Entpolitisierung

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 15:48:35 Do. 26.Juni 2014

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Kuddel

Den Spruch Frieden - Freiheit - Selbstbestimmung gibt es auch bei der AfD.

https://twitter.com/hahauenstein/status/1677739292880252932

Hier ist es wohl Captain Future von den Schwurblern.

Man sollte grundsätzlich einen Riesenbogen um Tanzdemos machen.

Kuddel

Ich bleibe bei meiner Behauptung, daß die Entpolitisierung, also da Nichtverstehen der Zusammenhänge, ein zentrales Problem ist.

Es wird nicht gesehen, welche Rolle die Wirtschaft/das Kapital spielt. Dort wird der Ton angegeben, die Richtung vorgegeben. Man hat keine Ahnung von der Rolle des Staates und der der Parteien.

Irgendwie sieht man nur die Regierung und die regierenden Bürgerlichen Parteien als "die da oben". Damit kommen Forderungen, wie "die Ampel muß weg" oder "die Regierung muß weg". Man hat aber keine Ahnung, was man stattdessen will. Da alle Parteien irgendwie gleich erscheinen, die linksparte dabei noch eine Kleinigkeit sozialer ist, bleibt die AfD als Einzige, die rebellisch, radikal anders, fast revolutionär erscheint.

Da man nicht das Kapital als Treibende Kraft der Politik sieht, sieht man auch nicht, daß auch die AfD der Wirtschaft im Arsch steckt. Die AfD will im Grunde ähnliches wie die Ampel, nur schneller, radikaler und militanter.

Die "Kleinen Leute", die diese "Rebellen" wählen, werden staunen, wenn Solzialleistungen radikal zusammengestrichen werden (wie in Italien), wenn Meinungsfreiheit und Pressefreiheit verschwinden (Ungarn), Gewerkschaftsrechte und Arbeiterrechte zusammengestutzt werden.

Letztendlich ist es Trumps Politik, er sagt, er kämpft für die kleinen Leute ("gegen das Establishment"), doch er macht die Politik der Oligarchen.

Kuddel

Zu meinen Lieblingsthemen gehören die Medien.

Sie "machen" mindestens so viel Politik, wie Politiker. Sie klopfen die Hirne der Menschen weich, bis sie nur noch auf Aufreger anspringen und politische Zusammehänge nicht mehr verstehen.

Politik ist ein Kräftemessen von Interessengruppen. Es haben sich viele Gruppen organisiert, Hausbesitzer, Bauern, Industrie, Handwerk usw. usf.. Es heißt, Arbeiter hätten Gewerkschaften und SPD als ihre Organisationen, aber das sehe ich beim besten Willen nicht so.

Parteien und Politiker stehen für Interessengruppen und politische Ausrichtungen. Da kann man zumindest noch feststellen, was einem zu blöd ist und zu sehr gegen die eigenen Interessen geht. Das ist relativ einfach bei Leuten, die z.B. reihenweise Krankenhäuser schließen lassen oder die Gesetze so schreiben, daß die Mieten immer weiter steigen können, völlig unabhängig von den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Mieter.

Der neuer Coup der Medien, ist diese Ausrichtung und die Vertretung bestimmter Interessensgruppen (zumeist der Wirtschaft) zu vernebeln und zu zerstreuen. Schluß mit politschen Einschätzungen, jetzt geht es um den Menschen und seine Emotionen. Politker in der Homestory, nahbar, fehlbar und schließlich irgendwie sympathisch.

Karl-Theodor zu Guttenberg, erninnert sich noch wer? Dieser schmierige Idiot aus einem Raubrittergeschlecht, der sich hat erwischen lassen beim Abkupfern für seine rechtswissenschaftliche Doktorarbeit, Generalsekretär der CSU, Atlantikbrückler, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Kriegsminister. Er versuchte es mit einem medial dick aufgetragenen Besuch unserer Jungs in Afghanistan zu Weinachten und ließ auch den nicht minder unangenehmen Johannes B. Kerner einfliegen, aber da flog im gerade sein Plagiatsskandal um die Ohren.

