Armenrecht wird nicht mehr gelduldet - Prozeßkostenhilfe für Bedürftige ist lästig

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 01:21:42 So. 07.Mai 2006

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Wilddieb Stuelpner

Der Rechtsstaat wird schrittweise demontiert.

Man wird der wachsenden Zahl von Widersprüchen gegen Arbeitsagenturen und von Sozialklagen nicht mehr Herr. Statt Personal bei der Arbeitsverwaltung und Justiz aufzustocken, um die aufgetürmten Aktenberge in einem überschaubarem Zeitrahmen im Interesse der bedürftigen Beschwerdeführer und Kläger abzuarbeiten, bedroht man den Bedürftigen mit Rechtsentzug durch Androhung "finanzieller Eigenverantworung und Selbstvorsorge". Das ist so, als wenn man einem Patienten die benötigte Medinzin entzieht und hofft, er kommt auch ohne wieder auf die Beine oder er krepiert.

Die vielgepriesene Freiheit dieses Landes landet im Mülleimer, denn Freiheit heißt auch mit Erfolg um die Durchsetzung seines Rechts kämpfen zu können. Der Spruch: "Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei!" ist falsch oder unvollständig: Man muß den Zugang zum Recht haben und sich auch das Recht leisten können.

So wie heute in einem anderen Posting zur Einführung von Studiengebühren und der Entzug von staatlichen Zuwendungen an Bildungseinrichtungen vorausgesehen wird, so erleben wir das gleiche im Gesundheitsbereich durch steigende Eigenbeteiligung bei gleichzeitiger Absenkung des Leistungskatalogs für die Gesundheitsversorgung oder am vorliegendem Beispiel im Sozialrecht durch Barrikadenbau der machtausübenden Politmajonetten, die von der Wirtschaft und Banken geschmiert werden.

Das paßt auch zu den Schikanen gegen Arbeitslose. Ein roter Faden, der sich überall durchzieht.

Es bleibt übrig: Elitenausbildung, Elitengesundheitsversorgung und Elitenrechtsprechung. So was kommt in keiner Demokratie, sondern in einer Diktatur des Kapitals vor.

Es wird gegen das Volk regiert, obwohl die Abgeordneten ihren Eid leisteten, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Die Prozeßkostenhilfe zu erschweren, kommt einer Beseitung von Bürger- und Menschenrechten gleich.

Ist das kein Verfassungsbruch?

Hier wird er praktiziert und bei der Reichensteuer nur vermutet.

Artikel 19 GG [Einschränkung von Grundrechten; Wesensgehalts-, Rechtswegegarantie]

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.

Artikel 103 GG [Anspruch auf rechtliches Gehör; Verbot rückwirkender Strafgesetze und der Doppelbestrafung]

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.


Neues Deutschland: Recht für Arme nur auf Pump? - Drei Länder wollen Prozesskostenhilfe begrenzen und erschweren

06.05.06

Von Claus Dümde

Ein »Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz« war diese Woche Thema im Bundesrat. Die Länder erhoffen sich davon »wesentliche Einsparungen«. Doch für Arme wird es künftig noch schwieriger, Recht zu bekommen.

Selbst die Antragsteller Niedersachsen und Baden-Württemberg, beide von CDU/FDP-Koalitionen regiert, räumen im Vorspruch ihres Gesetzentwurfs ein, dass der Staat mit der Prozesskostenhilfe »seine verfassungsrechtliche Verpflichtung (erfüllt), bedürftigen Parteien den Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen«. Denn der kommt Rechtssuchende selbst dort teuer, wo – bisher noch – keine Gerichtsgebühren kassiert werden.

Gesetzgebung und Rechtsprechung sind so kompliziert, widersprüchlich, oft auch Auslegungssache, dass Normalbürger ohne Beistand eines – guten! – Anwalts oft wenig Chancen haben, ihr Recht zu bekommen. Deshalb wurde schon 1980 das »Armenrecht« durch die Prozesskostenhilfe abgelöst. In den Paragrafen 114ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) sind die Voraussetzungen, sie zu erhalten, detailliert geregelt. Sie sollen nun verschärft werden. Weil die Ausgaben für Prozesskostenhilfe seit 2001 »erheblich gestiegen« sind, müsse man die Leistungen auf das »gebotene Maß« begrenzen.

Im Mittelpunkt soll »eine angemessene Erhöhung der Eigenbeteiligung der bedürftigen Partei an den Prozesskosten« stehen. Das scheint paradox: Wie soll sich jemand, der »bedürftig« ist an den Kosten beteiligen?. Im Justizministerium Schleswig-Holsteins, das den Gesetzentwurf mit eingebracht hat, verweist man auf die scheidungswillige Zahnarztgattin, die mit Prozesskostenhilfe die Hälfte eines Einfamilienhauses erstreitet, aber derzeit dennoch die Kosten nicht übernehmen muss. Ein neuer § 120a ZPO soll das ändern: Wer per Prozess etwas erlangt, hat daraus die Kosten aufzubringen, wenn das möglich ist. Im geschilderten Falle wäre das nur gerecht.

In Kiel sieht Justizminister Uwe Döring (SPD) »Möglichkeiten der Kostensparung« u. a. auch bei der Höhe der Freibeträge und den Ratenzahlungsmodalitäten. Künftig solle Prozesskostenhilfe nur noch bekommen, wem »nach Abzug aller Kosten im Monat 450 Euro freies Einkommen verbleiben«. Derzeit liegt die Grenze bei 750 Euro. In Stuttgart präzisierte FDP-Minister Ulrich Goll: »Jeder, dessen Einkommen und Vermögen über das im Sozialhilferecht definierte Existenzminimum hinaus geht, soll in Zukunft Prozesskostenhilfe nur noch als Darlehen erhalten, das vollständig zurückgezahlt werden muss.« In Raten von zwei Dritteln des verfügbaren Einkommens .
Antragsteller auf Prozesskosten- hilfe müssen sich künftig ebenso entblößen wie die auf ALG II. Wer dem nicht zustimmt oder Angaben verweigert, erhält keinen Cent.

