Was würde die Propagandaabt. Bertelsmann der AG-Verbände z. demographischen Wandel sagen?

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 12:26:56 Di. 09.Januar 2007

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Wilddieb Stuelpner

Neues Deutschland, vom 29. Dezember 2006

Der demografische Wandel verlangt, veränderte Maßstäbe an eine gelungene Politik anzulegen, sagt Caren Lay. Die 34-jährige Vize-Vorsitzende der sächsischen Linksfraktion, die auch im Bundesvorstand der Partei sitzt, gehört einer Enquetekommission des Landtags zum demografischen Wandel an.

Mit ihr sprach Hendrik Lasch.

NEUES DEUTSCHLAND: Alle reden über den demografischen Wandel. Alles Schwarzmalerei oder einen Sachzwang, auf den Politik reagieren muss?

CAREN LAY: Beim Thema Demografie gibt es zwei klassische Herangehensweisen.

Entweder wird das Problem beschrieben, dabei häufig dramatisiert, und als Lösung wird neoliberale Kahlschlagpolitik angeboten. Oder das Problem wird geleugnet, weil Kahlschlagpolitik abgelehnt wird. Beides ist nicht zielführend. Der demografische Wandel findet statt. Ob daran eine falsche
Wirtschafts- oder Familienpolitik schuld war, ist für das politische Handeln im Hier und Heute nachrangig. Die Prozesse sind im Gang, ob wir es wollen oder nicht. Also muss sich auch die Linke darauf einstellen, sie mitzugestalten.

NEUES DEUTSCHLAND: Verbreitet herrscht die Vorstellung, gute Familienpolitik könne das Problem bewältigen.

CAREN LAY: Eine andere Familienpolitik könnte zweifellos die Bedingungen dafür verbessern, dass sich wieder mehr junge Menschen für Kinder entscheiden. Aber die Prozesse sind weit vorangeschritten und haben in absehbarer Zeit Folgen. Und ob man selbst mit der besten Familienpolitik die Geburtenraten so weit steigern könnte, dass die Bevölkerungszahl stabil bleibt - da bin ich skeptisch.

NEUES DEUTSCHLAND: Wäre das ein erstrebenswertes politisches Ziel?

CAREN LAY: Das ist die Frage. Wenn die Einwohnerzahl sinkt, wird uns das sicherlich vor politisch-administrative Probleme stellen. Aber generell kann man Politik nicht unter die Prämisse stellen, dass eine bestimmte Bevölkerungszahl gehalten werden muss. Als Linke wollen wir mit einer modernen Familienpolitik die Lebensbedingungen für Menschen verbessern, nicht aber das »Gebärverhalten« an bestimmten wirtschaftlichen Kenngrößen ausrichten.

NEUES DEUTSCHLAND: Unterscheiden sich linke und konservative Antworten auf das Problem?

CAREN LAY: Wir wollen nicht die Wirtschaftsförderung auf Metropolen konzentrieren, sondern strukturschwachen Gebieten eine Perspektive bieten - wenngleich eine realistische. Oder: Als Antwort auf sinkende Nachfrage ziehen wir die Stärkung regionaler Kreisläufe vor, weil so auch die Bindungskräfte der Region gestärkt würden.

NEUES DEUTSCHLAND: Kommunen hoffen oft noch, ein Autobahnanschluss, neue Eigenheime und ein Gewerbegebiet könnten den Abwärtstrend bremsen. Zu Recht?

CAREN LAY: Das ist eine leider noch immer verbreitete, aber komplett illusorische Hoffnung. Kommunen müssen sich darauf einstellen, dass sie schrumpfen werden. Die Erwartung, ein Investor werde die Probleme lösen, ist für die meisten Orte in Sachsen unrealistisch. Angesichts des demografischen Wandels braucht es andere Maßstäbe für gelungene Politik. Eine Kommune kann auch attraktiv werden, indem sie besonders familienfreundlich ist.

NEUES DEUTSCHLAND: Linke Politik hat bisher auf Fortschritt gebaut, der oft als »schneller, höher, weiter« verstanden wurde. Wie schwer fällt das Umdenken?

CAREN LAY: Der Fortschrittsgedanke findet sich in allen politischen Strömungen. Wir haben es da nicht schwerer oder leichter als andere. Unsere Werte bieten im Gegenteil sogar gute Möglichkeiten, die Prozesse einfallsreich zu gestalten. Ich behaupte, dass die CDU mit ihrem konservativen Familienbild in viel größere Konflikte geraten wird. Jahrelang hieß es: Mütter sollen sich um Kinder kümmern, nicht arbeiten gehen. Jetzt stellt man fest: Wir brauchen mehr Arbeitskräfte, auch die Frauen. Da sind wir besser vorbereitet.

NEUES DEUTSCHLAND: Kann die Linke aber weiter so vehement etwa für den Erhalt von Schulen streiten?

CAREN LAY: Auf sinkende Schülerzahlen hätte man mit einer anderen Bildungspolitik reagieren können, statt wie die Staatsregierung per Kahlschlag jede Dorfschule zu schließen.

NEUES DEUTSCHLAND: Man hätte aber auch nicht jede erhalten können.

CAREN LAY: Das ist richtig. Man kann aber zumindest mehr Schulstandorte erhalten, indem das unsinnige Aufteilen der Schüler auf verschiedene Schulformen nach Klasse 4 abgeschafft oder jahrgangsübergreifender Unterricht zugelassen wird. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil Schulen bei der Identifikation mit Heimat eine große Rolle spielen. Wer früh an lange Fahrtwege gewöhnt wird, pendelt auch später - oder zieht gleich ganz weg.

NEUES DEUTSCHLAND: Welche Folgen haben die Entleerung ganzer Regionen und das Ausdünnen von Infrastruktur auf den Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse?

CAREN LAY: Man muss sich klarmachen, dass gleichwertige nicht gleiche Lebensverhältnisse sind.

Wer aufs Land zieht, muss sich auf längere Wege einstellen und kann nicht eine ähnliche Infrastruktur erwarten wie in der Großstadt. Gefährlich wäre es aber, sich vom Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse zu verabschieden. Ich befürchte, dass hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und eine notwendige Flexibilisierung sozialer Versorgung genutzt wird, um soziale Ungleichheit zu verstärken ...

NEUES DEUTSCHLAND: ... indem Starke gestärkt und Schwache abgekoppelt werden?

CAREN LAY: Es gibt Politiker und Wissenschaftler, die in der stärkeren Ausdifferenzierung der Lebensverhältnisse eine Chance sehen - Motto:

Unterstützt werden diejenigen, die im internationalen Wettbewerb mithalten können, alle anderen sind uns egal. Das hielte ich für fatal.

NEUES DEUTSCHLAND: Wenn von demografischem Wandel gesprochen wird, klingt das oft nach Untergangsszenario. Gibt es auch Chancen?

CAREN LAY: Man darf die Probleme nicht kleinreden. Trotzdem müssen wir dem Thema den Geruch der Katastrophe nehmen. Wer dramatisiert, kann keinen kühlen Kopf bewahren und kluge Entscheidungen treffen. Und natürlich gibt es Chancen. Schließlich werden viele Menschen älter und bleiben länger gesund.

Und das ist schließlich eine sehr schöne Seite des demografischen Wandels.

uwenutz


Nestbeschmutzer

Da lob ich mir doch Klaus Ernst von der WASG, der kann so schön bildlich reden.

Wie z.B. zum Thema Beweislastumkehr

MfG


besorgter bürger

Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.

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