Präzedenzfall: Neun Angestellte wegen Kritik in Internet-Forum fristlos entlassen

Begonnen von Kater, 12:00:49 Sa. 05.April 2008

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Kater

ZitatLUXUSHOTEL - Neun Angestellte wegen StudiVZ-Gruppe entlassen

Die Mitgliedschaft in einer Gruppe im Studentennetzwerk StudiVZ hat neun Hotelangestellte ihren Job gekostet. Angeblich wurden in der Gruppe Anschläge auf das Hotel geplant. Der Hotelbesitzer hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die Gefeuerten zogen vors Arbeitsgericht.

Zum Logo des Luxushotels "Zur Bleiche" in Burg im Spreewald gehört auch ein Storch. Die StudiVZ-Gruppe, die neun Angestellte des Hotels nun ihren Job kostete, trug den Namen "Der Storch muss hängen" - und das fanden die Betreiber des Hotels gar nicht lustig. Zumal es, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtete, in der Gruppe offenbar ordentlich zur Sache ging. Die Betreiber des Hotels haben nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet - denn in der Gruppe tauchten laut dem RBB unter anderem Formulierungen auf wie : "Wie wollen wir vorgehen ...wie wärs mit abfackeln ... na ihr habt doch schon die Sache mit dem Reizgas durchgezogen."

"Die Sache mit dem Reizgas" - das insbesondere brachte den Hotelchef wohl auf die Palme. Denn im Dezember 2007 musste der Wellness-Bereich des Hotels geräumt werden, weil dort Gas ausgetreten war. Mehrere Hotelgäste seien damals ärztlich behandelt worden, so der Fernsehbericht. Laut dem "Tagesspiegel" hat ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Cottbus den Eingang einer entsprechenden Strafanzeige bestätigt - nun wird untersucht, ob Mitglieder der Gruppe absichtlich Reizgas in dem Hotel freigesetzt haben. Der Hotelbesitzer geht davon aus, dass die Mitglieder der Gruppe tatsächlich dafür verantwortlich waren und befürchtet den Angaben seines Anwalts gegenüber dem RBB zufolge, dass sie weitere Anschläge planten. Durch eine Änderung der Nutzungsbedingungen dürfen die Betreiber von StudiVZ Nutzerdaten seit einiger Zeit herausgeben, wenn Ermittlungsersuche der Staatsanwaltschaft vorliegen.

In der Gruppe ging es allerdings ganz generell um die Arbeitsbedingungen in dem Hotel. Die Mitglieder hätten sich etwa über die Bezahlung und über angebliche Schikanen beschwert. Der RBB berichtet, sie hätten beispielsweise darüber geklagt, dass Auszubildende zur Arbeit in der Küche eingesetzt worden seien, obwohl das nicht in ihren Verträgen stand. Dem "Tagesspiegel" zufolge machten die Gruppenmitglieder bei StudiVZ auch Witze über die Gehbehinderung ihres Chefs. Die inzwischen gelöschte Gruppe hatte 18 Mitglieder.

Neun von ihnen wurde nun offenbar gekündigt - ob das aber arbeitsrechtlich Bestand haben wird, ist fraglich. Die gefeuerten Angestellten jedenfalls klagen nun vor dem Cottbuser Arbeitsgericht gegen ihre Kündigungen.

Der Fall ist nicht der erste, in dem Einträge in Web-Communities Internetnutzer in Schwierigkeiten bringen. Vor einigen Monaten musste eine Schülerin aus dem fränkischen Bad Kissingen ihre Schule verlassen, weil sie auf der Plattform SchülerVZ Beleidigendes über eine Lehrerin geschrieben hatte. Eine ursprünglich erstattete Anzeige wurde damals aber zurückgezogen.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,545401,00.html

Kater

Zitat"Wie wär's mit Abfackeln?"

Wegen mutmaßlicher Anschlagsdrohungen wurden neun Mitarbeiter des wohl besten Hotels im Land entlassen

BURG. Der Vorgang ist bundesweit einmalig: Neun Mitarbeiter eines Luxushotels wurden fristlos entlassen, weil sie sich im Internet über ihre angeblich miesen Arbeitsbedingungen aufgeregt haben. Das ist die eine Sicht der Dinge. Die des Hotels ist schärfer: Die Mitarbeiter hätten im Internet damit gedroht, das Hotel "abzufackeln", deshalb mussten die Gäste vor ihnen geschützt werden. Die Entlassenen behaupten, sie hätten nur Scherze gemacht. Die Kündigungen erfolgten am 6. März, wie der Anwalt des Hotels der Berliner Zeitung bestätigte. Er will seinen Namen nicht in der Öffentlichkeit sehen. Acht der Gekündigten klagen jetzt gegen ihre Entlassung vor dem Arbeitsgericht, wie ein Sprecher bestätigte.

