Drogenpolitik

Begonnen von Kuddel, 14:59:08 So. 09.Mai 2010

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Kuddel

Tja, das Kiffen war mal sowas wie Gegenkultur. Bei den Freaks gehörte es zum Livestyle, zusammen mit dazugehöriger Mucke, Haartracht und Klamotten. Man wollte sich möglichst von den Eltern, dem spießigen Mainstream und dem Eckkneipensuff abheben.

Jetzt ist Kiffen Mainstream. Es gibt noch ein paar Schwierigkeiten bei der Integration in den neoliberalen Alltag, es rumpelt ein wenig bei einer staatlichen Umorientierung und der Neuordnung des Marktes.

Der Minister macht sich Gedanken über Formen der Registrierung und Überwachung und der Hanfverband hat Dollarzeichen in den Augen bei den neuen Marktmöglichkeiten des Anbaus, Vertriebs und Verkaufs von Cannabisprodukten. Der schlägt allen Ernstes vor, man solle am 1.Mai  für seine Branche demonstrieren.

Was diese marktwirtschaftlich Scheiße bedeutet, wird nicht diskutiert. Es gibt einerseits den mafiös organisierten Hintergrund der Branche, gleichzeitig ist es ein wichtiger Nebenverdienst vieler Armer Menschen. Für einige Migranten ohne legalen Aufenhaltsstatus ist es die wichtigste Einkommensmöglichkeit. Nun soll die Kohle in andere Taschen fließen.

Es wird ja zurecht diskutiert, wie Landwirtschaft läuft und welche Qualität Lebensmittel haben. Es gab riesige Proteste gegen Genfood, Pestizide, Überdüngung etc. und das zurecht. Daß Cannabis heutzutage irre überzüchtet ist (über genetische Veränderungen würde ich mich auch nicht wundern) und in den letzten Jahrzenten hat sich der THC-Gehalt vermehrfacht. "Gras" ist ein völlig anderes Produkt geworden und auch der Rausch ist nicht mehr der Selbe.

Um Qualität und Genuß geht es scheinbar immer weniger. Die Dabatte wird vom Markt und dem Hanfverband dominiert.

Onkel Tom

Mein Ersteindruck zu den Neuigkeiten ist etwas anders. Mir geht es hier nicht
um Veherrlichung einer Droge und das nun in manchen Gesichtern die Dollerzeichen
in den Augen klimpern finde ich auch nicht ok. Das Spaming um CBD-Öle etc. nervt.

Da bin ich eher froh, wenn ich eines Tages bis zu 3 Graspflanzen selbst gärtnern
darf, solange es auch nur für mich ist.

Gegenwärtig ist es ja ein "Modell" für die nächsten 5 Jahre, soweit ich verstanden
habe und wie die Feinheiten dazu aussehen, ist ja noch nicht ganz klar.

Dank der Reaktion der EU auf den ersten Gesetzentwurf bleibt da viel "kompliziert"
zurück. Von daher ist es nicht der große Wurf. Und eventuell kippt alles noch, weil
sich die politische Lage ändert ?

Das der Hanfverband tendenziös drauf ist, ist nachvollziehbar aber glaube, das davon
abgesehen im Privatbereich eine neue "Kiffer-Kultur" entstehen kann, die nicht auf
Commerz und Hype basiert.

Wie das mit den "Cannabis-Clubs" laufen soll/könnte ist ja scheinbar noch nicht
aus gegoren. Vor allen Dingen wie anbei Kontrollmechanismen umgesetzt werden sollen.

Für den Schwarzmarkt tut es wegen der Regelungen vermutlich kaum ein Abbruch, da der
Dealer, egal in welcher Lage, sich darauf anpassen müsste, nur mit sauberen Stoff zu
handeln. Ja, was Lauterbach da erwähnt was Reinheiten betrifft ist leider Realität.

In wie weit Hanf hoch gezüchtet wurde, hat man heute meines Erachtens ca. das doppelte
an THC in den Pflanzen wie in den 80zigern, sofern der Anbau korrekt durchgeführt wird.
Die Angaben auf Samen und Sorten werden im Handel auch gern höher bewertet, um ein
höheren Preis veranschlagen zu können.

Letztendlich wird der Kleingärtner wohl mehrere Jahre brauchen sein Optimum an Anbau
vs. Genuss zu finden. Zwischen "Gerüchte" und "Praxiserfolg" liegen teils Phantasievolle
Welten.. Eine Hanfkultur, wo sich die Kiffer_innen untereinander selbst beschummeln a la
"Ich kenne da noch ein besseres Kraut, wie das beste, was man so kennt.." ist nicht neu.

Dafür den 1.Mai den Tach der Arbeit mit "Tach des Kiffers" zu tauschen kommt mir anbei
nicht in die Tüte.

Naja, bin gespannt, was da noch kommt..  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

Hartzhetzer

Drogenpolitik ist in erster Linie der Sichtbare Eisberg bürgerlicher Doppelmoral.

