Streit um mögliche Kürzungen bei Hartz IV

Begonnen von hepedidu, 09:49:56 Mi. 17.Mai 2006

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hepedidu

Zitat: "Die wenigsten Langzeitarbeitslosen müssten tatsächlich von 345 Euro leben."

Noch so ein Schwachmat...

Naja, ganzer Text:

http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5533452_REF1,00.html
...und heute ist morgen schon gestern!

Carsten König

ZitatAnlass für die Debatte ist die jüngste so genannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. An ihr orientiert sich der Regelsatz. Die Stichprobe wird alle fünf Jahre erhoben und heute vorgelegt.

Da werden ja wieder die Wolfsgesänge mit reflexartiger Schnelligkeit einsetzen. Man hört sie schon heulen...

Regenwurm

Falsche Zahlen sollen Kürzungen am ALG II rechtfertigen

nachzulesen bei der LINKSzeitung

hier ein kurzer Ausschnitt worum es geht:
Zitat"Die von Ramsauer unterstellte Kostenexplosion ist nichts weiter als ein Hirngespinst, mit dem weitere Einschnitte bei Erwerbslosen gerechtfertigt werden sollen"
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

Carsten König

Zitat"Was es gibt, ist eine Verschiebung der Kosten: Früher erfolgte die Zahlung in Form von Sozialhilfe, Wohngeld und Arbeitslosenhilfe; heute erfolgt die Leistung in Form von ALG II plus Kosten der Unterkunft. Peter Ramsauer betreibt üble Stimmungsmache gegen Arbeitslose."

Genau das wird die Wahrheit sein.

Klassenkampf

Von Kostenexplosion ist gerne die Rede, metaphorisch nutzt man diesen Begriff, um es auch wirkliche jeden begreiflich zu machen. Doch schon mehrmals wurde - auch hier - darauf hingewiesen: Nichts explodiert. Nun hat das Bundesarbeitsministerium selbst nachgerechnet:

ZitatDer Staat gibt für die Empfänger von Arbeitslosengeld II gar nicht so viel mehr aus, als sie an Arbeitslosen- und Sozialhilfe gekostet hätten. Dies hat auf Bitten der Linksfraktion im Bundestag das Arbeitsministerium unter Franz Müntefering (SPD) ausgerechnet. Die gern beschworene "Kostenexplosion" durch die 2005 in Kraft getretene Arbeitsmarktreform "Hartz IV" findet demnach nicht statt.

Hochgerechnet auf das Jahr 2005 "ergibt sich, dass auch in den alten Systemen die Transferausgaben auf ca. 35,5 Milliarden Euro angestiegen wären", schreibt das Ministerium in einem Brief an die Linksfraktionäre, der der taz vorliegt. Gegenüber den realen Ausgaben für die ALG-II-Empfänger im Jahr 2005 von 37,5 Milliarden Euro macht das eine Differenz von 1,8 Milliarden Euro. Davon entfallen wiederum 1,4 Milliarden allein auf die (neue) Rentenversicherung für die ehemaligen Sozialhilfebezieher. Der unkontrollierte Kostenanstieg minus gesetzlich gewollter Rentenbeiträge betrüge also im Jahr 2005 maximal 400 Millionen Euro - kaum mehr als ein Prozent der Gesamtausgaben.
...

Hierbei wurde sogar darauf verzichtet, das Wohngeld mit in diese Kalkulation mitaufzunehmen, welches man einst, beim Bezug von Arbeitslosenhilfe ergänzend, bekam.

Nur: Davon liest und hört man gänzlich wenig, bis gar nichts in den Medien. Dafür viel kommen dort viele "Explosionen" und "Unkosten-Berge" vor.

Was erzürnt mehr? Die fehlende wissenschaftliche Basis, auf der Behauptungen aufgestellt werden? Mangelndes Interesse der Eliten (nicht zuletzt der Intellektuellen), den Behauptungen der Protagonisten auf die Spur zu gehen? Oder einfach nur die fehlende öffentliche und objektive Berichterstattung?

Quelle
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Lefat

Aha "Eckregelsätze" musste ich hier lesen  :D

hier mal nen Link ,wie die ermittelt werden !