Um zu sparen, sollen selbst die juristischen Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe ausgehebelt werden. Derzeit steht sie laut § 114 ZPO Bedürftigen zu, »wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint«. Nun wird dekretiert: »Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, soweit eine nicht Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände trotz hinreichender Aussicht auf Erfolg von der beabsichtigten Prozessführung absehen würde.« Mit dieser Behauptung lässt sich jeder Antrag ablehnen. Um Kosten zu sparen.

aian19

Der Rechtsstaat wird schrittweise demontiert.

Genau, und keiner tut was....

Die ersten wachen gerade auf und jammern jetzt, das es doch so schlimm und schlimmer gekommen ist und kommen wird, wie wir bei unseren Montagsdemos immer gesagt haben......

Wenn ich täglich di Nachrichten und die Pläne dieser Regierung lese, kocht es immer mehr in mir.....die sollen froh sein, das die so weit weg von mir sind.... X( X( X( X( X(
"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren"

"Wenn Unrecht zu Gesetz wird, ist der Gesetzlose der einzige, der noch rechtmäßig handelt."

Mene mene tekel upharsin

Klassenkampf

Die Schlinge zieht sich enger, bleibt beinahe kaum noch Luft zu atmen:

ZitatTüröffner für Behördenwillkür

Bundesrat plant Einführung einer Gebühr für Anträge auf Prozeßkostenhilfe


Seit Beginn des Monats ist das Hartz-IV-Optimierungsgesetz in Kraft. Erwerbslosen droht damit noch schneller als bisher die Streichung von Leistungen wegen angeblicher und tatsächlicher Verfehlungen, »Mißbrauch« oder Nicht annahme »zumutbarer« Arbeiten. Schon zuvor arbeiteten die Sozialgerichte auf Hochtouren: Beschwerden Erwerbsloser gegen die Arbeitsagenturen häufen sich. Mietzahlungen, Kostenerstattungen für Klassenfahrten oder Umzüge oder aus Sicht der Betroffenen ungerechtfertigte Sanktionen sind Gegenstand der Klagen. 40 Prozent der Sozialgerichtsverhandlungen in diesem Jahr betrafen nach Einschätzung der Gewerkschaft ver.di die Jobcenter-Thematik.

Dem will der Bund nun einen Riegel vorschieben und eine schon lange erwogene Gebühr für Sozialgerichtsprozesse durchsetzen. Auch die Prozeßkostenhilfe soll gekürzt werden. Im Gespräch sind 50 Euro, die allein für den Antrag auf Prozeßkostenhilfe hingelegt werden sollen. »Mißbräuchliche Inanspruchnahme« der Gerichtsbarkeit, so der Bundesrat, solle dadurch verhindert werden. Dauerhaft in »Mißbrauchs«-Debatten verstrickte Erwerbslose belasten den Haushalt zu sehr mit ihren Verfahren.
...
Absurder Richterspruch
In den ersten Augusttagen erlebte ein Berliner Erwerbsloser, daß sein Antrag auf Prozeßkostenhilfe beim Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg vorläufig abgelehnt wurde. Begründung: Er müsse dem Gericht erst Nachweise über seine Arbeitsbemühungen erbringen. Anderenfalls sei bei ihm von »Arbeitsscheu« auszugehen. (sic!!! - persönliche Anmerkung) Sein Anwalt Sven Korzilius war außer sich: »Bei meinem Mandanten gab es keinerlei Anzeichen, die eine solche Vermutung rechtfertigen.« Das Gericht stützte sich dabei auf die Kommentierung zu Paragraph 115 der Zivilprozeßordnung in der 2005 erschienenen Auflage, in der es heißt: »Gerichte müssen sich vor Arbeitsscheu schützen.« Korzilius: »Mich erschreckt, was für ein Gedankengut da befördert wird. Der Erwerbslose wird nun auch vom Gericht unter den Generalverdacht gestellt, nicht arbeiten zu wollen.« Nach Ansicht des Anwalts hat das Gericht sich nur mit der Frage zu befassen, ob die angestrebte Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat.
...

Wenn man aus Volkes Mund vernimmt, daß sich unsere Eliten wie beste Nazi-Schergen aufspielen, neigt somancher dazu, dies als Übertreibung abzutun. Aber hier spricht ein deutsches Gericht - in einem angeblichen Rechtstaat zudem - von Arbeitsscheue! - So bereitet man den Boden, der Legislative frischen Mut zu einem neuen "Reichsprogramm Arbeitsscheu" einzuhauchen.

Man stelle sich vor, die Gesellschaft wirbt damit ein Rechtstaat zu sein, sperrt aber gleichzeitig Heere von Bürgern aus, indem man finanzielle Schranken aufbaut. Wen wundert da noch die Depression sovieler Menschen? - Die einen wandern im Materiellen aus, die anderen im Geiste und verdenken darf man's ihnen nicht...

Die Grundidee eines sozialen und demokratischen Staates ist dem Menschen, der abhängig ist von Lohnarbeit, ein heiliges Gut. Und dies soll und muß es auch bleiben. Doch dieser Staat ist weder sozial, noch ist er demokratisch und daher nicht nur verachtens-, sondern eben auch zerschlagenswert.

Der Eintritt in Zeitalter neuen sozialdemokratischer Staatlichkeit kann nur damit beginnen, die Apologeten des Neoliberalismus, gleichgültig in welcher Sparte und Branche sie tätig waren, abzuurteilen und ihrer Strafe zuzuführen. Seelische Grausamkeiten, Irreführung, auferlegte Existenzängste etc., es gäbe Angklagepunkte genug.

Quelle
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Mr.Tom

Jetzt reichts mir. Ich warte nur noch auf den Funken der das Feuer entfacht.
Ich bin dabei!!

Siegessicherer



mindcontrol

Ja, der Funke fehlt!
Die Jungen haben die Hosen gestrichen voll!
Das Jammern in den Foren und Chaträumen ALLEIN hilft halt nichts.
Wenn keiner aktiv wird, tut sich nichts!
Es wird noch nichteinmal Druck auf die MdBs und MdLs per Überschwemmung mit entsprechenden Emails ausgeübt!

Ihr müßt noch viel mehr gedemütigt werden ; vielleicht tut sich dann etwas.
Heiner Geisler hat darüber schon den Kopf geschüttelt.(Wo bleibt deren Aufschrei ?)
Früher haben die Armen die Reichen bekämpft; heutzutage bekämpfen die Reichen die Armen.