Jetzt heißt es, er sei Lobbyist, Unternehmensberater, Fernsehmoderator und Autor, was auch immer das heißen mag. Ich schätze mal, wenig Arbeit und viel Geld. Sein Ekelfaktor ist dem von Friedrich Merz nicht unähnlich.

Er soll nun aber wieder aus der Vergessenheit geholt werden und Korruption und all der politische Dreck, den er am Stecken hat, soll nicht mehr Thema sein, sondern ganz einfach: Der Mensch Karl-Theodor zu
Guttenberg mit alle seinen Fehlern und Schwächen, ganz knuddelig.

Zitat,,Wir werden von einsamen Menschen regiert"

Er wurde wie ein Popstar gefeiert, dann stürzte er über eine Plagiatsaffäre. Karl-Theodor zu Guttenberg blickt zurück auf die Jahre als Politiker, spricht über seine Depressionen – und erzählt, warum er sich eine Söder-Gedächtnistasse anschaffen will.
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/gesellschaft/karl-theodor-zu-guttenberg-stephanie-trennung-soeder-depressionen-e547638/?reduced=true

ZitatIm Dezember veröffentlicht RTL eine Doku über die ,,Macht der Kirchen" in Deutschland. Darin macht sich Karl-Theodor zu Guttenberg auf die Suche nach den Ursachen für den Mitgliederschwund und möglichen Auswegen.
https://www.pro-medienmagazin.de/rtl-doku-mit-zu-guttenberg-ueber-kirche/ (und nebenbei noch die Horrorinstituion Kirche reanimieren.)

ZitatGuttenbergs Buch
Ein Demutsgigant


Karl-Theodor zu Guttenberg versucht wieder mal, sich neu zu erfinden, nun als Schriftsteller.
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/buch-von-karl-theodor-zu-guttenberg-er-ist-ganz-der-alte-19322099.html

Zitat,,KT" soll zur Medienmarke aufgebaut werden: Warum die Insolvenz der Looping Group jetzt auch Ex-Verteidigungsminister Guttenberg betrifft

Es sollte ein fulminantes Comeback sein. Ein geläuterter Karl-Theodor zu Guttenberg sollte wie Phoenix aus der Asche steigen. Mit neuem Image, neuem Äußeren und ganz neuem Sound. Weniger Hybris, mehr persönliches Scheitern.

Für die Neuerfindung seines Ichs und das entsprechende Storytelling hob der Ex-Minister, dem spätestens nach seiner Plagiatsaffäre 2011 das Image eines Blenders anhaftete, im Frühjahr letzten Jahres eigens eine Firma aus der Taufe, die ,,Open Minds Media GmbH". Business Insider liegt der Gesellschaftervertrag vor. Die Firma soll Guttenberg zu einer Medienmarke aufbauen. Der Mann, so die Geschäftsidee, soll fortan als TV-Moderator, Redner, Buchautor und Podcaster auftreten und seine eigene ,,Brand" werden.
https://www.businessinsider.de/wirtschaft/looping-group-warum-die-insolvenz-jetzt-auch-ex-minister-guttenberg-betrifft/

Naja, sowas kann man auch anderen zuschustern. Ekelpakete, die ein neues und unpolitiches Image brauchen, gibt es genug. Z.B. den hier:

ZitatHausbesuch bei Wolfgang Schäuble
»Ich bin einsam«



CDU-Veteran Wolfgang Schäuble in seiner Offenburger Wohnung
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wolfgang-schaeuble-ueber-das-haushaltsurteil-steuererhoehungen-und-was-die-cdu-nun-tun-sollte-a-5ec1b4f6-e06b-428b-b7f5-393081fd537f

