Bundesverfassungsgericht kassiert abgesenkte „Sonderbedarfsstufe“ für alleinsteh

Begonnen von counselor, 19:33:22 So. 27.November 2022

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counselor

ZitatBundesverfassungsgericht kassiert abgesenkte ,,Sonderbedarfsstufe" für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften

Das BVerfG hat die abgesenkte ,,Sonderbedarfsstufe" für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften für verfassungswidrig erklärt.

Im Jahr 2019 hat die schwarz/rote Bundesregierung für Erwachsene in Sammelunterkünften den monatlichen Regelsatz nach dem AsylbLG um 10 %, dh. 37 € pro Monat gemindert. Der Gesetzgeber meinte, dass die 10%-Kürzung gerechtfertigt sei, weil von den Betroffenen in Sammelunterkünften erwartet werden müsse, dass sie sich solidarisch zusammentun und gemeinsam wirtschaften; Handys/Computer gemeinsam nutzen und ihre Freizeit gemeinsam verbringen – dadurch könnten Einsparungen von 10% erzielt werden. Alleinstehende Geflüchtete wurden damit genauso veranschlagt wie Paare, die zusammen in einer Wohnung leben und durch gemeinsames Einkaufen sparen können.

Einer der wichtigsten Aussagen des BVerfG war: ,,Migrationspolitische Erwägungen, Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. " (Rn. 56) Damit hat das BVerfG der schwarz/rote Bundesregierung eine sehr deutliche Ohrfeige erteilt.
Zur Pressemitteilung und Urteil des BVerfG: https://t1p.de/2xnpv

An der Stelle einen Dank an einige NewsletterleserInnen, denn in Vorbereitung der Arbeit um das Verfahren, hatte ich hier eine Onlineumfrage zur Situation in den Unterkünften veröffentlicht, deren Ergebnisse in die Stellungnahmen zum Gerichtsverfahren eingeflossen sind und mit ein Beleg dafür war, warum diese Kürzung bei den Geflüchteten nicht zulässig ist.

Aus dem BVerfG Urteil ergeben sich Handlungsperspektiven:

Das AsylbLG Urteil gilt nach dem Urteilstenor auch rückwirkend, soweit Bescheide noch nicht rechtskräftig sind.
Die Widerspruchsfrist beträgt ein Jahr, soweit kein Bescheid, ein Bescheid ohne oder mit unvollständiger Rechtsmittelbelehrung vorliegt. Das sollte jetzt geprüft werden!
Überprüfungsanträge für Kürzungen nach § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG sind für Zeiten vor der BVerfG Entscheidung nicht möglich.

Dazu einige Infos zum weiteren Verfahren von Ra. Sven Adam: https://t1p.de/th5mr und von Ra Volker Gerloff: https://t1p.de/fki8y

Dazu noch einige Anmerkungen von Stefan Sell: https://t1p.de/1j9c2

Abschließend dazu, eine PM PRO ASYL und Flüchtlingsrat Berlin: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss vollständig abgeschafft werden, denn menschenwürdiges Existenzminimum gilt für alle Menschen gleich in Deutschland.
Die  PM dazu gibt es hier: https://t1p.de/eggvd

Bundesverfassungsgericht verurteilt Leistungskürzungen für Geflüchtete – PRO ASYL und Flüchtlingsrat Berlin: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss vollständig abgeschafft werden
https://t1p.de/eggvd

Quelle: https://harald-thome.de/newsletter/archiv/thome-newsletter-47-2022-vom-27-11-2022.html
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

dagobert

Zitat von: counselor am 19:33:22 So. 27.November 2022
ZitatEiner der wichtigsten Aussagen des BVerfG war: ,,Migrationspolitische Erwägungen, Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. " (Rn. 56) Damit hat das BVerfG der schwarz/rote Bundesregierung eine sehr deutliche Ohrfeige erteilt.
Zur Pressemitteilung und Urteil des BVerfG: https://t1p.de/2xnpv
Ob man diese "deutliche Ohrfeige" in Berlin zur Kenntnis nehmen wird?
Wohl eher nicht.

Ich zitiere mal aus einem BVerfG-Urteil von 2012, ebenfalls zum AsylbLG:
ZitatMigrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie und Senioren <13. Ausschuss> vom 24. Mai 1993, BTDrucks 12/5008, S. 13 f.). Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.
BVerfG, 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; Rz 121
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

counselor

ZitatBMAS: Anpassung AsylbLG Beträge zum 1.1.2023 / Administrative Rechtsposition zum BVerfG-Urteil zu den Alleinstehenden RB in Unterkünften 
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Das BMAS hat über die Anpassung der Regelsätze nach dem AsylbLG im Jahr 2023 informiert. Dabei wurden auch der Barbetrag/Regelsatz von alleinstehenden Geflüchteten in Sammelunterkünften entsprechend des Urteils des BVerfG auf die RB Stufe 1 angepasst. Das BMAS Schreiben gibt es hier: https://t1p.de/829xa

Der Kollege Volker Gerloff führt in seinem lesenswerten aktuellen Newsletter die Rechtsposition des BMAS aus, wann rückwirkende Ansprüche bestehen und das nachgezahlte Regelleistungen nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Hier geht es zu dem Newsletter: https://t1p.de/s7fy8

Quelle: https://harald-thome.de/newsletter/archiv/thome-newsletter-48-2022-vom-04-12-2022.html
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counselor

ZitatGGUA Arbeitshilfe:  Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur AsylbLG-Regelbedarfsstufe in Gemeinschaftsunterkünften
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In dieser Arbeitshilfe erstellt die GGUA im Detail in welcher Konstellation jetzt noch Gelder erhalten werden können. Die Arbeitshilfe gibt es hier: https://t1p.de/ybnef

Quelle: https://harald-thome.de/newsletter/archiv/thome-newsletter-49-2022-vom-11-12-2022.html
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