Wohnungswirtschaft - Mieter zahlen für Leerstand

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 01:12:05 Do. 03.November 2005

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Wilddieb Stuelpner

Das kann auch jeden Alg-II-Bezieher treffen, wenn seine tatsächlichen Betriebsnebenkosten den Leistungen für Unterkunft und Heizung, bezahlt von der Arbeitsagentur, nicht mehr kostendeckend entsprechen und zusätzlich noch der Umzug aus der Wohnung droht. Es müssen nicht immer die Quadratmeter der Wohnung ausschlagebend für einen Zwangsumzug sein. Auch nachfolgende Beschreibung wie Vermieter unseriös die Betriebsnebenkosten in die Höhe treiben, kann der Anlaß für einen Zwangsumzug werden.

Normalerweise müßte dann die Arbeitsagentur als Zahlmeister von Leistungen für Unterkunft und Heizung gegen den unseriösen Vermieter klagen und einen Prozeß anstrengen. Der arbeitslose Mieter hat ja den Kostenzustand nicht herbeigeführt. Aber die Arbeitsagentur wird lieber den Weg des geringsten Widerstands gehen und das Zahlungsproblem und die Bekämpfung unseriöser Forderungen auf den Arbeitslosen abwälzen.

So lösen Vermieter ihre Betriebsrisiken.

MDR, Sendung "Umschau": Wohnungswirtschaft - Mieter zahlen für Leerstand

Der Wohnungsleerstand in Ostdeutschland wurde lange Zeit vor allem als Problem der Wohnungswirtschaft und der Vermieter gesehen. Sie leiden unter den Einnahme-Ausfällen durch den Leerstand – denn etwa jede siebte Wohnung in Ostdeutschland steht leer. Doch auch die Mieter müssen mitzahlen.

Das Gesetz sagt klipp und klar: Das Risiko und damit die Kosten des Leerstands trägt ausschließlich der Vermieter. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille: Obwohl das eigentlich gar nicht sein darf, müssen nämlich auch die Mieter für den Leerstand zahlen – und zwar bei den Nebenkosten. Das absurde daran: Was einerseits verboten ist, ist andererseits vorgeschrieben.

Eine rätselhaft hohe Rechnung

Ihre Nebenkosten haben Ute Apel einen richtigen Schock eingejagt: Heiz- und Warmwasserkosten von fast 1500 Euro im Jahr, Nachzahlungen von über 900 Euro – für eine 47-Quadratmeter-Wohnung. "Das ist für mich nicht nachvollziehbar und man zweifelt dann natürlich erstmal an seinen Verbräuchen", sagt Apel. Auch die Hausverwaltung sagte Apel, Grund für die hohen Kosten sei ihr Verbrauch. Doch den kontrolliert sie regelmäßig. Tagsüber dreht sie die Heizung runter, Im Schlafzimmer heizt sie fast gar nicht. Ohne Erfolg: Die Kosten bleiben hoch und Frau Apel ratlos.

Rechnung durch Leerstand verdoppelt

Um die Kosten zu prüfen, hat sie sich die Energie-Abrechnungen und alle Einzelabrechnungen der Wohnungen geben lassen. Darauf hat man ein Anrecht. Und daraus geht zweierlei hervor: Erstens liegt für das Haus von Frau Apel ein Wärmeliefervertrag vor. Auf Nachfrage der Umschau räumt die Verwaltung ein, dass allein dadurch Mehrkosten von rund 20 Prozent entstehen. Hinzu kommt jedoch ein Leerstand von bis zu 50 Prozent in der Abrechnungseinheit. Und das verteuert die Heizkosten auf zwei Arten. Zum einen erhöht sich der Verbrauch erheblich, wenn eine Wohnung von Leerstand umgeben ist. So war es auch bei Ute Apel – hinzu kam bei ihr noch ein unbeheizter Trockenboden über ihre Wohnung.

"Wir kennen Fälle aus unseren Prüfungen, wo sich die Heizkosten dadurch mehr als verdoppelt haben", sagt Adolf Krohn, unabhängiger Sachverständiger für Mietnebenkosten und Betriebskosten. Doch das ist noch nicht alles. Denn durch den Leerstand erhöht sich nicht nur der Verbrauch von Frau Apel, sondern auch ihr "individueller Energiepreis" – also der Preis, den sie unterm Strich pro Kilowattstunde verbrauchter Wärme bezahlen muss.

Fixkosten werden pro Haus bezahlt

Dieser Preis setzt sich aus Verbrauchskosten und Grundkosten zusammen. Die Grundkosten sind z.B. bei Fernwärme und Wärmecontracting sehr hoch, auch Kosten für Betriebsstrom sowie Heizungswartung -ablesung gehören zu den Grundkosten. Und die fallen immer an, egal wie viele Mieter im Haus wie viel Energie verbrauchen.

Für das Haus von Apel fallen nach dem bestehenden Wärmelieferungsvertrag 52 Prozent Grundkosten an – die sind also auch dann fällig, wenn gar keine Wärme verbraucht wird. "Eigentlich müsste der Vermieter diese 52 Prozent Grundkosten für seine leer stehenden Wohnungen selbst bezahlen. Er legt aber nur 30 Prozent Grundkosten nach der Heizkostenverordnung um und entlastet sich damit teilweise von seinem Leerstandsrisiko zu Lasten der verbleibenden Mieter."

Je leerer desto teurer

Wie sich das auswirkt, sieht man bei Christa Irmscher und Matthias Kunath aus Dresden. Beide wohnen seit Jahren bei der gleichen Baugenossenschaft in Dresden-Gorbitz. Der durchschnittliche Fernwärmepreis für einen voll belegten Plattenbau beträgt hier etwa 63 Euro pro Megawattstunde. Bei Herrn Kunath stehen rund 20 Prozent der Wohnungen leer, hier kostet die Megawattstunde schon rund 70 Euro. Und Frau Irmscher bezahlt bei einem Leerstand von 30 Prozent schon 75 Euro. Dabei übernimmt ihre Genossenschaft für die leeren Wohnungen schon einen Grundkostenanteil von 50 Prozent.

Gesetzesänderung gefordert

Die Mieterverbände können ihren Mitgliedern da nur selten helfen – so lange die Vermieter sich an geltendes Recht halten und nach der Heizkostenverordnung abrechnen, können sie nur wenig tun. Möglich wäre zwar eine Umlage der Heizkosten nach Wohnfläche – aber nur wenn dem beide Seiten zustimmen. Die Mietervereine fordern daher Gesetzesänderungen: "Es ist dringend erforderlich, dass die Heizkostenverordnung überarbeitet wird und diese besonderen Tatbestände wie der Leerstand berücksichtigt werden", so Anke Matejka. Die Situation sei den zuständigen Ministerien seit Jahren bekannt, bisher habe man von dort jedoch keine Reaktion erhalten. Auf Anfrage der Umschau teilt das zuständige Bundeswirtschaftsministerium denn auch nur mit, man wolle sich künfig mit den Mieterverbänden und der Wohnungswirtschaft zusammen setzen, um nach Problemlösungen zu suchen. Vorerst müssen die Mieter den Leerstand also mit bezahlen. Ihnen bleibt nur – selbst ausziehen. Denn der letzte zahlt am meisten.

zuletzt aktualisiert: 01. November 2005 | 14:04

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