Bundesarbeitsgericht: 3,25 Euro je Stunde sind Lohndumping

Begonnen von Kater, 18:12:21 Mi. 22.April 2009

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Kater

Zitat3,25 Euro je Stunde sind Lohndumping

Erfurt, 22. April (AFP) - Selbst wenn noch eine kostenlose Wohnung dazu kommt: Ein Stundenlohn von 3,25 Euro ist unzulässiges Lohndumping. Wie am Mittwoch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied, darf der Lohn den üblichen Tariflohn nicht um mehr als ein Drittel unterschreiten. Ein Gartenbaubetrieb im Raum Hamburg muss sich nun auf Lohnnachzahlungen von mehreren Zehntausend Euro einstellen. (Az: 5 AZR 436/08)

Die Klägerin arbeitete seit 1992 als Hilfskraft in dem Betrieb. Die vertragliche Arbeitszeit lag täglich bei 8,5 Stunden am Tag, tatsächlich arbeitete sie bis zu 352 Stunden im Monat; das entspricht 80 Stunden je Woche. Neben ihrem geringen Lohn hatte sie für sich und ihre Familie eine kleine Wohnung sowie einen Gemüsegarten und eine Hühnerstall zur Verfügung. Das Landesarbeitsgericht Hamburg konnte wegen dieser Nebenleistungen kein unzulässiges Lohndumping feststellen und wies die Klage der Frau auf eine Lohnnachzahlung von 37.000 Euro ab.

Das BAG hob dieses Urteil nun auf und verwies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück. Maßgebliche Grenze seien "Zweidrittel des in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes". Dieser liege heute bei 7,84 Euro und werde von der Hilfsarbeiterin auch bei Einrechnung der Sachbezüge nicht erreicht.

"Die Gesamtumstände, insbesondere die gesetzwidrig hohen und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten verdeutlichen die Ausbeutung der Klägerin", betonten die Erfurter Richter. Das Landesarbeitsgericht soll nun prüfen, ob dem Arbeitgeber das "Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen" klar war und dann die Ansprüche der Hilfsarbeiterin im Einzelnen berechnen.

http://www.tlz.de/tlz/tlz.wirtschaft.volltext.php?zulieferer=afp&redaktion=afp&dateiname=Z7294MH311099.csv&kategorie=&catchline=%2Fspezial%2Farbeit_ausbildung&other=&dbserver=1

Kuddel

ZitatMehr als eine Ordnungswidrigkeit
Gericht wertet Lohndumping als Straftat

Sie mussten Toiletten sauber machen und Autobahnraststätten putzen - als Lohn bekamen die Reinigungskräfte 1 Euro pro Stunde. Das ist weniger als der Mindestlohn. Die Reinigungsfirma wurde jetzt zu einer Geldstrafe verurteilt.
Weil er Putzfrauen mit Stundenlöhnen unter 1 Euro abgespeist hat, muss ein Reinigungsunternehmer 1000 Euro Geldstrafe zahlen. Die Summe ist wenig spektakulär, wohl aber das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom Dienstag: Es bewertete das Unterschreiten eines allgemeinverbindlichen Mindestlohns als Straftat und nicht wie bisher üblich als Ordnungswidrigkeit.


Gericht, Staatsanwaltschaft und Gewerkschaften maßen dem Richterspruch daher bundesweite Bedeutung zu - nach allem was man wisse, habe noch nie ein deutsches Gericht so geurteilt. "Wenn Unternehmen Dumpinglöhne zahlen, müssen sie künftig mit härteren Strafen rechnen", sagte Staatsanwalt Andreas Strauß.
Der Mindestlohn für Gebäudereiniger lag zum Zeitpunkt der 18 angeklagten Taten zwischen 2004 und 2006 bei 7,68 Euro. Die Staatsanwaltschaft rechnete vor, dass die Putzfrauen im besten Fall aber nur auf maximal 1,79 Euro die Stunde kamen. Richterin Claudia Methling sagte in ihrer Urteilsbegründung, der 57-jährige Unternehmer habe zur eigenen Gewinnmaximierung teils "nicht mal 1 Euro" gezahlt. "Egal wie man es betrachtet: Ein Stundenlohn von einem Euro ist als sittenwidrig anzusehen."

Seit 2001 setzte der Mann Arbeitnehmer aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion an Rasthöfen in mehreren Bundesländern ein. Dort mussten sie in Zwölf-Stunden-Schichten Toiletten und Duschen sauber halten oder Geld für die Benutzung einsammeln. Sie arbeiteten bis zu 14 Tage am Stück und erhielten dafür nach den Feststellungen des Gerichts 60 bis 300 Euro - bei freier Kost und Logis. Der Anwalt des Angeklagten plädierte auf Freispruch. Tatsächlich hätten die Beschäftigten lediglich zwei bis drei Stunden täglich geputzt, den Rest als eine Art Bereitschaftszeit verbracht, argumentierte er.

Das Gericht sprach den 57-Jährigen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt für schuldig. Der Sozialversicherung sei durch nicht gezahlte Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge 69.000 Euro Schaden entstanden - deren Höhe bemesse sich am Lohnanspruch und nicht an der Höhe des tatsächlich ausbezahlten Lohnes. Der Mann muss 100 Tagessätze á 10 Euro zahlen und gilt, sollte das Urteil rechtskräftig werden, als vorbestraft. Die vergleichsweise milde Strafe sei der langen Verfahrensdauer und der Tatsache geschuldet, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und derzeit selbst nur einen 400-Euro-Job habe, sagte Methling. Seine Firma ist pleite.

Zwei Vorinstanzen hatten den Reinigungsunternehmer im Oktober 2008 und März 2009 freigesprochen. Das Oberlandesgericht Naumburg hob das letzte Urteil jedoch auf und verwies den Fall erneut an das Landgericht Magdeburg.
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:mehr-als-eine-ordnungswidrigkeit-gericht-wertet-lohndumping-als-straftat/50136485.html

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