Krise... Proteste... Unruhen? Was organisieren? Wo mitmachen? Wo nicht?

Begonnen von Kuddel, 17:11:05 Fr. 09.September 2022

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Kuddel

Die Linke (ich meine die Bewegung) hat in den vergangenen Jahrzehnten wieder und wieder verkackt.

Die entstehenden sozialen Spannungen und Proteste nach der Wiedervereininigung hat sie nie verstanden und genutzt. Die staatlich betreuten Progrome in Hoyerswerda und Rostock Lichtenhagen sorgten dafür, daß man nur noch Faschos sah und keine Sozialen Konflikte.

Der Osten wurde Sonderwirtschaftszone, abgewickelt und abgehängt. Als die Unzufriedenheit wuchs, war keine Linke zur Stelle, sondern Pegida.

Bei der Coronaseuche hat die Linke wieder verkackt und hat sich in ihnen Wohnungen eingeschlossen ("Stay the fuck home"), während die Rechten die Verängstigten und Unzufriedenen organisierte.

Zum Ukrainekrieg gibt es innerhalb der Linken viel Verwirrung und entgegengesetzte Einschätzungen und Forderungen.

Und nun werden wir von einer massiven Krise überrollt.

Ich finde, es sollte das ideale Thema für eine linke Bewegung sein.

Die Medien setzten in die Welt, es seien Sozialproteste von rechts zu erwarten und es gingen sofort die Debatten innerhalb der linken Szene ab, statt proteste auf der Straße zu organisieren.

Es gab einen ersten Großprotest in Leipzig. Das Neue Deutschland schrieb: "Gerade noch mal gut gegangen, könnte man nach den ersten Protesten gegen steigende Energiepreise sagen. Ewig wird die Antifa die Drecksarbeit aber nicht machen."

Ich habe jetzt keine Lösung auf Tasche. Ich bin gegen jegliche Querfrontpolitik. Andererseits dürfen wir nicht einfach nachhausegehen, wenn irgendwelche Rechten in den Sozialprotesten gesehen werden.

Wir sollten nicht vergessen, daß die Gelbwestenbewegung eine spontane Reaktion getrieben von sozialer Not war. Die Menschen waren unpolitisch und verzweifelt. Es gab rechte Ideen unter den Gelbwesten in Frankreich und auch rechte Menschen. Während die Bewegung wuchs wurde viel diskutiert, die Menschen politisierten sich und die Bewegung ging immer weiter nach links.

Ich denke, es kommen bewegte und verwirrende Zeiten auf uns zu. Ich halte es für notwendig, sich jetzt Gedanken darüber zu machen. Wir müssen damit klarkommen, daß die Mehrheit der Bevölkerung unpolitisch und verwirrt ist. Wir müssen uns mit den Leuten auch dann auseinandersetzen, wenn sie Scheiße reden.

Mit überzeugten Faschisten redet man nicht. Gegen die muß man mit anderen Mitteln vorgehen.

Der Umgang von Linken mit Leuten, die nicht links sind, hat hierzulande keine Tradition. Wir sollten versuchen das zu lernen, statt uns von ihnen abzugrenzen.

Onkel Tom

Zitat von: Kuddel am 17:11:05 Fr. 09.September 2022Die Linke (ich meine die Bewegung) hat in den vergangenen Jahrzehnten wieder und wieder verkackt.

Die entstehenden sozialen Spannungen und Proteste nach der Wiedervereininigung hat sie nie verstanden und genutzt. Die staatlich betreuten Progrome in Hoyerswerda und Rostock Lichtenhagen sorgten dafür, daß man nur noch Faschos sah und keine Sozialen Konflikte.
..

Ich vermute, das zu der Zeit Linke im Osten in einer Selbstfindungskriese
steckten. Sie wurden mit "Wessi-Wirtschaftsdemokratur" und "Begrüßungshunni"
überrollt.. Die Bundesbirne hatte das politisch ausgebufft gedeichselt,
bürgerliche Strömungen auf sich zu lenken.

Ich nehme auch an, das sich viele von linker Bewegung trennten, weil es im
Osten ums "nackte Überleben unter nun kapitalistischer Bedingungen" ging und
die Umstellung von Ost-Arbeitsbedingungen auf Wessi-Gewinnmaximierung setzte
denen auch zu. Dazu wären ja Zeilen eines linken Zeitzeugen nicht schleht, das
beser nachvollziehen zu können, warum damals Linke nicht in die Puschen
gekommen sind.

