Einfach gute Links

Begonnen von backup, 12:17:41 So. 05.Dezember 2004

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backup

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Horch



Anmeldungsdatum: 23.09.2004
Beiträge: 73
Wohnort: NRW
 Verfasst am: 10.11.04 um 11:27    Titel: Einfach gute Links  

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Der erste Link:

//www.arbeitswahn.de
 

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Die Marktwirtschaft ist nicht das letzte Wort der Geschichte!
 
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Regulator



Anmeldungsdatum: 21.12.2003
Beiträge: 276
Wohnort: Kiel
 Verfasst am: 10.11.04 um 12:44    Titel: Re: Einfach gute Links  

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Hier gleich noch einer... die schleswig-holsteinische Schuldenuhr!

http://www.kn-online.de/regional/schuldenuhr.htm
 

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Gruß

Regulator

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Datenschutz ist Täterschutz!
 
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Horch



Anmeldungsdatum: 23.09.2004
Beiträge: 73
Wohnort: NRW
 Verfasst am: 10.11.04 um 13:03    Titel: Anders Leben  

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//www.soestprojekt.de
 

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Pinnswin



Anmeldungsdatum: 16.02.2004
Beiträge: 205
Wohnort: Laubhaufen
 Verfasst am: 10.11.04 um 17:08    Titel: jaja---  

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http://www.unf-unf.de/show.php?did=659
 
Gruß Beli
 

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Horch



Anmeldungsdatum: 23.09.2004
Beiträge: 73
Wohnort: NRW
 Verfasst am: 12.11.04 um 11:05    Titel: Nicht nur Jammern  

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Natürlich ist es zynisch, wenn einige den schwächeren Gruppen dieser Gesellschaft eine "Jammermentalität" unterstellen, so als wären es schwächere Menschen selbst schuld.
Dennoch ist es natürlich richtig, dass Jammern alleine nicht hilft.
Hier ein interessantes Beispiel aus Argentinien. Das können auch wir, ob Arbeitslos oder wie ich als "Lohnsklave"  

//www.jungewelt.de/2004/11-12/021.php


»Bewegung ohne Führer, Programm und Zukunftsvision«

Arbeitslose in Argentinien nehmen Versorgung, Bildung und Gesundheit selbst in die Hand. Ein Gespräch mit Andrés Fernandez und Sebastién Seolnik

* Andrés Fernandez und Sebastién Seolnik sind in der argentinischen Arbeitslosenbewegung aktiv.F: Alle sollen gehen!« war die Losung der argentinischen Volksrevolte im Jahr 2001. In der »Bewegung arbeitsloser Arbeiter«(»Movimiento de Trabajadores Desocupados« – MTD) setzt sich seitdem eine neue Form der Selbstorganisation durch. Wie funktioniert das?Andrés Fernandez: »Alle sollen gehen!« war für uns der Bruch mit dem Neoliberalismus und mit dem parlamentarischen System, die uns immer mehr Arbeitslosigkeit, die Schließung staatlicher Betriebe und die Streichung von Dienstleistungen brachten. Die MTD sind ein Teil der Bewegung der Piqueteros (*), die in einer Situation größter Armut entstand. Wir beschlossen, uns selbst zu organisieren und zu kämpfen. Allein bei uns in Solano – einer Kleinstadt mit 80 000 Einwohnern – machen wir das in sechs Stadtbezirken.F: Wie ist Ihre Bewegung entstanden?Andrés Fernandez: Viele von uns waren anfangs in der Bewegung der Landbesetzer aktiv, die es seit Anfang der 80er gibt. Arbeitslosigkeit und Unwissenheit verhinderten aber, daß wir die Gründe für unsere Situation erkannten. Jetzt haben wir uns bewußter organisiert. Wichtige Grundlage dafür waren die Sozialpläne. Mitte der 90er Jahre konnte nämlich eine Art Erwerbslosengeld erkämpft werden: etwa 50 Euro im Monat. Bis dahin gab es nirgendwo in Lateinamerika irgendeine Form der Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Diese Unterstützung war das Ergebnis unseres Kampfes, das Geld wurde von der Bewegung selbst verwaltet. Als 2001 eine neue Regierung an die Macht kam, beschloß sie, das Geld von den Gemeinden auszahlen zu lassen – die sozialen Organisationen blieben außen vor. Das war für uns ein Problem: Einerseits konnte niemand dagegen sein, daß es jetzt eine breitere Basis für die Auszahlung gab, andererseits wurde damit versucht, die soziale Bewegung zu untergraben.F: Warum setzen Sie so stark auf die Autonomie und warum so wenig auf linke Parteien und Politiker?Sebastién Seolnik: Eine der wichtigsten Erfahrungen aus den 90er Jahren war, daß gesellschaftlicher Wandel nicht möglich ist, wenn man ihn über die herkömmlichen politischen Strukturen versucht. Der Aufstand vom 19. und 20. Dezember 2001 war deshalb ein Aufstand neuer Art: Es gab keinen Führer, kein Programm, keine Organisation und kein Versprechen für die Zukunft. Es war ein großes und widerspenstiges Nein. Die linken Gruppen waren eher klein und marginalisiert. Natürlich ist die komplexe Geschichte des Peronismus zu berücksichtigen, den sich die Linke niemals wirklich erklären konnte. Jetzt aber waren auch die linken Gruppen plötzlich Teil der Piqueteros, obwohl sie uns zuvor eher als Lumpenproletariat bezeichneten.F: Was planen Sie für das kommende Jahr?Andrés Fernandez: Wir haben verschiedene Projekte. Über Kleinunternehmen versuchen wir, lokale Selbstversorgung herzustellen: Kleidung, Schuhe und Dinge des alltäglichen Gebrauchs. Die beiden wesentlichen Vorhaben in Solana sind das Gesundheits- und das Bildungsprojekt, beides selbstverwaltet. Zum Gesundheitsprojekt gehören u. a. Vorsorge und natürliche Formen der Medizin. Im Bildungsprojekt versuchen wir, die Inhalte selbst zu bestimmen. Es gibt verschiedene Niveaus, beginnend mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen. Darauf aufbauend werden andere Themen vertieft – Sprache oder Politik. Sebastién Seolnik: Die neue Bewegung hat keine Zukunftsvision. Wir lernen aber zu begreifen, daß die Zukunft bereits angefangen hat, sie ist so, wie wir heute leben.* Piqueteros sind organisierte Arbeitslose. Der Name kommt von ihrer Aktionsform, den Straßenblockaden, den Piquetes (Streikposten). Die Arbeitslosen hatten ihre Streikposten auf die Landstraßen verlegt, die sie seit Mitte der 90er Jahre immer wieder blockierten. Piquete ist aber mehr als nur eine Blockade. Hunderte Menschen lassen sich, teilweise für Wochen, auf der Straße nieder, sie kampieren und leben dort. Sie diskutieren und organisieren sich gegen Regierung und Repressionen.
 

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Horch



Anmeldungsdatum: 23.09.2004
Beiträge: 73
Wohnort: NRW
 Verfasst am: 12.11.04 um 11:23    Titel: Re: Einfach gute Links  

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Für diejenigen hier, die es noch nicht kennen:

//www.krisis.org

Sehr lesenswert: Das "Manifest gegen die Arbeit".
 

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Die Marktwirtschaft ist nicht das letzte Wort der Geschichte!

Horch

Natürlich wird auch dieser Bericht "böswillige Menschen" nicht davon abhalten, von einer "Jammerei" zu sprechen. Neoliberale mit Argumenten zu erreichen, ist etwas genau so erfolgreich als mit Abführmitteln Durchfall zu bekämpfen. Aber es kann den Kampfgeist beflügeln. Und wer weiß: Vielleicht hilft es den einen oder anderen, der immer noch glaubt, man könne alles ein wenig sozialer gestalten, aber ansonsten alles beim Alten lassen, zu der Einsicht dass "gemäßigte Forderungen" zu nichts führen. Der folgende "Bericht" stammt aus Telepolis:


//www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18959/1.html

Der anonyme Reichtumsbauch der deutschen GesellschaftReinhard Jellen 06.12.2004"Das Proletariat kommt nicht wieder, aber die Proletarietät". Ein Gespräch mit dem Korruptions- und Armutforscher Werner RügemerDer Abstand zwischen Arm und Reich ist laut den vorab durchgesickerten Ergebnissen des  Armutsberichts der Bundesregierung während der rot-grünen Regierungszeit weiter gewachsen. Die Zahl der Haushalte, die mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittsbudgets auskommen müssen, ist demnach von 12,1 Prozent auf 13,5 Prozent gestiegen. Mittlerweile lebt jede siebte Familie unter der Armutsgrenze. Dafür ist aber der Anteil der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung am Gesamtprivatnetto-Vermögen von 45 auf 47 Prozent, also auf 5 Billionen Euro  angewachsen. Es ist also an der Zeit zu fragen, wie diese Entwicklung von Armut und Reichtum in Deutschland überhaupt zustande kommt. Eine Kapazität auf diesem Gebiet ist  Werner Rügemer. Der Korruptions- und Armutsforscher ist Vorstandsmitglied von  Business Crime Control (BCC) und Mitarbeiter bei der "Internationalen Gramsci Association", bei  "Transparency International" und bei "attac". Außerdem ist er als Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln tätig und arbeitet als Berater und  Publizist. Das logische Zentrum des gesellschaftlichen Orkans 2003 ist von ihm bei der "Bibliothek dialektischer Grundbegriffe"eine kurze, aber elementare  Einführung in das Thema "arm und reich" erschienen, in welcher er den Lebenslagenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2001  verarbeitet hat. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Armut und Reichtum keine für sich stehenden Kategorien sind, sondern "Fernwirkungen des dialektischen Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapital"- gewissermaßen das logische Zentrum des gesellschaftlichen Orkans, das sich die neoliberale Ökonomie beharrlich weigert, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Aktuelle Veröffentlichungen von Werner Rügemer sind der von ihm herausgegebene Band  "Die Berater. Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft" und  "Cross Border Leasing. Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte" 2002 erhielt er den Journalistenpreis des Bundes der Steuerzahler NRW. Telepolis führte ein Gespräch mit dem Armutsforscher.  Während über die Medien ständig kolportiert wird, dass "wir alle" über unsere Verhältnisse gelebt haben und "wir alle" jetzt den Gürtel enger schnallen müssen, weisen Kritiker der Agenda 2010 darauf hin, dass in Deutschland genug Reichtum vorhanden ist, nur dass dieser ungenügend verteilt ist. So hieß es in dem  Aufruf zur Großdemonstration am 2. Oktober in Berlin gegen Hartz IV : "756.000 Millionäre verfügen mit 2900 Milliarden Euro über mehr als 70 Prozent des Geldvermögens, über 50 Prozent der Haushalte dagegen über kaum mehr als 5 Prozent." Stimmen solche Zahlen für Deutschland? Können Sie uns darlegen, was sie unter Armut und Reichtum verstehen, wo Armut und Reichtum beginnt und haben Sie andere konkrete Zahlen, die diese soziale Situation illustrieren? Werner Rügemer: Die offizielle Statistik sagt hinsichtlich des Vermögens heute so gut wie gar nichts aus. Nehmen wir zunächst das Immobilien- und Grundstückseigentum, das einen großen Teil des individuellen und betrieblichen Vermögens ausmacht. Es wird in den offiziellen Statistiken nach dem "Einheitswert" geschätzt. Der hat mit dem Marktwert nichts zu tun. Der Einheitswert wurde, solange die Vermögensteuer erhoben wurde, gesetzlich festgelegt; Ausgangsjahr ist 1964, seitdem wurde der Wert alle paar Jahre flächendeckend ein bisschen angepasst. Unterschiedliche Wertentwicklungen etwa in innerstädtischen Lagen blieben ganz unberücksichtigt. Die Regierungen begünstigten damit die niedrige Besteuerung vor allem des besonders wertvollen Grund- und Immobilienvermögens. "Arme Millionäre" Ein Mietshaus im Marktwert von einer Million Euro konnte so mit einem Einheitswert von 50.000 Euro geschätzt und besteuert werden. Seit 1998 wird die Vermögensteuer gar nicht mehr erhoben, die "Einheitswerte" bleiben auf dem damaligen Stand eingefroren. Gleichzeitig dienten und dienen diese steuerlichen Daten, um die offizielle Statistik über das Vermögen zu erstellen. Grundstücke und Immobilienvermögen im Ausland werden meistens überhaupt nicht erfasst. Auch bei Firmenanteilen, Aktien und anderen Wertpapieren legt das Bundesamt für Statistik nur die Daten der Finanzämter zugrunde. Auch dabei werden zahlreiche steuerfreundliche Abwertungen vorgenommen. So spiegelt die offizielle Statistik bestenfalls einen Teil der steuerlichen Bewertung bzw. Nichtbewertung und Nichterfassung des Vermögens und die mehr oder weniger auf dem Nullpunkt angekommene Steuermoral der vermögenden Schichten wider. 756.000 Millionäre in Deutschland? Dazu ist folgendes zu bemerken: "Millionär" ist heute auch nicht mehr das, was es einmal war, selbst wenn man nun mit dem Euro rechnet. Es gibt nach meiner Schätzung eine Million "armer Millionäre", die mit ihrem etwas größeren Eigenheim oder mit ihrer 200-Quadratmeter-Eigentumswohnung in einem guten Stadtviertel schon Millionäre sind. Diesen Status kann nach 20, 30 Jahren z.B. schon ein akademisches, beruftätiges Ehepaar erreichen. Und solche Leute haben normalerweise nicht nur Wohneigentum. Sie haben vielfach noch ein Ferienhaus im Ausland, ein oder zwei kleinere Eigentumswohnungen, etwa für die studierenden Kinder oder einfach als Geldanlage, sie haben Aktien und Staatsanleihen. Dann erben sie meistens noch etwas. Sie haben also neben ihrem Einkommen aus Berufsarbeit ein ständig wachsendes, zweites Einkommen aus Vermögen (Mieten, Zinsen...). Diese vielen kleinen Millionäre sind der Öffentlichkeit namentlich weithin unbekannt. Sie bildet den anonymen Reichtumsbauch der deutschen Gesellschaft. Er wird von politischen Ideologen und Strategen als "neue Mitte"bezeichnet. Er hat seine öffentliche Vertretung in den etablierten Parteien einschließlich der Grünen, aber auch in den meisten Medien und im öffentlichen Kulturbetrieb. Die "Millionäre"sind aber nicht so einheitlich, wie es die übliche Vermögensstatistik erscheinen lässt. Die wesentliche Gruppe innerhalb der "Millionäre"sind diejenigen, die die bestimmenden Anteilseigner der mehreren hunderttausend Aktiengesellschaften und GmbHs sind. Die also über Investitionen, Produkte, Arbeitsplätze entscheiden und damit ihr Vermögen und Einkommen bestreiten. Das sind vom selbständigen Installateur und mittelständischen Unternehmer bis zum Großaktionär bei Karstadt und DaimlerChrysler alle, die über Produktiv- und Zugriffsvermögen verfügen. Und dann gibt es, vereinfacht gesagt, neben den "Millionären"noch die "Milliardäre". Man findet sie in den bekannten Listen der  "500 reichsten Menschen der Welt" oder der "500 reichsten Deutschen": die Albrechts, Ottos, Beisheims, Klattens, Oppenheims... Aber die Angaben sind weder hinsichtlich der Namen noch der Höhe des Vermögens vollständig. Nicht nur die üblichen "Armen" sind arm Dagegen ist die Armut vergleichsweise gut sichtbar, jedenfalls statistisch. Die Zahl der Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld und die Höhe ihrer "Einkommen" sind ziemlich gut erfasst. Allerdings definiere ich Armut nicht einfach nach der Höhe des (Nicht-)Einkommens und (Nicht-)Vermögens, sondern nach dem Anteil am gesellschaftlich vorhandenen Reichtum und nach der Teilhabe an den vorhandenen Lebensmöglichkeiten oder eben nach der Aussperrung davon: Bildung, Wissenschaft, Gesundheit, Erholung, Wohnung, Ernährung, Mitsprache in der Gemeinschaft und in der Politik... Das bedeutet, dass nicht nur die üblichen "Armen" arm sind, also die Bettler, Arbeitslosen- und Sozialgeldempfänger, sondern auch die Niedriglöhner und die "working poor", also diejenigen, die zwar Arbeit haben, aber trotzdem arm sind. Genau und wissenschaftlich gesehen, sind aber auch die abhängig Beschäftigten bei uns arm, die Arbeiter und Angestellten: Nicht nur deshalb, weil weltweit im Kapitalismus, angefangen bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA, ihr Anteil am erarbeiteten Gesamteinkommen fällt bzw. stagniert, sondern weil sie statusmäßig und gesetzlich weniger wert sind als die Eigentümer der Banken und Unternehmen und deshalb einen qualitativ geringeren Anteil am Volkseinkommen erhalten. In jeder Gesellschaft, in der wie in Deutschland das Recht auf Privateigentum verfassungsmäßig garantiert ist, das Recht auf Arbeit aber nicht, reproduziert sich deshalb diese Form der Armut. Armut und Reichtum entstehen nicht dadurch, dass Leistung belohnt würde  Können Sie uns darlegen, wie Armut und Reichtum überhaupt entstehen? Und können Sie erklären, warum über diese Ursachen nicht öffentlich debattiert wird? Damit zusammenhängend: Gibt es für die unteren Schichten ein Phänomen, das man grob als "Verlust ihrer Geschichte" bezeichnen kann: d.h. dass ihnen die Ahnung der objektiv vorhandenen sozialen Gegensätze abhanden kommt und die sozialen Gegensätze verinnerlicht werden, so dass - vermittelt über die Medien mit den Talk-, Reality-Shows als Spitze des Eisbergs - die Selbstwahrnehmung eher die eines "Losers" ist, der seine soziale Situation selbst verschuldet hat, als eines Menschen, der seine soziale Stellung als Produkt einer Klassengesellschaft versteht? Können sie Aussagen darüber machen, wie Arm und Reich sich wechselseitig sehen bzw. welches Selbstbild sie haben? Werner Rügemer: Armut und Reichtum entstehen nicht etwa dadurch, dass Leistung belohnt würde, gute Arbeitsleistung also gut und schlechte Arbeitsleistung also schlecht belohnt würde; so dass also der Unterschied zwischen arm und reich durch unterschiedlich gute Leistung entstünde. Es wird zwar ständig von "Leistung muss sich wieder lohnen"geredet, und die Löhne und Gehälter und deren unterschiedliche Eingruppierungen und Tarife scheinen leistungsmäßig genau bestimmt. Die meisten Leute denken, vor allem auch Arbeiter und Gewerkschafter, dass bei Lohn- und Gehaltsgruppen zwar komplizierte, aber doch objektive Kriterien zugrundeliegen. Aber das ist einfach Unsinn. Es ist eine banale und altbekannte Tatsache, dass im kapitalistischen Berufsleben Frauen in der Regel für dieselbe Leistung einen niedrigeren Lohn erhalten. Aber auch dieselbe Leistung von Männern wird in Ostdeutschland schon niedriger entlohnt als in Westdeutschland, und noch niedriger in Ungarn, und noch niedriger in Malaysia und noch niedriger in einer chinesischen Freiwirtschaftszone usw. Für den kapitalistischen Unternehmer, der ja rechtlich und ansehensmäßig einen höheren Wert hat als sein Angestellter, rangiert dieser Angestellte im wesentlichen unter "Kosten", erst an zweiter oder dritter Stelle als Mensch, Familienvater, Staatsbürger usw. Wenn der Unternehmer Kosten einsparen kann, dann tut er das. Er kann das tun, je weniger ihm "seine"Beschäftigten Widerstand entgegenbringen können. Wenn die Beschäftigten keinen Widerstand entgegenbringen, sinkt der Lohn immer weiter, im Extremfall bis auf Null. Gewerkschaften nicht mehr ernst genommen Nur so erklärt sich, dass innerhalb desselben westdeutschen oder europäischen Unternehmens ganz unterschiedliche Löhne und Gehälter gezahlt werden: Auf der einen Seite stehen die angestammten Facharbeiter im Heimatstandort mit ihren hohen Gehältern und übertariflichen Leistungen, deren Sockel noch aus der Zeit stammt, als die Gewerkschaften als Verhandlungspartner relativ ernst genommen wurden. Auf der anderen Seite stehen die Kinder in Indien und die kasernierten Frauen in Malaysia, die in Subunternehmen für ein Hunderstel oder Zwanzigstel des deutschen Facharbeiterlohns 12 Stunden am Tag arbeiten. Dazwischen liegen Löhne und Gehälter in jeder denkbaren Höhe. Sie richten sich ganz einfach nach den jeweiligen Kräfteverhältnissen in dem jeweiligen Land, der jeweiligen Region, der jeweiligen Branche. Lohn und Gehalt sind also abhängig von der Stärke und Schwäche der beiden Seiten Arbeit und Kapital. Da müssen die Personal- und Tarifexperten in den Unternehmen gar nicht viel rechnen: Man drückt die Löhne und Gehälter auf das jeweils niedrigstmögliche Niveau. Um es an einem extremen Beispiel zu verdeutlichen: Im Nationalsozialismus wurden deutsche männliche Arbeiter bezahlt wie vorher, Frauen erhielten ebenfalls dasselbe wie vorher, aber natürlich weniger als die Männer; allerdings setzten Unternehmen und faschistischer Staat einen Lohnstopp durch. Fremdarbeiter aus dem "zivilisierten" Ausland wie Frankreich und Belgien erhielten weniger als die deutschen Arbeiter, sie erhielten aber einen Lohn mit Anteilen für Rente und medizinische Betreuung. Fremdarbeiter aus den als unzivilisiert betrachteten Staaten wie Russland erhielten ein Taschengeld. Die Sklavenarbeiter aus den KZs erhielten gar nichts und wurden durch Arbeit vernichtet, an die SS entrichteten die Unternehmen eine tägliche Verwaltungsgebühr pro Sklavenarbeiter. Unter diesen Bedingungen der Verteilung der erarbeiteten Werte können natürlich diejenigen besonders "erfolgreich" zugreifen, die besonders privilegiert sind und die ich noch nicht genannt habe: erstens die Vorstände und Geschäftsführer der Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, GmbHs u.