Da menschelt es auch wieder wunderbar.
Vergessen ist, daß Schäuble von dem inzwischen wegen Steuerhinterziehung verurteilten Waffenhändler Karlheinz Schreiber eine Bar-Spende von 100.000 D-Mark für die CDU entgegengenommen hat. Schäuble wurde unter anderem von juristischen Fachverbänden und Medienjournalisten vorgeworfen, den Rechtsstaat in einen Überwachungs- bzw. Präventivstaat umwandeln und alle Grundrechte einem fiktiven Grundrecht auf Sicherheit unterordnen zu wollen. Man warf ihm einen ,,Frontalangriff auf das Grundgesetz" vor. Er wollte  einen Einsatz der Bundeswehr für Sicherheitsaufgaben innerhalb der Landesgrenzen ermöglichen, und sprach sich für Internierungslager für sogenannte ,,Gefährder" aus, sowie für eine Rechtsgrundlage für einen finalen Rettungsschuß im Einsatz gegen Terroristen.

Seine menschenverachtende Politik gegen Griechenland bleibt unvergessen.

Die Mehrheit der griechischen Bevölkerung hat sich gegen die Sparmaßnahmen ausgesprochen, die Griechenland von der EU auferlegt werden sollten.

Schäuble hat auf Volkeswillen und die Demokratie geschissen und Millionen Griechen in die Armut geworfen. Das ist für mich Schäuble.

Es gibt genug Menschen, die wirklich einsam sind und die Mitleid verdienen.
Schäuble ist es jedenfalls nicht.

Und nochmal: Die Menschen müssen aufgeklärt werden über das, was Politiker machen und wofür sie stehen. Und nicht darüber, wie sie fühlen, was sie essen oder welche Klamotten sie tragen.

Kuddel

Der gesellschaftliche Rechtsruck ist nicht vom Himmel gefallen.

Es werden einfache, aber falsche, Weltbilder verbreitet, die erstaunlich gut verfangen.

Sie werden nicht nur hierzulande verbreitet, mit ähnlichen Kampagnen wurde der Aufstieg von Trump in den USA und Milei in Argentinien ermöglicht.

Dazu gehört das Vertauschen von links und rechts. Bürgerlichen und neoliberalen Politikern wird unterstellt, links oder linksradikal zu sein. Bei uns bekamen die Grünen und insbesondere Robert Habeck den Stempel "linksgün versifft" aufgedrückt. Rechtspopulisten bis hardcore Faschisten werden zu Rebellen gegen die Eliten und zur Stimme des kleinen Mannes verklärt.

Statt die wirtschaftlichen Interessen hinter politischen Entscheidungen aufzuzeigen, wird Politik personalisiert. Es geht nur noch um einen Wettstreit zwischen einigen wenigen Figuren, die entweder gefährliche Drahtzieher und Bösewichte sind oder aber die wenigen Widersacher, die sich als Lichtgestalten den Herrschern der Welt mutig entgegenstellen.

Statt Ausbeutung, Massenvermung, Umweltzerstörung und Kriegstreiberei anzuprangern, wurde die Wut auf ein paar Schießbudenfiguren gelenkt. Es ging los mit "Merkel muß weg!", zu Coronazeiten waren es dann Bill Gates, Drosten und Lauterbach und heute sind es Habeck und Scholz oder einfach "die Ampel".

Für den globalen Rahmen gibt es auch eine Umkehrung und Vereinfachung. Der Globale Süden wird vom Wertewesten gnadenlos ausgeplündert, es werden ihm die Bodenschätze genommen, die Wälder abgeholzt oder niedergebrannt, der Boden durch Landgrabbing geraubt und bis zur Unfruchtbarkeit ausgepreßt und der Fischfang zugrundegerichtet. In der herrschenden Propanda wird die Situation umgedreht. Demnach hängen die Länder des Globalen Südens (Trump: "shithole countries") an "unserem" Tropf und deren Bevölkerung läßt es sich mit "unserer" Entwicklungshilfe gutgehen.