Siegessicherer

Es fehlt die Organisation und damit die Bündelung der progressiven Kräfte. Und was sind die strategischen Ziele?

Uwe2210

Aber nicht vergessen: Revolution machen geht nur da, wo man kein Schild hingestellt hat, auf dem steht: Revolution machen VERBOTEN!!! Und wie gesagt, die große Revolution der Pantoffelhelden darf auch erst ab 11:00 Uhr (ausschlafen) losgehen und muss spätestens um 19:00 Uhr beendet sein, denn dann geht Fernsehen los. Vielleicht sollte man auch erst am Spätnachmittag mit der Erhebung beginnen, dann kann man sich vorher als aufrechter Arbeitsloser noch die ganzen Gerichtsshows in der Glotze reinziehen.

Siegessicherer

Es wäre zum Beispiel noch anzufügen, dass die Roten sowieso immer an allem schuld sind.

Mr.Tom

ZitatOriginal von Siegessicherer
Es fehlt die Organisation und damit die Bündelung der progressiven Kräfte. Und was sind die strategischen Ziele?

Das ist der Kern!
Heute ist es etwas schwieriger als z.B. bei den Montagsdemonstrationen. Reisefreiheit hieß die Parole, woraus dann die Mauer muss weg wurde. Hier ist der "Gegner" verschwommen. Wir wissen zwar im allgemeinen was wir wollen, doch das genaue vorgehen und gegen wem ist dem meisten nicht klar und offentsichtlich.

Wilddieb Stuelpner

Labournet:

IX. Diskussion > (Lohn)Arbeit > Realpolitik > Gesetzliche Grundlagen der
Lohnersatzleistungen: Prozesskostenhilfe soll kostenpflichtig werden

Kein weiterer Abbau des Sozialstaats

Die Neue Richtervereinigung befürchtet erhebliche Nachteile für die Bürger, wenn Rechtsmittel abgebaut werden und formelle Hürden den Zugang zu den Gerichten erschweren..."

Presseerklärung des Bundesvorstandes der Neuen Richtervereinigung vom 28.6.07 zum geplanten Abbau des Rechtsschutzes vor den Sozialgerichten
http://www.nrv-net.de/main.php?id=161&presse_id=69

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung plant eine weitreichende Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, die zu einem Abbau des Rechtsschutzes beim Bezug von Sozialleistungen vor den Sozialgerichten führen soll. Zu dem vorliegenden Referentenentwurf hat die Neue Richtervereinigung unter dem 20.06.2007 gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ausführlich Stellung genommen.

Die Neue Richtervereinigung befürchtet erhebliche Nachteile für die Bürger, wenn Rechtsmittel abgebaut werden und formelle Hürden den Zugang zu den Gerichten erschweren. Für inakzeptabel hält die Neue Richtervereinigung vor allem die Einschränkung der Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht (Amtsermittlung), die Erhöhung des Beschwerdewerts bei Berufungen und die Einschränkung der Überprüfung von Prozesskostenhilfeentscheidungen.

Wilfried Hamm, Sprecher der Neuen Richtervereinigung: ,,Das Gesetzesvorhaben ist ein Stück Abbau des Rechts- und Sozialstaats. Nach der Leistungskürzung durch Hartz IV ist die Beschränkung von Verfahrensrechten für sozial Bedürftige eines Sozialstaats unwürdig. Wir haben in den letzten Jahren zwar auch in anderen Gerichtsbarkeiten einen Abbau der Qualität gerichtlicher Verfahren, vor allem durch eine Einschränkung von Rechtsmitteln, beobachten müssen. Vor den Sozialgerichten geht es aber um Leistungen, die oft für die Betroffenen existentielle Bedeutung haben. Wir haben heute schon das Problem, dass die Landesregierungen gerade bei den Sozialgerichten ihren verfassungsrechtlichen Verpflichtungen, die Gerichte mit den erforderlichen Stellen auszustatten, vielfach nicht nachkommen. Trotz erheblicher Anstrengungen der Richterinnen und Richter leiden die Bürger darunter, dass die Gerichte sich teilweise nicht mehr mit ausreichender Sorgfalt um die Fälle kümmern können. Sollte das Vorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Gesetz werden, werden sich diese Probleme verschärfen und viele Bürger, die nicht mehr zu ihrem Recht kommen, werden das Vertrauen in die Sozialgerichte verlieren."

Anlage: Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung zum Referentenentwurf vom 20.06.2007

Ansprechpartner:
Wilfried Hamm
Thomas Schulte-Kellinghaus

Jürgen67

ZitatBundessozialgericht degradiert unbequemen Richter

Er hat umstrittene Urteile zur Rentenversicherung gesprochen, die teils milliardenschwere Folgen hatten - jetzt verliert Bundessozialrichter Meyer einen Großteil seiner Kompetenzen. Er soll künftig nur noch für sozialrechtliche Randgebiete zuständig sein.

Kassel/Hamburg - Das Bundessozialgericht hat dem Chef seines vierten Senats, Wolfgang Meyer, nach SPIEGEL-Informationen einen Großteil seiner Kompetenzen entzogen. Bislang war der Rechtsprofessor zusammen mit zwei Kollegen für alle Streitfragen der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig. Jetzt darf er nach einem Beschluss des Gerichtspräsidiums nur noch die Fälle abarbeiten, die bis Ende Juni in seinem Senat anhängig geworden sind. Daneben ist er künftig nur noch für einige sozialrechtliche Randgebiete zuständig.

Meyer hatte in den vergangenen Jahren mehrere Urteile gefällt, die bei den Rentenversicherungsträgern sowie im Sozialministerium auf Unmut gestoßen waren. So hatte er im vergangenen Jahr die Abschläge für Erwerbsminderungsrentner, die jünger als 60 Jahre sind, als gesetzwidrig eingestuft. Das Urteil ist umstritten; es könnte die Alterskassen nach internen Schätzungen mehr als zwei Milliarden Euro jährlich kosten.

Den Verdacht, das Sozialgericht habe auf Druck von Politik und Rentenverwaltung einen unbequemen Kritiker kaltgestellt, weist Gerichtspräsident Matthias von Wulffen zurück. Die Entscheidung sei "im Hinblick auf die seit Jahren sehr hohe und im Verhältnis zu anderen Rentensenaten sehr unterschiedliche Arbeitsbelastung getroffen" worden, heißt es in einer Stellungnahme. Zudem habe Meyers Senat zuvor selbst um Entlastung gebeten. Der entmachtete Richter sieht das anders. "Ich vermute", sagt er, "dass bei dieser Entscheidung der Aspekt der Arbeitsentlastung nicht die primäre Rolle gespielt hat."

