Vorlage und Kopie des Personalausweises bei Beantragung von SGB-Leistungen

Begonnen von Nikita, 15:22:32 So. 11.September 2011

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Nikita

http://www.projekt-eu-dlr.niedersachsen.de/fd_live/falldaten/show.php3?id=39&_psmand=6

ZitatVorlage und Kopie des Personalausweises bei Beantragung von SGB-Leistungen

Personalausweis

Bei der Beantragung von Arbeitslosengeld II wurde der Antragsteller unter anderem aufgefordert, seinen Personalausweis kopieren zu lassen, um die Kopie zu den Akten des Sozialleistungsträgers nehmen zu können.

Der Antragsteller wollte dies jedoch nicht, woraufhin ihm gesagt wurde, dass ohne diese Kopie eine Beratung nicht möglich sei. Der Antragsteller fühlte sich durch die Speicherung der Kopie in der Akte in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

Die Sozialleistungsträger dürfen für die Bearbeitung von Anträgen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) die Daten erheben und speichern, die für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Dies regeln die §§ 67a Abs. 1 S. 1, 67c Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X).

Das Zur-Akte-Nehmen der Ablichtung eines Personalausweises stellt eine Datenspeicherung dar, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, wenn sie für ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren nicht erforderlich ist.

Die Sozialleistungsträger argumentieren häufig, dass die Kopie des Personalausweises benötigt wird, um die Identität des Antragstellers bei erstmaliger Antragstellung und bei weiteren Vorsprachen während des Leistungsbezuges feststellen und die örtliche Zuständigkeit prüfen zu können.

Die Identität des Antragstellers und die örtliche Zuständigkeit sind zweifelsohne erforderlich für die Bearbeitung des Antrages.

Es ist richtig, dass anhand des Personalausweises die Identität des Antragstellers geprüft werden kann. Dafür vollkommen ausreichend ist jedoch das bloße Sich-Zeigen-Lassen des Ausweises.

Die Behörden argumentieren häufig damit, dass sie die Ausweise im Sinne einer effektiven und bürgerfreundlichen Leistungsbearbeitung kopieren, damit Kunden z.B. auch beraten werden können, die ihren Ausweis zu Hause gelassen haben. Dies rechtfertigt die Speicherung ohne Einwilligung des Antragstellers jedoch nicht. Wenn ein Antragsteller sich nicht ausweisen kann, ist dieser wieder nach Hause zu schicken, es sei denn, er hat in die Speicherung der Ausweiskopie eingewilligt.

Selbst wenn im Einzelfall die Aufbewahrung einer Kopie erforderlich sein sollte, so wären davon nicht sämtliche im Pass oder Personalausweis enthaltenen personenbezogenen Daten erfasst. Vielmehr wäre die Aufbewahrung auf die zwingend erforderlichen personenbezogenen Daten zu beschränken. Die sonstigen Daten (z.B. Seriennummer, Angaben zu Größe, Augenfarbe sowie die maschinenlesbare Zone) wären auf der Kopie zu schwärzen.

Ein Sozialleistungsträger darf somit grundsätzlich keine Ausweiskopie zur Akte nehmen.

dagobert

ZitatDatenschützer rügen Jobcenter

Eine Bürgerrechtsgruppe sieht Verstöße gegen das Datenschutzgesetz: Bei Anträgen auf Hartz-IV-Leistungen wurden Personalausweise fotokopiert. So gelangen sensible Daten in die Akten.

Das Offenbacher Jobcenter Mainarbeit arbeitet möglicherweise nicht ganz gesetzeskonform. Die Bürgerrechtsgruppe ,,Die Datenschützer Rhein-Main" ist der Auffassung, dass das Jobcenter gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstößt. Denn seine Mitarbeiter fotokopieren den Personalausweis der Kunden, die auf der Behörde um eine Hartz-IV-Leistung anfragen.
[...]
Die Datenschützer wurden von Offenbacher Hartz-IV-Beziehern informiert. In der Tat ist die Praxis des Jobcenters nicht nur den ehrenamtlichen Datenschützern ein Dorn im Auge. Auch der hessische Datenschutzbeauftragte betrachtet sie als unzulässig. ,,Das Kopieren des Personalausweises ist nicht erlaubt, auch nicht mit Einwilligung", erklärt Ulrike Müller, Sprecherin des hessischen Datenschutzbeauftragten, die den Dissens in dieser Sache mit dem Offenbacher Jobcenter bestätigt.

Keine Behörde dürfe die Hinterlegung des Personalausweises fordern, auch nicht die Polizei. Das Einscannen sei ebenfalls verboten. Mitarbeiter in Behörden hätten lediglich das Recht, sich den Personalausweis anzuschauen und Daten handschriftlich abzuschreiben.
Dass die Mainarbeit den Paragrafen 20 des Bundesdatenschutzgesetzes anders auslegt, hatte das Jobcenter dem hessischen Datenschutzbeauftragten mitgeteilt.