All das konnten wir bei den Bauernprotesten auf den Schildern an den Traktoren lesen.

Das haben sich die Bauern nicht ausgedacht. Sie haben nur 1:1 wiedergegeben, was durch die Köpfe großer Teile der Bevölkerung geistert.

Kuddel

Ach, ich hatte noch eines der Standardargumente vergessen:

Politiker seien "unfähig". Da heißt es dann, ihre Politik wäre handwerklich schlecht gemacht, sie hätten keine Ahnung, sie könnten es einfach nicht. Dabei fällt kein Wort über den Inhalt der Politik, in welche Richtung es geht und wessen Interessen da vertreten und umgesetzt werden.

Es geht einfach nur um Personen und in den Asozialen Medien steigert man sich weiter rein, da sind es "Idioten", "Irre" und ähnliches.

Kuddel

Verblödung als Konzept.
Schlechte Bildung & Informationsmüll.

Habe gehört, daß weit über 50% der jungen Leute der Meinung sind, daß es bald innovative technische Lösungen für das Problem des Klimawandels gibt.

Nen Scheiß wird es geben! Das globale Ökosystem geht weiter den Bach runter, wenn es nicht gelingt, völlig neue Verkehrskonzepte zu entwickeln und die Produktion und Landwirtschaft radikal umzubauen.

Die Abwesenheit eines kritischen Denkens und die Tiktok-Bildung führen dazu, daß man sich nicht mit den herrschenden Machtstrukturen anlegt, weil man hofft, daß sich alles von selbst löst und ein paar kreative Visionäre das mit ihren tollen Ideen schaffen.

Angeblich sieht die Mehrheit der jungen Leute das so.
Hoffnungslos!

Kuddel

Politische Dummheit entsteht durch ein Fehlen politischer Bildung und kenntnisreicher Diskussion.

Die klassenkämpferische Linke kümmert sich zu wenig um Bildung und Einmischung. Dann darf man sich nicht wundern, wenn Leute sich bei den staatlich gesponsorten Infokanälen, Mr.Wissen to go und dem ganzen Youtuberotz informieren.

Es ist wirklich sehr verbreitet (mehrheitsfähig?), zu glauben, "wenn's meinem Chef gut geht, geht es auch mir gut." oder, "wenn es Deutschland gut geht, geht es mir gut."

Man kann in einem scheißreichen Land leben und trotzdem wie ein Sklave behandelt werden. Das muß man diesen Leuten um die Ohren hauen. Dieses "wir" ("unsere" Firma, "unser" Land) ist etwas, was wir nicht hinnehmen dürfen. Damit geht's los, mit der Ausgrenzung von Ausländern, mit der Wut auf Menschen, die von Sozialleistungen leben, weil sie "unserem Land" auf der Tasche liegen.

Es gibt zu wenig Erfahrung von kollektiven Kämpfen, die die eigene Situation verbessert haben.

Wanderratte

Zitat von: Kuddel am 17:12:54 Di. 03.September 2024Politische Dummheit entsteht durch ein Fehlen politischer Bildung und kenntnisreicher Diskussion.

Die klassenkämpferische Linke kümmert sich zu wenig um Bildung und Einmischung. Dann darf man sich nicht wundern, wenn Leute sich bei den staatlich gesponsorten Infokanälen, Mr.Wissen to go und dem ganzen Youtuberotz informieren.
Ich befürchte leider, dass die klassenkämpferische Linke für sehr viele Menschen zu unattraktiv ist und somit auch ihre Bildungsangebote. Diese existieren nämlich. Sie werden nur zu selten genutzt. Vielleicht liegt es einfach daran, dass diese Angebote nicht dem aktuellen Zeitgeist entsprechen. Selbstverständlich kann man noch viel mehr tun. Möglicherweise muss man direkt auf die Menschen zugehen, weil man sie ansonsten nicht erreicht. Ich denke, wenn das Interesse in der Bevölkerung größer wäre, wäre auch das Bildungsangebot größer.