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,497044,00.html

geschfreak

Die Entscheidung des BSG, den "unbequemen" Richter zu degradieren, zeigt mir wieder einmal ganz deutlich die Einstellung unserer Regierenden, die zunehmend immer menschenverachtendender ist und aus meiner Sicht nicht mehr mit dem (noch) geltenden GG vereinbar ist.

Das beweist auch die Pläne, die PKH drastisch zu verschärfen, sowie eine "Praxisgebühr" bei den SG einzuführen. Damit ist der endgültigen Behördenwillkür durch ARGE und Co. Hof und Tür weit offen, da wir uns mangels Geld nicht mehr dagegen wehren können, auch wenn wir eigentlich im Recht sind...
MFG

geschfreak


geschfreak

MFG

geschfreak

Ruby

Das wir überflüssig sind wissen wir doch schon. Sollten die einen wirklich komplett entrechten, geh ich nur noch bewaffnet auf die Arge.

Denn dem organisierten Betrug muss man Einhalt gebieten! Egal wie!

Sollten die mit Wachschutz auffahren stell ich einen Schutzantrag bei den Hells Angels ;-). Denen geht sogar die Polizei aus dem Weg.  :lesen>

geschfreak

ZitatOriginal von Mr.Tom
ZitatOriginal von Siegessicherer
Es fehlt die Organisation und damit die Bündelung der progressiven Kräfte. Und was sind die strategischen Ziele?

Das ist der Kern!
Heute ist es etwas schwieriger als z.B. bei den Montagsdemonstrationen. Reisefreiheit hieß die Parole, woraus dann die Mauer muss weg wurde. Hier ist der "Gegner" verschwommen. Wir wissen zwar im allgemeinen was wir wollen, doch das genaue vorgehen und gegen wem ist dem meisten nicht klar und offentsichtlich.

Die Ziele heute zu formulieren, halte ich ehrlich gesagt nicht für schwierig:

z.B.:

"Weg mit Herrn Schäuble", "Wir wollen keinen Überwachungsstaat", "Weg mit Hartz 4"... und dazugehörige Unterthemen, die gerade aktuell sind.

Ich bin aber der Meinung, daß die Leute sich teilweise heute mit ihrem Schicksal abgefunden haben. Ich höre oft: "Ich muß es nehmen, wie es mir geboten wird!".... Darüber dürften Frau Merkel und Co., leider hoch erfreut sein!!
MFG

geschfreak

geschfreak

ZitatOriginal von Ruby
Das wir überflüssig sind wissen wir doch schon. Sollten die einen wirklich komplett entrechten, geh ich nur noch bewaffnet auf die Arge.

Denn dem organisierten Betrug muss man Einhalt gebieten! Egal wie!


Gegen die Entrechtung müssen wir uns mit aller Entschiedenheit wehren. Das Problem ist, wenn ich (Noch)-Nichtbetroffenen davon erzähle, dann werde ich leicht als "Märchenerzähler" abgetan, weil diese noch der Mainstream-Presse voll vertrauen... und solch einen sozialen Kahlschlag demzufolge auch nicht für möglich halten.
MFG

geschfreak

kleiner_Schläfer

ZitatDas Problem ist, wenn ich (Noch)-Nichtbetroffenen davon erzähle, dann werde ich leicht als "Märchenerzähler" abgetan, weil diese noch der Mainstream-Presse voll vertrauen... und solch einen sozialen Kahlschlag demzufolge auch nicht für möglich halten.

Jeep, das ist das Problem. Ich bin am verzweifeln. Soviel 'Unwissenheit bei erwachsenen Menschen. Es ist zum ko**en...
alte sig-->Ich möchte eine mit Gleichstrom gegrillte Bratwurst...
neue sig->"Thomas Roth: wir haben versucht, den inneren sinn des interviews zu erhalten, damit der zuschauer dem interview auch inhaltlich folgen kann..."

anti-hartz4

Das erlebe ich auch fast jeden Tag. Ich bin Mitglied in einem Gartenverein. Weil ich Hartz-Opfer bin habe ich einen Garten von einer verstorbenen Frau geschenkt bekommen. Wenn ich mich dort über Hartz4 unterhalte und die Wahrheit erzähle,dann klappen die Kinnladen der Gesichter nach unten und keiner kann das verstehen. Jaaa,daran erkennt man die Blöd-Zeitungsleser!!! Werde nun mal die "UZ" (Wochenzeitung der DKP) mit in den Garten nehmen.
Widerstand dem Kapitalgesindel

handkey

Keine Bange, auch auf diese ungläubigen Thomasse und Thomasinen wird sich der Leidensdruck noch erhöhen, bis sie mit gefühlter "Kehlendurchschnittstimme" ankommen, und zugeben müssen, daß du recht gehabt hast, und darüber, daß es erst dann passiert, kannste denn ja ko..en.

Mein jahrelanger Mitwohnling hat sich über mein "soziales Engagement" auch nur so lange lustig gemacht, bis ihn die ArGe-Keule selbst erwischt hat. Danach wollt er denn plötzlich alles lesen, was wir da vorher geschrieben haben...

Viele Menschen sehen auch den vorhandenen Widerstand, die Gegenbewegung erst, wenn sie sich selber bewegen. Vorher ist das für die meisten Couch-Potatoes ( Sofa-Kartoffelpuffer) nicht wahrnehmbar.

Wo hab ich da bloß schon Analogien dazu erlebt? Bitte "sprüngehelf!"
Staubsaugervertreter verkaufen Staubsauger,
Versicherungsvertreter verkaufen Versicherungen,
warum sollten ausgerechnet Volks- oder Arbeitervertreter
aus der Art schlagen?

Lichtkämpfer

ZitatOriginal von anti-hartz4
 Werde nun mal die "UZ" (Wochenzeitung der DKP) mit in den Garten nehmen.