Die Affäre betrifft nicht irgendein Haus - das Hotel "Zur Bleiche" in Burg im Spreewald ist das wohl beste Hotel in Brandenburg: 90 Zimmer, elf Restaurants, ein riesiger Wellnessbereich, allein der Kräutergarten misst 1 000 Quadratmeter. Doch die Arbeitsbedingungen scheinen nicht allen der knapp 180 Mitarbeiter zu gefallen. Etwa 50 diskutierten nicht etwa in den Pausen auf dem elf Hektar großen Hotelgelände, sondern auf der Internetseite studiVZ.de. Eines der Foren heißt "Der Storch soll hängen - Strategien entwickeln". Der Storch ist das Symbol des Hotels.

Das Forum wurde von einem älteren Mitarbeiter initiiert, der dort mit 18 jungen Kollegen diskutierte. Auf die Frage "Wie wollen wir vorgehen?" hieß es im Forum: "Wie wär's mit Abfackeln?" - bei einem Brand entstand bereits 2003 ein Schaden von 3,8 Millionen Euro. Ursache war ein Kurzschluss.

Dann schrieb jemand im Internet: "Na, ihr habt doch schon die Sache mit dem Reizgas durchgezogen." - Ende 2007 mussten das Hotel evakuiert und 42 Hotelgäste ambulant behandelt werden, weil im Gebäude Gas ausgetreten war. Ursache oder Täter konnten nicht ermittelt werden.

Der Anwalt des Hotels sagte, die Mitarbeiter seien nicht entlassen worden, weil sie "im Internet mal Dampf abgelassen" hätten. Es ginge um die Sicherheit der Gäste. Eine Anzeige wegen des Verdachts eines Gasanschlags sei erfolgt. Die Staatsanwaltschaft bestätigte dies.

Nach Angaben des Hotel-Anwalts habe niemand in dem Internetforum protestiert, als es ums "Abfackeln" ging. "Es gehört zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, dass er die Gäste vor Mitarbeitern schützt, die möglicherweise eine Gefahr sind." Wie er sagte, konnten sich alle Internet-Diskutanten zu den Vorwürfen äußern, bevor entschieden wurde, wem gekündigt werde, wer eine Rüge erhält und wer ohne Strafe bleibt. "Nun müssen die Ermittler prüfen, ob ein Verbrechen geplant oder ob es ein Dummer-Jungen-Streich war", sagte der Anwalt. Unklar ist, ob die Kündigungen vor Arbeitsgericht bestehen. "Aber niemand der Gekündigten soll wieder in einem sicherheitsrelevanten Bereich des Hotels arbeiten", sagte der Anwalt.

Das Hotel ist nicht unumstritten, trotz vieler Preise. Allein 2008 waren es acht: vom besten Wellnesshotel im Relax Guide über einen Michelin-Stern bis zu den höchstmöglichen fünf Sternen im Schlummer-Atlas. Die Besitzer waren zweimal die bundesweiten Hoteliers des Jahres und auch Brandenburgs Unternehmer des Jahres.

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten vertritt keinen der Entlassenen, hält die Kündigungen aber für fragwürdig. "Ich habe noch nie davon gehört, dass eine solche Gruppenstrafe durch einen Arbeitgeber verhängt wurde", sagte Sebastian Riesner aus der Gewerkschaftszentrale. Sein Regionalkollege Ingolf Fechner weiß, dass die Arbeitsbedingungen in dem Hotel "nicht gerade vorbildlich" sind. Azubis würden in der Branche zwar oft als billige Arbeitskräfte gesehen. Doch die Betreiber dieses Hotels würden es zudem ausnutzen, dass ihre Facharbeiter bei einer Bewerbung in anderen Häusern mit dem bekannten Namen der Ausbildungsstätte werben könnten. "In der Branche heißt es: Wer aus der ,Bleiche' kommt, ist leidensfähig." Doch all dies könnte nicht rechtfertigen, dass im Internet massiv gedroht wird.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0405/lokales/0026/index.html

Aloysius

Ist in derem Forenbereich tatsächlich über Übergriffe auf Arbeitsstätten oder Arbeitgeber diskutiert worden, und haben sich die Mitarbeiter, um die es geht sich nicht eindeutig und sofort hiervon distanziert, ist die Entlassung absolut der richtige Schritt.