Zitat von: Kuddel am 17:12:54 Di. 03.September 2024Es ist wirklich sehr verbreitet (mehrheitsfähig?), zu glauben, "wenn's meinem Chef gut geht, geht es auch mir gut." oder, "wenn es Deutschland gut geht, geht es mir gut."
Ich weiß es zwar nicht, aber möglicherweise ist dies genau das, was in der Schule gelehrt und in den Medien verbreitet wird. Damit die Menschen ruhig sind und die gesellschaftlichen Verhältnisse so akzeptieren wie sie sind.

Dabei ist es so offensichtlich, dass mit dieser These etwas nicht stimmen kann. Man muss sich hierfür lediglich eine Statistik zum Thema "Vermögensverteilung" anschauen. Schon sollte jedem klar sein, dass es Deutschland an sich gut geht. Das Problem ist, dass extrem viele Menschen vom Reichtum ausgeschlossen sind:

https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61781/vermoegensverteilung/ .

Und was den Chef betrifft: Der kauft sich vielleicht ein weiteres Haus, ein weiteres Auto oder bringt das Geld lieber zur Bank, als dass er es an diejenigen weiterreicht, die ihn reich gemacht haben.

Die weit verbreitete Vorstellung, dass es einem selbst gut geht, wenn es Deutschland bzw. dem Chef gut geht, kann nur unter der Voraussetzung funktionieren, dass in einem Land das Vermögen weitestgehend gleichmäßig in der Bevölkerung verteilt ist.

Beziehungsweise, wenn in einem Unternehmen der Gewinn auf alle, die in diesem Unternehmen arbeiten, gleichmäßig verteilt wird. Ich habe sowieso keinerlei Verständnis dafür, dass gerade diejenigen, die am meisten arbeiten und somit das Unternehmen am Laufen halten, am wenigsten verdienen.

Zitat von: Kuddel am 17:12:54 Di. 03.September 2024Man kann in einem scheißreichen Land leben und trotzdem wie ein Sklave behandelt werden. Das muß man diesen Leuten um die Ohren hauen. Dieses "wir" ("unsere" Firma, "unser" Land) ist etwas, was wir nicht hinnehmen dürfen. Damit geht's los, mit der Ausgrenzung von Ausländern, mit der Wut auf Menschen, die von Sozialleistungen leben, weil sie "unserem Land" auf der Tasche liegen.
Ich denke, dass dieses "wir" ganz bewusst eingesetzt wird, um die Bevölkerung zu beeinflussen. Das "wir" erinnert mich an das "du", das man mittlerweise in der Werbung, aber auch in Stellenanzeigen immer häufiger findet. Sowohl beim "wir" als auch beim "du" geht es wohl in erster Linie um die Identifikation mit Deutschland bzw. mit einem bestimmten Unternehmen. Auf diese Weise werden prekäre Arbeitsbedingungen möglicherweise für viele Arbeitnehmer weniger zum Problem, denn es ist ja "unsere" Firma. Auch in der Werbebranche geht man scheinbar davon aus, dass Werbebotschaften besser ankommen, wenn potentielle Kunden geduzt werden.

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/einkaufen-supermarkt-moebelhaus-kommunikation-kunden-100.html

Wir und die anderen: "Wir" bedeutet zwangsläufig, dass es auch die "anderen" gibt. Diese können dann nach Belieben ausgegrenzt und diffamiert werden. Denn sie gehören ja nicht zum "wir", so eine scheinbar recht häufig anzutreffende Meinung innerhalb der Bevölkerung.