Zitat..
Bei der Coronaseuche hat die Linke wieder verkackt und hat sich in ihnen Wohnungen eingeschlossen ("Stay the fuck home"), während die Rechten die Verängstigten und Unzufriedenen organisierte.
..

Das bewerte ich etwas anders. Die Noppenkugel kam wie ein Schock
für die Menschheit rüber. Ich kann es verstehen, das die Linken auf
"Gesundheit geht vor !" gesetzt haben. Meines Erachtens wäre es medial
auch komisch herüber gekommen, das Linke "Leben und Gesundheit" am Popo
vorbei gehen würde..

Hinzu kommt noch unsere Knopfleiste, die sich als "Die Krankenschwester
der Nation" in Scene gestellt hat. TV und Co. prügelten der Gesellschaft
Ängste ein.
Darüber sollte auch gedacht werden, wie Linke mit solchen Konzepten der
Regierung / Kriesenmannagment umgehen. Jo, alles neu und erste Runde des
Lehrfilm zu "diplomatischer Kriesenbewältigung via TV.." intus bekommen.

Für die Pegida-Mitläufer_innen war Corona ja eine "lockere Lage", da die
Noppenkugel "nur eine Grippe sei, die von der Regierung nun als
Verängstigungsinstrumennt missbraucht würde".
Da hat denen den "Glauben an.." ihre Ängste weg geschminkt.

Von daher sehe ich das nicht so, das die Linke verkakkt hätte.

Zitat..
Und nun werden wir von einer massiven Krise überrollt.

Ich finde, es sollte das ideale Thema für eine linke Bewegung sein.
..

Eine gegenwärtige Situation, die das wohl notwendig macht.

Anbei bemerkt, das Sozialproteste von links zunehmen, ist das ein gutes
Zeichen, das Linke in die Puschen kommen.  ;)

Zitat..
Es gab einen ersten Großprotest in Leipzig. Das Neue Deutschland schrieb: "Gerade noch mal gut gegangen, könnte man nach den ersten Protesten gegen steigende Energiepreise sagen. Ewig wird die Antifa die Drecksarbeit aber nicht machen."
..

Naja, das wäre auch etwas unverschämt, das Linke erwarten, das die
Antifa die "Drecksarbeit" zu übernehmen hätte.
Alles ne Frage, wer wo seine Fähigkeiten mit einbringen kann.

Sorry, das ist doch etwas "multidynamisch" wie sich Protest etc.
entwickelt.  ;)

Zitat..
Ich habe jetzt keine Lösung auf Tasche. Ich bin gegen jegliche Querfrontpolitik. Andererseits dürfen wir nicht einfach nachhausegehen, wenn irgendwelche Rechten in den Sozialprotesten gesehen werden.
..

Eine Lösung habe ich auch nicht und ja, wenn es kälter wird, gehe
ich davon aus, das linke Proteste zunehmen, die auch eine klare
Abgrenzung zu rechten Socken halten.

Zitat..
Ich denke, es kommen bewegte und verwirrende Zeiten auf uns zu. Ich halte es für notwendig, sich jetzt Gedanken darüber zu machen. Wir müssen damit klarkommen, daß die Mehrheit der Bevölkerung unpolitisch und verwirrt ist. Wir müssen uns mit den Leuten auch dann auseinandersetzen, wenn sie Scheiße reden.

Mit überzeugten Faschisten redet man nicht. Gegen die muß man mit anderen Mitteln vorgehen.

Der Umgang von Linken mit Leuten, die nicht links sind, hat hierzulande keine Tradition. Wir sollten versuchen das zu lernen, statt uns von ihnen abzugrenzen.


Jo, Leute aus dem Wirrwar wieder heraus zu holen, liegt ja am Vermögen
von "Erklärbär" und Überzeugungsfähigkeit, die Begabte in die Schnittmenge
einbringen können.

Als Linker muss ich nicht überall dabei sein und konzentriere mich darauf,
wo ich meine Begabung an positiver Stelle beitragen kann. Diese Eingrenzung
des "Ich mache das, was ich gut kann" halte ich genau so wichtig, um sich
nicht selbst den "Arm ab zu reißen".