Ein sehr gutes Blatt, ich lese es immer wieder gerne, kann sie mir z.Z aber nicht leisten  :(
Als Erwerbsloser kannst du in diesem Staat nur ein Dissident sein.

Ruby

ZitatOriginal von geschfreak

Gegen die Entrechtung müssen wir uns mit aller Entschiedenheit wehren. Das Problem ist, wenn ich (Noch)-Nichtbetroffenen davon erzähle, dann werde ich leicht als "Märchenerzähler" abgetan, weil diese noch der Mainstream-Presse voll vertrauen... und solch einen sozialen Kahlschlag demzufolge auch nicht für möglich halten.


Ich kenne viele Leute die unsere Arge aus eingenen Erfahrungen kennen. Aber selbst die kapieren das alles nicht so ganz. Ist einfach auch eine Frage des Horizontes. Anders kann ich mir die Blindheit nicht mehr erklären.

lg

Kater

ZitatWeniger Recht für Arme? - Die Prozesskostenhilfe soll begrenzt werden
Von Albrecht Kieser

Das "Gesetz zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe" soll Unterstützungsleistungen einsparen helfen, die bedürftige Kläger oder Beklagte erhalten, wenn sie Anwaltskosten und Gerichtsgebühren nicht selber bezahlen können. Die Befürworter sprechen von einem Einsparpotenzial von 100 Millionen. Die Gegner nennen das Gesetz einen Paradigmenwechsel in der Rechtspolitik.

Es ist ein Raubrittertum, so muss man sagen. Schlichtweg: Es soll tatsächlich keine Prozessführung mehr möglich sein, tatsächlich für die wirklich Bedürftigen. Denn nur die fallen ja unter diesen Prozesskostenrahmen.

Wilfried Hamm ist Verwaltungsrichter und neigt eigentlich nicht zu polternden Ausbrüchen. Was ihn in diesem Falle die übliche berufliche Zurückhaltung aufgeben lässt, heißt "Gesetz zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe". Das Gesetz will bei den Unterstützungsleistungen sparen, die bedürftige Kläger oder Beklagte erhalten, wenn sie Anwaltskosten und Gerichtsgebühren nicht von ihrem Einkommen bezahlen können.

Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf im vergangenen Herbst beschlossen, und nun liegt er dem Bundestag zu Beratung, möglicher Korrektur und Abstimmung vor. Wilfried Hamm ist neben seiner richterlichen Tätigkeit Sprecher und Vorstandsmitglied der Neuen Richtervereinigung, die sich selbst als demokratisch und sozial orientiert bezeichnet.

Jürgen Gehb, ist rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und befürwortet das neue Gesetz:

Grundsätzlich unterstütze ich diesen Gesetzentwurf, ohne freilich damit den Eindruck zu erwecken, wir wollten den armen Rechtssuchenden hindern, sein Recht verfolgen zu können. Das Armenrecht gibt es schon lange - seit 1980 heißt es Prozesskostenhilferecht - und ich finde, dass der Vorschlag der Länder auch unter fiskalpolitischen Gesichtspunkten und zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch und Prozesshanselei im Ansatz das richtige Ziel verfolgt. Und nun werden wir, wie das immer bei Gesetzen ist, uns auf das Detail konzentrieren.

Der finanzielle Nutzen, von dem Jürgen Gehb spricht, steht für die Bundesländer Niedersachsen und Baden-Württemberg, die die Gesetzesänderung initiiert haben, im Vordergrund. Rund 400 Millionen Euro werden nach Berechnungen jährlich für Prozesskostenhilfe, kurz PKH, ausgegeben. 100 Millionen davon könnten eingespart werden, würde das neue Ausgabenbegrenzungsgesetz Realität werden.

Eine Frage, die die Befürworter werden beantworten müssen, ist, auf wessen Kosten diese Einsparung gehen werden und ob tatsächlich nur bei denjenigen gespart wird, die, wie Jürgen Gehb es formuliert: "Rechtsmissbrauch und Prozesshanselei" betreiben.

Auch das gültige Gesetz verlangt nämlich schon, dass eine Klage, für die Prozesskostenhilfe beantragt wird, Aussicht auf Erfolg haben muss. Rechtsanwältin Simone Treis, spezialisiert auf Arbeits- und Sozialrecht, muss für ihre Mandanten oft Prozesskostenhilfe beantragen und erläutert in einer Prozesspause, die sie in der Gerichtskantine verbringt:

Wenn die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, dann wird Prozesskostenhilfe auch überhaupt nicht bewilligt. Von daher, wenn es sich wirklich um Prozesshansel handeln sollte, dann wird das Gericht anhand der Klageschrift feststellen können: Ist an der Klage was dran oder nicht? Und wenn die Klage Aussicht auf Erfolg hat, dann kann man auch nicht sagen, dass das Prozesshansel sind, sondern dann haben die Menschen ein Anliegen, was sie gerichtlich durchsetzen wollen. Und dann ist ihnen auch Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Trotz dieser Hürde sind nach Angaben der Gesetzesinitiatoren die Ausgaben für Prozesskostenhilfe in den letzten fünf Jahren "erheblich gestiegen". Dazu Norbert Bauschert vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln:

Ich bin jetzt seit 30 Jahren Anwalt. Und ich muss sagen, im Laufe der Jahre hat sich das sehr stark nach oben entwickelt. Sowohl, was Prozesskostenhilfe anbetrifft als auch, was Beratungshilfe anbetrifft. Und in den letzten Jahren erst recht. Nämlich durch die wirtschaftlichen Verhältnisse: Die Leute haben nicht mehr so viel Geld in der Tasche. Die Vielzahl der Prozesse läuft über Prozesskostenhilfe. Es sei denn, die Mandanten wären rechtsschutzversichert. Durch Hartz-IV hat aus unserer Sicht diese ganze Geschichte noch mal einen Schub bekommen.