Zitat von: Kuddel am 17:12:54 Di. 03.September 2024Es gibt zu wenig Erfahrung von kollektiven Kämpfen, die die eigene Situation verbessert haben.
Ich weiß nicht, ob ich damit richtigliege, aber ich stelle mir unter kollektiven Kämpfen Kämpfe vor, an denen sich ein großer Anteil der Bevölkerung beteiligt. Sollte dies so sein, so fallen mir ehrlich gesagt in Deutschland in der aktuellen Zeit keine Kämpfe ein, die tatsächlich kollektiv wären. Alle Kämpfe, an die ich gerade denke, betreffen nämlich nur einzelne Bereiche (z.B. Erwerbslose, Streik im Betrieb, Bauern).

Kollektive Kämpfe, die die eigene Situation verbessern, könnten dazu führen, dass die Menschen eine andere Sicht auf die gesellschaftlichen Verhältnisse bekommen. Man erkennt dann nämlich, dass man gemeinsam die Macht hat, die Gesellschaft zu verändern. Davon bin ich auf jeden Fall überzeugt.

Kuddel

Zitat von: Wanderratte am 02:30:03 Mi. 04.September 2024Ich befürchte leider, dass die klassenkämpferische Linke für sehr viele Menschen zu unattraktiv ist

Das ist nicht wahr. Wenn im Betrieb Leute sich hervortun, indem sie kollegial sind, Kollegen gegen Vorgesetzte verteigen und sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, dann ist es völlig egal, ob sie in irgendwelchen linken Organisationen oder obskuren Kommunistischen Parteien sind. Solche Leute haben einen Stein im Brett auch bei denen, die völlig unpolitisch sind oder gar Rechtstendenzen haben.

Es gibt ähnliches in der Stadtteilarbeit. Wenn sich Mieter massiv über den Tisch gezogen fühlen, überzogene Nebenkostenabrechnungen nicht akzeptieren wollen, dann kommen sie zu Veranstaltungen, die von Linken/Linksradikalen organisiert worden sind. Unpolitische Leute und welche mit einem fragwürdigen politischen Weltbild.

Wenn Linke nicht erwarten, daß die Leute sich für "ihre" Themen interessieren, sondern da sind, wo den Menschen der Schuh drückt, werden sie ernstgenommen. Wenn es auch noch gelingt, Abhilfe zu schaffen, Verbesserungen durchzusetzen, dann erhalten auch ihre Argumente Gewicht.

counselor

ZitatIch habe sowieso keinerlei Verständnis dafür, dass gerade diejenigen, die am meisten arbeiten und somit das Unternehmen am Laufen halten, am wenigsten verdienen.

Da sind wir einer Meinung, aber beide im Konflikt mit herrschenden Lehre in der Ökonomie. Die sieht es nämlich so, dass sowohl der Arbeiter, als auch der Kapitalist zur allgemeinen Wohlfahrt genau das aus dem erwirtschafteten Reichtum erhalten, was sie dazu beigetragen haben. Ein Armer hat nach dieser Lehre seine Armut freiwillig gewählt, weil er entweder kurz arbeitet und zugunsten der Freizeit auf Lohn verzichtet oder freiwillig eine Tätigkeit ausübt, deren Grenzproduktivität niedrig ist. Der reiche Kapitalist steuert nach diesem Verständnis, dadurch dass er die Produktionsmittel zur Verfügung stellt, mehr zur allgemeinen Wohlfahrt bei, als der Arbeiter. Will heißen, nach herrschender Lehre ist ungleiche Verteilung des Vermögens "gerecht".

ZitatAuf diese Weise werden prekäre Arbeitsbedingungen möglicherweise für viele Arbeitnehmer weniger zum Problem, denn es ist ja "unsere" Firma.

Bei uns in der Firma werden die niedrigen Löhne akzeptiert, weil das sonstige Betriebsklima gut ist. Da sagen die Kollegen, bevor sie sich anderswo für wenig mehr Lohn anschreien und unter Druck setzen lassen, bleiben sie lieber hier.

ZitatMan erkennt dann nämlich, dass man gemeinsam die Macht hat, die Gesellschaft zu verändern. Davon bin ich auf jeden Fall überzeugt.

