Frankreich: Schwarze Veteranen bekommen dank Kriegsfilm mehr Rente

Begonnen von Kater, 01:57:39 Mi. 27.September 2006

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Kater

ZitatVeteranen bekommen dank Kriegsfilm mehr Rente

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac war vom Kriegsdrama «Indigènes» so ergriffen, dass er eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Veteranen aus den früheren Kolonien forderte.

Das Kriegsdrama «Indigènes» (Days of Glory) über nordafrikanische Soldaten in der französischen Armee hat schon vor dem Kinostart am Mittwoch eine Menge bewirkt: Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie bestätigte am Montag, dass die Renten für die Überlebenden nun deutlich erhöht würden.

«Fast 40 Jahre lang gab es keinerlei Anerkennung für diejenigen, die uns bei der Befreiung des Landes von den Nazis zur Hilfe gekommen sind», sagte Alliot-Marie dem Radiosender France Inter. Erst spät wurde eine Rente auf Grundlage der jeweiligen Kaufkraft in den Heimatländern der Veteranen eingeführt, wie sie erklärte. Doch nun wolle der Staat eine Anerkennung auf dem gleichen Niveau wie in Frankreich aufbringen. Die genaue Zahl der Empfänger nannte Alliot-Marie nicht. Es werde allerdings eine «relativ bedeutenden Summe» notwendig, die das Finanzministerium noch freigeben müsse.

Chirac hatte «Indigènes» Anfang September gesehen. Der Film von Rachid Bouchareb beklagt das Schicksal der Soldaten aus den früheren Kolonien, die während des Zweiten Weltkriegs für Frankreich kämpften. Bei den Filmfestspielen in Cannes erhielten die vier Hauptdarsteller die Auszeichnung für die besten männlichen Schauspieler.

http://www.20min.ch/news/ausland/story/13928570

keine Ahnung ob «Indigènes» ein guter Film ist, aber schon (eher wohl: erst) 1987 gab es den Film "Camp de Thiaroye" (dt. "Das Camp der Verlorenen") von dem senegalesischen Filmemacher Ousmane Sembene über die - historisch belegte - von der französischen Armee niedergeschlagene Meuterei afrikanischer französischer Soldaten gegen ihre Diskriminierung und Schlechterbezahlung... (nach dem Ende des 2. Weltkriegs und Sieg über die Nazis, wohlgemerkt). Der Film lief damals im ZDF oder ARD, aber seitdem...?

Kater

ZitatHelden für die Vorstadtkinder
Ein Film über nordafrikanische Soldaten, die für Frankreich gegen die Nazis kämpften, hat politische Folgen
Axel Veiel

PARIS. Hätte er es von vornherein darauf angelegt, er wäre verlacht worden. Und Rachid Bouchareb hat es ja auch nicht darauf angelegt. Als der Regisseur "Indigènes" (Eingeborene) drehte, dachte er gar nicht daran, die Welt zu verbessern oder auch nur die Integration der in Frankreich lebenden Muslime voranzubringen. Der hagere Mann, der aus kohlrabenschwarzen Augen so unendlich ernst und traurig durch einen hindurchblicken kann, wollte nur Erinnerungslücken schließen. Er wollte zeigen, dass es da einmal 233 000 nordafrikanische Soldaten gab, die im Zweiten Weltkrieg Frankreich von den Nazis befreien halfen, und denen das Mutterland dies übel gelohnt hat.

"Jacques, da muss man was tun"

Aber mit den Vorpremieren kam es dann anders, besser eben. Boucharebs Bilder von Algeriern und Marokkanern, die mit blau gefrorenen Füßen durch den Schnee der Vogesen stapfen und die Wehrmacht aufzuhalten versuchen, wühlten die Zuschauer auf, ließen sie nicht mehr los. Auch Bernadette Chirac, die Frau des französischen Präsidenten, konnte sich nicht entziehen. Mit einem "Jacques, da muss man etwas tun!" trieb sie den Gatten zur politischen Tat.

Als "Indigènes" Mitte der Woche in Frankreichs Kinos anlief, hatte der Staatschef bereits gehandelt. Auf sein Geheiß hin trat Hamlaoui Mekachera vor die Kameras, der für die Angelegenheiten ehemaliger Soldaten zuständige Staatssekretär. Die früheren Soldaten aus Frankreichs Kolonien würden den französischen Veteranen ab sofort finanziell gleichgestellt, verkündete er.

