Friedensaktivistin darf in US-Schulen vor Militär warnen

Begonnen von Kater, 19:00:30 So. 16.August 2009

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Kater

ZitatFriedensaktivistin darf vor Militär warnen

Wer das Militär auf den Schulhof lässt, darf Militärkritiker nicht aussperren. Diese Einigung hat eine amerikanische Friedensaktivistin erstritten. Sie musste jahrelang draußen bleiben, während Rekrutierer munter Schüler anheuerten. Nun gilt gleiches Recht für alle.

Im US-amerikanischen Bundesstaat North Carolina darf eine Friedensaktivistin ab sofort für Freiwilligendienste werben und Schüler auch über die Gefahren des Soldatenberufs aufklären. Bisher hatte die lokale Schulbehörde es nur dem Militär gestattet, an den Schulen im Bezirk Wilkes für sich zu werben und Nachwuchs zu rekrutieren.

In einer Klageschrift hatten Bürgerrechtler der Schulbehörde im Bezirk Wilkes vorgeworfen, dass sie mit der Praxis, Militärkritiker auszusperren, gegen das im ersten Verfassungszusatz verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung verstoße. "Freedom of Speech" hat als Grundrecht in den USA traditionell einen enorm hohen Rang. Nach vierjährigem Streit gab es nun eine gerichtliche Schlichtung zwischen der Schulbehörde und der Organisation "North Carolina Peace Action". Das Ergebnis: Ab sofort sind Schulen, die das Militär auf ihr Gelände lassen, verpflichtet, auch Gruppen Zugang zu gewähren, die eine kritische Haltung gegenüber dem Militär vertreten und Alternativen aufzeigen wollen.

Die späte Einigung erstritten hat Sally Ferrell. Die Friedensaktivistin, die der Glaubensgemeinschaft der Quäker angehört, hatte seit 2005 dafür gekämpft, an den Schulen im Bezirk Wilkes sprechen zu dürfen. Sie wollte die Schüler über Freiwilligendienste und Berufe im öffentlichen Dienst informieren, vor allem aber kritische Flugblätter verteilen, die auf Gefahren und Unwägbarkeiten einer Militärlaufbahn hinweisen: So würden Werber oft nicht wahrheitsgemäß über die Dauer von Einsätzen, das fehlende Recht auf Kündigung und die weitreichenden Befugnisse des Militärs in Sachen Bezahlung und Einsatzort informieren. "Sich dem Militär anzuschließen, gefährdet Ihre Bildung", lautete der Titel einer der Broschüren, ein weiterer: "Wissen Sie genug, um sich freiwillig zu melden?"

Bush-Regierung stieß Schultüren weit auf fürs Militär

Das Militär durfte bislang an den Schulen Informationsstände aufbauen und die Schüler überall auf dem Gelände direkt ansprechen. Es galt eine Rechtsvorschrift für Berufsberatung, die es Organisationen erlaubte, zweimal pro Halbjahr direkt an den Schulen für ihre Anliegen zu trommeln. Eine simpler Trick ermöglichte es dem Militär, sogar bis zu zwölfmal zu erscheinen: Die Schulbehörde zählte jede Waffengattung des US-Militärs als eigene Organisation, nämlich Army, Navy, Marines, Airforce, Küstenwache und Nationalgarde. Und sechs mal zwei macht zwölf. Der Rechtsvorschrift zufolge hätten aber auch alternative Organisationen das Recht gehabt, auf dem Schulgelände zu werben - unter der Auflage, dass sie nicht als Einzelpersonen und nicht ohne vorherige Anmeldung kommen dürfen.

Dennoch hatte Schulbehörde in Wilkes der Friedensaktivistin mehrfach den Zutritt zu den Schulen verwehrt. Die Begründung: Die Pazifistin rücke das Militär in ein negatives Licht, ihre Aktivitäten seien "unpatriotisch". Nur für kurze Zeit im Jahr 2007 durfte Ferrell an High Schools, aber dann widerrief Stephen Laws, Leiter des Schulbehörde, die Erlaubnis zügig. Die Begründung diesmal: Ferrell habe keine Jobmöglichkeiten für die Schüler im Bezirk anzubieten.

Die Gegend am Fuß der südlichen Appalachen ist dünn besiedelt und vergleichsweise arm, die Arbeitslosenquote liegt bei rund 13 Prozent - entsprechend beschränkt sind die beruflichen Möglichkeiten für Schulabsolventen. Sally Ferrell indes argumentierte, sie wolle Schüler durchaus über berufliche Chancen aufklären und nicht nur wahrheitsgemäß über das Militär, sondern auch über Alternativen informieren, etwa im "Peace Corps" oder "Americorps". Solche Freiwilligenprogramme im In- und Ausland entsprechen etwa dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder Ökologischen Jahr für deutsche Schulabgänger.

Sally Ferrell hatte kritisiert, dass sie gar nicht an den Schulen habe sprechen dürfen, obwohl sie keine "antimilitärische Herangehensweise" habe. Dagegen seien Schüler vom Militär "aggressiv rekrutiert" worden. Speziell seit dem "No Child Left Behind"-Programm der Bush-Regierung ("Kein Kind darf zurückbleiben") habe das Militär einen deutlich leichteren Zugang zu Schülern.

Neue Auflagen für Militärs wie Friedensbewegte

Tatsächlich hatte die Regierung unter Präsident George W. Bush im Jahr 2002 die Schultüren für die Militärs weit aufgestoßen. Das Bildungsgesetz sollte eigentlich die Qualität der öffentlichen Schulen in den Vereinigten Staaten verbessern. Zugleich aber half die Regierung den Rekrutierungsbüros. Der Kniff: Fördermittel wurden im Gesetzespaket zur "No Child Left Behind"-Politik an die Bedingung geknüpft, dass Schulen Listen mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Schülern an das Militär zu Werbezwecken weitergeben müssen - ein Privileg, das bis dahin Universitäten vorbehalten war.

Mit der per Klage erkämpften Einigung erhalten Ferrell und ihre Mitstreiter nun die gleichen Rechte wie das Militär. Allerdings gelten für beide Parteien neue Regeln: Schüler dürfen auf dem Schulgelände nicht mehr direkt angesprochen werden, sondern müssen sich vorher für Informationsveranstaltungen schriftlich anmelden.

Ferrell sieht den Beschluss trotzdem als Gewinn. "Ich freue mich, wahrheitsgemäße Informationen über Karrieren beim Militär verbreiten zu dürfen - und Alternativen zu einer Karriere bei Militär aufzeigen zu können", sagte Ferrell in einer Stellungnahme nach der gerichtlichen Einigung. Und auch Stephen Laws, Leiter des Schulbehörde, sagte, er sei mit der Einigung "überaus zufrieden", für die Schulen des Bezirks beschließe die Einigung "eine sehr gute Woche".

http://www.spiegel.de/schulspiegel/ausland/0,1518,642518,00.html

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