Das wäre der Fall, wenn die Leute aktiv für ihre Interessen würden. Das kapitalistische System ist aber so angelegt, dass die Leute politisch passiv bleiben und die Verantwortung für das Gemeinwesen an Stellvertreter delegieren, die dann regieren.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Wanderratte

Zitat von: Kuddel am 11:32:33 Mi. 04.September 2024Das ist nicht wahr. Wenn im Betrieb Leute sich hervortun, indem sie kollegial sind, Kollegen gegen Vorgesetzte verteigen und sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, dann ist es völlig egal, ob sie in irgendwelchen linken Organisationen oder obskuren Kommunistischen Parteien sind. Solche Leute haben einen Stein im Brett auch bei denen, die völlig unpolitisch sind oder gar Rechtstendenzen haben.

Es gibt ähnliches in der Stadtteilarbeit. Wenn sich Mieter massiv über den Tisch gezogen fühlen, überzogene Nebenkostenabrechnungen nicht akzeptieren wollen, dann kommen sie zu Veranstaltungen, die von Linken/Linksradikalen organisiert worden sind. Unpolitische Leute und welche mit einem fragwürdigen politischen Weltbild.

Wenn Linke nicht erwarten, daß die Leute sich für "ihre" Themen interessieren, sondern da sind, wo den Menschen der Schuh drückt, werden sie ernstgenommen. Wenn es auch noch gelingt, Abhilfe zu schaffen, Verbesserungen durchzusetzen, dann erhalten auch ihre Argumente Gewicht.
Das ist sehr interessant. Das war mir so nicht bewusst. Mit Betriebsarbeit kenne ich mich beispielsweie überhaupt nicht aus.

Das heißt ja dann, dass es auch auf die einzelnen Mitglieder von linken Parteien und  Organisationen ankommt. Wie sie sich im näheren Umfeld verhalten! Wer positive Erfahrungen gemacht hat, trifft dann eventuell bessere Wahlentscheidungen und interessiert sich möglicherweise sogar für politische Bildung.

Ich war schon öfter auf der Webseite der "Stadtteilgewerkschaft Solidarisch In Gröpelingen". Ihr Konzept finde ich sehr überzeugend. Vielleicht täusche ich mich, doch leider habe ich den Eindruck, dass nur sehr wenige Organisationen dieser Art existieren, die basisdemokratisch organisiert sind. Oftmals sieht es leider anders aus, wie beispielsweise hier:

https://www.meinheidenheim.de/stadtteile+und+wohngebiete/mittelrain/stadtteilarbeit+mittelrain .

Diese Situation kenne ich leider auch von Erwerbsloseninitiativen und sehe darin ein Problem.

Dass es zuerst notwendig ist, sich um die Probleme der Menschen zu kümmern, das sehe ich auch so. Allein schon vom menschlichen Aspekt her!

Ich halte es für absolut notwendig, dass Linksparteien, linke Organisationen und deren Mitglieder vermehrt in diese Richtung aktiv werden. Somit entsteht zugleich ein Berührungspunkt, der dazu beitragen kann, dass sich die Menschen für eine Partei oder Organisation interessieren. Sich um die persönlichen Probleme der Menschen zu kümmern, ist meiner Meinung nach das Beste, was man tun kann. In zweierlei Hinsicht! Denn die meisten dieser Probleme stehen ohnehin mit dem Kapitalismus im Zusammenhang. Somit wäre auch gleich die Basis geschaffen, die Ratsuchenden auf diesen Punkt aufmerksam zu machen. Das Interesse an politischer Bildung könnte sich dann möglicherweise automatisch entwickeln.

Die Wahlergebnisse der Linksparteien sind sehr frustrierend. Die Frage, die sich mir nun stellt, ist die, ob es möglich wäre, hieran etwas zu ändern, wenn man sich um die Menschen vermehrt kümmert.