Eckregelsatz

und hier noch eine lecker leseprobe !! :D

ZitatGrundlage für die Festsetzung des Regelsatzes von 345 Euro sind die Verbrauchsausgaben der unteren 20% der Verbrauchergruppen. Wer ist das eigentlich? Die Grundlagen für die Regelsatzbemessung, die detaillierten Einkommen und Ausgaben, sowie die Alterstruktur der untersten 20% der Ein-Personen-Haushalte unter den Verbrauchergruppen der EVS 1998 werden geheim gehalten.

ZitatDamit soll vertuscht werden, dass der Eckregelsatz, salopp gesagt, ein Regelsatz für RentnerInnen ist, nicht für Erwerbslose.
Es ist immer wieder erstaunlich, dass ein Jahr der Arbeitslosigkeit einen ehemaligen Leistungsträger zu einem bildungsfernen Asozialen verkommen läßt..so zumindest die landläufige Meinung.

Klassenkampf

So sieht deutsche Ost-West-Gerechtigkeit aus:

Zitat...
Angesichts der unerwartet hohen Kosten von Hartz IV halten insbesondere Unionspolitiker dies inzwischen für einen Fehler. Stattdessen hätte man besser eine Senkung auf den in Ostdeutschland gültigen Satz von 331 Euro beschließen sollen.
...

Spaßeshalber habe ich dies schon Anfang 2005, zu Beginn dieses offenen Strafvollzugs, als mögliche Option gesehen, wenn man denn Kürzungen rechtfertigen wolle. Damals immer noch in der Hoffnung verharrend, daß das Schamgefühl der Eliten soetwas nicht zulassen würde.

Vielleicht wären Viele froh, wenn es schlußendlich 331 Euro/Monat bleiben...

Hartz IV löst sich auf, an seine Stelle tritt ein großes Loch, ein Nichts, ein Vakuum. Die neoliberalen Kreise sagen dazu Eigenverantwortung.

Quelle
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Regenwurm

Die Höhe der Regelsätze
Wie ermittelt sich nun die Höhe der Regelsätze?
Sie statistisch aus der alle fünf Jahre ausgewerteten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) errechnet und von den Bundesländern jeweils festgesetzt. Das führt dazu, dass die Höhe der Regelsätze von Bundesland zu Bundesland etwas variieren.
Interessant zu wissen ist schließlich, dass in den Jahren, in den keine Neubemessung der Regelsätze im Rahmen der statistisch errechneten Bedarfsdeckung erfolgt (dies ja nur alle 5 Jahre), wird der Regelsatz entsprechend dem aktuellen Rentenwert in der Gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli eines jeden Jahres angepasst.


Der Ermittlung zu Grunde gelegt werden die Verbrauchsausgaben der unteren Einkommensgruppen für Waren und Dienstleistungen. Darunter fallen Ausgaben für Ernährung, Kleidung, Körperpflege und Bedürfnisse des täglichen Lebens. Nicht darin eingebunden sind die regelmäßigen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese werden im Rahmen der Bedarfsermittlung zusätzlich zu den Regelsätzen gewährt.


..mir fehlen gread die Worte, wie nur alle fünf Jahre wird Neuberechnet-
da ist dann wohl weder Praxisgebühr/ erhöhte Energiekosten, meine gehasste Tabaksteuererhöhung drin---die Liste ist endlos!
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

Klassenkampf

Darauf beziehend:

ZitatHochgerechnet auf das Jahr 2005 "ergibt sich, dass auch in den alten Systemen die Transferausgaben auf ca. 35,5 Milliarden Euro angestiegen wären", schreibt das Ministerium in einem Brief an die Linksfraktionäre, der der taz vorliegt. Gegenüber den realen Ausgaben für die ALG-II-Empfänger im Jahr 2005 von 37,5 Milliarden Euro macht das eine Differenz von 1,8 Milliarden Euro. Davon entfallen wiederum 1,4 Milliarden allein auf die (neue) Rentenversicherung für die ehemaligen Sozialhilfebezieher. Der unkontrollierte Kostenanstieg minus gesetzlich gewollter Rentenbeiträge betrüge also im Jahr 2005 maximal 400 Millionen Euro - kaum mehr als ein Prozent der Gesamtausgaben.