ä.), zweitens, noch eine wesentliche Stufe darüber, die Eigentümer der Unternehmen, und hier wieder, an der Spitze, die Mehrheitseigentümer. Um das kurz an einem Beispiel zu verdeutlichen: Vor Gericht und in der Öffentlichkeit wurde darüber gestritten, ob die ungefähr 110 Millionen Euro für Vorstand und Topmanagement von Mannesmann "zuviel" gewesen seien, die diese etwa 20 Personen bekommen hatten, damit sie der Übernahme durch den britischen Konzern Vodafone zustimmen. Dabei blieb ganz außer Betracht, dass der Mannesmann-Mehrheitseigentümer  Hutchison Whampoa aus Hongkong, der diese Vergünstigungen wesentlich mitangestoßen hatte, durch die Übernahme etwa 8 Milliarden Euro Gewinn machte. Wenn der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft der Welt, Herr Zwickel von der IG Metall, als langjähriges Mitglied im Aufsichtsrat von Mannesmann den Übernahmevorgang nicht durchschaut, die in Aussicht genommenen Entlassungen öffentlich nicht thematisiert und den korruptiven Vergünstigungen nicht widerspricht, so zeigt das: Selbst eine als links oder radikal bezeichnete Gewerkschaft hat keine Ahnung von den wirklichen Macht- und Gewinnverhältnissen. Sie will auch keine Ahnung haben, denn auch nachträglich wurde die Mannesmann-Übernahme in der IG Metall nicht kritisch und analytisch aufgearbeitet. Betäubungs- und Fluchtwege ausgeweitet Wenn dies schon bei dieser Gewerkschaft so ist, so kann man sich vorstellen, wie es bei einem normal verbildeten "Arbeitnehmer" und Mediennutzer aussieht. Die abhängig Beschäftigten und Unbeschäftigten, von den Großmedien freundlich und nachhaltig überschüttet, von den "Volksparteien"und den Großkirchen unterstützt, übernehmen die öffentliche Darstellung der Gewinner und Reichen: "Wir müssen das tun, um wenigstens so viele Arbeitsplätze hier zu halten, wie unter den harten Bedingungen des internationalen Standortwettbewerbs möglich ist." Die Verlierer und Getäuschten kriechen in die Seelenfalten der sich als Opfer darstellenden Gewinner und leiden mit. Vermutlich leiden nicht alle und hundertprozentig mit. Aber Zweifel, Widersprüche können nicht hochkommen, nicht wirksam werden, weil ihnen die dazu notwendigen Foren (Gespräch im Familien- und Freundeskreis, politische Treffen, Literatur, Medien) weitgehend fehlen. Gleichzeitig werden die Betäubungs- und Fluchtwege ausgeweitet, "demokratisiert", modernisiert, professionell hochgerüstet: Aufwendig gemachte Pornographie wird zum öffentlich legitimierten Routine- und Massenphänomen, die Sexualität war noch nie so "frei"(und pervertiert) wie heute, ein vielfältiges und hochqualifiziert gemachtes Medienangebot (die hochqualifizierte Machart ist kein Widerspruch zum Verdummungseffekt, im Gegenteil), billige Massenurlaube an warmen Meeresstränden, Sportarten und -geräte für vielfältige Zwecke und an immer mehr verschiedenen Orten, Höhen- und Tiefenlagen, mit den verschiedensten Gefahrengraden usw. usf. Unterschiedliche "soziale Durchlässigkeit"  Wie sieht es in Deutschland mit der "sozialen Durchlässigkeit"aus? Gibt es heute in Deutschland relevante Chancen, seine soziale Schicht zu wechseln? Und können Sie eine Einschätzung geben, wie die Entwicklung von Armut und Reichtum sich allgemein fortsetzen wird? Werner Rügemer: Die "soziale Durchlässigkeit" ist sehr unterschiedlich. Die traditionell unterprivilegierten Schichten werden immer mehr abgehängt. Das zeigt sich in den trostlosen Hauptschulen, in den immer weiter fallenden Anteilen der Arbeiterkinder beim Hochschulbesuch, es zeigt sich an der Ausweitung der auf Unterhaltung und Verdummung zielenden Massenmedien. Wer aus einem traditionellen industriellen Beruf heraus arbeitslos wird, kann kaum höhersteigen. Heftige Bewegung in den Mittelschichten In den Mittelschichten ist dagegen heftige Bewegung, sowohl nach oben wie nach unten. Verbunden mit charakterlichem und moralischem Opportunismus kann ein Akademiker als Betriebswirt, Jurist, Journalist in Unternehmen, Banken, Parteien, Behörden, Agenturen schnell aufsteigen und 5 bis 10.000 Euro im Monat verdienen. Die "new economy" hat gezeigt, wie tausende agiler und blendungsbereiter Youngsters Unternehmensfassaden hochziehen und dabei Millionen verdienen können. Freilich stützen dabei auch eine ganze Menge ab. Aber auch seriösere Akademiker sind heute nicht vor Dauerarbeitslosigkeit geschützt. Und viele hochqualifizierte Hochschulabsolventen quälen sich jahrelang mit unbezahlten Praktika durchs Leben. Diese heftigen Auf- und Abstiege verlangsamen sich, je höher man in der sozialen und Reichtumshierarchie kommt. Bei den "armen"und kleinen Millionären kann es zum Teil sehr heftige Auf- und Abstiege geben. Beispielsweise war es keine Seltenheit, dass sie beim Platzen der "New-Economy-Blase" hunderttausende und Millionen Euro von einem auf den anderen Monat verloren haben. Ich kenne selbst ganz brave Gymnasiallehrer (Deutsch, Geschichte, Latein), die auf einen Schlag 250.000 Euro verloren haben. Aber da sie meist ein gutes Polster haben, ein gutes regelmäßiges Einkommen, ein Eigenheim usw., sind solche Abstiege nicht existenzgefährdend und bleiben meist unsichtbar. Auf der obersten Ebene (die Albrechts, Beisheims, Ottos, Klattens...) bleiben die Verhältnisse so gut wie unbewegt. Ob einer von ihnen im nächsten Jahr eine Milliarde mehr oder weniger hat, ändert nichts. Die Machtverhältnisse, die meist verdeckten Einflüsse auf Staat, Parteien, Medien und Unternehmensentscheidungen bleiben. Wo sich hier wirklich etwas verschiebt, wird öffentlich bisher nicht wahrgenommen. Vorreiter für prekäre industrielle Arbeitsverhältnisse, verbunden mit hohen Kapitalrenditen, waren in Deutschland zunächst US-Unternehmen, z.B. United Parcel Service (UPS) und WalMart. Änderungen in den Eigentumsverhältnissen auf oberster Ebene entwickeln sich aber durch meist anonyme bzw. anonymisierte Finanzinvestoren vor allem aus den USA und England, aus Saudi-Arabien usw., die seit einem Jahrzehnt relativ lautlos eindringen und überall in Europa profitable Unternehmen aufkaufen oder sich an ihnen beteiligen. Die Namen dieser Investorengruppen wie Investcorp, Blackstone, KKR sagen der Öffentlichkeit nichts. Globaler "Hartz IV-Kapitalismus"  Wie müsste das politische Instrumentarium beschaffen sein, um diese Entwicklung zu kompensieren oder gar umzukehren? Wird in Deutschland nicht genau das Gegenteil davon gemacht? Man hat den Eindruck, das jenseits aller Rhetorik Deutschland immer noch ein gemischtes Wirtschaftssystem besitzt, nur dass sich mit der Ära Schröder dessen Komponenten gedreht haben: Keynesianismus nach oben, d.h. großzügige finanzielle Unterstützung für die großen Konzerne und Neo-Liberalismus nach unten, also das Abkappen der sozialen Sicherungssysteme für jene, die bei dieser Entwicklung auf der Strecke bleiben, eine Art Sozialdemokratie für oben anstatt für unten. Aus welchem Kalkül heraus werden Riesenunternehmen und Wohlhabende direkt oder indirekt subventioniert, während der klassische Sozialstaat auf der Strecke bleibt? Werner Rügemer: Das Vordringen der US-Unternehmen - gegenwärtig sind das 1.800 US-Konzerntöchter in Deutschland mit 800.000 Beschäftigten - und der zuletzt genannten globalen Investorengruppen ist meiner Vermutung nach ein wesentlicher Grund dafür, dass die bisherige "soziale Marktwirtschaft" nun abgebaut oder zerschlagen werden soll. Das ist in den anderen EU-Staaten ähnlich. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder ist seit langem mit einem der mächtigsten Banker der Welt,  Sanford Weill, Chef der  Citigroup, befreundet. Diese Bank gehört zu den großen Organisatoren eines globalen "Hartz IV-Kapitalismus": Der starke Staat organisiert die systematische Bereicherung der einen ebenso mit wie die systematische Verarmung der anderen. Politisch stützt er sich auf die verschiedenen Sektoren der "neuen Mitte". Dieser Staat soll auch dafür sorgen, jenseits der bisherigen bürgerlichen Demokratie, dass diese Entwicklung machtmäßig abgesichert wird. Mit "Sandy", wie Schröder seinen Freund nennen darf, frühstückt er in New York, von ihm holt er sich Rat. Auf ihn hielt er im November 2003 die  Laudatio, als Weill den "Global Leadership Award"des American Institute for Contemporary German Studies erhielt. Anschließend warb der deutsche Bundeskanzler an der Wallstreet bei einer Versammlung der wichtigsten US-amerikanischen Banker für die "Agenda 2010" und kehrte dann rechtzeitig zur Abstimmung über "Hartz IV"im Bundestag zurück. Traurig lähmender Horizont Da nun aber die Agenda 2010 auf einen Beschluß der EU zurückgeht und damit die EU nicht nur wie bisher "wettbewerbsfähig"gemacht, sondern "die wettbewerbsfähigste Region der Welt"werden soll, kommt die neue, "amerikanische" Methode der Verteilung des vorhandenen gesellschaftlichen Ertrags in einer Zangenbewegung nach Europa. Sie geht nicht nur von den US-Unternehmen direkt aus, sondern die europäischen Eliten in Staat, Parteien, Unternehmen und Medien ergreifen mehrheitlich gerne und vielfach sogar mit einem Gefühl endlich errungener Freiheit die Gelegenheit, im Schutze des großen Bruders von jenseits des Atlantiks und von ihm lernend das zu praktizieren, was man "schon immer" praktizieren wollte. In Deutschland hatte man die neoliberale Kapital-Freiheit eigentlich nur während des Nationalsozialismus richtig ausleben können - damals aber mit dem schlechten Beigeschmack eines "verbrecherischen Regimes", wie es jedenfalls "im Ausland" gesehen wurde. Wie diese Entwicklung zu kompensieren oder gar umzukehren ist? Sie hat sich unter der Decke der "sozialen Marktwirtschaft"oder des "rheinischen Kapitalismus" schon seit Jahrzehnten angebahnt. Die demokratische und soziale Fassade hat verhindert, dass die Entwicklung öffentlich und in ihrer Tiefe wahrgenommen wurde. Vor allem die abhängig Beschäftigten - jedenfalls männliche, qualifizierte Kerngruppen - haben sich nach dem 2. Weltkrieg mit einigen Zugeständnissen befrieden lassen. Um heute einen nachhaltigen Widerstand mit der Perspektive jenseits dieses zerstörerischen und traurig-lärmenden Horizonts entwickeln zu können, muss unter anderem auch diese lange, verborgene Vorgeschichte der jetzigen Zerstörung des Sozialstaats rekonstruiert werden. Übergreifende Interessen der verschiedenen "Armen"-Gruppen müssen herausgearbeitet werden. Das Proletariat kommt nicht wieder, aber die Proletarietät. Aber anzunehmen, dass die Proletarisierten die geborenen Vorkämpfer einer neuen gerechten Ordnung sein können, dieser Täuschung dürfen wir bzw. diejenigen, die dafür eintreten, nicht noch einmal erliegen.