Norbert Bauschert beschäftigt seit Jahren, wie Menschen mit niedrigem Einkommen ihren Fall vor Gericht vertreten können. Denn der Rechtsweg ist zwar auch für Arme grundgesetzlich garantiert, aber in der Realität nicht einfach durchzusetzen. Bei den Anträgen auf Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, mit denen Anwalt und Gerichtskosten für Arme bezahlt werden, prüft die Justiz nämlich auch, ob die Antragsteller wirklich bedürftig im Sinne der Vorschriften sind:

Die Rechtspfleger, die in der Regel damit beschäftigt sind, das zu prüfen, die sind also sehr genau. Wenn die irgendwo den Ansatz haben, da ist noch Geld im Hintergrund, sei es Sparvermögen, sei es ein Bausparvertrag, was ja im Prozesskostenhilfeantrag angegeben werden muss, dann kommt sofort die Rückmeldung: Geh Du erst mal an Dein Eingemachtes und versuch mal, von Deinem Ersparten den Anwalt zu bezahlen. Aus meiner Sicht ist das sehr restriktiv.

Als grobe Richtschnur gilt heute: Wer kein verwertbares Vermögen und ein Einkommen hat, das nicht mehr als 50 Prozent über der Sozialhilfe liegt, erhält Beratungs- und Prozesskostenhilfe. Das wären für einen Alleinstehenden etwa 1.000 Euro pro Monat. Wer mehr verdient oder zum Beispiel ein Sparbuch mit mehr als 2000 Euro besitzt, kann innerhalb etwas weiterer Grenzen Prozesskostenhilfe nur als Kredit bekommen. Und den muss er in Raten zurückzahlen. Mit einem Monatsbetrag, der den Bedürftigen nicht unter die genannte Armutsgrenze drückt. Die Rückzahlungspflicht endet bisher nach vier Jahren; Geld, das in diesem Zeitraum nicht zurückgezahlt werden konnte, wird vom Gericht als verlorener Zuschuss verbucht.

Die Bundesländer finanzieren die Prozesskostenhilfe aus den Etats ihrer Justizministerien. Dieser Posten ist in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht nur weil die Anwaltsgebühren 2004 erhöht wurden. Hinzu kommt: Seit Jahren wächst die Zahl der Bedürftigen, die unter die Armutsdefinition des Prozesskostenhilfe-Gesetzes fallen. Außerdem nehmen die Streitigkeiten um das Arbeitslosengeld II ständig zu, von dem seit Anfang 2005 Millionen Menschen betroffen sind. Und weil auch andere Behörden und Versicherungen sparen und ihren Klienten weniger Leistungen zukommen lassen, wehren sich Betroffene vermehrt vor Gericht:

Für die Betroffenen sind es teilweise einschneidende Dinge, die gestrichen werden, die ihre Lebensführung stark beeinflussen. In dieser Situation muss der Betroffene sich wehren. Wenn die Beratungshilfe oder die Prozesskostenhilfe hier versagt wird, hat er keine Möglichkeit. Er muss das dann so hinnehmen. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Betroffenen keine Möglichkeit mehr haben, ihre Interessen durchzusetzen.

Astrid von Einem hat sich auf Medizinrecht spezialisiert.

Besonders die Rechtsanwälte, die im Sozial- und Arbeitsrecht, im Medizin-, Familien und Mietrecht tätig sind, wissen, wie häufig gerade ärmere Menschen in Deutschland dringend einen Anwalt brauchen, weil sie sich schwer durchschaubaren Entscheidungen aller möglichen Institutionen ausgesetzt sehen.

Wenn der Staat in diesen Fällen Bedürftige nicht dabei unterstützt, ihr Recht auch vor Gericht zu erstreiten, müssen sie solche amtlichen Entscheidungen hinnehmen. Ähnlich ist es bei privaten Streitigkeiten, etwa mit dem Vermieter. Rechtsanwalt Eberhard Reinecke:

Ich selber habe im Mietrecht immer wieder Fälle, in denen die Leute, gerade wenn sie um ihre Wohnung kämpfen oder um ihre Kaution, die sie nach Ende des Mietverhältnisses wiederbekommen wollen, letztlich auch aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse eher davon absehen würden, in vielen Fällen auch berechtigte Forderungen durchzusetzen. Oder auch im Arbeitsrecht, wo die Situation ist, dass man entlassen wurde und man sich dagegen wehren will, und im Grunde auf so etwas wie Prozesskostenhilfe angewiesen ist.

Der Anwalt betreut gerade eine Mandantin, die ihre Miete kürzt, weil ihr Vermieter die Mängel in ihrer Wohnung nicht beseitigt:

Die hat auch Prozesskostenhilfe bekommen. Da wird jetzt ein Sachverständiger, weil es ist relativ kompliziert, es geht um Heizungen und mangelhafte Heizleistungen, da wird jetzt ein Sachverständiger kommen, und da kann sie froh sein, dass sie von den Kosten befreit ist. Weil, wenn sie den Prozess selbst hätte bezahlen müssen, hätte man wahrscheinlich überlegen müssen, den Forderungen des Vermieters doch in einem größeren Umfang nachzugeben, weil das Risiko der Kosten eines solchen Gutachtens doch sehr hoch ist.

Auch wenn Empfänger von Prozesskostenhilfe teure Gutachten erst einmal nicht selbst zahlen müssen, gehen sie doch ein Risiko ein, wenn sie klagen oder sich als Beklagte vor Gericht wehren. Wer nämlich seinen Prozess verliert, muss den gegnerischen Anwalt bezahlen - dafür kommt die Prozesskostenhilfe nicht auf. Und wer gewinnt, muss von seinem Gewinn die Prozesskostenhilfe zurückzahlen; jedenfalls solange er dadurch nicht unter die festgelegte Armutsgrenze sackt.

Also sind auch heute schon etliche Hürden zu überwinden, bevor der Staat PKH - womöglich als "verlorenen Zuschuss" - bezahlt. CDU-Rechtsexperte Jürgen Gehb meint, die heutigen Bestimmungen verhinderten aber nicht, dass Menschen aus reiner "Prozesshanselei" oder sogar "rechtsmissbräuchlich" vor Gericht ziehen und den Steuerzahler belasten:

Generell ist es so: Derjenige, der von seinem eigenen Geld sich etwas kaufen muss, und auch Kosten zahlen muss für Anwälte oder Ärzte oder auch für sonstige Anschaffungen, geht natürlich damit immer etwas behutsamer um, als derjenige, der ohne Risiko aus Steuerzahlergeld dasselbe machen will. Typisches Beispiel: In der DDR früher wurde geheizt bei offenem Fenster, weil die Kosten ohnehin übernommen worden sind; auch das hat man heute zum Teil bei Hartz-IV-Wohnungen - also von daher ist es auch ein heilsamer Druck, dass man die Prozesskostenhilfe ein bisschen sinnvoller und nicht mehr sozusagen ungeprüft für jedes Rechtsbegehren und für alle Einkommensverhältnisse zahlen will.