Angleichungen von Augenhöhen bezüglich Kontakt nach draußen ist nicht einfach
aber hat in dem unten zu sehendem Flugi gefunzt.


https://archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2008/jobmessehh2.pdf

Ähnlich gute Erfahrung habe ich bei einem Flugi gehabt, was völlig neutral zur
Angelegenheit argumentierte, wo es um die Räumung eines Wagenplatz ging.
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Ich  verstehe, daß man sich Halt wünscht, eine Bewegung oder Organisation, an der man sich festhalten kann.

Abgesehen von dem momentanen internen Choas, das die Linkspartei beherrscht, bin ich eh nicht der Meinung, daß eine linke oder revolutionäre Partei in der Lage wäre, die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu ändern. Sie kann bestenfalls eine Unterstützende Rolle in einer gesellschaftlichen Umwälzung einnehmen. Mir sind solche Parteien ziemlich egal.

Griechenland und Spanien sind Beipiele dafür, daß Linksparteien nicht nur schwach sind, sondern auch Bewegungen aufsaugen und abwürgen. Sie sind Teil des Systems und des weiteren gesellschaftlichen Niedergangs. 

Deshalb bin ich im Wechsel stinksauer oder verzweifelt, wie die Linke Bewegung sich in dem gesellschaftlichen Chaos verhält.

Im Coronazusammenhang sehe ich es nicht so, daß die ZeroCovid-Linke "Leben und Gesundheit" in ihren Fokus gestellt hat. Ganz im Gegenteil: Es kotzt mich an, wie sehr von ihr der Mensch mit seinen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Rolle ignoriert wurde.

Der Mensch ist eben nicht nur ein Organismus, bei dem es einzig und allein darum geht, nicht von einem bestimmten Virus infiziert zu werden. Das Leben besteht sicher nicht nur daraus, nicht infiziert zu werden. Es gibt andere Bedürfnisse, man will nicht nur satt werden, sondern man braucht auch Menschen, Gemeinschaft, Vorstellungen von einer Zukunft und Spaß und Sex. All das hat die ZeroCovid Linke ignoriert.

Diese Linke hat sich wenig Gedanken gemacht, wie es sich im Lockdown lebt, wenn man kein Dach über dem Kopf hat, wenn man kein Aufenthaltsrecht hat, wenn man drogenabhängig ist, wenn man mit häuslicher Gewalt konfrontiert ist, wenn die eigene Firma, für die man alles geopfert hat, einfach den Bach runtergeht.

Es wurde keinerlei Rücksicht genommen auf Sterbende, die ihre Liebsten nochmal sehen wollten. Sowohl der Staat, alsauch die Linken haben auf menschlichen Bedürfnissen und menschlicher Würde nur herumgetrampelt. Es geht nicht nur um Infektionszahlen, es geht um Leben, Bedurfnisse und Würde.

Der Staat und das Kapital stellten die Weichen neu in ihrer Machtpolitik, doch die Linken interessierten sich allein für Inzidenzzahlen.

Man kann sich nicht besser von der Bevölkerung entfremden, als in der Ignoranz den Menschen gegenüber. Es geht nicht nur um Ansteckung, es geht ums Leben und wie es weitergehen könnte.

Onkel Tom

Ich dachte, hier geht es um außerparlermentarischer linker Kräfte..

ZitatDie Linke (ich meine die Bewegung) hat in den vergangenen Jahrzehnten wieder und wieder verkackt.
..


Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Ich versuchte zu beschreiben, daß BEIDE linken Kräfte ziemlich versagt haben, nicht nur die parlamentarischen, sondern auch die außerparlamentarischen...

ZeroCovid sehe ich als außerparlamentarischen Rohrkrepierer.

Onkel Tom

Das Linke im allgemeinen nicht die besten Wege gefunden haben,
die Mehrheit der Bevölkerung während der Corona-Kriese hinter sich
als Befürworter_innen zu bekommen, bedauere ich sehr, doch halte ich
parlermentarisches (Partei-Gedöns) und außerparlermentarische Bewegung
a bissel auseinander, da die Art des Protest und "Kampffelder" doch
unterschidlich sind und miteinander Kompatibelitätsschwirigkeiten mit
sich bringen.

Die "Zero-Covid-Initiative" halte ich als "Aus der Notlage ein Radikal-
Gedanken umsetzen zu wollen. Rein logisch betrachtet, hätte dies nur
zu Erfolgen führen können, wenn die gesammte Menschheit dazu bereit
gewesen wäre, sich für ca. 3..4 Wochen mit dem nötigem ein zu decken,
um solch "diziplinierten" Vorgehens durchhalten zu können.
Die Wirtschaft sollte ja anbei auch zum vorübergehenden Stillstand
übergehen. Von heute auf morgen.