brettermeier

Der Verfasser vermutlich ein privilegierter Intellektueller, der es sich leisten kann, derartige 'soziologendeutsch' formulierte Artikel zu veröffentlichen, die nur von ebenfalls privilegierten anderen Intellektuellen überhaupt verstanden, bzw. gelesen werden.

Ein Artikel VON der (bildungsmässigen) Oberklasse FÜR eben diese Oberklasse.

Da fühlt man sich 20 Jahre zurückversetzt in die Zeit, wo man noch Soziologiestudent war, sich insgeheim für was Besseres gehalten hat und unter seinesgleichen gleichermassen hochtrabende wie weltfremde Diskussionen zur Verbesserung der Welt geführt hat...

Ganz ehrlich, so einen Artikel versteht unter der durchschnittlichen arbeitenden oder auch arbeitslosen Bevölkerung kaum irgendjemand und sowas würde auch kein Schwein lesen.

Beim groben überfliegen filtere ich heraus, dass die Armen immer ärmer, die Reichen immer reicher werden, 'schönes Ding' und wohlbekannt, leider aber extrem schlecht, bzw. unverständlich formuliert.

Lösungen werden nebenbei auch nicht im Ansatz aufgezeigt, hier formuliert wie schon gesagt ein 'Upper-Class-Mitglied' dieser Gesellschaft hochtrabendes Geschwafel für seinesgleichen.

Bei genauer Recherche würde man vermutlich feststellen, dass der Autor materiell richtig gutgestellt ist, einen schönen Posten, ein grosses Haus, ein tolles Auto, etc. hat und klammheimlich womöglich noch selbst diverse Aktienpakete und das ein oder andere Konto im Ausland hat, wer weiss...

Man sollte immer auch mal schauen, WER welche Artikel/Veröffentlichungen warum irgendwo plaziert und ob das wirklich glaubwürdig ist.

Wie heisst es so schön in der 'Media-Markt-Werbung' ? La La La lasst Euch nicht verarschen...

Horch

ZitatDer Verfasser vermutlich ein privilegierter Intellektueller, der es sich leisten kann, derartige 'soziologendeutsch' formulierte Artikel zu veröffentlichen, die nur von ebenfalls privilegierten anderen Intellektuellen überhaupt verstanden, bzw. gelesen werden.

Also, ich bin kein priveligierter Intelektueller und habe den Artikel sehr gut verstanden.

ZitatEin Artikel VON der (bildungsmässigen) Oberklasse FÜR eben diese Oberklasse.

Ja und? Wer etwas für die Menschen tun möchte, muß auch innerhalb der gebildeten Schicht erst mal analysieren.

ZitatDa fühlt man sich 20 Jahre zurückversetzt in die Zeit, wo man noch Soziologiestudent war, sich insgeheim für was Besseres gehalten hat und unter seinesgleichen gleichermassen hochtrabende wie weltfremde Diskussionen zur Verbesserung der Welt geführt hat...

Tolles Eingeständnis. Nur solltest Du nicht von Dir auf andere schließen.

ZitatGanz ehrlich, so einen Artikel versteht unter der durchschnittlichen arbeitenden oder auch arbeitslosen Bevölkerung kaum irgendjemand und sowas würde auch kein Schwein lesen.

Ich gehöre sicherlich der durchschnittlichen arbeitenden Bevölkerung an, habe es gelesen und verstanden.

ZitatBeim groben überfliegen filtere ich heraus, dass die Armen immer ärmer, die Reichen immer reicher werden, 'schönes Ding' und wohlbekannt, leider aber extrem schlecht, bzw. unverständlich formuliert.

Nin, dass steht dort klipp und klar.

ZitatLösungen werden nebenbei auch nicht im Ansatz aufgezeigt, hier formuliert wie schon gesagt ein 'Upper-Class-Mitglied' dieser Gesellschaft hochtrabendes Geschwafel für seinesgleichen.

Nö, kein hochtrabendes Geschwafel. Sondern eine hervorragende Analyse. Man muß zwischen Analyse und Lösungsansätzen unterscheiden.

ZitatBei genauer Recherche würde man vermutlich feststellen, dass der Autor materiell richtig gutgestellt ist, einen schönen Posten, ein grosses Haus, ein tolles Auto, etc. hat und klammheimlich womöglich noch selbst diverse Aktienpakete und das ein oder andere Konto im Ausland hat, wer weiss...

Wer weiß, vielleicht bist Du ein vorbestrafter Mörder und Vergwaltiger.
Nein glaube ich nicht, aber Du siehst wohin solche Verdächtigungen führen können.

ZitatMan sollte immer auch mal schauen, WER welche Artikel/Veröffentlichungen warum irgendwo plaziert und ob das wirklich glaubwürdig ist.

Richtig! Der Artikel ist sehr glaubwürdig und auch mit Fakten belegt.

ZitatWie heisst es so schön in der 'Media-Markt-Werbung' ? La La La lasst Euch nicht verarschen...

Diese blödsinnige und frauenmdiskriminierende Werbung hat absolut nichts mit dem Artikel zu tun.

brettermeier

... ist für 'die durchschnittliche arbeitende Bevölkerung' abslolut unverständlich.

Dass DU ihn verstehst, tut dabei nichts zur Sache.

Wenn ich das richtig sehe, hast Du das ja auch nur zitiert.

Wie wäre es denn z.B. mal mit objektiven Infos über den Urheber des Textes ?

Also wieviel in etwa verdient er, wo steht er in der Gesellschaft, welche Position hat er, usw. und sofort ?

Und SELBST WENN der Autor über jeden Zweifel erhaben ist, hat er es nicht verstanden, die Dinge so zu formulieren, dass es 'die Zielgruppe' auch versteht.

Meiner Meinung nach bringt es gar nichts, 'im Elfenbeinturm' intellektuelle Diskussionen zu führen und sich anzumassen, zu wissen, was 'für das Volk' am besten ist.

Wenn Du 'für das Volk' was verändern willst, musst Du Dich erstmal auf eine gleiche Ebene begeben, um Dich überhaupt verständlich zu machen.

Was glaubst Du, wieviele Arbeitslose, wieviele der 'armen Bevölkerung' überhaupt einen Internetzugang haben ?

Und selbst die wenigen, die sich das noch leisten können, was glaubst Du, wieviele sich ernsthaft für derartige Texte interessieren ?

Ich denke, die meisten Leute dieser Gruppe haben ganz andere, ganz konkrete Sorgen, die sich um das tägliche Überleben/die reine Existenz drehen, da ist kein Platz für tolle Theorien, da ist praktische Hilfe für's tägliche (Über-) leben angebracht, nicht mehr und nicht weniger...

Horch

ZitatWie wäre es denn z.B. mal mit objektiven Infos über den Urheber des Textes ?

Also wieviel in etwa verdient er, wo steht er in der Gesellschaft, welche Position hat er, usw. und sofort ?

Das ist alles völlig unerheblich. Wenn ein Artikel gut ist, dann ist er gut. Egal ob der Autor Sozialhilfeempfänger oder mehrfacher Millionär ist.

ZitatUnd SELBST WENN der Autor über jeden Zweifel erhaben ist, hat er es nicht verstanden, die Dinge so zu formulieren, dass es 'die Zielgruppe' auch versteht.

Darum ging es den Autor nicht.

ZitatMeiner Meinung nach bringt es gar nichts, 'im Elfenbeinturm' intellektuelle Diskussionen zu führen und sich anzumassen, zu wissen, was 'für das Volk' am besten ist.

