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Neuigkeiten + Diskussion => (Sozial-) Politikforum & Aktuelles von Chefduzen => Thema gestartet von: Kuddel am 10:41:22 Mi. 26.Januar 2005

Titel: Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Kuddel am 10:41:22 Mi. 26.Januar 2005
Dänemark

"Wildwestzustände in Deutschland"

Die deutsche Wirtschaft stöhnt über die hohen Lohnkosten. Zu unrecht finden dänische Politiker und Gewerkschafter. Sie prangern die zu niedrigen deutschen Löhne an - besonders in der Fleischwirtschaft.


Deutschland als brutales "Billiglohn-Paradies" ist in Dänemark zum Wahlkampfthema geworden. Nachdem die Schlachterei-Konzerne Tulip und Danish Crown die Schließung von zwei Großschlachthöfen angekündigt und massiv Jobs nach Deutschland ausgelagert haben, legte der zuständige Gewerkschaftschef Jens Peter Bostrup bei einem TV-Streitgespräch mit Regierungschef Anders Fogh Rasmussen vor den Parlamentswahlen dar, was er für die wichtigsten Ursachen hält: "Es herrschen Wildwestzustände in Deutschland, und sie zahlen dort Hungerlöhne."
 
Harter Lohnkosten-Wettbewerb
Zurückhaltender im Ton, aber nicht weniger klar in der Aussage berichtete die größte dänische Tageszeitung "Jyllands-Posten", warum Tulip und Danish Crown sich in den Standorten Oldenburg (Niedersachsen), Schüttorf und Boizenburg mit zusammen etwa 900 Beschäftigten angesiedelt haben: "Deutsche Schlachtereiarbeiter kosten ein Drittel so viel wie dänische."

Möglich macht diese auch für viele Dänen überraschende Rechnung der massive Einsatz extrem niedrig bezahlter osteuropäischer Arbeitskräfte bei der deutschen Fleischveredelung. Danish Crown handelt dabei ausschließlich mit den in der Regel deutschen Kolonnenführern Werkverträge von bis zu knapp einem Jahr aus und zahlt diesen ein Honorar für die Verarbeitung einer bestimmten Menge Fleisch.

Starke Gewerkschaften
"Für uns ist uninteressant, was als Stundenlohn ausgezahlt wird und in welcher Form die Arbeiter ihren Lohn bekommen. Wir sehen nur die Gesamtkosten", sagt die Pressesprecherin von Danish Crown, Gudrun Andreasen und verweist auf einen "ganz enormen Kostendruck". Alles in allem produziere man in Deutschland zu etwa 50 bis 75 Prozent der heimischen Kosten.

Auf die Frage, warum das Unternehmen mit derzeit 13.000 dänischen Beschäftigten die Kosten nicht auch im eigenen Land durch osteuropäische Kolonnenarbeiter senkt, antwortet die Unternehmenssprecherin nur knapp: "Dort haben wir Tarifverträge, an die wir uns halten." Gewerkschafter Bostrup meint: "Wir Dänen sind zu fast hundert Prozent organisiert. In Deutschland gehören in diesen Betrieben ja oft weniger als zehn Prozent der Gewerkschaft an."

"Achten deutsche Gesetze"
"Wir achten sehr auf die strikte Einhaltung der deutschen Gesetze", fügt Andreasen ihren Erläuterungen hinzu. Auch sie kennt Berichte über die Verurteilung von deutschen Kolonnenführern aus der Fleischbranche zu bis zu drei Jahren Haft wegen Menschenschmuggels, Lohndumping und brutaler Gewaltanwendung gegen rumänische Schlachtereiarbeiter.
 
Thomas Borchert/DPA

Quelle: http://www.stern.de/politik/ausland/index.html?id=535778&nv=hp_rt
Titel: Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Horch am 11:26:54 Mi. 26.Januar 2005
Danke Kuddel,

diesen Beitrag müßte man jedem Standortprediger um die Ohren hauen.
Titel: Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: ManOfConstantSorrow am 21:01:18 Mo. 14.März 2005
Anteil der Löhne und Gehälter am Industrieumsatz weiter gesunken
Der Anteil der Löhne und Gehälter am Industrieumsatz ist von 16,8 Prozent im Jahr 2003 auf 15,9 Prozent im Jahr 2004 gesunken. Während die Zahl der Industriebeschäftigten um 1,9 Prozent auf 6,019 Millionen sank, stieg der Umsatz um 5,4 Prozent. Der Umsatz je Arbeiter nahm um 7,6 Prozent auf 382.420 Euro zu. (Berechnung der GSA nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes)
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Kuddel am 13:05:09 Mo. 13.Februar 2012
ZitatUnternehmer nutzen Werkverträge
Manager lernen Lohndumping

Leiharbeit war gestern - jetzt lernen Unternehmer wie sie Gehälter drücken können trotz Mindestlohn und Tarifvertrag. Selbst Gebäudereiniger avancieren zu Künstlern - aus dem geputzten Fenster wird ein Werk, das per Werkvertrag bezahlt wird.