Deshalb also muss in den Augen der Gesetzesbefürworter diese Sozialleistung sinken. Im Wesentlichen sollen das vier neue Bestimmungen bewirken:

1. Die Bedürftigkeitsgrenze für PKH wird erheblich abgesenkt. Wenn ein Alleinstehender bisher ca. 1.000 Euro verdienen durfte, um PKH als Zuschuss zu bekommen, darf er in Zukunft nur noch ca. 650 Euro an Einkünften haben. Künftig erhalten nur noch Sozialhilfe- und Arbeitslosengeld II Empfänger den Zuschuss.

2. Wer über mehr Geld verfügt, aber dennoch als bedürftig im Sinne des Gesetzes gilt, erhält PKH nur noch als Kredit. Der zinslose Kredit muss komplett zurückgezahlt werden, auch wenn die Ratenzahlung mehr als die bisher gültigen vier Jahre dauert.

3. Wer im Prozess einen Sieg in Euro und Cent erstreitet, muss das Geld vorrangig zur Rückzahlung der Prozesskostenhilfe einsetzen, auch wenn sein Einkommen durch die Ratenzahlung auf Arbeitslosengeld II Niveau sackt.

4. Für so genannte Bagatelleverfahren, das können zum Beispiel Zivilrechtsstreitigkeiten von unter 100 Euro sein, soll keine Prozesskostenhilfe mehr gewährt werden.

Zwei weitere Punkte, die im Gesetzentwurf noch enthalten sind, wurden in den bisherigen Verhandlungen der großen Koalition offensichtlich schon gekippt. Und zwar eine einmalige Gebühr für jeden Prozesskostenhilfe-Empfänger von 50 Euro und eine zweite Gebühr für diejenigen, die Prozesskostenhilfe als zinslosen Kredit erhalten, von noch einmal 50 Euro.

Die Gebühr für alle Empfänger war unter anderem von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi heftig kritisiert worden: 50 Euro entsprächen bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern zehn Tagessätzen für Essen und Trinken. Wer diese Gebühr verlange, hebele entgegen aller hehren Bekenntnissen, die Rechtswegegarantie für Arme aus. Bernhard Jirku aus der Bundesverwaltung von Verdi:

Man muss sich natürlich fragen, ob es nicht Leute gibt in diesem Staat, die für die armen Schichten dieser Bevölkerung den Rechtsstaat nicht mehr vollständig zur Verfügung stellen wollen. Und das wäre ein handfester Skandal.

Auch das sozialdemokratisch geführte Bundesjustizministerium hatte sich gegen die Gebühr gewandt. Ebenso sei die Zinsersatzgebühr für die Bezieher eines Prozesskostenhilfe -Kredits bedenklich. Die CDU/CSU-Fraktion hingegen unterstützt die Gebührenidee bis heute. Rechtspolitiker Jürgen Gehb meint zur Kritik:

Das halte ich beim ersten Ansehen für nachdenkenswert. Auch hier muss man gucken: Wer wirklich mit dem Cent rechnen muss, für den sind 50 Euro natürlich auch schon eine Größe. Auf der anderen Seite werden 50 Euro auch von Hartz-IV Empfängern durchaus für Güter ausgegeben, wo man sich auch überlegen kann, ob das sinnvoll ist oder nicht sinnvoll ist.

Der Widerstand des sozialdemokratischen Koalitionspartners scheint jedoch die Initiatoren des Gesetzes tatsächlich zum Verzicht auf die Gebühren geführt zu haben.

Die niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann, CDU, "Berichterstatterin" des Bundesrates in Sachen PKH-Begrenzungsgesetz:

Diese 50 Euro Eigenbeteiligung ist aus der aktuellen Diskussion herausgenommen worden, die ist eigentlich gar nicht mehr das Thema. Auch vom Volumen her ist das nicht ein maßgeblicher Betrag, muss ich ganz klar sagen.

Tatsächlich ertragreicher als diese Gebühr, die nach Berechnungen der Länder 5,4 Millionen Euro einbringen sollte, sind die anderen Vorhaben des Bundesrates. Nämlich die Einführung so genannter Bagatellefälle, für die es keine Prozesskostenhilfe mehr geben soll, die Senkung der Armutsgrenze für die Prozesskostenhilfe und die Verpflichtung, alles Geld, was man in einem Prozess Erstritten hat, für die Prozesskostenhilfe zurückzuzahlen. Elisabeth Heister-Neumann:

Wenn jetzt das Gericht hingeht oder der Rechtspfleger und stellt fest, erstens, die finanziellen Gegebenheiten sind so, dass diese Unterstützung notwendig ist, zweitens, der Prozess ist nicht mutwillig, drittens, der hat auch noch Aussicht auf Erfolg: dann soll er das Darlehen erhalten, um diesen Rechtsanspruch auch geltend zu machen. So, jetzt macht er den geltend und jetzt ist er auch erfolgreich. Und bekommt beispielsweise durch diesen erfolgreichen Rechtsstreit einen Betrag von, gegriffen, 50.000 Euro wieder. Oder 100.000 Euro. Wie auch immer, irgendeinen Betrag bekommt er wieder. Warum soll der Staat, also die Allgemeinheit, die anderen, dann diesen Prozess bezahlen, wenn er Mittel hat, diesen Prozess auch zu finanzieren?

100.000 Euro müsste ein PKH-Empfänger allerdings auch jetzt schon zur Rückzahlung der PKH einsetzen. Und erst recht solche Beträge, von denen der CDU-Rechtsexperte Jürgen Gehb ausgeht:

Stellen Sie sich vor, sie führen einen Prozess in Millionenhöhe, gibt es ja. Den könnte auch ich nicht führen, weil ich im Verhältnis zu den Kosten arm bin. Und nun gewinne ich den Prozess, nachdem ich vorher Prozesskostenhilfe bekommen hab. Und dann soll ich aus diesem Millionengewinn nicht die Kosten, die vielleicht doch noch auf mich entfallen, obwohl ich überwiegend gewonnen hab, zahlen müssen?! Ist das so unbotmäßig? Das verstößt gegen keinen Artikel des Grundgesetzes, das hat weder was mit Artikel 3 zu tun noch mit Artikel 19, das hat was damit zu tun, dass auf diesem Gebiet, wie auch vielen anderen Gebieten, Leute meinen, sich regen zu müssen, die wirklich wie der Blinde von der Farbe sprechen.