Erstend sehe ich nicht, dass der Autor im Elfenbeinturm wohnt und zweitens ist es keine Anmaßung, sondern tatsächlich besser für das Volk neoliberale Politik zu bekämpfen.

ZitatWenn Du 'für das Volk' was verändern willst, musst Du Dich erstmal auf eine gleiche Ebene begeben, um Dich überhaupt verständlich zu machen.

Nein, vielmehr muß ich das Volk auf eine Ebene bringen, damit es die Zusammnehänge versteht und zu einer anderen Einstellung gelangt.
Das man sich dabei verständlich machen sollte und vor allem zuhören muß, ist richtig.

ZitatWas glaubst Du, wieviele Arbeitslose, wieviele der 'armen Bevölkerung' überhaupt einen Internetzugang haben ?

Das hat mit dem Artikel nichts zu tun.

ZitatUnd selbst die wenigen, die sich das noch leisten können, was glaubst Du, wieviele sich ernsthaft für derartige Texte interessieren ?

Es geht darum möglichst viele Leute dafür zu interessieren.

ZitatIch denke, die meisten Leute dieser Gruppe haben ganz andere, ganz konkrete Sorgen, die sich um das tägliche Überleben/die reine Existenz drehen, da ist kein Platz für tolle Theorien, da ist praktische Hilfe für's tägliche (Über-) leben angebracht, nicht mehr und nicht weniger...

Theorien sind nun mal Voraussetzung für praktisches Tun. Und wer sich nicht mit politischen Dingen befaßt, der braucht sich nicht zu wundern wenn es ihm immer schlechter geht. Da nützt die tollste praktische Hilfe nichts. Der Autor schreibt selber, dass der Teil der Bevölkerung, der schon unten angekommen ist, sich kaum den herrschenden Zuständen widersetzt. Dieser Widerstand muss von solchen Leuten wie uns kommen, die prekär beschäftigt sind.
Wer aber wie eine Mehrheit von 57 % in der Bevölkerung für längere Arbeitszeiten ist, der hat kein Recht sich zu beklagen, dass es ihnen immer schelchter geht. Denjenigen geht es noch viel zu gut. Denn das ist keine Frage der Intelligenz, des Nicht-Könnens, aber der Einstellung.
Aber da hilft kein arrogantes "Das Volk versteht es eh nicht...", sondern an einer veränderten Einstellung zu arbeiten und Gegeninformationen zu unseren Massenmedien anzubieten. Deshalb gebührt dem Autor Anerkennung.

brettermeier

Einstellungen zu verändern, sich verständlich zu machen (auch zuzuhören), einen Gegenpol zu den Massenmedien zu schaffen, etc.

Ich stimme Dir zu, dass natürlich auch Theorien/Analysen zunächst mal als Basis vorhanden sein müssen, entscheidend sind aber meiner Meinung nach die Schritte 'danach', also die Folgerungen/Lösungen, die sich aus den Theorien ergeben.

'Ist-Analysen' gibt es viele, die zu grossen Teilen in eine ähnliche Richtung gehen, z.B. Reiche immer reicher-->Arme immer ärmer, reiches Elternhaus gute Bildungschancen-->armes Elternhaus schlechte Bildungschancen, usw. und sofort.

Der 'Ist-Zustand' ist sehr gut analysiert, was benötigt wird, sind Lösungen, bzw. Wege, aus dem Zustand rauszukommen.

Hier sind wir wieder beim Punkt 'verständlich machen', bzw. verstanden werden, 'bei den Menschen ankommen'.

Meiner Meinung nach ist dabei (bei der Kommunikation) das Wichtigste überhaupt, ehrlich, verlässlich, verständlich und glaubwürdig zu sein.

Bevor ich selbst jetzt zu theoretisch werde, hier meine Beispiele aus der Praxis:

Ich bin interner Mitarbeiter einer grossen Zeitarbeitsfirma (ich weiss, dass ich damit schon eine Art Feindbild in diesem Forum bin, aber egal), in 'meiner' Niederlassung haben wir trotz aller auch teilweise widrigen Umstände (Kündigungswelle zum Winter, etc.) fast keine Probleme mit unseren Mitarbeitern, weil vernünftig kommuniziert wird.

Dazu gehören folgende Dinge:

Wenn ich jemanden befristet für z.B. 4 Wochen einstelle, muss ich ganz deutlich sagen, dass sehr wahrscheinlich auch wirklich dann Ende ist und was an Papierkrieg mit dem Arbeitsamt damit verbunden ist.

Wenn ich einen BZA-Tariflohn von 6,85 EUR für Helfer zahle, muss ich Bewerbern deutlich sagen, dass dabei etwa 800 EUR netto bei mitunter harter Arbeit rauskommen und Mehrstunden auf's Zeitkonto gehen.

Wenn wie jetzt (wie fast jeden Winter) die Aufträge zurückgehen, muss ich den Mitarbeitern klar sagen, dass ich vermutlich kündigen muss (wenn kein Zeitkonto mehr vorhanden ist) und auch genau erklären, warum und weshalb.

Dazu gehört auch, dass ich deutlich sage, dass es eben NICHTS mit der Leistung der Leute zu tun hat, sondern ausschliesslich wirtschaftliche Gründe hat.

Wenn ich sage, dass ich bei einem neuen Auftrag die Kündigung zerreisse, muss ich das auch wirklich tun.

Schon Bewerbern muss ich klar sagen, dass in der Zeitarbeit geringe Löhne gezahlt werden, klar sagen, was auf sie zukommen kann, sowohl im Positiven als auch im Negativen.

Also klare Worte von Anfang an, keine falschen Versprechungen und Schönfärbereien, keine 'Verarsche' und eben auch Einhalten von Zusagen, wenn ich z.B. jemandem Urlaub/Fahrgeld/was auch immer definitiv zusage, muss ich das auch einhalten.

Wenn ich einen Kunden habe, wo es laut und dreckig ist, die Arbeit sehr hart, etc.,  muss ich das dem Mitarbeiter vorher ganz klar sagen, was da auf ihn zukommt und vielleicht auch die Zusage machen, dass er nach 3 Wochen definitiv einen anderen Auftrag bekommt und diese Zusage auch einhalten.

Es bringt nichts, irgendwas schönzureden, es braucht klare Ansagen und eben auch Verlässlichkeit, man muss zu seinem Wort stehen, usw. , dann funktioniert das auch in der Praxis, dass man zumindest erstmal eine verlässliche Bindung zu den Leuten aufbaut.

Soweit zum Thema Kommunikation, was meiner Meinung nach der erste Schritt/die Basis ist, überhaupt irgendwann Dinge verändern zu können.

Es geht mir bei diesen Beispielen NICHT um das Thema Zeitarbeit, das ist ein anderes Thema in einem anderen Thread.

Es geht darum, erstmal eine Theorie zu haben und diese dann 'an die Basis zu bringen', wobei 'Kommunikation' eben zunächst sehr wichtig ist.

Lösungen/Veränderungen wären der nächste Schritt, der aber erst möglich wird, wenn Du 'die Leute/Menschen/Basis' 'im Boot' hast, eine Ebene gefunden hast, auf der Du akzeptiert/anerkannt bist und somit die Rückendeckung hast, wirklich was zu bewegen...

Horch

ZitatDer 'Ist-Zustand' ist sehr gut analysiert, was benötigt wird, sind Lösungen, bzw. Wege, aus dem Zustand rauszukommen.

Ich greife gerade diesen Punkt heraus, weil genau hier unsere Meinungen auseinandergehen. Der IST-Zustand ist meiner Meinung gerade nicht genügend analysiert. Er war es nie.
Bei den meisten Menschen spuckt heute noch im Kopf herum, dass Problem sei die hohe Arbeitslosigkeit an sich.
Das was im Alltag häufig als positiv angesehen wird, wenn für etwas weniger Arbeit benötigt wird, gilt im Berufsleben als etwas negatives.
Das ist es auch häufig, was aber daran liegt, dass man das Ideal der Lohnanrbeit aufrecht erhält. Und zwar nicht nur das Kapital und die Politik auch die Gewerkschaften, die Kirchen, die Bevölkerung.

Einerseits wird Druck auf die Arbeitslosen ausgeübt und gleichzeitig wird die, sorry, irre Behauptung aufgestellt, Lohnarbeit sei Teil der Menschenwürde. Nun mag für viele Menschen Arbeit wichtig sein, aber das Recht auf Arbeit kann niemanden wirklich verwehrt werden (Ehrenämter sind genug da).
Aber Lohnarbeit ist Zwang.
Und wer daran festhält, der muß auch bereit sein, alle Zumutungen zu schlucken. Nämlich Hungerlöhne, Im-Stich-Lassen-der-Familie wegen immer längerer Arbeitszeiten, Mobbing etc.
Wichtig ist den Faktor Lohnarbeit vom Einkommen abzukoppeln und den Zwang zur fremdbestimmten Arbeit zu bekämpfen und erst dann können wir IMHO ernsthaft Gegenmodelle entwickeln.
Ich weiß nicht, ob Du als interner Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma
in diesem Forum schon eine Art Feindbild bist.
Bei mir nicht, auch ein Unternehmer ist das in meinen Augen nicht per se.
Mir sind die Zwänge durchaus bewußt, die dazu führen. Wichtig ist aber die Einstellung zu gewissen Dingen und wie jemand die Leute behandelt wenn keine Zwänge vorhanden sind. Endlose Theoriedeabtten alleine bringen außer einen gewissen "geistigen Genuß" in der Tat nicht viel. Aber theoretische Debatten sind auch immer notwendig, besonders jetzt.

aian19

ZitatDer IST-Zustand ist meiner Meinung gerade nicht genügend analysiert. Er war es nie.

Also ich glaube hier auch, das der IST-Zustand schon ziemlich gut und richtig analysiert ist, Beispiele finden sich schon zuhauf, Stimmen auch.
Was fragwürdig ist, ist der Umgang mit diesen Analysen !
Wie sagte doch Prof. Böllinger: "Für JEDES Gutachten kann ich ein Gegengutachten beibringen !"
Ist also ein wenig wie in der Juristerei, ums mal kurz zu machen: Wenn zwei Anwälte eine Argumentationskette vorbringen, die in etwa gleich gut und richtig ist, liegt es eben im Ermessen des Richters, wem er glauben schenken will und urteilt entsprechend.
Und genauso macht´s unsere Regierung, nur mit dem Unterschied, das sie lieber geschönten Analysen folgt bzw. erstellen lässt, mit denen sie ihre Politik rechtfertigen können, und das beste Argument der anderen Seite dabei immer noch ist: "Guckt mal, wer euch finanziert !!!"
Da kann die andere Seite noch so realistisch argumentieren...

