Verwaltungsgericht Berlin: Pressefreiheit gilt nicht für Onlinemedien

Begonnen von dagobert, 12:31:15 So. 24.Juli 2022

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dagobert

ZitatBehörden müssen Fragen der Presse beantworten, das ergibt sich aus dem Grundgesetz. Unser Projektleiter Arne Semsrott hat einen Presseausweis, arbeitet seit Jahren als Journalist und hat mit seinen Recherchen zahlreiche Missstände aufgedeckt. Das Verwaltungsgericht Berlin sagt jedoch, dass er kein Vertreter der Presse sei, weil seine Recherchen nicht auf Papier gedruckt zu lesen sind. Was das Gericht nicht wusste: Das DE in FragDenStaat.de steht für Druckerzeugnis.
https://fragdenstaat.de/blog/2022/07/20/wir-haben-fragdenstaatde-ausgedruckt/

https://fragdenstaat.de/dokumente/177054-verwaltungsgericht-beschluss-vg-27-l-68-22/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Nikita

Vielleicht hat Arne auch kein Faxgerät und Schreibmaschine. Dann kann er auch kein Journalist sein.
Was schreibe ich Faxgerät? Bleibt mir mit diesem neumodischen Voodoo weg ...

dagobert

ZitatTransparenz-Niemandsland

Die Berliner Verwaltungsgerichte machen es unmöglich, Auskünfte über den Gazprom-Lobbyismus des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder einzuholen. Erst schickten sie uns von Behörde zu Behörde – jetzt soll es gar keine Infos mehr geben.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat zum zweiten Mal unseren Eilantrag zu Gerhard Schröders Lobby-Terminen abgelehnt. Es entschied, dass Gerhard Schröder keine Auskunft darüber geben muss, welche Lobby-Termine er für Gazprom und andere Unternehmen durch das steuerfinanzierte Ex-Kanzlerbüro organisieren ließ. Der Grund: Das Büro von Schröder sei derzeit nicht besetzt und könne unseren Antrag deswegen nicht bearbeiten.

Damit endet unser Gerichtsverfahren in einer Sackgasse, die das OVG vorher selbst gebaut hatte: In unserem ersten Eilantrag vor einem Jahr hatten wir die Lobby-Infos direkt vom Bundeskanzleramt angefordert, dem das Ex-Kanzlerbüro untersteht. Es dürfte Zugriff auf den Terminkalender von Schröder haben. Im Sommer hatte das Gericht allerdings entschieden, dass wir uns nicht ans Kanzleramt, sondern an Schröders Büro wenden müssen – um jetzt ein weiteres halbes Jahr später zu entscheiden, dass dieses auch keine Auskunft geben muss.

Gazprom-Lobby darf im Dunklen bleiben

Damit endet vorerst eine einjährige Gerichts-Farce. Begonnen hatte sie damit, dass das Berliner Verwaltungsgericht in erster Instanz unseren Eilantrag abgewiesen hatte, weil wir keine Presse seien. Als wir dann selbst eine Zeitung herausgaben, akzeptierte das OVG unseren Presse-Status – nur um den Antrag abzuweisen, weil das Ex-Kanzlerbüro selbst zuständig sei. Dabei hatten wir unsere Presseanfrage sowohl an das Kanzleramt als auch an das Ex-Kanzlerbüro gerichtet und hatten nur in dem Antrag an das Gericht das Kanzlerbüro nicht separat benannt. 

Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren ist aber ohnehin die Bundesrepublik Deutschland und keine bestimmte Behörde. Die zuständige Behörde vertritt die Bundesrepublik Deutschland lediglich vor Gericht und falls zunächst die falsche Behörde genannt wird, kann dies im Gerichtsverfahren noch geändert werden. Das OVG hätte damals also auch über unseren Antrag gegenüber dem Ex-Kanzlerbüro entscheiden können. Es wollte aber offenbar nicht. Zwischenzeitlich wollte das VG Berlin das Verfahren sogar an das Verwaltungsgericht in Schröders Heimatstadt Hannover abgeben.

Der Putin-Vertraute und Ex-Kanzler Gerhard Schröder unterhielt bis vor kurzem ein Büro in den Räumen des Bundestags, das für ihn auf Steuerzahlerkosten arbeitete. Es organisierte für Schröder zahlreiche private Lobbytermine. Das Kanzleramt ließ sich das Büro 400.000 Euro jährlich kosten, allerdings wurde Schröder im vergangenen Jahr vom Haushaltsausschuss des Bundestags der Geldhahn zugedreht. Die Infos über die Organisation seiner Lobby-Termine in den vergangenen Jahren liegen seitdem weiterhin vor, die Akten wurden offenbar nicht gelöscht. Nur können wir durch den OVG-Beschluss weder das angeblich nicht zuständige Kanzleramt noch das unbesetzte Ex-Kanzlerbüro verpflichten, uns die Infos herauszugeben. Willkommen im Transparenz-Niemandsland.
https://fragdenstaat.de/blog/2023/03/10/schroder-lobbyismus-oberverwaltungsgericht-gazprom/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Vom Wortlaut her passt das zwar nicht zum Threadthema, ist aber eine Folge des oben stehenden.
ZitatJetzt haben wir das Kanzleramt angezeigt

Das Bundeskanzleramt hat in zwei Gerichtsverfahren zum Altkanzlerbüro jeweils das Gegenteil behauptet. Deswegen haben wir Anzeige wegen Prozessbetrugs gestellt.