ZitatWas diese marktwirtschaftlich Scheiße bedeutet, wird nicht diskutiert. Es gibt einerseits den mafiös organisierten Hintergrund der Branche, gleichzeitig ist es ein wichtiger Nebenverdienst vieler Armer Menschen. Für einige Migranten ohne legalen Aufenhaltsstatus ist es die wichtigste Einkommensmöglichkeit. Nun soll die Kohle in andere Taschen fließen.

Typisch Kapitalismus halt, alle Gegen- und Nischenkultur wird aufgesaugt und zu einem Geschäft der schon am Markt etablierten Konzerne. Wenn Cannabis ein paar Jahre legal ist werden auch die mafiösen Hintergründe der Cannabis Geschäfte verschwinden und der Markt dafür wird dann vollständig in der Hand der Pharmakonzerne sein. Ein gutes Beispiel für so eine Entwicklung ist Las Vegas:

https://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/a-353724.html

Cannabis ist in den USA erst nach Ende der Prohibition verboten wurden und der Verbotsdruck verbreitete sich von dort aus auf den Rest der Welt:

https://www.businessinsider.de/wissenschaft/warum-wurde-cannabis-verboten-der-echte-grund-ist-viel-schlimmer-2018-3/

Hier mal eine gute Doku über die Wahrheit und Verlogenheit von Drogenpolitik:

Die Nazis vollzogen auf ihre Weise, was die Sozialdemokratie sich immer erträumt hatte: eine »ordentliche Revolution«, in der alles ganz anders wird, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Zitat Schwarzbuch Kapitalismus Seite 278

Kuddel

Ich halte das Thema der Drogenpolitik für hochpolitisch und völlig unterschätzt.

Ich bin für eine Entkriminalisierung von Drogen, nicht nur Cannabis. Mir ist schon klar, daß es ein vielschichtiges Thema ist. Drogen können schwerwiegende Folgen haben, gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial.

Cannabis war hierzulande eine normale Kulturpflanze (in seiner THC-armen Form), es wurden z.B. Hanfseile daraus hergestellt. Die Amis haben den europäischen Staaten eine Drogenpolitik auferlegt, die nichts mit der Gesundheit der Bevölkerung oder dem Wohl der Bauern zu tun hat. Es ging um globale wirtschaftliche Interessen und den Ausbau des Überwachungs- und Repressionsapparates.

Mit ihrem "war against drugs" meinten die Amis "Krieg" im Wortsinne. Mit dem Vorwand des Kampfes gegen Drogen, schickten sie Bomber und Truppen in lateinamerikanische Staaten. Sie machten selbst Geschäfte mit den Drogenbaronen und füllten mit den Gewinnen schwarze Kassen, mit denen geheime Geheimdienst- und Militäroperationen finanziert wurden.

Seit die Amis dem Drogenanbau in Afghanistan den Krieg erklärt haben, ist der Drogenanbau und -Export um mehrere hundert Prozent angestiegen.

Es ist alles eine verlogene Scheiße. Teile der Öffentlichkeit glauben immernoch, daß illegale Drogen böse sind und die Kämpfer gegen die Drogen gut. Dabei ist der größte Teil der Drogentoten nicht auf die Drogen selbst zurückzuführen, sondern darauf, daß sie illegal sind, die Reinheit, die Streckmittel und die Bedingungen des Konsums (gemeinsamer Spritzengebrauch) unkontolliert, unbekannt und lebensgefährlich sind.

Die Aussage, daß der Krieg gegen Drogen in Wirklichkeit ein Krieg gegen die Armen ist, halte ich für Zentral. Auch unter den Reichen gibt es einen erheblichen Drogenkonsum. Sie sind nicht von Repression betroffen, haben die Möglichkeit Drogen bester Qualität zu beziehen und haben völlig andere Angebote für einen Entzug.

Drogen gegen politische Gegner, gegen rebellische Stadtteile und Wohngegenden der Armen sind mindesten seit den 60er Jahren Normalität. Erst kommen die Drogen, dann die Bullen, dann der Knast.

Ich habe hier die verschiedenen Drogen in einen Topf geworfen. Vielleicht zu vereinfachend, aber es gehört zusammen. Zum Thema der politischen Moralapostel kann ich nur sagen, daß auf allen Klos des Bundestags Koksspuren gefunden wurden. Hier noch ein schöner Artikel aus der Süddeutschen: »Grüner mit Hitlerdroge erwischt« https://sz-magazin.sueddeutsche.de/politik/becks-comeback-83365

Hat dieser Journalistin auch die Hitlerdroge das Hirn vernebelt? Wie kann man nur so bescheuert fragen?
ZitatEin Jahr später ist der Politiker rehabilitiert. Wie hat er das geschafft?
Es waren nicht dieser tolle Politiker und seine starke Persönlichkeit, die es geschaft haben, es ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie die Machtverhältnisse in den Medien sind und wie die Klassenjustiz funktioniert.

Zurück zum Hanf. Ich finde es gut, wenn man jetzt 3 Hanfpfanzen straffrei besitzen darf. Ich weiß auch, daß es Menschen gibt, denen das Kiffen nicht gut tut. Einige sind nicht nur nervig, wenn sie bekifft sind, es gibt auch welche, die sich bleibende Schäden zuziehen.