Wie stellt ihr euch das denn vor, soll ein Arbeitgeber sich das anschauen, wie Angestellte offen zu Straftaten aufrufen?

Sachliche Kritik ist eine Sache, wird natürlich auch nicht gerne gesehen und kann strafrechtlich zwar auch verfolgt werden, aber darüber man geteilter Meinung sein.

In diesem Fall haben die Leutchen den Bogen überspannt und müssen nun die Folgen tragen. Sie hätten durch ein wenig Lektüre im Arbeitsrecht oder mit einem Gespräch mit einem im Arbeitsrecht beschlagenen Gewerkschaftler all dies umschiffen können, aber sie wollten es wohl nicht so.
Reden wir drüber

Regenwurm

Wie kamen die an die Daten der betreffenden Personen und somit zur Kündigung ?

ZitatSTUDIVZ-BOSS RIECKE  
  "Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen Daten jetzt herausgeben"  

 Dürfen Internet-Communitys Behörden die Klarnamen von Nutzern verraten, die Bilder von Kiff-Runden oder volksverhetzende Texte veröffentlichen?
 Ja, sagt StudiVZ-Geschäftsführer Marcus Riecke.


Kurzauszug aus dem Interview
SPIEGEL ONLINE: Konkret: Zu Ihnen kommt ein Staatsanwalt mit 30 Fotos aus StudiVZ-Profilen, die Leute anscheinend beim Kiffen zeigen. Er verlangt Klarnamen zu den Profilen und allen Kommentaren. Was machen Sie?

Riecke: Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen solche Daten nun herausgeben. Nutzungsdaten speichern wir bei allen Nutzern, die uns das erlaubt haben durch ihre Einwilligung.

SPIEGEL ONLINE: Hat es den Fall mit dem Joint oder der Wasserpfeife in der Hand schon einmal gegeben?

Riecke: Wir bekommen täglich Anfragen von Behörden, die kenne ich nicht im Detail.

SPIEGEL ONLINE: Wie viele Anfragen sind das?

Riecke: Gut zehn in der Woche.

SPIEGEL ONLINE: Worum geht es da?

Riecke: Am häufigsten Jugendschutz, Beleidigung, Volksverhetzung, Verletzungen von Persönlichkeitsrecht zum Beispiel durch Fake-Profile.

Quelle-Der Spiegel
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

flipper

die gruppe gefällt mir :D aber als konspirative arbeitskampfplatform für subversives ist studivz o.ä. nicht ganz das richtige  :rolleyes:

hoffentlich lassen sie sich vorm arbeitsgericht und gegen die STA von einem IT-rechtler beraten, der soll die urheberschaften für die äusserungen im studivz bestreiten, keine rechtsgültigen elektronischen signaturen etc.

der feindliche RA weiss das und hat deswegen strafanträge gestellt, um mit dem ergebnis die verurteilung vorm arbeitsgericht zu befördern...
"Voting did not bring us further, so we're done voting" (The "Caprica Six" Cylon Model, BSG)

Kater

ZitatWie die Jugendgruppe der Gewerkschaft
Nobel-Hotel hatte Azubis gekündigt, die im Internet über die Arbeitsbedingungen gemosert hatten
Katrin Bischoff, Jens Blankennagel

COTTBUS. "Strategien entwickeln für alle Gegner der Ausbeutung und Sklaverei", so hieß ein Diskussionsforum im Internet. Gegründet hatten es 20 Mitarbeiter des Luxushotels "Zur Bleiche" in Burg im Spreewald, um sich über ihre Arbeitsbedingungen aufzuregen. Der Eigentümer kündigte daraufhin neun Mitarbeitern, weil sie sich "bandenmäßig verabredet haben, um durch einen Reizgasanschlag" dem Hotel zu schaden. Acht Gekündigte klagten dagegen. Gestern verhandelte das Arbeitsgericht Cottbus vier Kündigungen - und erklärte sie für unwirksam.