Kurzum: Die Regierung WILL die zutreffenden Analysen einfach nicht sehen und jeder, der eine andere Meinung als die Regierung hat, wird als Ketzer gebrandmarkt ! Und wie demokratisch die SPD ist, sieht man ja am Umgang der SPD mit abweichenden Parteimitgliedern umspringt !
Man schaue sich nur einmal Eichel an, wie der seinen Haushalt aufstellt, mit Prognosen fern jeder Realität ! Meine Familie wäre schon verhungert, wenn ich so wirtschaften würde ! X(
"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren"

"Wenn Unrecht zu Gesetz wird, ist der Gesetzlose der einzige, der noch rechtmäßig handelt."

Mene mene tekel upharsin

brettermeier

ist Lohnarbeit ganz sicher nicht das Maß aller Dinge, rein theoretisch ist es nicht wichtig, ob ich für einen Lohn arbeite oder nicht, wichtig ist, irgendeinen Beitrag für die Gesellschaft/für alle zu erbringen, selbstredend können das auch ehrenamtliche Tätigkeiten oder privates Engagement sein.

Mein Problem/Thema dabei ist aber die alltägliche Praxis, was konkret kann ich/man im Alltag tun ?

Natürlich habe ich auch eine Vision/Vorstellung einer 'besseren/gerechten Welt' irgendwo tief im Hinterkopf, LEBEN muss ich allerdings im konkreten Alltag dieser jetzigen Gesellschaft hier in Deutschland im Jahre 2004.

Nun habe ich das Glück/Privileg, derzeit einen Job zu haben, der es mir ermöglicht, zumindest materiell einigermassen über die Runden zu kommen, usw.

Aber auch dieser Job/die derzeitige Existenz ist heutzutage nicht sicher, langfristig sicher ist wohl kein Arbeitnehmer mehr.

Was konkret kann ich also tun, 'die Welt zu verändern/verbessern', ohne meine Existenz zu stark zu gefährden ?

Meiner Meinung nach sind es zunächst mal 'die kleinen Dinge' im Alltag, wo ich was tun kann, für 'meinen Job' habe ich ja schon ein paar Punkte in einem vorherigen Posting dargelegt.

Letztlich ist es eine Gratwanderung, man braucht einen Weg, diese Gesellschaft zu verändern, ohne die Gesellschaft dabei zu verlassen, weil man ja darin leben und existieren muss...

Horch

ZitatAlso ich glaube hier auch, das der IST-Zustand schon ziemlich gut und richtig analysiert ist, Beispiele finden sich schon zuhauf, Stimmen auch.
Was fragwürdig ist, ist der Umgang mit diesen Analysen !

Da habe ich eine andere Einschätzung. Auch diejenigen, die man zur politischen Linken zählt, halten immer noch an der Lohnarbeit fest.
In die politische Offensive kann man IMHO aber erst kommen, indem man die Lohnarbeit um jeden Preis selbst bekämpft.
Wer längere Arbeitszeiten oder Sozialdumping nur mit dem Argument ablehnt, dass würde keine neuen Arbeitsplätze bringen bzw. dem "Wirtschaftsstandort D" nicht bringen, sagt letztlich, dass er auch mit noch so langen Arbeitszeiten einverstanden wäre, wenn es eben doch Arbeitsplätze bringt bzw. die Wirtschaft stärkt. Also null Lebensqualität, aber Hauptsache Arbeit.  

ZitatKurzum: Die Regierung WILL die zutreffenden Analysen einfach nicht sehen und jeder, der eine andere Meinung als die Regierung hat, wird als Ketzer gebrandmarkt ! Und wie demokratisch die SPD ist, sieht man ja am Umgang der SPD mit abweichenden Parteimitgliedern umspringt !
Man schaue sich nur einmal Eichel an, wie der seinen Haushalt aufstellt, mit Prognosen fern jeder Realität ! Meine Familie wäre schon verhungert, wenn ich so wirtschaften würde !

Aber warum beschwerst Du Dich darüber, dass die SPD undemokratisch ist (womit Du Recht hast)? Wie Du sicher weißt, ist das bei den anderen Parteien auch nicht der Fall. Kann es auch gar nicht!
So sehr unser teildemokratisches System einen Fortschritt gegenüber reinen Diktaturen darstellt, es bleibt immer unter der Knute des Kapitals.
Das Kapital lenkt, die Regierung kann bestenfalls punktuell verändern.
Und eine Regierung, die dem Kapital nicht dient, wird kaum Wahlchancen haben. Unsere Medien und die Wirtschaft mit ihrem Spendenwesen werden dem Volk schon erklären, welche Regierung besser ist. Und hier sind wir bei den eigentlichen Verantwortlichen, wir, die große Masse.
Wenn 54 % der Bevölkerung die Reformen gut finden und sogar 57 % eine Arbeitszeitverlängerung, so zeigt das wie das Volk gerne bereit ist, den Mächtigen und ihre Vertreter in den Medien zu glauben.
Und diese Mehrheit bekommt somit das was sie haben muß, Tritte in den Hintern, noch und nöcher.
Ich sage nicht, dass das Volk dumm bzw. keine politische Reife besitzt.
Ich zeige nur auf, welche Konsequenzen es hat, wenn das Volk so tickt wie es tickt.

Horch

Zitatist Lohnarbeit ganz sicher nicht das Maß aller Dinge, rein theoretisch ist es nicht wichtig, ob ich für einen Lohn arbeite oder nicht, wichtig ist, irgendeinen Beitrag für die Gesellschaft/für alle zu erbringen, selbstredend können das auch ehrenamtliche Tätigkeiten oder privates Engagement sein.

Richtig meine Lebenspartnerin und ich engagieren uns in der Obdachlosenhilfe und dem Tierschutz. Aber gerade durch die Lohnarbeit (massig Überstunden), werden wir daran gehindert, mehr zu tun. Und ich bin mir absolut sicher, dass das freiwllige Engament der Gesellschaft mehr bringt, als das was wir im Beruf machen.

ZitatMein Problem/Thema dabei ist aber die alltägliche Praxis, was konkret kann ich/man im Alltag tun ?

Natürlich habe ich auch eine Vision/Vorstellung einer 'besseren/gerechten Welt' irgendwo tief im Hinterkopf, LEBEN muss ich allerdings im konkreten Alltag dieser jetzigen Gesellschaft hier in Deutschland im Jahre 2004.

Nun, ich bin auch nicht als Held auf dieser Welt gekommen und muß auch in vielen Dingen täglich klein beigeben.
Überstunden ohne Gegenleistung z. B.
Viele Ungerechtigkeiten die ich gegenüber anderen sehe, "muß ich schlucken". Ansonsten würde es mir viel schlechter gehen. Als Entschuldigung kann ich das freilich gegenüber meinem Gewissen nicht akzeptieren. Die Widerstandskämpfer im 3. Reich haben auch in ihrer Zeit gelebt und ihr Leben geopfert. Und zumindest am Schluß, als sich einige dem Befehl Hitlers widersetzten verbrannte Erde zu hinderlassen hat es sogar etwas gebracht.
Also Schuld laden wir alle auf uns. Allerdings habe ich für mich persönlich eine rote Linie gezogen, wo ich nicht mehr wegschaue.
Was Du selbst tun kannst, kann ich Dir nicht beantworten. Ich kenne Deine Schmerzgrenze nicht, ich weiß nicht ob Du für jemanden sorgen musst bzw. darfst usw.

ZitatNun habe ich das Glück/Privileg, derzeit einen Job zu haben, der es mir ermöglicht, zumindest materiell einigermassen über die Runden zu kommen, usw.

Aber auch dieser Job/die derzeitige Existenz ist heutzutage nicht sicher, langfristig sicher ist wohl kein Arbeitnehmer mehr.

Was konkret kann ich also tun, 'die Welt zu verändern/verbessern', ohne meine Existenz zu stark zu gefährden ?

Meiner Meinung nach sind es zunächst mal 'die kleinen Dinge' im Alltag, wo ich was tun kann, für 'meinen Job' habe ich ja schon ein paar Punkte in einem vorherigen Posting dargelegt.

Letztlich ist es eine Gratwanderung, man braucht einen Weg, diese Gesellschaft zu verändern, ohne die Gesellschaft dabei zu verlassen, weil man ja darin leben und existieren muss...

Nun es ist beides. Sich einbrigen in die großen Diskussionen, das Denken verändern und somit vielleicht etwas für nachfolgende Generationen zu tun. Schlechtestenfalls dient es nur dem geistigen Genuss, da wir evt. zu schwach sind wirklich langfristig was zu ändern.
Das wir vor allem jetzt im Alltag was ändern könen, ist richtig.
Hier müssen wir zwischen der gesellschaftlichen und persönlichen Ebene unterscheiden. Was Du für die Gesellschaft tun kannst hängt von Deinen Zeit- und Geldreserven ab.
Und persönlich verbringe soviel Zeit mit einem oder auch mehreren Menschen die Du liebst, wie es nur geht. Und wenn nicht vorhanden, suche Dir jemanden. Nein, ich will niemanden was vorschreiben, nur als Empfehlung.
Wie sagte Martin Luther: ,,Und ginge morgen die Welt unter, ich pflanzte noch heute ein Apfelbäumchen."

aian19

ZitatWenn 54 % der Bevölkerung die Reformen gut finden und sogar 57 % eine Arbeitszeitverlängerung, so zeigt das wie das Volk gerne bereit ist, den Mächtigen und ihre Vertreter in den Medien zu glauben.

Du glaubst doch nicht im Ernst diesen Meldungen und angeblichen Umfragen ! Die breite Masse des Volkes wird doch gar nicht gefragt.
Da werden, wenn´s hoch kommt, 1000 von 80 Millionen befragt, und wer weiß, wo die befragt werden ! Alles andere als repräsentativ !!!
"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren"

"Wenn Unrecht zu Gesetz wird, ist der Gesetzlose der einzige, der noch rechtmäßig handelt."

Mene mene tekel upharsin

Pinnswin

Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

brettermeier

... der 'Firmenphilosophie' meines Arbeitgebers, was 'für sich genommen', also losgelöst von allen Firmeninteressen/Politik,  sehr gut ist.

Es lautet:

Tu die kleinen Dinge.

Tu die kleinen Dinge JEDEN TAG .