Drogen sollten diskutiert werden. Man sollte die persönlichen Bedürfnisse des Einzelnen betrachten, die Gesundheit und das Recht auf Rausch. Die Qualität von Drogen, Alternativen, Ausstieg. Man sollte gesellschaftliche Folgen sehen, wer verdient daran, welchen Einfluß hat es aufs Zusammenleben.

Organiationen, wie den Hanfverband, finde ich etwa so sympahtisch, wie den Verband der Zuckerindustrie.

Daß diverse verbödete Freaks bei Kundgebungen nach der Pfeife dieses Verbands tanzen, find ich deprimierend.

Kuddel

Zitat

Welcher Krieg war der längste Krieg der USA? Nein, es ist nicht der 21-jährige Krieg gegen den Terror. Es ist der 51 Jahre alte Krieg gegen Drogen, der während der Präsidentschaft von Richard Nixon begann.

Natürlich mag sich dieser große Führer über die zunehmende Drogensucht aufgeregt haben, aber war der Krieg gegen die Drogen in erster Linie dadurch motiviert? Nicht wirklich, wie Aussagen seiner eigenen wichtigsten Helfer zeigen. Das eigentliche Motiv war, gegen die jungen Leute vorzugehen, einschließlich der Hippies und der Schwarzen, die an der Spitze der Antikriegsbewegung standen, und die Antidrogenkampagnen erwiesen sich als bequemer Deckmantel, um gegen diese Kriegsgegner vorzugehen und sie sogar wegen überzogener Anschuldigungen ins Gefängnis zu bringen.

Dies bringt uns zur zweiten Frage, nämlich der nach den Auswirkungen des Drogenkriegs auf die bürgerlichen Freiheiten. Im Laufe der Zeit wurde deutlich, dass der Krieg gegen die Drogen dazu führte, dass eine sehr große Zahl von Personen wegen gewaltfreier Drogendelikte ins Gefängnis kam. Diese Entwicklung erreichte in den Jahren der Präsidentschaft von Ronald Reagan ihren Höhepunkt. Die Zahl der Häftlinge, die wegen gewaltfreier Drogendelikte angeklagt wurden, stieg rasch von 50 000 im Jahr 1980 auf 400 000 im Jahr 1997. Der Anteil von Schwarzen und Latinos unter diesen Gefangenen war sehr hoch. In anderen Ländern, die mit dem von den USA geführten Krieg gegen Drogen in Verbindung stehen, könnte die Situation noch schlimmer sein. Im Falle des Drogenkriegs, der während der Amtszeit von Präsident R. Duterte auf den Philippinen geführt wurde, starben beispielsweise schätzungsweise 12.000 Filipinos im Krieg gegen die Drogen, die meisten von ihnen arme Städter.

Die vielleicht beunruhigendste Frage ist, ob zur gleichen Zeit, als der Krieg gegen die Drogen fortgesetzt wurde und manchmal damit zusammenhing, verschiedene Maßnahmen der US-Regierung und ihrer Behörden tatsächlich zu einem starken Anstieg der illegalen Produktion und des Handels mit Drogen, einschließlich Opium und Heroin (unter anderem), beigetragen haben.

Etwa in den 1980er Jahren führten die Regierung der USA und insbesondere die CIA unter enger Beteiligung der pakistanischen Regierung eine groß angelegte Operation durch, um fundamentalistische/fanatische Kämpfer, die so genannten Mudschaheddin, aus vielen Ländern für den Kampf gegen die sowjetische Armee und das kommunistische Regime in Afghanistan zusammenzustellen. (...)
https://countercurrents.org/2023/05/five-questions-the-war-on-drugs-should-answer/

krapotke

Als weiteres Beispiel:

Im Zuge des Indochinakonfliktes unterstütze die USA innerhalb des laotischen Bürgerkriegs die rechten Militärs. Deren Anführer waren maßgeblich im Opium- und Heroingeschäft tätig. Geriet der Verbündete hier in Schwierigkeiten, waren z.B. die CIA gerne bereit auszuhelfen und Transportmittel bereitzustellen.

https://www.deutschlandfunk.de/usa-drogenkrieg-a-la-cia-100.html

Das die Briten in China Opiumkriege führten, um sich den lukrativen Markt offenzuhalten, ist angesichts des aktuellen "war on drugs" ein zynischer Treppenwitz der Geschichte.
,,Das habe ich getan" sagt mein Gedächtnis. "Das kann ich nicht getan haben" sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach.        Friedrich Nietzsche

BGS

Verantwortlich für den sog. "Krieg gegen die Drogen" ist ein gewisser Harry J. Anslinger, der zeitlebens als entschiedener Gegner von Drogen auftrat.

Am Lebensende liess er sich durchaus gerne solche verabreichen.

Anslinger kämpfte in den 60-ern für ein weltweites Verbot von Cannabis. Er war m. E. u.a. ein Rassist.

MfG

BGS

"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

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