Kranke Krankenhäuser

Begonnen von Regenwurm, 22:09:26 Fr. 27.Juni 2008

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Regenwurm

Deutschlands Kliniken stehen vor einer finanziellen Katastrophe – oder sind bereits mittendrin. Nach jahrelanger Unterfinanzierung, fehlenden Investitionen und der Vernichtung von mehr als 100000 Arbeitsplätzen ist die Patientenversorgung gefährdet. Diese schonungslose Bilanz zogen Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), des Deutschen Städtetags, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, der Ärzteorganisation Marburger Bund sowie der Gewerkschaft ver.di am Mittwoch in Berlin. Die im Aktionsbündnis »Rettung der Krankenhäuser« zusammengeschlossenen Organisationen wollen Druck auf die Bundesregierung machen, das »Spardiktat« für die Kliniken zu beenden.

Soviel Einmütigkeit gab es zwischen Krankenhausträgern und Gewerkschaften wohl noch nie. Sämtliche Verbandsvertreter beschrieben die Zustände in den bundesweit rund 2100 staatlichen wie privaten Kliniken bei der Auftaktpressekonferenz mit drastischem Vokabular. »Jahre gnadenloser Budgetierung haben zu immenser Arbeitsverdichtung, Überstunden und Mehrarbeit geführt. Das Ergebnis ist ein ›burn-out‹ unbekannten Ausmaßes«, so der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. DKG-Präsident Rudolf Kösters ergänzte: »Ohne gesetzliche Korrekturen droht den Krankenhäusern eine Finanzierungskatastrophe, die auf Umfang und Qualität der Krankenhausversorgung durchschlägt.« Und Petra Roth, Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main und Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags, betonte: »Der Finanznotstand gefährdet die Patientenversorgung.«

Eine Ursache für die Unterfinanzierung sehen die Verbände in der gesetzlichen Deckelung der Krankenhausbudgets. Deren Steigerung richtet sich nach der Grundlohnrate, die seit vier Jahren unter einem Prozent liegt. 2008 werden die Klinikhaushalte um lediglich 0,64 Prozent wachsen. Davon gehen noch einmal 0,5 Prozent als »Sanierungsbeitrag« an die Krankenkassen ab. Dem stehen deutliche Kostensteigerungen gegenüber: Aufgrund der kürzlich erfolgten Tarifabschlüsse wachsen die Personalausgaben in diesem Jahr um 2,5 und im kommenden Jahr um 5,0 Prozent. Die Ausgaben für Sachkosten und Energie nehmen ebenfalls um rund fünf Prozent pro Jahr zu. Insgesamt stünden Zusatzkosten von acht Milliarden Euro Einnahmesteigerungen von lediglich einer Milliarde Euro gegenüber, rechnete die DKG vor. »Die Wirtschaftlichkeitsreserven sind längst ausgeschöpft«, so das Fazit von DKG-Chef Kösters. Viele Häuser stünden deshalb vor der Insolvenz. In jeder fünften Klinik hätten die Beschäftigten bereits einen »Sanierungsbeitrag« in Form von Lohnkürzungen geleistet.

»Wir brauchen eine optimale Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern, und das hat eben seinen Preis«, betonte Roth – und zog eine für eine CDU-Politikerin ungewöhnliche Schlußfolgerung: »Manchmal muß man demonstrieren, um die Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken.« Ver.di-Chef Frank Bsirske erläuterte, das von der Gewerkschaft geschmiedete Bündnis werde durch Informationsveranstaltungen, Anzeigen und Plakate auf die Situation in den Krankenhäusern aufmerksam machen.
 Am 9.September sollen in allen Kliniken gleichzeitig Betriebsversammlungen stattfinden. Und für den 25. September will das Bündnis gemeinsam zu einer bundesweiten Großdemonstration nach Berlin mobilisieren.
Allerdings ist man sich keineswegs in allen Fragen einig. So meinte DKG-Mann Kösters auf Nachfrage, die Privatpatienten seien für die Kliniken wichtig. Bsirske kritisierte hingegen die bestehende »Zwei-Klassen-Gesellschaft«, die sich nicht fortsetzen dürfe.

Quelle | Daniel Behruzi
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