Vielleicht sollten die Wahlergebnisse aber auch gar nicht das vorrangige Ziel sein. Denn letztendlich sind Inhalte und deren Umsetzung erstmal von größerer Bedeutung. Ich denke jedoch, dass es zumindest möglich ist, auf diese Weise langfristig die Wahlergebnisse zu verbessern. Denn wer politische Bildung hat, durchschaut vermutlich auch eher die Manipulationsversuche der Medien usw. und ist somit in der Lage, zukünftig sinnvollere Entscheidungen zu treffen.

Wanderratte

Zitat von: counselor am 17:28:01 Mi. 04.September 2024Da sind wir einer Meinung, aber beide im Konflikt mit herrschenden Lehre in der Ökonomie. Die sieht es nämlich so, dass sowohl der Arbeiter, als auch der Kapitalist zur allgemeinen Wohlfahrt genau das aus dem erwirtschafteten Reichtum erhalten, was sie dazu beigetragen haben. Ein Armer hat nach dieser Lehre seine Armut freiwillig gewählt, weil er entweder kurz arbeitet und zugunsten der Freizeit auf Lohn verzichtet oder freiwillig eine Tätigkeit ausübt, deren Grenzproduktivität niedrig ist. Der reiche Kapitalist steuert nach diesem Verständnis, dadurch dass er die Produktionsmittel zur Verfügung stellt, mehr zur allgemeinen Wohlfahrt bei, als der Arbeiter. Will heißen, nach herrschender Lehre ist ungleiche Verteilung des Vermögens "gerecht".
Ich finde das schon irgendwie krass. Es wird so getan, als hätte der Unternehmer etwas geleistet, indem er Produktionsmittel zur Verfügung stellt. Dabei ist es doch sehr oft so, dass der Betrieb geerbt wurde. Und auch die Unterstellung, ein Armer hätte seine Armut freiwillig gewählt, ist eine absolute Frechheit. Daran sieht man sehr deutlich, auf welcher Seite die herrschende Lehre der Ökonomie steht.

Zitat von: counselor am 17:28:01 Mi. 04.September 2024Bei uns in der Firma werden die niedrigen Löhne akzeptiert, weil das sonstige Betriebsklima gut ist. Da sagen die Kollegen, bevor sie sich anderswo für wenig mehr Lohn anschreien und unter Druck setzen lassen, bleiben sie lieber hier.
Ich verstehe das. Doch letztendlich müsste meiner Meinung nach zumindest der Mindestlohn erhöht werden und für jeden Arbeitnehmer Gültigkeit haben. Auch für Behinderte, Ein-Euro-Jobber usw.! Es ist traurig, dass Menschen für so wenig Geld arbeiten müssen, nur weil es woanders noch schlimmer ist.

Ich finde es sehr schlimm, dass Menschen an der Arbeit angeschrien werden. Was soll das!

Zitat von: counselor am 17:28:01 Mi. 04.September 2024Das wäre der Fall, wenn die Leute aktiv für ihre Interessen würden. Das kapitalistische System ist aber so angelegt, dass die Leute politisch passiv bleiben und die Verantwortung für das Gemeinwesen an Stellvertreter delegieren, die dann regieren.
Doch irgendwie muss man dem entgegensteuern. Denn damit möchte ich mich nicht zufriedengeben. Man kann sich dem widersetzen, indem man nicht im Interesse des Kapitalismus handelt. Soweit das überhaupt möglich ist! Denn auf bestimmte Dinge möchte ich auch nicht verzichten.

Selbstverständlich ist es sehr schwierig, die Menschen zu motivieren, für ihre Interessen aktiv zu werden. Deswegen ist das ja hier im Forum auch immer wieder ein Thema. Der Kapitalismus ist halt leider so aufgebaut, dass er sich immer wieder stabilisiert und erneuert. Man muss herausfinden, wie man das stoppen kann.

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