Ja, das ganze roch nach Utopie, war jedoch bestimmt gut gemeint.
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.

Es geht nicht darum, daß in einer radikal neuen Situation Fehler gemacht wurden.

Es geht darum, daß die linke Szene von ihrer eigenen, noch halbwegs gesicherten Situation ausgegangen ist, und keine Ahnung hatte von der Lebenssituation eines Großteils der Bevölkerung.

Das Unwissen und die Ignoranz einem großen Teil der Bevölkerung gegenüber, sehe ich als Hauptproblem. Diejenigen ganz ohne Rechte und Absicherung fehlen in ihren Konzepten, aber auch die alleinerziehenden Mütter, die arbeiten mußten, aber Schulen und Kitas dem Lockdown unterlagen. Aber auch die Mittelschicht mit ihren Kleinbetrieben und der Freiberuflichkeit kamen in den ZeroCovid Forderungen nicht vor.

Und wirklich schlimm: Die ZeroCovid Szene schloß sich selbst in der eigenen Bude ein und forderte, daß DER STAAT die Ordnung bei diesen Maßnahmen aufrecht erhält. Was für eine Linke ist das denn, die in Krisensituationen an die Macht des Staates glaubt, bzw. die staatliche Durchsetzung fordert?

Eine solche linke Szene ist nicht links. Sie sollte sich in der linken Debatte nie wieder zu Wort melden und ewig im privaten Lockdown bleiben. Stay the fuck at home!!!

Kuddel



Bei der Sozialen Frage und der Eigentumsfrage gehören viele Forderungen zusammen. Es ist gut, wenn auch die Bewegungen und Kämpfe zusammenkommen.


Kuddel

Wir haben eine komische Situation. Spätestens mit Corona und den Querdenkern haben wir schwiemelig Rechte und Halbrechte als Protestbewegung auf der Straße.

Wenn jetzt Rechte in Friedens- und Sozialprotesten auftauchen, ist es oft das Ende des Wachstums der Proteste. Viele wollen damit nichts zu tun haben.

Im Moment würde ich sagen, die Unterstützung des Wilden Streiks in Gräfenhausen wäre eine Sache, bei der man wohl kaum Rechte befürchten muß. Da kämpfen Trucker mit einem halben Dutzend Nationalitäten im Graubereich deutscher Gesetze für ihre Würde und ihr Recht. 

Kuddel

Die Linke (Bewegung) war es gewohnt, daß sie Proteste organisiert und sich dann Leute daran beteiligen. Manchmal war es nur die eigene Blase, die kam, manchmal waren große Teile der Bevölkerung auf der Straße.

Sie waren stets die Organisatoren und Vorturner. In den letzten Jahren gab es ungewohnte Entwicklungen. Es gab Proteste, die "einfach so" aus der Unzufriedenheit vieler entstanden. Da kommen Linke nicht klar mit, wenn sie nicht gefragt werden. Als Jugendliche während des Lockdowns illegale Parties in Parks und auf Plätzen feierten, schlugen sie bei Versuchen der Polizei, sie zu beenden, in veritable Riots um. Prompt fanden sich Linke, die von Faschoriots sprachen. Haben wohl übersehen, daß die randalierenden Kids zu einem Teil migrantisch waren. Wenn während des Lockdowns Alleinerziehende mit systemrelevanten Jobs und geschlossenen Kitas unlösbare Probleme hatten und deshalb auf die Straße gingen, wurden sie als "Nazis!" angepöbelt.

Frankreich und die Gelbwesten sind scheinbar an ihnen spurlos vorbeigegangen. Da standen plötzlich unpolitische, verarmte Menschen aus der Provinz auf den Kreisverkehrsinseln und waren gegen die Spritpreiserhöhungen. Es waren da auch Rechte mit bei. Daraus hat sich die dynamischte und schlagkräftigste Soziale Bewegung Frankreichs seit 68 entwickelt.

Was auch immer Menschen auf die Straße treibt, Linke kommen nicht klar damit, wenn es nicht ihre Idee gewesen ist. Rechte sind da viel flexibler, mischen sich unters Volk und versuchen solche Bewegungen für sich zu kapern.

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