US-Deserteure in Nordkorea

Begonnen von Kater, 12:56:22 Mi. 25.Juli 2007

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Kater

dazu gibt es einen Film, der auf der Viennale gezeigt werden wird:

Zitat"Crossing the Line"

Kulturjournal - Cornelia Vospernik Die erste Überraschung im Film lässt nicht lange auf sich warten: Wer geglaubt hat, dass Deserteure aus politischen Gründen handeln, findet hier keinen, der in ein gelobtes System ziehen wollte. James Joseph Dresnok, der eines Tages, im Jahr 1962, ganz einfach die demilitarisierte Zone durchquert, flieht vor dem Standgericht der US-Army. Ein Waisenkind, in seiner Kindheit hin- und hergeschoben, von seiner ersten Frau betrogen, von den Regeln der Armee angewidert, geht quer durchs Minenfeld, das er selbst gelegt hat.

"Ich hatte es so satt, dass mir egal war, ob ich lebe oder sterbe", erzählt Dresnok. Vieles andere erzählt er nicht. Er wurde in Nordkorea zum Vorzeigeüberläufer, aber er war nur einer von vieren. Gemeinsam spielten sie in nordkoreanischen Filmen die bösen Amerikaner und wurden zu Stars. Doch ihre allererste Aufgabe war, quer über die demilitarisierte Zone hinweg per Megaphon zu verbreiten, wie gut es ihnen geht, erzählt der Macher des Films, Nick Bonner.

Ein Filmhelden als Überläufer
Charles Robert Jenkins, zu Beginn der Dreharbeiten noch ein sogenannter "Freund" des Filmhelden ist ein anderer Überläufer. Er hat Nordkorea 2004 nach zahlreichen diplomatischen Wirren verlassen und ein System der Propaganda, Zwangsverheiratungen unter Ausländern und der Heranzüchtung von Spionen angeprangert. Jenkins` Frau ist Japanerin. Als sie aus Nordkorea floh, sagte sie, als Entführungsopfer nach Nordkorea gekommen zu sein. Jenkins und die beiden gemeinsamen Töchter blieben zurück. Erst nach zwei Jahren wurde die Familie in Indonesien wieder vereint.

Der Fall erregte internationales Aufsehen, aber kaum jemand wusste, dass es zu diesem Zeitpunkt einen noch in Nordkorea lebenden weiteren Überläufer gab. James Joseph Dresnok sagt im Film zu den erhobenen Vorwürfen nichts. Er schweigt über die erste Ehe, die er in Nordkorea geschlossen hat - angeblich mit einer entführten Rumänin, mit der er zwei Söhne hat. Gezeigt wird ein Mann, der sich zu Ideologie überhaupt nicht äußert und mittlerweile zum dritten Mal verheiratet ist. Dieses Mal mit einer Halb-Togolesin. Dresnok ist ein groß gewachsener, kräftiger, kettenrauchender Antiheld, der am liebsten angelt, Schnaps trinkt und ab und zu Konversation mit Englischstudenten macht.

Gezeigt in Nord- und Südkorea
Nick Bonner wollte die Geschichte seit Jahren machen, kam aber nie weiter und staunte nicht schlecht, als sein Protagonist plötzlich vor ihm stand: "Elvis zu treffen, hätte mich weniger überrascht. Da kommt eines Tages dieser große Kerl in seiner schwarzen Uniform mit Kim Il Sung-Abzeichen durch die Tür, setzt sich hin und sagt mit seinem Virginia-Akzent: ´Hallo Bub, ich habe gehört, du willst, dass ich meine Geschichte erzähle`."

Das war, nachdem Jenkins nach Japan übergelaufen war und ausgepackt hat. Kann Nick Bonner ausschließen, hier von der Propaganda missbraucht worden zu sein, die bewusst eine andere Seite der Geschichte zeigen wollte? "Ist das ein Propaganda-Film? Sicher nicht. Man muss sich nur ansehen, wie er lebt, was wir herzeigen. Er führt ein sehr einfaches Leben. Unsere ersten beiden Filme wurden sowohl in Nord- als auch in Südkorea gezeigt. Ich glaube, das ist ein guter Indikator dafür, dass wir die Mitte treffen."

Es sei das Publikum, das sich selbst ein Bild machen müsse, sagt Bonner. Er konnte jedenfalls jede Frage stellen, die er wollte, auch wenn sie nicht beantwortet wurde. Während der Dreharbeiten behinderte ihn niemand. Aus seiner persönlichen Faszination für Nordkorea macht er aber kein Geheimnis: "Es gibt einen CNN-Fox-News-artigen, stereotypen Blick auf Nordkorea. Ich sage jetzt nicht, dass er nicht stimmen könnte. Ich sage nur, es gibt auch eine andere, eine menschliche Seite. Und diese Seite muss gezeigt werden."

"Sein" Nordkorea
Bronner reist seit 1993 regelmäßig nach Nordkorea. Er zeigt "sein" Nordkorea nicht nur im Film. In Peking betreibt er mit Koryo Tours ein Reisebüro, das Trips in das wohl abgeschottetste Land der Welt organisiert. 15 Gruppenreisen pro Jahr sind es und dutzende Individualaufenthalte, erklärt uns sein Mitarbeiter, Simon Cockerell. Aber wie kann man sich Urlaub in Nordkorea vorstellen? "Das ist kein Urlaub. Es ist eine Reise. Es gibt keine Entspannung. Das ist vielmehr eine umfassende Erfahrung. Eine große, kollektive Erfahrung, in die man eintaucht. Man darf sich das nicht als eine Reihe von Einzelerlebnissen vorstellen. Viele unserer Kunden erleben schon die Tatsache, dass sie ankommen, ins Hotel gehen und sich dort hinlegen, als absolut aufregend."

Mit einem genauen Reiseplan und einem Aufpasser im Gepäck kann man das Erlebnis buchen. Für US-Amerikaner ist es etwas schwieriger, erklärt man uns im Reisebüro, aber es geht. Nur One-way-Ticket hat man bis jetzt noch keines organisiert. James Joseph Dresnok wird wohl der letzte Überläufer bleiben.

Textbearbeitung: Maria Publig

Links
Crossing the Line
http://www.crossingthelinefilm.com/

Viennale
http://www.viennale.at/

http://oe1.orf.at/inforadio/78826.html?filter=5

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