Bizarres Gutachten mit fatalen Folgen

Begonnen von scalpell, 03:04:37 Sa. 31.Oktober 2009

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scalpell

Ich sehe, dass Sie geisteskrank sind"
Bizarres Gutachten
21.08.2008, 09:57
Von Ekkehard Müller-Jentsch
Psychiatrie-Professor erklärt Kunsthändler ohne Untersuchung für verrückt. Nun wird dieser mit 5000 Euro Schmerzensgeld entschädigt.
Auf Initiative seiner Ehefrau sollte ein Münchner Kunsthändler für verrückt erklärt und in die Psychiatrie eingewiesen werden. Das dazu notwendige Attest erstellte Hans-Jürgen Möller, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität - praktisch ohne Untersuchung. Um diesen bizarren Vorgang wurde elf Jahre lang zivilrechtlich gestritten. Nun wurden Möller und der Freistaat Bayern zur Zahlung von 5000 Euro Schmerzensgeld verurteilt.

Bizarr erschien Beobachtern nicht nur der von zahllosen Beschwerden und Richterablehnungen geprägte Mammutprozess, sondern auch die Geschichte, die dahinter steht. Ein ehemals in München angesehener und wohlhabender Kunsthändler, Spezialist für antike Teppiche, führte einen Rosenkrieg mit seiner Ehefrau. Eines Tages erschien - wohl auf deren Initiative - ein vermeintlicher Kunde in seiner Galerie in der Theatinerstraße. Schon kurze Zeit später stand für diesen "Kunden" fest: Das Verhalten des Kunsthändlers ist "krankhaft".
Als Kunde getarnter Psychiater

Der Besucher war ein pensionierter Psychiater, der seine Diagnose umgehend der Ehefrau des Kunsthändlers anvertraute. Er schrieb ein "Fachpsychiatrisches Attest" zur Unterbringung in der Psychiatrie, das er ausdrücklich "zur Vorlage bei der zuständigen Polizeibehörde" deklarierte. Bei dieser Diagnose wurde der Ex-Arzt von einem weiteren pensionierten Psychiater unterstützt, der den Kaufmann ebenfalls als Kunde getarnt aufgesucht hatte.

"Du bist geisteskrank", offenbarte die Ehefrau daraufhin ihrem geschockten Gemahl, "du hast einen schweren Hirntumor." Sie drängte ihn, deshalb den renommierten Uni-Psychiater Möller aufzusuchen. Der Teppichexperte zögerte, ließ sich zunächst von einem Schweizer Fachmann untersuchen, der ihm, auch psychisch, eine gute Gesundheit bestätigte. Erst dann ging er zu dem Münchner Professor. Der aber soll ihm ohne große Umschweife lapidar erklärt haben: "Wenn ich in Ihre Augen schaue, dann weiß ich, dass Sie geisteskrank sind."

Tatsächlich fertigte Professor Möller nun ebenfalls ein "Fachpsychiatrisches Attest auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus" an, das auch er ausdrücklich "zur Vorlage bei der zuständigen Polizeibehörde" deklarierte. Darin stufte er den Kunsthändler als psychisch krank sowie selbst- und fremdgefährlich ein - die sofortige Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sei erforderlich. In diesem Attest ist unter anderem die Rede von einem absurden finanziellen Gebahren und enthemmten Verhalten im Straßenverkehr - typisch für Maniker. Wie schon zuvor sein pensionierter Kollege schickte auch Möller dieses Papier nicht vorschriftsgemäß an die zuständige Kreisverwaltungsbehörde, sondern gab es der Ehefrau.

Der Kunsthändler, in Szenekreisen durchaus als extrovertierter Künstlertyp bekannt, behauptete später vor Gericht, ihm sei zu dieser Zeit durch seine Ehefrau heimlich das Psychopharmakon Diazepam verabreicht worden. Da der Professor ihn damals aber überhaupt nicht untersucht habe, sei diesem die Vergiftung natürlich verborgen geblieben.
Das Stigma der Geisteskrankheit

Schier panisch räumte der Kaufmann seine Galerie und floh aus Angst vor der drohenden Unterbringung Hals über Kopf in die Schweiz. Das Stigma der Geisteskrankheit habe seinen Ruf zerstört und den Wert seines Warenbestandes dramatisch reduziert, sagte er später. Da seine Ehefrau gegen ihn eine Strafanzeige veranlasst hatte - weil er angeblich als Sicherheit hinterlegte Teppiche habe außer Landes schaffen wollen -, wurde er bei einer Stippvisite in München festgenommen.
Quelle:


Teppich-Händler fordert Millionen
Schadenersatz-Prozess
25.06.2009, 16:01

Von E. Müller-Jentsch
Bizarrer Streit um Attest vor dem Oberlandesgericht: Wegen des Bruchs der Schweigepflicht soll ein Psychiatrie-Professor Schadenersatz leisten.
Der nun schon Jahre andauernde und mit all seinen Nebenschauplätzen ins Bizarre ausufernde Rechtsstreit zwischen dem bekannten Kunsthändler Eberhart Herrmann und dem renommierten Münchner Psychiatrie-Professor Hans-Jürgen Möller ist am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München fortgesetzt worden.