Wie in dieser Sache zu verfahren ist, ist noch strittig. Die Landesbehörde hat jetzt das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium um Stellungnahme gebeten. Die Antwort steht noch aus.
http://www.fr-online.de/offenbach/offenbach-datenschuetzer-ruegen-jobcenter,1472856,34930078.html

ZitatWann ist das Kopieren des Personalausweises erlaubt?
https://www.datenschutzbeauftragter-info.de/wann-ist-das-kopieren-des-personalausweises-erlaubt
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

ZitatEndlich Klarheit: Keine Ausweiskopien im Jobcenter

Gängige Praxis im Jobcenter Offenbach (und wohl auch in vielen anderen deutschlandweit) war die Erstellung von Personalausweiskopien der (potentiellen) Leistungsempfänger. Hiergegen ging die Bürgerrechtsgruppe ,,Die Datenschützer Rhein Main" vor (wir berichteten).

Zunächst wurden Beschwerden an den hessischen Sozialminister und den hessischen Datenschutzbeauftragten versandt.

Der hessische Sozialminister konnte in der Praxis des Jobcenters kein rechtswidriges Verhalten erkennen. Der hessische Datenschutzbeauftragte erklärte hingegen, dass das Einscannen des Personalausweises und dessen Speicherung in einer elektronischen Akte und/oder einem Dokumenten-Management-System im Bereich Sozialwesen, insbesondere im Anwendungsbereich der Sozialgesetzbücher 1,2,8 und 11 verboten sei. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung wurde die übergeordneten Bundesbehörden, die Bundesministerien des Inneren und der Justiz, um eine rechtliche Bewertung des Sachverhaltes gebeten. Diese kamen zum selben Ergebnis wie der hessische Datenschutzbeauftragte: Das Fotokopieren und Einscannen von Ausweispapieren ist unzulässig! Die Sachbearbeiter haben lediglich das Recht, den Personalausweis in Augenschein zu nehmen, und die dort befindlichen Daten und Informationen manuell zu erfassen.

Daraufhin wurde das Jobcenter durch den hessischen Datenschutzbeauftragten angewiesen, seine Arbeitsweise dahingehend zu ändern, keine Kopie mehr anzufertigen und auch die bereits vorhandenen Kopien aus den Akten zu entfernen.
https://www.datenschutz-notizen.de/endlich-klarheit-keine-ausweiskopien-im-jobcenter-4517742/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Zitat12.05.2019
Jobcenter Offenbach: Antragsteller*innen werden rechtlich zweifelhafte Einwilligungserklärungen vorgelegt

Ein Antragsteller auf Leistungen nach SGB II (,,Hartz IV") wandte sich mit der Bitte um Beratung an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main. Eine der Fragen war: Wie ,,freiwillig" ist die von mir verlangte Einwilligung, im Rahmen der Antragstellung die Anfertigung einer Kopie meines Personalausweises zuzulassen?
weiterlesen:
https://ddrm.de/jobcenter-offenbach-antragstellerinnen-werden-rechtlich-zweifelhafte-einwilligungserklaerungen-vorgelegt/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Naaaa endlich taucht diesbezüglich Zoff auf.. In HH sind SBs so dreist drauf, das sich
Begleitpersonen im sinne des §13 Abs.4 genau so identifizieren lassen sollen. Ich werde
meine letzte Eskallation mit dem JC nicht vergessen, wo sich SB damit nicht abfinden
wollte, das Daten meiner Vertrauensperson in meiner E-Akte nichts zu suchen haben.
Gut, wenn sie meinen, das dies zu ihrem Hausrecht und Hausordnung gehört, muss halt
der Schriftverker des Verhandelns als Ersatzlösung dienen..

Nachdem ich beim nächsten Besuch so fürchterlich Mundfaul wurde, weil das rein gesagte
keinerlei Verlässlichkeit bot und ich nur 2 Sätze auf Lager hatte, "Auf Grund meiner Nachweis-
pflichten kann ich nur auf dem schriftlichen Wege darüber mit ihnen kommunizieren." oder
"Dazu muss ich erstmal mein Arzt befragen." hätte SB eine Kaffeepause mehr gebracht, als
mich vor zu laden.

Danach funzte es wieder, das meine Begleitpersonen nicht mehr angeranzt wurden  ;D
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Hier kommt endlich was Handfestes:
ZitatDer Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2016 verurteilt, die Kopien des Personalausweises der Klägerin in der elektronischen Akte unverzüglich zu löschen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für den gesamten Rechtsstreit. Die Revision wird nicht zugelassen.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 30.04.2019, L 26 AS 2621/17
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

  • Chefduzen Spendenbutton