Tu die kleinen Dinge jeden Tag GUT.

Ich finde das für alle möglichen Bereiche des Lebens sehr zutreffend. Es sind die 'kleinen Dinge' des Alltags, der tägliche Umgang mit den Mitmenschen, wo man zwar langsam aber nachhaltig wirklich was verändern kann...

Horch

ZitatDu glaubst doch nicht im Ernst diesen Meldungen und angeblichen Umfragen ! Die breite Masse des Volkes wird doch gar nicht gefragt.
Da werden, wenn´s hoch kommt, 1000 von 80 Millionen befragt, und wer weiß, wo die befragt werden ! Alles andere als repräsentativ !!!

Hi, aus Zeitgründen kann ich Dir erst jetzt antworten. Sicherlich muß man auch Umfragen gegenüber immer misstrauisch sein. Allerdings decken sich diese Umfragen mit meinen Eindrücken. Wenn man die verschiedensten Leute spricht...
"1 Euro-Jobs toll. Endlich müssen die Faulenzer..."
"Lieber länger arbeiten als Arbeitslos..."
Aber Du kennst diese dümmlichen Sprüche sicher auch.
Nur: Selbst wenn es nur 45 % oder 40 % wären, jedenfalls zeigt das, dass die abhängig Beschäftigten bzw. Erwerbslosen häufig nicht ganz unschuldig sind. Wären sich (fast) alle einig, könnte sie keine Macht der Welt aufhalten.
Klar, werden wir alle mehr oder weniger von den Medien manipuliert, aber dazu gehört auch immer, dass man sich manipulieren lässt...

Horch

ZitatOriginal von brettermeier
... der 'Firmenphilosophie' meines Arbeitgebers, was 'für sich genommen', also losgelöst von allen Firmeninteressen/Politik,  sehr gut ist.

Es lautet:

Tu die kleinen Dinge.

Tu die kleinen Dinge JEDEN TAG .

Tu die kleinen Dinge jeden Tag GUT.

Ich finde das für alle möglichen Bereiche des Lebens sehr zutreffend. Es sind die 'kleinen Dinge' des Alltags, der tägliche Umgang mit den Mitmenschen, wo man zwar langsam aber nachhaltig wirklich was verändern kann...

Mhh, evt. meint Dein Arbeitgeber diese Sprüche ganz gut. Und was Du dem zufügst ist ja auch alles richtig:
Aber welche kleinen Dinge soll ich tun und warum? Was soll ich gut tun und warum?
Diese "Gebote" können so oder so gemeint sein.
Und ohne eine theoretische Grundlage und einer Vision geht es nicht wirklich. Ich erinnere an Mutter Theresa. Sie hat sehr, sehr vielen Menschen geholfen. Dennoch sind sich Experten einig, dass diese vielen kleinen, guten Taten nicht immer zum Besten ihrer Schützlinge waren.
Ihr fehlten die Tiefe und die notwendige theoretische Grundlage. Durch das staarköpfige Ablehnen jeder Geburtenkontrolle hat sie viele Menschen auch Leid zugefügt. Trotzdem war sie ein "Engel der Armen".
Also nochmal: Ich habe kein Problem damit, dass man auch im Alltag viel bewegen kann.
Da hast Du sogar meine volle Zustimmung, dass wir auch im Kleinen etwas bewegen können. Nur halte ich Visionen für genau so wichtig.
Helmut Schmidt sagte einmal, wenn er Visionen hätte, würde er den Arzt aufsuchen und was 1990 ist, sollte man den Zukunftsforschern überlassen.
Im Jahre 1990 kassierte die SPD eine der katastrophalsten Wahlniederlagen in ihrer Geschichte. Also sollte man Visionen ernstnehmen...

brettermeier

Das Problem ist, dass die 'Visionäre' oftmals viel zu weit weg vom Alltag/der Praxis sind, während die Praktiker oftmals ziellos an 'kleinen Baustellen' arbeiten.

Die Kunst ist es, Vision und Praxis zu vereinen, was beinahe unmöglich erscheint, zumindest in einer Person.

Persönlichkeiten, die beides vereinen und womöglich auch noch gut umsetzen, findest Du wahrscheinlich alle Hundert Jahre mal oder so.

Einstweilen ist es vielleicht immerhin ein Ansatz, 'die kleinen Dinge' zu tun...

Horch

ZitatDas Problem ist, dass die 'Visionäre' oftmals viel zu weit weg vom Alltag/der Praxis sind, während die Praktiker oftmals ziellos an 'kleinen Baustellen' arbeiten.

Die Kunst ist es, Vision und Praxis zu vereinen, was beinahe unmöglich erscheint, zumindest in einer Person.

Persönlichkeiten, die beides vereinen und womöglich auch noch gut umsetzen, findest Du wahrscheinlich alle Hundert Jahre mal oder so.

Na ja, so pessimistisch sehe ich das nicht. Ich glaube schon, dass auch ein durchschnittlich begabter Mensch in der Lage ist Visionen zu haben und trotzdem mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen zu stehen.

ZitatEinstweilen ist es vielleicht immerhin ein Ansatz, 'die kleinen Dinge' zu tun...

Darum dreht sich ja im Grunde unsere ganze Diskussion. Deine Worte könnte ich unterschreiben wenn dahinter folgen würde:
,aber auch Visionen sind notwendig.

besorgter bürger

Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.

Horch

Zunächst 2 neue "allgemeine Links":


//www.ueberfluessig.tk
//www.unbescheiden.tk

Und jetzt als kleine Empfehlung:

Aus: //www.jungewelt.de/2004/12-20/015.php

Beim Dinner gestört
 
Protest gegen »Hartz IV«: Aktivisten des Bündnisses »Das Ende der Bescheidenheit« statteten Berliner Nobelrestaurant Borchardt Besuch ab
 
Unliebsamen Besuch bekamen am Samstag abend die Gäste des Berliner Nobelrestaurants Borchardt in der Französischen Straße. Um 20 Uhr betraten etwa 20 Aktivisten des Berliner Bündnisses »Das Ende der Bescheidenheit« die Lokalität und setzten sich zu den Speisenden an die Tische.

Mit der Aktion sollte ein weiteres Mal auf den sozialpolitischen Kahlschlag der Bundesregierung im Zuge von »Hartz IV« aufmerksam gemacht werden. An die Gäste des Restaurants wurden Flugblätter, im Stil von Speisekarten, verteilt, die die Preise bei Borchardt mit den finanziellen Möglichkeiten von ALG-II-Beziehern verglichen. »Hummer, Lachs und Kaviar gehören wahrscheinlich in Ihr Menü wie bei anderen die Armut zum Leben« war dort zu lesen.

Während die Gäste ablehnend bis empört reagierten, versuchten die Angestellten die mit weißen Gesichtsmasken und roten Pullovern mit der Aufschrift »Die Überflüssigen« bekleideten Aktivisten teilweise aggressiv aus dem Restaurant zu drängen. Mit der Selbstbezeichnung »Die Überflüssigen« soll auf die in der Gesellschaft Marginalisierten aufmerksam gemacht werden, hieß es in einer Stellungnahme des Bündnisses. Nach zehn Minuten verließen die ungebetenen Gäste das Restaurant wieder.

Bereits am Nachmittag hatten als Weihnachtsmänner und Engel verkleidete Aktivisten der Kampagne »Berlin umsonst« dem zur KarstadtQuelle-Gruppe gehörenden Kaufhaus Wertheim am Kudamm einen Besuch abgestattet und Flugblätter verteilt. Neben den am 1. Januar 2005 in Kraft tretenden »Hartz IV«-Gesetzen verwiesen sie auch auf die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen derjenigen, die noch einen Job haben. Der angeschlagene Konzern KarstadtQuelle hat angekündigt, den Angestellten Urlaubstage zu streichen und die Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden zu erhöhen.

Sowohl bei Wertheim als auch am Abend bei Borchardt wurde auf den 3. Januar, den ersten Werktag des neuen Jahres, aufmerksam gemacht. An diesem Tag wollen linke Gruppen unter dem Motto »Agenturschluß« bundesweit vor Arbeitsämtern gegen die Einführung von »Hartz IV« protestieren.

* Weitere Infos zum »Agenturschluß«: //www.labournet.de

Horch

Quelle: //www.freitag.de/2004/53/04530701.php

Arno Klönne

Schleichender Umsturz    

Wenn Schülerinnen und Schüler sich über die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland schlau machen wollen und in ihrem Schulbuch nachlesen, werden sie schnell den Eindruck gewinnen, dort handle es sich um rein theoretische Darstellungen, die mit der Realität nur noch wenig zu tun haben. Die durch die Verfassung vorgegebenen Idealbilder von Parlamentarismus, Parteiensystem und Regierungsweise finden wir nirgends im politischen Alltag verwirklicht. Oder entspricht der Bundestag etwa einer Arena, in der Abgeordnete gesellschaftspolitische Positionen und Alternativen ausarbeiten und über Weichenstellungen für die Zukunft entscheiden? Fühlen sich die Abgeordneten ihren Wählerinnen und Wählern und zugleich dem eigenen Gewissen verpflichtet? Sind Parteien als vermittelnde Organe zwischen Bedürfnissen und Hoffnungen der Bevölkerung, Erwartungen ihrer Mitglieder und professionellen Ratgebern "atmend" tätig, im Prozess ihrer Willensbildung offen für den Einblick eines kritischen Publikums? Oder vergewissern sich etwa Regierungskoalition und Kanzler bei schwerwiegenden Entscheidungen - nach überzeugender Argumentation in der Sache - der Zustimmung einer Mehrheit der VolksvertreterInnen neu?

Kein Zweifel, solche Wunschbilder sind zu schön, als dass sie jemals komplett hätten wahr sein können. Die Frage ist aber, ob sie als Richtwerte, denen man sich annähern könnte, noch Geltung haben. Die Antwort lautet: Nein. Für die "politische Klasse", die gegenwärtig hier zu Lande das Sagen hat, gilt diese Richtschnur nicht. Im Zuge "systemsprengender Reformen" (ein Begriff des jungen Gerhard Schröder) hat sich ein Wandel im Politiksystem vollzogen, der sich zwar nicht in der Form, aber doch im Inhalt als Umsturz kennzeichnen lässt.

