Berlin: Schufa-Eintrag verhindert Wechsel des Stromanbieters

Begonnen von Kater, 02:39:07 Mi. 06.Februar 2008

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Kater

ZitatSchufa-Eintrag verhindert Wechsel des Stromanbieters

Tausende Berliner können aufgrund eines negativen Schufa-Eintrags nicht den Strom- oder Gasanbieter wechseln. Konkurrenz-Anbieter zu den Grundversorgern Vattenfall (Strom) und Gasag (Gas) schlössen in der Regel keine Verträge mit Personen ab, die einen negativen Schufa-Eintrag haben, berichtet die «Berliner Zeitung» (Mittwochausgabe). Dieser wird von der Kreditauskunftei vergeben, wenn Verbraucher Rechnungen und Kredite nicht bezahlt haben. Auch Insolvenz und eine eidesstattliche Erklärung zur Zahlungsunfähigkeit haben einen Negativeintrag zur Folge.

Nach Schufa-Angaben sind in Berlin rund 340 000 Personen oder 11,7 Prozent der Bevölkerung über 18 Jahren betroffen. Von den Unternehmen werde die Praxis offen eingeräumt: «Ich bitte Sie um Verständnis, dass die Nuon Deutschland grundsätzlich bei Vorliegen eines negativen Bescheides keine vertraglichen Lieferbeziehungen mit Kunden eingeht», heißt es laut Zeitung in einem Kundenschreiben des Billigstromversorgers.

Der Anbieter Eprimo habe ebenfalls klare Vorgaben: «Vor jedem Vertragsabschluss holen wir uns eine Kreditauskunft. Fällt die negativ aus, dann lehnen wir ab. Das ist absolut üblich in der Branche», sagte Sprecher Jürgen Rauschkolb. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) kritisierte dieses Vorgehen. Finanzexpertin Helga Springeneer sagte: «Wer arm ist, muss oft auch noch mehr bezahlen.»

http://www.berlinonline.de/aktuelles/berlin/detail.php?msg=ddp_2022340950

Kater

ausführlicher:

ZitatGünstige Tarife nur für gute Schuldner
Schufa-Einträge versperren tausenden Berlinern den Anbieterwechsel bei Strom, Gas, Telefon
Jakob Schlandt

BERLIN. Rainer M. ist enttäuscht: "Den Habenichtsen werden auch noch Knüppel zwischen die Beine geworfen", sagt der Berliner aus Prenzlauer Berg. Er hat versucht, zu einem günstigeren Strom- und Telefonanbieter zu wechseln, wurde aber immer wieder abgelehnt. Begründung: Ein negativer Eintrag bei der Finanzauskunftei Schufa, die für Unternehmen die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern beurteilt.

"Grundsätzlich kein Vertrag"

Immer wieder rufen Verbraucherzentralen und Politik zum Anbieterwechsel bei Strom, Gas und Telefon auf. Kunden könnten dort dank der Liberalisierung und dem Wettbewerb unter den Lieferanten mehrere hundert Euro pro Jahr sparen, heißt es.

Doch gerade jene Haushalte, denen Billigtarife wohl am meisten nützen würden, haben dazu kaum eine Möglichkeit - die Anbieter schließen in der Regel keine Verträge mit Personen ab, die aufgefallen sind, weil sie Rechnungen und Kredite nicht bezahlt haben oder Insolvenz oder Offenbarungseid abgeben mussten - in Berlin sind das rund 340 000 Personen, rund 11,7 Prozent der Bevölkerung über 18 Jahren. Sie müssen bei den sogenannten Grundversorgern bleiben, die gesetzlich verpflichtet sind, alle Kunden zu nehmen.

Von den Unternehmen wird das offen eingeräumt: "Ich bitte Sie um Verständnis, dass die Nuon Deutschland grundsätzlich bei Vorliegen eines negativen Bescheides keine vertraglichen Lieferbeziehungen mit Kunden eingeht", heißt es in einem Schreiben des Billigstromversorgers an Rainer M. Der Anbieter Eprimo hat ebenfalls klare Vorgaben: "Vor jedem Vertragsabschluss holen wir uns eine Kreditauskunft. Fällt die negativ aus, dann lehnen wir ab. Das ist absolut üblich in der Branche", sagt Sprecher Jürgen Rauschkolb. Er bittet um Verständnis: "Um günstig Strom anbieten zu können, müssen wir uns sicher sein, dass die Rechnung auch bezahlt wird, schließlich sind wir nicht vor Ort und können deshalb nicht den Strom abstellen." Auch der Telekom-Anbieter Versatel hat Rainer M. nach dessen Angaben als Kunden abgelehnt.

Zumindest eine Möglichkeit, etwas zu sparen, bleibt trotz Eintrag: Bei den beiden Berliner Versorgern Vattenfall (Strom) und Gasag (Gas), die zu einem teuren Grundversorgungstarif verpflichtet sind, kann darüber hinaus auch in günstige Tarife gewechselt werden. "Bei uns kann jeder aus der gesamten Produktpalette wählen, auch der preiswerte Internettarif steht allen offen", sagt Vattenfall-Sprecher Olaf Weidner.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) beklagt die Situation von Rainer M. als typischen Problemfall. Finanzexpertin Helga Springeneer sagt: "Wer arm ist, muss oft auch noch mehr bezahlen." Ein Teil der Bevölkerung könne vom Preiswettbewerb in vielen Märkten nicht profitieren.

Springeneer fordert deshalb: "Im Bereich Daseinsvorsorge, also etwa bei Strom und Gas, sollte die Situation anders bewertet werden, denn die meisten säumigen Zahler bemühen sich, diese Rechnungen als erstes zu bezahlen." Eine bessere Regelung sei notwendig, so müssten Bonitätskriterien je nach Branche differenzierter betrachtet werden. Rainer M., der vor knapp sieben Jahren aufgrund einer Firmenpleite Insolvenz anmelden musste, wünscht sich genau dies. "Es ist mir unverständlich, dass ich nach so langer Zeit und obwohl ich alle meine Rechnungen zuverlässig bezahle, immer noch gebrandmarkt bin."

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wirtschaft/722782.html

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