Müntes Kapitalismuskritik: Mehr starker Staat muss sein

Begonnen von Klaus Unruh, 12:50:48 Mi. 27.April 2005

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Klaus Unruh

Worum geht es der Sache nach bei Müntes "Antikapitalismus"? Lesen wir nach bei Einem, der sich bei dem Thema nicht nur durch glasklare Analyse ausgezeichnet hat, sondern auch als Mann der Tat:

,,Die scharfe Scheidung des Börsenkapitals von der nationalen Wirtschaft bot die Möglichkeit, der Verinternationalisierung der deutschen Wirtschaft entgegenzutreten, ohne zugleich mit dem Kampf gegen das Kapital überhaupt die Grundlage einer unabhängigen völkischen Selbsterhaltung zu bedrohen." (Adolf Hitler, Mein Kampf, S. 233)

Nun zu Münte:

"Ich wehre mich gegen Leute aus der Wirtschaft und den internationalen Finanzmärkten, die sich aufführen, als gäbe es für sie keine Schranken und Regeln mehr. (...) Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir."

"So etwas deprimiert die Menschen und raubt ihnen das Vertrauen in die Demokratie."(Münte)

Münte wettert gegen Börsenspekulanten und Investoren, die wie Heuschrecken über brave arbeitgebende Unternehmen herfallen und zum Wohl ihrer Dividende und Kursgewinne rücksichtslos deutsche Steuerzahler vor die Tür setzen. Solche Sprüche haben bekanntlich gute Tradition. Freilich: es geht nicht darum, Münte als verkappten Nazi darzustellen (schon eher ist der Führer ein verkappter Münte), sondern zu zeigen, was Münte an bestimmten Sorten von Kapitalaktivitäten vom Standpunkt des deutschen Staates auszusetzen hat, was von Münte als VWL-ler zu halten ist und warum der Typ gerade jetzt so lospoltert.

Das Letztere ist kein sehr großes Geheimnis, es geht - wie immer im Wahlkampf - darum, dass Stimmvieh einzuseifen, um dessen Blanko-Scheck auf dem SPD-Konto einlösen zu können. Dafür muss die gewogene Presse Müntes Unsinn in eine Kapitalismuskritik umlügen und darin zu allem Überfluss auch noch alte Sozi-Werte auferstehen sehen wollen - vielleicht treibt das den einen oder anderen Veteranen der Arbeiterbewegung auf seine alten Tage doch noch mal aus dem AWO-Altersheim an die Wahlurne. Mobilisierung der Stammwählerschaft nennt man sowas. Eine billige, von schlauen Leuten längst durchschaute Tour, die witzigerweise bei Wählern trotzdem immer zieht:

"Infratest-dimap-Geschäftsführer Reinhard Schlinkert: Daran ändere auch die Wirtschaftskritik von SPD-Chef Franz Müntefering nichts. Allerdings sei es für die SPD dringend gewesen, in ihrem Kern-Kompetenzgebiet der sozialen Gerechtigkeit ein Zeichen zu setzen, um eigene Wähler zu mobilisieren."

Jedenfalls wenn sie nicht zu spät bei den Leuten ankommt, die haben ja eher einen längeren Draht:

Der Göttinger Parteienforscher Franz Walter sieht in den Attacken Münteferings eine Vorbereitung auf den Wahlkampf 2006. Für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen komme Münteferings rhetorische Wende aber vermutlich zu spät, sagte Walter der "Berliner Zeitung".(Spiegel-Online)

Lafontaine wiederum hält die Tour für ein wenig zu durchsichtig. So unendlich dumm wie Münte denkt, sei das Stimmvieh gar nicht, mahnt er via BILD-Zeitung:

"Auch Schröder und Müntefering haben Vertrauen verspielt, weil sie den Großunternehmen viele Milliarden Euro geschenkt und gleichzeitig Arbeitslosen und Rentnern in die Taschen gegriffen haben."