Wo ist der Bericht - in schriftlicher Form - geblieben? Öffentlich ging das Rechnen des Arbeitsministerium unter, und auch sonst scheint man diesen Bericht nicht anbieten zu wollen.
Die NachDenkSeiten dazu:

ZitatSeit Wochen und Monaten werden wir mit Katastrophenmeldungen über die ,,Kostenexplosion" durch Hartz IV bombardiert. Im Eilverfahren werden Gesetze durch das Parlament gepeitscht, um die ,,Kostenexplosion" zu bekämpfen. In einem Bericht an den Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales von Anfang Mai 2006 durch Gerde Andres heißt es jedoch:
Nach einer vergleichenden Berechnung des Arbeitsministeriums wären die Kosten ohne die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe etwa genauso stark angewachsen. "Es wird geschätzt, dass die Ausgaben in den alten Systemen im Jahr 2005 auf ca. 43,5 Milliarden Euro angestiegen wären". Tatsächlich lagen sie 2005 nach der Hartz-Reform bei 44,4 Milliarden Euro. Wir haben diesen Bericht überall gesucht, aber er ist nirgendwo zu finden. Warum wohl?

...
Wenn es so ist, dass die Kosten für Sozial- und Arbeitslosenhilfe insgesamt gar nicht explodiert sind, dann wäre die Drohkulisse für die bisherigen Kosteneinsparungsgesetze (man nennt das im ,,Neusprech" Hartz IV,,Optimierungsgesetze") in sich zusammen gestürzt.
Auch die ganze Kampagne gegen die ,,Hartz IV-Schmarotzer" hätte sich als das entpuppt, was sie in Wirklichkeit ist, nämlich eine Hetzkampagne, die Millionen von Arbeitslosen ausgrenzen und diskriminieren soll.
Außerdem hätte man zugeben müssen, dass der relativ geringfügige Anstieg von 43,5 auf 44,4 Milliarden der Gesamtausgaben, wie Gerd Andres offenbar auch berichtet hat, seinen Grund in der ,,ungünstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes" im Jahre 2005 hatte. Will sagen, dass die Hartz-Arbeitsmarktreformgesetze für den Arbeitsmarkt nichts gebracht haben, sondern im Gegenteil, die Lage sich eher verschlechtert hat.
...
Aber halt! Der Arbeitsminister Müntefering hat am 1. Juni im Bundestag folgendes gesagt:

,,Die letzte Minute meiner Redezeit möchte ich dazu nutzen, etwas zu der angeblichen Kostenexplosion zu sagen. Im Dezember letzten Jahres haben wir in einer Größenordnung von etwa 1,75 Milliarden Euro Arbeitslosengeld II gezahlt. Im Januar waren es etwa 2,4 Milliarden. Offensichtlich ist das bei einigen zu einem Missverständnis geraten. Wenn Sie sich die Entwicklung des zweiten Halbjahres 2005 ansehen, erkennen Sie, dass in diesem Halbjahr Arbeitslosengeld II in einer Größenordnung von durchschnittlich 2,15 Milliarden Euro pro Monat gezahlt wurde. Im Januar waren es 2,45 Milliarden, weil die Ausgaben zuvor im Dezember zum Jahresabschluss stark gesunken sind. Im Februar waren es 2,25 Milliarden. Im März waren es 2,25 Milliarden. Im April waren es 2,25 Milliarden und nicht mehr.

All die Geschichten, die im Moment erzählt werden nach dem Motto "Das Ding explodiert", können nur davon kommen, dass irgendjemand nicht genau hinschaut. Es ist nicht so, dass die Kosten an dieser Stelle explodieren. Es gibt eine leichte Anhebung; aber das bewegt sich in der Größenordnung von 5 Prozent.

Ich will damit nur klarstellen: Was die Entwicklung der Kosten im Bereich des Arbeitslosengeldes II angeht, so ist auch dies unter Kontrolle. An dieser Stelle findet keine Kostenexplosion statt."
...
Aber diese Feststellung hat Franz Müntefering nicht davon veranlasst, sein Hartz IV-Einsparungsgesetz zurückzuziehen. Und in den Zeitungen habe ich über diese Passage seiner Rede keine Zeile gefunden.
Wie sollte auch sonst die Hatz gegen die Hartz-IV-Empfänger weitergehen können?

Die Parteien tragen zur Meinungsbildung bei, so heißt es. Zählt dazu, daß man Fakten einfach unter den Teppich kehren darf? Ist das eine sublimierte Form der Meinungsbildung?

Es stinkt gewaltig in diesem Land...

Quelle Müntefering-Rede
Quelle NachDenkSeiten
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

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