Für Gerichtsverfahren in der Informationsfreiheit ist es besonders wichtig, dass Behörden die Wahrheit sagen. Denn: Überprüfen lassen sich ihre Aussagen oft nicht. In einem aktuellen Fall allerdings hat sich das Bundeskanzleramt nach unserer Einschätzung über die Pflicht zur Wahrheit so offensichtlich hinweggesetzt, dass wir jetzt dagegen mit einer Strafanzeige vorgehen. Hintergrund ist eine Klage von uns, die wir im vergangenen Jahr verloren haben: Wir wollten damals Infos zu Gerhard Schröders Lobbytätigkeiten von seinem steuerfinanzierten Altkanzler-Büro haben.

Nach einem juristischen Hick-Hack entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass unsere Fragen zum Terminkalender des Altkanzlers unbeantwortet bleiben. Im Zuge des Prozesses hatte das von uns verklagte Bundeskanzleramt argumentiert, es sei nicht für Schröders Büro zuständig. Das Altkanzlerbüro sei eine eigenständige Organisationseinheit und nicht in den Verwaltungsaufbau des Kanzleramts integriert. Das Kanzleramt habe daher kein Weisungsrecht gegenüber den Aufgaben von Schröders Büro – und habe dementsprechend dazu auch keine Auskunftspflicht. Demnach hätten wir das Büro des Ex-Kanzlers direkt anfragen sollen. Das Büro ist allerdings inzwischen nicht mehr besetzt und reagiert nicht auf Anfragen.
In anderem Verfahren erklärt Bundeskanzleramt das Gegenteil

Nun zeigte sich in einem anderen Verfahren, dass die Aussage des Kanzleramts offenbar nicht stimmt: Vor dem Berliner Verwaltungsgericht ging es im Mai um die Frage, ob Schröders Büro wieder Geld aus Haushaltsmitteln erhalten solle, um wieder arbeiten zu können. Hier argumentierte das Kanzleramt auf einmal, das Büro sei eine Organisationseinheit des Bundeskanzleramts und unterliege dessen Fach- und Dienstaufsicht. Deshalb sei das Büro nicht eigenständig und das Bundeskanzleramt sei zuständig.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte eine Behördenvertreterin zudem, dass das Bundeskanzleramt alle im Büro des Altkanzlers angefallenen Unterlagen als ,,amtliche Unterlagen" des Bundeskanzleramts verstehe. Mit anderen Worten räumt das Bundeskanzleramt ein, dass das Schröder Büro Teil des Bundeskanzleramts ist und dessen Unterlagen und Dokumente dem Bundeskanzleramts zuzuordnen sind.
2.000 Euro Kosten

In unserem Verfahren hatte das Bundeskanzleramt das genaue Gegenteil behauptet. Es sieht also so aus, als hätte es die Wahrheit verbogen, um sich der Transparenz verweigern zu können. Im neuen Verfahren passte den Beamt*innen die tatsächliche Faktenlage besser. Wir haben daher Strafanzeige wegen Prozessbetrugs gegen das Kanzleramt gestellt. Gleichzeitig haben wir das Verwaltungsgericht Berlin aufgefordert, seinen Beschluss in unserem Verfahren abzuändern.

Prozessbetrug ist eine Form des Betrugs nach § 263 StGB, wobei es aufgrund einer Täuschung in einem Gerichtsprozess zu einer sogenannten rechtswidrigen Vermögensverfügung und einem Schaden kommt. Aufgrund des nach unserer Auffassung falschen Vortrags durch das Bundeskanzleramt mussten wir die gesamten Kosten unseres Gerichtsverfahrens tragen: insgesamt rund 2.000 Euro für unsere Anwaltskosten, die Anwaltskosten des Bundeskanzleramts und die Gerichtskosten.

Die Berliner Staatsanwaltschaft muss jetzt ermitteln, ob aus ihrer Sicht ein Anfangsverdacht auf Prozessbetrug besteht und wer im Kanzleramt für die Falschaussage verantwortlich ist. Außerdem muss sich das Verwaltungsgericht erneut mit den Aussagen des Kanzleramts beschäftigen. Denn wir möchten weiterhin gerne wissen, welche Lobbytermine Gerhard Schröder durch sein steuerfinanziertes Büro organsiert hat.
https://fragdenstaat.de/blog/2023/06/08/strafanzeige-kanzleramt-prozessbetrug/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

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