Es war die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft, die sich am 9. September 2011 im Holiday Inn zu Düsseldorf versammelte: Die Deutsche Bahn, Bosch und BMW, Metro, Porsche, Siemens und BASF waren vertreten, die Zeitarbeitsunternehmen Manpower und Randstad sowie die Unternehmensberatung KPMG. Auf dem Tagungsprogramm standen Innovationen besonderer Art: ,,Freie Industriedienstleistungen als Alternative zur regulierten Zeitarbeit."

Die hochgesteckten Erwartungen der 130 Topmanager an gewinnbringender Erkenntnis wurden vollauf erfüllt. ,,Das Ganze war eine Anleitung zum Lohndumping mit neuen Mitteln", erinnert sich Dieter Stang, Anwalt der IG Metall Baden-Württemberg, der unerkannt teilnahm. Im Kern ging es um Möglichkeiten, anstelle von Leiharbeitern Leistungskontingente bei Subunternehmen einzukaufen. Einst betraf das Kantinen, Zulieferer und Fachkräfte im IT-Bereich. Mittlerweile aber werden mit sogenannten Werkverträgen ,,ganze Arbeitsschichten" bei Subunternehmern eingekauft, wie Siegfried Heim, Tarifsekretär für Druck und Papier bei Verdi, berichtet.

Rechtliche Bestimmungen kein Hindernis

Dabei sind rechtliche Bestimmungen kein Hindernis. Die vorgeschriebenen ,,getrennten Arbeitsbereiche" werden mittels gestrichelter Linien in der Werkhalle markiert, Maschinen stundenweise an den Subunternehmer vermietet. Damit wird den gesetzlichen Regularien, die für Werkverträge mit Subunternehmern gelten, genüge getan.

Strategien dieser Art standen nun im Zentrum der Düsseldorfer Tagung. Mit einem Spion aus dem Arbeitnehmerlager aber hatte der Veranstalter, das ,,Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" (ZAAR), offenbar nicht gerechnet. Anders ist die Offenherzigkeit kaum zu erklären, mit der die Referenten Niedriglöhne per Werkvertrag propagierten.

ZitatVorteile für Firmen

Scheinselbstständigkeit ist eine Variante von missbräuchlichen Werkverträgen. Einzelunternehmer gelten als scheinselbstständig, wenn sie in der Praxis letztlich doch in Dienstpläne eingebunden und Weisungen des Einsatzbetriebs unterworfen sind. Über die Anzahl solcher Verträge gibt es keine verlässlichen Statistiken.

Für Unternehmen hat der Werkvertrag mit Einzelpersonen Vorteile: Es fallen keine Sozialabgaben an, und Arbeitnehmerrechte (Kündigungsschutz, Mitbestimmung, tarifvertragliche Leistungen) sind unwirksam.

In Niedersachsen schwelt seit Jahren ein Konflikt zwischen Gewerkschaften und dem Land. Dort waren 4 500 Honorarkräfte als vermeintliche Selbstständige in der Nachmittagsbetreuung in Ganztagsschulen eingesetzt. Das Hauptzollamt Hannover leitete Ermittlungen ein. Nun sollen daraus versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse werden.

Durch das ,,Damoklesschwert des Branchenmindestlohns" sowie die ,,intensive Regulierung" erfahre der Zeitarbeitssektor derzeit eine ,,sinkende Attraktivität", beklagte ZAAR-Chef Volker Rieble in seiner Eröffnungsrede – nur um dann ohne viel Federlesens Möglichkeiten zur Sprache zu bringen, mit denen Leistungen durch Werkverträge ausgelagert und weitaus billiger eingekauft werden könnten.

Gewerkschafter melden Zunahme der Werkverträge

Mittlerweile trägt die unternehmerische Fortbildung vielerorts Früchte. Aus allen Teilen der Republik melden Gewerkschafter eine Zunahme der Werkverträge. Kai Bliesener, IG-Metall-Sprecher in Baden-Württemberg, spricht von einem ,,überdimensionalem Anstieg". Sein niedersächsischer Kollege Uwe Stoffregen nennt die Zunahme eine ,,Gefahr für den Betriebsfrieden".