Knapp 60 000 ausländische Veteranen in 23 Ländern sollen nun bedacht, jährlich 110 Millionen Euro zusätzlich an Kriegsrenten ausgezahlt werden. Ein Nachtragshaushalt ist zu verabschieden. Jahrzehntelang habe es kaum Anerkennung für diejenigen gegeben, die Frankreich bei der Befreiung von den Nazis halfen, räumte Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie ein. Maßgeblichen Anteil an der Missachtung hatte ein Regelwerk aus dem Jahr 1959, das die in Nordafrika zunehmend bedrängten Kolonialherren erlassen hatten. Es sah vor, Pensionen und Invalidenrenten ehemaliger Soldaten ohne französischen Pass auf damaligem Stand einzufrieren. Im Höchstfall bekamen die Veteranen aus dem Maghreb 30 Prozent dessen, was den Kameraden aus Frankreich zustand.

Jamel Debbouze, Ko-Produzent und einer der vier Hauptdarsteller, hofft nach dem Wunder der finanziellen Gleichstellung schon auf das nächste: auf gesellschaftliche Gleichstellung, Integration. Wenn die oft in Vorstädte abgeschobenen Nachfahren nordafrikanischer Einwanderer zu hören bekämen, sie seien Ausländer, könnten sie künftig auf die Kriegsveteranen verweisen und antworten: "Ihr spinnt ja, meine Familie hat dieses Land von den Nazis befreit, ich bin zu Recht hier, ich bin Franzose!" Der Film liefere den in Frankreich geborenen Nachfahren algerischer und marokkanischer Einwanderer eine Legitimationsgrundlage, glaubt der Schauspieler. Und noch etwas fördert aus Sicht des 31-Jährigen die Integration: In "Indigènes", sagt er, bekämen die Vorstadtkinder endlich einmal Helden vorgeführt, die ihnen ähnlich sähen.

Für Yassir, der "Indigènes" im Kino "Drei Spatzen" der Pariser Vorstadt Saint-Cloud anschaut, gilt dies auf alle Fälle. Mit Dreitagebart, Kraushaar und einem gutmütigen Lächeln auf dem rundlichen Gesicht, ist er Debbouze wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur dass Yassir statt Soldatenkluft Sportjacke und Hemd trägt. "Frankreich wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Muslime einst hochwillkommen waren, damals, auf dem Schlachtfeld eben", prophezeit er.

Womöglich wird dieser Film tatsächlich noch das ganze Land in Bann schlagen. Schon die Preisrichter des Festivals in Cannes waren ergriffen. Die Jury zeichnete Debbouze, Samy Necari, Roschfy Zem und Sami Bouajila als beste männliche Hauptdarsteller aus. In "Indigènes" halten die Vier im Kugelhagel ihren Kopf hin, kämpfen in Italien, dann in der Provence, bis sie schließlich, ganz auf sich allein gestellt, in einem Dorf im Elsass der deutschen Wehrmacht gegenüberstehen.

Der im Ausland auch als "Days of Glory" (Tage des Ruhms) laufende Film sei überfällig gewesen, meint der 53-jährige Regisseur. Aber frühere Generationen hätten ihn nicht machen können. Viele Einwanderer, die nach dem Krieg in Frankreich ihr Glück suchten, seien des Lesens und Schreibens unkundig gewesen. Auch hätten sie neben der Arbeit in den Fabriken dafür kaum Kraft und Zeit gefunden.

Bouchareb, selbst Nachfahre algerischer Immigranten, hatte beides. Hinzu kamen persönliche Gründe. Sein Großvater war an der Seite der Franzosen in den Ersten Weltkrieg gezogen, der Onkel hatte in Indochina gekämpft. Doch so persönlich waren die Gründe dann auch wieder nicht. Der Filmemacher glaubt, dass in Frankreich die meisten Nachfahren arabischer Einwanderer auf einen Veteranen stoßen, wenn sie nur in Ruhe das Familienalbum durchblättern.

http://www.berlinonline.de/.bin/mark.cgi/http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/politik/590530.html

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