So steht der Politiker zu seinem Stimmvieh. Müntes "Antikapitalismus" findet freilich ganz und gar als Geschwätz statt, keinesfalls droht etwa der Börse in Frankfurt demnächst die Schließung, keineswegs werden irgendwelche Heuschrecken enteignet oder ist sonst irgendwas angekündigt. Es geht darum zu zeigen, welche Werte eine modere SPD vertritt und da geht es bei einer Partei, die Staat machen will darum, klarzustellen, dass Deutschland's Nutzen ein Maß für die private Bereicherung der Leute ist. Es ist halt eine Dialektik zwischen Staat und Kapital: Nur wenn die Wirtschaft Deutschland nutzt, kann Deutschland der deutschen Wirtschaft nutzen. Diese nationale Leistung soll das Kapital schon erbringen, es liegt nicht im deutschen Interesse, dass sich Ziffern auf schweizer Nummernkonten vergrößern. Darüber geraten dann glatt Kapitalisten in die Kritik, die "bloß" an ihre private Bereicherung denken (und ja an und für sich auch denken sollen: nichts ist hierzulande weniger verboten als die private Bereicherung!) ohne damit zugleich dem Staat einen materiellen Ertrag einzubringen. Nicht dass die Wirtschaft den Leuten schadet, deren Löhne immer weiter senkt und ihre Existenznöte verschärft stört Münte, da tut der Staat via Agenda 2010 höchstselbst das Seinige dazu, sondern der Nutzen der Spekulation für Deutschland ist gelegentlich zweifelhaft. Der deutsche Staat will eben nicht Wachstum an und für sich, sondern deutsches Wachstum, weil das seine eigene materielle Basis darstellt. Bestimmte Teile der Wirtschaft versagen da - real oder vorgestellt - ihren Dienst am deutschen Wirtschaftswachstum, am Standort Deutschland und am Ende gar an der Moral des Stimmviehs (zumindest wenn man deren Moral mit der Presse ordentlich aufstachelt):

"Sie sei froh über die Diskussion, die Müntefering losgetreten habe, betonte Vogt. "Wir wollen ja ein wirtschaftsfreundliches Klima." Aber das heiße im Umkehrschluss, dass die Wirtschaft auch mehr soziale Verantwortung übernehmen müsse.(ftd)

"Die Staatsskepsis ist ein Irrweg. Die Staatsverachtung ist eine Gefahr", da der Staat die Demokratie ermögliche und das Zusammenleben der Gesellschaft organisiere."(Münte, nach Spiegel-Online)

Ökonomisch gesehen konstruiert Münte einen beknackten Gegensatz von Finanzkapial und "realer" Wirtschaft. Die moralische Entgegensetzung der Kapitalisten in Profiteure und Arbeitsplatzschaffer ist eine dumme Lüge. Zum einen gibt es auch die - ach so menschenfreundlichen - Arbeitsplätze ganz und gar nur als Mittel für den Zweck durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte einen Geldvorschuss zu vergrößern - das unterscheidet sich vom Zweck her also gar nicht von einem Kredit, der Zinsen abwerfen soll. Zum anderen besteht der Kern der deutschen Wirtschaft aus Aktiengesellschaften. Diese AGs bestehen aus nichts als dem Kredit der Heuschrecken. Ihr Erfolgsmaßstab und Wachstumsmittel ist die Attraktion von immer neuem Kredit, ihre Wirtschaftstätigkeit exisitiert nur auf Grund und im Bezug darauf, ein Mittel zur Verzinsung von (Aktien-)Kredit zu sein.

Aber, wie gesagt, Münte hat wohlwissentlich gar nicht vor, die Börsen und Banken dicht zu machen. Denn dann wäre die deutsche Wirtschaft tot. Was er fordert, ist mal wieder der nationale Ertrag dieser Wirtschaftstätigkeiten. Dessen Notwendigkeit ist es auch , die den Nationalisten, die ihn wählen sollen, einleuchten soll.


Zum Schuss noch ein ganz nettes Zitat von Harald Schmidt:

"Franz Müntefering, der Erfinder der DDR, äh, der Chef der SPD, reformiert auch, was das Zeug hält. Er hat seine Grundsatzrede gehalten. Das Kapital, und ich scheue nicht zu sagen, das böse Kapital, hat nur eins im Sinn: Gewinn, Gewinn, Gewinn. Hab ich nicht gewusst."

//www.keine-alternative.de.vu

Horch

Willkommen im Forum!
Da Du neu bist: Bitte in Zukunft nicht immer einen neuen Thread aufmachen. Dieses Posting gehört eigentlich unter "Unser aller Münte".
Ich glaube sogar, dass ich fast dasselbe Posting schon einmal gelesen habe.

Nichts für ungut

Horch

Wildkätzchen

Das ist tatsächlich derselbe Beitrag, den ich hier schon unter Unser aller Münte gepostet hatte.
Achtung: Kapitalismus fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu

ManOfConstantSorrow

Müntefering droht Kapitalismus
SPD-Chef Franz Müntefering hat das Kapital erneut wütend attackiert. In einem Interview mit der Bild-Zeitung drohte er zudem mit Konsequenzen: ,,Wir streichen den Arbeitslosen ihre Stütze komplett und drücken alle Löhne unter Sozialhilfeniveau. Dann können die Herren Kapitalisten aber mal sehen, wer ihre Sachen dann noch kauft – ich jedenfalls nicht!"

Titanic 27.04.2005
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

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