Jugendamt / Sozialhilfe für Pflegekind

Begonnen von Milzbrand, 00:04:25 So. 26.Februar 2023

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Milzbrand

Hallo Allerseits,

ich schildere Euch mal kurz den Problemfall:

Pflegekind lebt seit mehreren Jahren bei Großeltern in Vollzeitpflege. Das Jugendamt hat bis kurz vor dem 15.Lebensjahr Leistungen nach dem SGB XII (kurz Sozialhilfe) für Lebensunterhalt bis 09/2022 gewährt.

Der Weiterbewilligungsantrag (inkl. der geforderten Nachweise) ab 10/2022 wurde in 09/2022 mit Einschreiben eingereicht. Bis heute erging kein schriftlicher Bescheid von Seiten des Sozialamtes/Jugendamtes. (Dieser wurde zumindest nun schriftlich und unter Fristsetzung angefordert!) Telefonisch wurde vom Jugendamt mitgeteilt, dass die Akte bei dem Jobcenter nun vorliegt!?

Nun meine Fragen dazu,.... Mit Erreichen des 15.Lebensjahr kann oder muss das Pflegekind von Leistungen nach dem SGB II leben? Welche gesetzliche Regelung / Paragraphen schließen einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII aus?

Das Kind ist weiterhin Pflegekind und wird von den Großeltern in Vollzeit betreut.

Zusätzlich wurde in einem Schreiben (ohne Rechtsbehelfsbelehrung / nur Information) des Jugendamtes / sozialer Dienst im 11/2022 mitgeteilt, dass die Pflegeeltern "seit Beginn der Pflegezeit keinerlei Bedarf an Hilfen zur Erziehung gemäß SGB VIII" hatten. Weiterführend wurde vom SB behauptet, dass "nach eingehender Beratung von Seiten der Pflegeeltern auch keinerlei Unterstützung weiterhin benötigt würde." "Demnach liegt kein Rechtsanspruch auf Zahlung des Pflegegeldes im Sinne der Verwandtenpflege vor. Es werden keinerlei Hilfen seitens des Jugendamtes geleistet, da kein Erziehungsbedarf besteht." (Eine Rechtsgrundlage fehlt hier gänzlich!)

Mündlich wurde vom SB mitgeteilt, dass während der gesamten Zeit kein Hilfeplan für das Pfelgekind erstellt wurde und dieser eigentlich als Schlüssel für die Bewilligung des Pflegegeldes (nach SGB XII) gilt.

Hierzu ist zu sagen, dass die Pflegefamilie über Jahre von Anwalt und Gerichtsverfahren begleitet wurden, ohne ordentlich aufgeklärt (Rechte/Pflichten) zu werden.

Was kann man an diesem Punkt dagegen unternehmen?

MfG,
Milzbrand

dagobert

Zitat von: Milzbrand am 00:04:25 So. 26.Februar 2023Nun meine Fragen dazu,.... Mit Erreichen des 15.Lebensjahr kann oder muss das Pflegekind von Leistungen nach dem SGB II leben? Welche gesetzliche Regelung / Paragraphen schließen einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII aus?
Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII wird durch § 21 desselben ausgeschlossen, da nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ein Anspruch nach dem Zweiten Buch besteht.
ZitatLeistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
[...]
Die Weiterleitung der Akte ans JC ist also soweit erstmal richtig.
Die Erwerbsfähigkeit ist definiert in § 8 Abs. 1 SGB II:
Zitat§ 8 Erwerbsfähigkeit
(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Aufgrund der Vollzeitpflege (= nicht erwerbsfähig) kommt dann § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zum Tragen (siehe oben), womit der Anspruch wieder entfällt und das Kind ins SGB XII "zurückkehrt".
Diese fehlende Erwerbsfähigkeit muss aber erst offiziell vom Jobcenter festgestellt werden (§ 44a SGB II); bis dahin ist das Jobcenter zuständig.
Da wird noch einiges an Papierkrieg kommen.

Zum SGB VIII und zum Pflegegeld kann ich nix sagen, da kenn ich mich nicht aus.


SGB II
SGB XII
Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

Frauenpower

Für so einen Fall muss es doch Beratung geben! Klar, natürlich nicht bei den dafür zuständigen Stellen :/

Ich kann zum Thema auch nur weiterleiten:

Beim Kinderschutzbund vor Ort fragen
https://www.dksb-nms.de/kinderschutzbund-will-rechte-und-schutz-fuer-pflegekinder-staerken/

Pro familia

Tacheles-sozialhilfe.de

Oder im elo-Forum.org

Oder sonstigen Beratungsstelle die geeignet dafür sein kann


Milzbrand

@dagobert:

Vielen Dank für deine Antwort. Ein kleiner Hinweis noch zu deinen Ausführungen, das Pflegekind (nun 15 Jahre alt) ist nicht körperlich oder geistig eingeschränkt. Die "Vollzeitpflege" bezeichnet in diesem Fall, dass es die ganze Zeit bei den Großeltern lebt, demnach wäre es erstmal erwerbsfähig (laut SGB II), allerdings besucht es noch die Schule bis 2024.

MfG,
Milzbrand

dagobert

Also keine Pflege, sondern Erziehung.
Dann wird das Kind im SGB II bleiben, da erwerbsfähig.
Das erspart den Papierkrieg mit Amtsarzt etc.

Effektiv ändert sich dann nur die Stelle, von der das Geld kommt.
Da weiterhin Schulpflicht besteht, hat das JC sonst nichts weiter zu melden. Vorerst jedenfalls.
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Karl May

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