Allerdings erstreiten Bedürftige vor Gericht solche Beträge eher selten. 2.200 Euro, so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, haben PKH-Empfänger bei einem Sieg vor den Arbeitsgerichten durchschnittlich erhalten.

Der sozialdemokratische Koalitionspartner unterstützt, bei aller Kritik an den Gebührenzahlungen, die anderen Vorschläge des CDU-geführten Bundesrates im Prinzip: man unterstütze, so die Stellungnahme des Justizministeriums, Zitat, "grundsätzlich die vorgesehene Korrektur der Bewilligungsvoraussetzungen". Der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium Alfred Hartenbach, SPD:

Wir wollen ja, dass weiterhin die Menschen ihr Recht verfolgen können. Nur wir möchten, dass dies nicht auf Teufel komm raus geschieht. Sondern dass man sich überlegt, macht das überhaupt einen Sinn, hier einen Prozess zu führen und würde ich diesen Prozess führen, wenn ich die Prozesskosten selbst bezahlen muss. Das kann nicht so sein, dass man sagt, der Staat zahlt ja alles, also kann mir es egal sein.

Die Bedürftigen sind ja in Deutschland in der letzten Zeit sowieso immer ins Gerede gekommen, sie werden als Schmarotzer und die Prozesskostenhilfeanträge als mutwillig und rechtsmissbräuchliche Streithansel angesehen.

Der Sprecher der Neuen Richtervereinigung, Wilfried Hamm, vermutet, dass das neue Gesetz, auch wenn es etwas gemildert den Bundestag passieren sollte, ärmeren Bevölkerungskreisen künftig den freien Zugang zum Gericht verstellt. Es sei mittlerweile üblicher Sprachgebrauch in der Politik, erst recht unter Justizpolitikern und -beamten, Menschen, die sich wegen so genannter Bagatellebeträge ans Gericht wenden, als Prozesshansel zu bezeichnen. Wer sich künftig mit seinem Vermieter um 100 Euro streite oder sich gegen 100 Euro unberechtigten Bußgelds wehre, könne das nur noch, wenn er nicht zu den Armen gehöre. Denen werde für solche Prozesse keine Hilfe mehr zuteil - obwohl gerade sie die 100 Euro am nötigsten hätten.

Das ist die Denkungsart, die in Deutschland in allen Bereichen im Augenblick herrscht: Kosten-Nutzen-, Kosten-Leistungsrechnung, Leistungsbezahlung. Die wahren Macher hinter all diesen Bereichen sind dann die Finanzminister.
Das ist eine Entsolidarisierung, auch Privatisierung, das ist ein schönes Wort eigentlich in diesem Bereich.
Und wenn ich dann auch zu der Anhörung geladen bin, müsste ich eigentlich sagen: zu diesem Machwerk gibt es keine Stellungnahme, weil es einfach offensichtlich gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt.

Die Gewerkschaft Verdi sammelt zurzeit Unterschriften gegen das Gesetz. Sie hofft unter anderem dadurch mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu wecken für den anstehenden Paradigmenwechsel in der Rechtspolitik. So nennt sie selbst jedenfalls das, was mit dem "Gesetz zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe" in die Wege geleitet wird.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/725276/

schwarzrot

Wär mal wieder zeit, ne dicke demo zu organisieren!
(auch wenn's 'nix bringt': nix zu tun bringts ja bekanntlich auch nicht und treibt alle nur noch mehr in die vereinzelung)
"In der bürgerlichen Gesellschaft kriegen manche Gruppen dick in die Fresse. Damit aber nicht genug, man wirft ihnen auch noch vor, dass ihr Gesicht hässlich sei." aus: Mizu no Oto

Wieder aktuell: Bertolt Brecht

jensen-ex

ZitatOriginal von schwarzrot
Wär mal wieder zeit, ne dicke demo zu organisieren!
(auch wenn's 'nix bringt': nix zu tun bringts ja bekanntlich auch nicht und treibt alle nur noch mehr in die vereinzelung)

oder wie Richard Brautigan meinte:

Niemand weiss
was die Erfahrung wert ist
aber es ist besser
als auf den Händen herumzusitzen,
sage ich mir immer.


:):):)
So it goes.

Kurt Vonnegut

Pascal Alter


Eivisskat

ZitatOriginal von schwarzrot
Wär mal wieder zeit, ne dicke demo zu organisieren!
(auch wenn's 'nix bringt': nix zu tun bringts ja bekanntlich auch nicht und treibt alle nur noch mehr in die vereinzelung)

Hattet ihr nicht gerade erst eine am 13.01. in Berlin???
War die nicht gegen Sozialabbau usw.?
Wieder kein Schwein hingegangen?
 :(

schwarzrot

@Eivisskat
ZitatHattet ihr nicht gerade erst eine am 13.01. in Berlin???
Wieder kein Schwein hingegangen?

Doch, es handelt sich bei der 'LL'(+L? für manche) aber fast mehr um eine traditionsveranstaltung, ursprung noch aus realexistierenden sozialismustagen.
Manche empfinden das auch eher als trauermarsch (es geht zum friedhof, bei Luxemburg, Liebknecht werden rote nelken abgelegt), manche legen auch bei diversen KPD, SED funktionärsgräbern was ab.

Die demo war recht fett (über 10.000), aber keine(n) interessierts (kaum berichterstattung in mainstream medien). War auch recht 'friedlich'.
Militanz kam wieder nur durch die berliner knüppeleinsatzhundertschaften auf.
Die demo geht leider fast raus aus berlin (lichtenberg ein ehemaliger nobelstadtteil für DDR-rentner, mit jugend die sehr völkisch drauf ist), solche demozahlen richtung innenstadt, wär besser.

Fotos:
http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/ll2008.html
Hier ein etwas nähkästchenbericht von bjk:
http://de.indymedia.org/2008/01/205163.shtml

Sorry wegen OT, aber Eivisskat hat gefragt  =)
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