Die 19, 21 und 22 Jahre alten Azubis und der 24-jährige Angestellte machten nicht den Eindruck, einer "kriminellen Vereinigung" anzugehören. Wegen dieses Verdachts war ihnen im März gekündigt worden. Eine Mitarbeiterin des Fünf-Sterne-Hotels war auf der Studentenplattform "StudiVZ" auf das Diskussionsforum "Der Storch muss hängen" gestoßen. Der Storch ist das Logo des Hotels. Die Mitarbeiter schrieben Sätze wie: "Wie wär's mit abfackeln (...) ach nee, das bringt ja nichts." 2003 entstand bei einem Brand im Hotel ein Schaden von 3,8 Millionen Euro. Ursache war aber kein Anschlag, sondern ein Kurzschluss. Die letzte Eintragung vom Dezember 2007 lautet: "Ihr habt doch schon die Sache mit dem Reizgas durchgezogen." Wenige Tage zuvor hatte die Feuerwehr 179 Menschen aus dem Hotel holen müssen. Gäste hatten über Atembeschwerden geklagt. 42 Menschen mussten ärztlich behandelt werden.

Hoteleigentümer Heinrich Michael Clausing reagierte prompt. Nach einer Anhörung wurde neun Mitarbeitern gekündigt. "Mein Mandant hat schließlich die Verantwortung über mehr als 200 Gäste und Mitarbeiter", sagte gestern Clausings Anwalt Dietmar Olsen.

Das Gericht sah es anders. "Die Ausführungen des Hoteleigentümers waren in weiten Teilen völlig überzogen", sagte Richterin Lore Seidel. "Es ist verständlich, dass er hellhörig werden und reagieren musste. Aber die Kündigung war eine Überreaktion." Man hätte vielleicht eine Abmahnung aussprechen müssen. "Ich werfe meine Kinder auch nicht einfach aus dem Haus, wenn sie einmal Mist gebaut haben", sagte sie. Das Gericht gehe davon aus, dass die Sprüche im Internet nicht ernst gemeint waren.

Zwei der Gekündigten hätten gar keine Beiträge geschrieben, sondern sich nur auf die Seite geklickt. "Als es das Internet noch nicht gab, hat sich die Jugendgruppe der Gewerkschaft getroffen. Da wurde auch nicht immer fein vom Arbeitgeber geredet", so Seidel. Grundsätzlich könnten sich Arbeitnehmer in Gruppen zusammenschließen und auch ihren Chef kritisieren. "Die Grenze ist da zu ziehen, wo der Ruf des Arbeitgebers geschädigt wird oder gar Straftaten begangen werden", sagte sie.

Das Hotel geht in die nächste Instanz vor dem Landesarbeitsgericht. Auch ermittelt die Staatsanwaltschaft noch gegen fünf ehemalige Mitarbeiter wegen Beleidigung, Bedrohung, Aufforderung zu einer Straftat und Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. "Noch ist die Ursache für den Vorfall im Dezember nicht geklärt", sagte Staatsanwalt Horst Nothbaum. Unter den Verdächtigen sind auch zwei Azubis, die gestern vor dem Arbeitsgericht Recht erhalten haben.

"Die ,Bleiche' gehört nicht zu den vorbildlichen Häusern, wenn es um die Arbeitsbedingungen geht", sagte Ingolf Fechner von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten in Cottbus. "Dort ist in der Saison die Sechs-Tage-Woche völlig normal und in der Hochsaison fällt auch mal der einzige freie Tag der Woche weg." Viele junge Leute hätten falsche Erwartungen an die Ausbildung in der gehobenen Gastronomie. "Sie denken, es geht dort zu wie in den Fernsehkochshows, in denen gelächelt wird und alles leicht von der Hand geht", sagt er. Doch die Realität sei anders: Es sei "knüppelhart, sehr stressig und sehr heiß" in der Küche. Gerade in der "Bleiche" würden Azubis hart rangenommen. Sie hielten nach der Ausbildung ein, zwei Jahre aus. "Sie hoffen auf ein schönes Zeugnis, um in andere Luxushäuser zu wechseln", sagt er. "In der Branche ist bekannt: Wer in der ,Bleiche' gelernt hat, ist ziemlich leidensfähig."
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0606/brandenburg/0017/index.html

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