau über die Charakteristiken des geheimen Nachrichtendienstes in diesem asymmetrischen Krieg. Da die von den USA entfachten Kriege in kulturell seltsamen Gebieten stattfinden, besteht die militärische Entdeckung in der Kollaboration von Sozialwissenschaftlern in den imperialistischen Kampagnen gegen die revolutionären Bewegungen und den nationalen Widerstand.

Die Counterinsurgency-Anthropologin Montgomery McFate erklärt dies folgendermaßen: ,,In einem Konflikt zwischen symmetrischen Gegnern, in dem beide entsprechend gleich sind und die gleiche Technologie benutzen, ist es irrelevant die Kultur des Gegners zu kennen. Im Kalten Krieg standen sich trotz all seiner Komplexität zwei Mächte des europäischen Kulturerbes gegenüber. In einer Operation der Aufstandsbekämpfung gegen einen nicht westlichen Gegner ist aber die Kultur wichtig." (Military Review, März-April 2005)

Da die Kommandanten und Militärstrategen eine ,,Vertiefung in die Kulturen, Wahrnehmungen, Werte, Religionen und Entscheidungsfindungsprozesse von Individuen und Gruppen" erfordern, integrierte das Pentagon Expertengruppen in Ökonomie, Anthropologie und Politikwissenschaft, die eine Rolle spielen, die technisch als ,,geheimdienstliche Vorbereitung auf dem Schlachtfeld bezeichnet" wird, die in einem kontinuierlichen und systematischen Prozess der möglichen Bedrohungsanalyse des Feindes und des Umfeldes in einer geographisch spezifischen Region besteht. Die Sozialwissenschaftler sind nichts anderes als ein Kriegsinstrument, denn die endgültigen Entscheidungen trifft das Militär.

Das Handbuch beschreibt die Art der Information, um die diese einmaligen gekauften Akademiker ersucht werden: ,,Zum Beispiel, Stammesgruppen und Familien aus Afghanistan und dem Irak überqueren die nationalen Grenzen in Nachbarländer. Die Grenzbeziehungen erlauben es den Aufständischen mit sicherem Unterschlupf außerhalb ihres Landes zu rechnen und sie helfen ihnen beim Grenzübertritt. Das Interessengebiet kann im Verhältnis zum operativen Gelände sehr groß sein. Sehr oft kann dies durch mehrere Faktoren beeinflusst werden, wie beispielsweise: Familien-, Stammesverbände, ethnische -, religiöse Gruppen und andere, die weit über das Operationsgebiet hinausgehen; Kommunikations- und ökonomische Beziehungen zu anderen Regionen; Einfluss der Kommunikationsmedien auf die örtliche Bevölkerung, die US-Öffentlichkeit und die Multinationalen Teilhaber; logistische, finanzielle und moralische Unterstützung des Feindes".

Die Anthropologenmilitärs  definieren – mit Hilfe des bereits erwähnten Plagiats – Konzepte wie Gesellschaft, ethnische Gruppe, Stamm, Netze, Institutionen, Rollen und Status, Struktur und soziale Normen, Kultur, Identität, Glaubenssysteme, Werte, Haltungen und Wahrnehmungen, Sprache, Macht und Autorität, Zwangsmaßnahmen, soziales Kapital, politische Teilnahme, u.a. All dies um zu erfahren, was die Militärs wirklich interessiert: Die Aufständischen, ihre Ziele, Motivationen, Unterstützung und Toleranz in der Bevölkerung ihnen gegenüber, ihre Fähigkeiten und Verwundbarkeiten, Organisationsformen, logistischer Unterhalt, Finanzierung und geheime Nachrichtenverbindungen, neue Rekrutierungen, Waffen und militärische Fähigkeit, Ausbildung, etcetc. Spezielle Aufmerksamkeit verdient die organisatorische Struktur der Aufständischen: Ob sie hierarchisch ist oder nicht, ob die Mitglieder spezialisiert sind, ob die Führer eine zentralisierte Kontrolle ausüben, oder ob sie autonome Aktionen und eigene Initiativen erlauben, ob die Bewegung unabhängig operiert, oder ob sie Beziehungen zu anderen Netzen und Organisationen hat, ob die Aufständischen mehr Gewicht der politischen- oder der Gewaltaktion geben.

Jeder Anführer ist auch das Motiv einer detaillierten Untersuchung: Seine Rolle in der Organisation, bekannte und assoziierte Aktivitäten, persönliche Geschichte und Verlauf, Religionen, Motive und Ideologie, Bildung und Ausbildung, Temperament (,,z.B. vorsichtig, impulsiv, nachdenklich oder gewalttätig"), Wichtigkeit in der Organisation, Popularität außerhalb von ihr. Bei den Folterungen im Irak, in Afghanistan, auf Guantánamo und in anderen ,,dunklen Winkeln des Planeten" sind dies zweifellos die Fragen an die von den US -Besatzungskräften Festgenommenen; sie sind auch Teil der Materie, die den Mitgliedern der mexikanischen Armee von den Yankee - Mentoren in den Kursen ,,Kampf dem Terrorismus" beigebracht werden, wie es von La Jornada aufgezeigt wurde.

Die Strategien und Taktiken der Rebellen verdienen die gleiche besondere Fürsorge: Konspirative Aktionen, Militarismus, Stadtguerrilla, Volkskrieg, Hinterhalte, Brände, Bomben und Explosivstoffe, chemische, biologische oder nukleare Waffen, Demonstrationen, Counterinsurgency der Aufständischen, Hinrichtungen von Spitzeln, Entführungen, Geiselnahme, Infiltration und Subversion, Propaganda, Angriffe auf Einrichtungen, Sabotage, u.a. Alle Arten der Spionage werden analysiert: Menschen, militärische Operationen, Verhöre von Festgenommenen und Deserteuren, Berichte über zivile Angelegenheiten, psychologische Operationen, die Armeeoffiziere und Polizeikräfte der Marionettenregierung, Unterhändler, anonyme Telefondenunziation, Journalisten, Akademiker, etcetc. Man bekommt auch Informationen über Erkennungsroutinen und Überwachung, Sensoren und Kameras, Weltraumspionage, Analysen von Archiven des Grundbuchs, Finanzierungen, Inhalt von Handys und Computer.

Es wäre ein Irrtum die Kapazitäten und Reichweite dieser Arbeit des geheimdienstlichen Nachrichten- und Spionagewesens der US-Imperialisten zu unterschätzen, oder zu denken, sie seien unbesiegbar. Genauso wichtig ist, dass die Gemeinschaft der Anthropologen in Lateinamerika und weltweit sich gegen den Gebrauch ihre Wissenschaft als Söldner manifestieren.

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Quelle: Zeitschrift Contexto Latinoamericano, Número 7, México DF.

Originalartikel veröffentlicht im Januar-März 2008

AUTOR:  Gilberto LÓPEZ Y RIVAS

Übersetzt von  Isolda Bohler

Über den Autor

Isolda Bohler ist ein Mitglied von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, die Übersetzerin als auch die Quelle genannt werden.

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counselor

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Quelle: Volksstimme

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Quelle: Augsburger Allgemeine

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