In der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt ist von einer ,,unverkennbaren Tendenz" die Rede, ,,industrielle Dienstleistungen auszuweiten und ganze Produktionsprozesse auszulagern und über einen Werkvertrag einzukaufen". Der auf den Einzelhandel spezialisierte Verdi-Kollege Dieter Kuschweksi erkennt ebenfalls einen ,,neuen Schub". Selbst Edelkaufhäuser wie das Berliner KaDeWe beschäftigten an ihren Kassen nicht mehr Stamm- oder Leiharbeiter, sondern sogenannte Werkvertragler.

Bedienungsanleitung zur Umgehung des Mindestlohns

Eine detaillierte Bedienungsanleitung zur Umgehung des Branchenmindestlohns in der Zeitarbeit lieferte auf der ZAAR-Tagung Nathalie Oberthür, Juristin der auf Personalfragen spezialisierten Kölner Kanzlei RPO. Wo liegen die Vorteile von Werkverträgen, mit denen Firmen bestimmte Leistungskontingente (,,Werke") bei Subunternehmen einkaufen können? Wie sind Leiharbeits- in Werkverträge umzuwandeln, ohne dass Gewerbeordnung, Bürgerliches Gesetzbuch und Arbeitsrecht dem im Wege stünden? Frau Oberthür wusste Rat.
http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/unternehmer-nutzen-werkvertraege-manager-lernen-lohndumping,1473632,11621040.html (http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/unternehmer-nutzen-werkvertraege-manager-lernen-lohndumping,1473632,11621040.html)
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Kuddel am 18:05:10 Mi. 15.Februar 2012
OECD fordert von Deutschland niedrigere Arbeitskosten

Die Bundesregierung müsse die Arbeitskosten drücken, weniger Ältere früh in die Rente entlassen und für mehr Zuwanderung sorgen. Nur dann bleibe Deutschland wirtschaftlich vorn.



http://www.manager-magazin.de/politik/konjunktur/0,2828,815283,00.html#ref=rss (http://www.manager-magazin.de/politik/konjunktur/0,2828,815283,00.html#ref=rss)
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Tiefrot am 20:00:38 Mi. 15.Februar 2012
Also weiteres Lohndumping wie bisher. Unlogisch.  :(
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Troll am 09:49:58 Do. 16.Februar 2012
Zitat von: Tiefrot am 20:00:38 Mi. 15.Februar 2012
Also weiteres Lohndumping wie bisher. Unlogisch.  :(

Die Gewinne Sprudeln wie noch nie, die Bevölkerung wird mehr und mehr entrechtet, es wäre "unlogisch" von den Nutznießern dies zu ändern.
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Kisi am 19:07:27 Do. 16.Februar 2012
Damit wird der Binnenmarkt noch mehr einbrechen.
Und dann der Export, weil niemand aus dem herunter gewirtschafteten Ausland mehr was vom "Exportweltmeister" kaufen kann.
Dann ist Schluss mit sprudeln...
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Troll am 19:38:01 Do. 16.Februar 2012
Es liegt mir fern die Konsequenzen des vorherrschenden Quartaldenkens abzustreiten, der Binnenmarkt wird weiter einbrechen, nichts wird mehr sprudeln können, tja, hat diese zwingend absehbare Folge irgend jemand aus Wirtschaft oder Politik bisher zum umlenken gebracht?
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Kisi am 20:41:55 Do. 16.Februar 2012
Kann sein, Sie merken es nicht mehr Der Ast auf dem man sitzt, wird jetzt abgesägt.
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: BGS am 21:02:53 Do. 16.Februar 2012
Zitat von: Kuddel am 18:05:10 Mi. 15.Februar 2012
OECD fordert von Deutschland niedrigere Arbeitskosten

Die Bundesregierung müsse die Arbeitskosten drücken, weniger Ältere früh in die Rente entlassen und[size=100pt] für mehr Zuwanderung sorgen.[/size] Nur dann bleibe Deutschland wirtschaftlich vorn.



http://www.manager-magazin.de/politik/konjunktur/0,2828,815283,00.html#ref=rss (http://www.manager-magazin.de/politik/konjunktur/0,2828,815283,00.html#ref=rss)

Was witzigeres habe ich lange nicht gelesen, kann vor Lachen kaum noch Schreiben :D :D :D.

"Zuwanderung" in ein Land, das selbst die Wanderarbeiter seit Jahren meiden. Wie denn das?

MfG ;D

BGS
Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Kisi am 21:23:42 Do. 16.Februar 2012
Zuwanderungsland ist momentan die Türkei.
Gestern war ein Bericht darüber. Viele Griechen  gehen zum Nachbarn und sind dort gern gesehen. Es gibt anscheinend genug Arbeit.

Titel: Re:Deutschland Billiglohnland
Beitrag von: Tiefrot am 23:47:10 Do. 16.Februar 2012
Und wenn die Leutz vom dort gezahlten Lohn auch noch leben können, wäre alles paletti.  ;)