Beide Kontrahenten dürften nach der mündlichen Verhandlung nicht sehr zufrieden gewesen sein: Herrmann ist seinem Ziel, Schadenersatz von mehr als drei Millionen zu erhalten, keinen Schritt näher gekommen - und Möllers Chancen, von der Schmerzensgeldverurteilung aus erster Instanz "freigesprochen" zu werden, sind gegen Null gesunken. Vielmehr hat das Gericht die Verurteilung zu einer höheren Summe in Aussicht gestellt.

Hans-Jürgen Möller, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, hatte ein, wie er selber einräumt, "vorwiegend auf fremdanamnestischen Informationen basierendes Attest", das er gerne "Gutachten" nennt, an Herrmanns Ehefrau gegeben. Dieses auf Klinikpapier ausgestellte und "Fachpsychiatrisches Attest" überschriebene Dokument sollte zur Unterbringung des Kunsthändlers in der Psychiatrie dienen.

Professor Möller weist stets jegliche Unterstellungen zurück, er sei an einem Komplott gegen Herrmann mit dessen Ehefrau beteiligt gewesen. Seine Rechtsanwältin Dorothea Gross machte dem Gericht deshalb klar, dass es sich damals "um eine ganz besondere Situation" gehandelt habe: "Es sollte etwas Gutes getan werden."
Möller erläuterte, dass die Ehefrau angesichts diverser Krankheitssymptome ihres Mannes Hilfe bei ihm gesucht habe. Frau Herrmann sei "gespalten" gewesen in dem Wunsch, ihrem Mann zu helfen und ihn zugleich zu schonen.

Da von einer Fremd- und Selbstgefährdung auszugehen war, sei aber Eile geboten gewesen. Er habe deshalb die Ehefrau mit dem Attest unterstützen wollen, "eine Eilbetreuung in Gang zu setzen". Auf den Einwand der Vorsitzenden Richterin Maria Vavra, dass in Deutschland der Rechtsweg in solchen Fällen über das Vormundschaftsgericht, die Polizei oder die Kreisverwaltungsbehörde führe, schilderte Möller seine schlechten Erfahrungen mit langsamen deutschen Ordnungsbehörden. Seine Anwältin Gross sorgte zudem mit dem Einwurf "Denken sie an Winnenden" für Erstaunen beim Gericht.
Die Vorsitzende Richterin schüttelte den Kopf: "All das kann die Weitergabe nicht rechtfertigen." Und sie äußerte auch Zweifel an der Erklärung: Das Attest sei nicht an einen Betreuer gerichtet, sondern an die Polizei, es sei nicht von "Betreuung" die Rede, sondern von "Unterbringung".

Beim Bayerischen Obersten Landesgericht habe sie vier Jahre lang mit Unterbringungsrecht zu tun gehabt, sagte die erfahrene Richterin, "doch solch ein Attest habe ich noch nie gesehen". Möller behauptete daraufhin, nicht gewusst zu haben, dass er das Attest nicht an die Ehefrau geben durfte. "Es gibt immer Gründe, die ärztliche Schweigepflicht zu brechen", sagte er und berief sich in der Verhandlung auf einen "Verbotsirrtum".

An Herrmann gerichtet machte das Gericht klar, dass es die Rechtslage so sehe wie die erste Instanz: Der beklagte Professor müsse voraussichtlich wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar Schmerzensgeld zahlen, eventuell sogar noch mehr als bis jetzt - doch das Gericht erkenne keinen Zusammenhang zwischen dem Attest und dem behaupteten wirtschaftlichen Schaden.
Denn Herrmann habe seinen Laden ja aus eigenem Entschluss aufgegeben. Anwalt Martin Riemer will nun beweisen, dass nur auf Grund des Attestes Herrmanns Bank-Kreditlinie "auf Null" gesetzt worden war und der Sammlerwert der Teppiche abgestürzt sei. Außerdem machte er die sehr hohen Kosten für Anwälte, Gutachter sowie Gerichtsverfahren geltend.

Da die Akten in diesem Fall inzwischen auf über 2000 Seiten angeschwollen seien, wollte das Gericht von Kläger Herrmann im Übrigen keine weiteren Details seines Ehestreits hören: "Ob die Ehefrau nun Rattengift in den Kaffee getan hat, interessiert mich hier wirklich nicht", meinte die Senatsvorsitzende.
Das Gericht will am 13. August eine Entscheidung verkünden.
(SZ vom 26.06.2009/sonn)
Quelle:

Ich bin sprachlos  scalpell ::)
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