Um dies zu belegen, kann man aus einer langen Liste von Beispielen einige auswählen: Bundestagswahlen sind, anders als es das Grundgesetz will, zu "Kanzlerwahlen" geworden, und sie fokussieren auch in der massenmedialen Inszenierung auf Personen, nicht auf Inhalte. In der Folge verkommen parlamentarische Abstimmungen über einzelne Gesetze (selbst dann, wenn eine Mehrheit für eine regierende Koalition nicht gefährdet ist) zu einer "Kanzlervertrauensfrage". Abgeordnete, die ihrer Überzeugung nach einem Gesetzesentwurf nicht zustimmen möchten, werden so zu Jasagern, die ihre Bedenken nur zu Protokoll geben können.

Das Parlament verliert darüber hinaus eine seiner Kernaufgaben: die diskutierende und planende Vorbereitung von Gesetzeswerken, die tief in die gesellschaftlichen Strukturen eingreifen - wie etwa die "Hartz"-Gesetze. Diese Aufgabe übernehmen demokratisch nicht legitimierte Kommissionen und Beiräte, die, vernetzt mit Beraterfirmen, strategische Politikkonzepte entwickeln, die dann von den Fraktionen der Regierungskoalition im Bundestag abgesegnet und unter Umständen von den Oppositionsparteien per Bundesrat umgearbeitet werden. Doch eine gesellschaftspolitische Debatte im Wechselspiel von Parlament und Öffentlichkeit, die in die gesetzgeberischen Vorgänge wirklich eingreifen könnte, findet nicht statt. Das Ritual der Prominentendiskussionen in den TV-Talkshows gleicht diesen Mangel an öffentlicher demokratischer Willensbildung nicht aus, sondern lenkt nur von ihm ab.

Ganz ungeniert formulieren Unternehmerverbände und Konzernchefs inzwischen in aller Öffentlichkeit ihre Vorgaben für gesellschaftspolitische Entscheidungen der Regierung. Demokratische Institutionen verwandeln sich unter diesen Bedingungen in Servicestationen für großunternehmerische Expeditionen. Der Bundeskanzler kann dann seine Leistungsfähigkeit bei Werbefeldzügen für den Export deutscher Konzerne beweisen. Politische Entscheidungsträger sind mittlerweile nichts weiter als Gehilfen und Förderer "der Wirtschaft". Wirtschaft aber wird, so sagt Gerhard Schröder, "in der Wirtschaft gemacht, der Staat kann nur Geleitschutz fahren". Könnte man da nicht sarkastisch werden? Weshalb eigentlich nehmen BDI und BDA zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung nebst Roland Berger und Co. das Politikgeschäft nicht selbst in die Hand und ersparen dem Volk die Kosten von Wahlen, Parlamenten und Regierungen?

Niemand braucht sich zu wundern, dass in einer solchen Konstellation der Parlamentarismus immer weniger öffentliches Interesse auf sich zieht. Weshalb sollte man sich denn wahlpolitisch engagieren, wenn Parteien und Parlamente kaum etwas zu sagen haben? Das politische Establishment ist - trotz aller Krokodilstränen - über die immer niedrigere Wahlbeteiligung nicht unglücklich. Die Anzahl der Mandate und der Politjobs wird dadurch ja nicht geringer. Die deutschen Parteien können zur Zeit noch mit Resten von Traditionen Mitglieder einbinden, aber das wird nicht mehr lange vorhalten. Zu offensichtlich ist ihr Funktionswandel: Sie werden zu puren Marketingagenturen, die um Regierungsämter konkurrieren. Junge Aktivisten etablierter Parteien verstehen ihre Arbeit dort vorwiegend als Einstieg in eine berufliche Laufbahn. In diesem Rahmen trainieren sie die Schlüsselqualifikationen medienkompatibles Verhalten, programmatische Flexibilität und Anpassungsgeschick gegenüber denjenigen, die schon in Ämtern sitzen.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind demokratiemüde, nicht unbedingt desinteressiert an Politik, jedoch verdrossener Stimmung, was das tägliche politische Geschäft angeht. Die gängigen Weltdeutungen bestärken diese Verdrossenheit. Wenn die Globalisierung mit ihren gesellschaftspolitischen Folgen ein nahezu unbeeinflussbarer Naturvorgang ist, was sollen wir uns dann noch in nationalstaatliche oder europäische parlamentarische Abläufe einmischen? Wenn es nicht einmal unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung zu den umstürzenden Eingriffen in das soziale System, also dem Abschied vom Sozialstaat, eine Alternative gab und gibt, weshalb soll dann jemand seine kostbare Zeit für politische Aktivitäten verwenden?

Gewiss, es gibt politisierende Minderheiten. Dabei auch, inzwischen wieder zunehmend, antidemokratische Reaktionen auf den Niedergang der Demokratie, ganz rechts, die sich aus faschistischem Erbe nähren. Da ist abwehrendes Eingreifen notwendig, aber es wird nicht hinreichen.

Was könnte die Demokratie wiederbeleben? Neue demokratische Parteien können, auch wenn sie nicht gleich die wahlmüden BürgerInnen erreichen, als "Störenfriede" im Parteiensystem zu mehr politischer Beteiligung anregen. Außerdem gewinnen Methoden der Einmischung in Sachen "direkte Demokratie", Bürgerbegehren und Bürgerentscheid an Sympathie. Sozialer Protest macht sich bemerkbar, nicht nur bei Attac und den Sozialforen. Innerhalb der Gewerkschaften ist die gesellschaftspolitische Diskussion lebendiger geworden.

Der Wunsch nach demokratischer Partizipation hat sich nicht endgültig verflüchtigt. Politisches Engagement kann neue Formen finden. Schließlich steht keine minder gewichtige Frage zur Debatte als die, in welchen gesellschaftlichen Zuständen Menschen zukünftig leben wollen. Wer darüber mitreden und -entscheiden will, muss erst einmal den Nebel verscheuchen, den das zur Zeit lenkende Macht- und Medienarrangement um die Köpfe legt. Die institutionelle Politik verabschiedet sich auf leisen Sohlen von dem, was die Demokratie wesentlich ausmacht, das ist in anderen europäischen Staaten nicht anders. Doch vielleicht entsteht aus vielen verschiedenen Initiativen eine europäische Bewegung von unten, mit dem Anspruch, dem Kartell von Wirtschaftseliten und politischem Establishment seine Macht zu entziehen? In der europäischen Geschichte hat ein solches emanzipatorisches Unternehmen einige Vorbilder. Demokratie ist kein Zustand, der ein für allemal erreicht sein könnte - oder verloren sein müsste.

Prof. Dr. Arno Klönne lehrte Soziologie an der Universität Paderborn und ist Autor von Büchern über die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. In den 60er Jahren war er einer der Sprecher der Ostermarschbewegung. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift "Ossietzky". Im Oktober ist er aus der SPD ausgetreten.

Horch

Vor etwa einer Woche habe ich einen Brief an diem TAZ-Redaktion geschrieben und mich darüber beschwert, dass kaum noch kritische Berichte über den Neoliberalimus erscheinen. Von einer Redakteurin bekam ich umgehend Antwort: Sie wäre sauer, wenn sie solche Pauschalurteile lesen würde und warf mir vor, ich würde reinen Unsinn schreiben (dabei hatte ich den Brief in einem sehr sachlichen Ton verfasst). Ich gewann den Eindruck, als wolle man die letzten Leser vertreiben. Vielleicht gehe ich jetzt zu weit, aber vielleicht hat mein Brief gesessen. Denn einen solchen Kommentar hat es in der TAZ schon lange nicht mehr gegeben:


Quelle: //www.taz.de/pt/2004/12/27/a0177.nf/text

Eine erstklassige Gesellschaft
Arm und gleich (I): Die zunehmende soziale Ungleichheit beraubt die Menschen ihrer Würde. Es ist höchste Zeit, wieder über Verpflichtungen der Besitzenden zu reden
Harte Zeiten in Deutschland. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein Konzernboss, Arbeitgeberpräsident oder Politiker verkündet: Die Arbeitnehmer sind zu teuer, genießen zu viele Feiertage, zu lange Urlaube und zu kurze Wochenarbeitszeiten. Und weil dies alles so sei, müssten leider Arbeitsplätze abgebaut werden, es sei denn, die Arbeitnehmer verzichteten endlich auf einen ordentlichen Teil des von ihnen erwirtschafteten Wohlstands. Hier das Urlaubsgeld, dort das Weihnachtsgeld, es soll länger gearbeitet werden - natürlich ohne Lohnausgleich. Minijobs, Midijobs millionenfach. Ist Geiz nicht geil?
Die Verzichtsorgie hat längst ihren Niederschlag in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gefunden. Der Anteil der Bruttolöhne am volkswirtschaftlichen Einkommen ist von 72,9 Prozent im Jahre 2001 auf 68,1 Prozent im 1. Halbjahr 2004 gefallen, die Gewinne dagegen sind von 27,1 auf 31,9 Prozent geklettert. Die Balance sozialer Gerechtigkeit droht verloren zu gehen - wir liegen bei der Verteilung der Einkommen wieder auf dem Niveau von 1970. Aber: Den Arbeitgebern reicht es nicht, denn sie haben eine neue Waffe in der Auseinandersetzung mit ihren Belegschaften entdeckt: Viel wirksamer als die kalte Aussperrung von Belegschaften im Arbeitskampf ist das Lohndiktat durch Androhung von der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland.
Der neue Armuts- und Reichtumsbericht kann angesichts solcher Tendenzen nur zu dem Schluss kommen, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter geöffnet hat. Dass also die Ungleichheit zugenommen hat. Die Ungleichheit hat, möchte man meinen, eine in Zeiten der Ökonomisierung unsichtbar gewordene Schwester: die Gleichheit. Und so wird sich schon bald nach Veröffentlichung des Berichtes eine wilde Horde, angeführt vom scheidenden Industriepräsidenten Michael Rogowski über FDP-Chef Guido Westerwelle und flankiert vom Priester der nationalen Verzichtsökonomie, Hans-Werner Sinn, über die arme Gleichheit herfallen. Die Gleichheit, dieses Relikt aus sozialistischer Vergangenheit, sei nun wirklich keine Lösung, sondern erwiesenermaßen Teil unseres Problems.
Bemerkenswert, welcher Täuschung hier viele Kommentatoren in der Politik und Medien regelmäßig unterliegen. Denn die Gleichheit im politischen Sinne meint keineswegs die Gleichheit der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Die Gleichheit meint seit Aufklärung und Französischer Revolution die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger an Würde, an Rechten wie an Pflichten. Die Gleichheit ist, untrennbar verbunden mit der Freiheit und der Brüderlichkeit, eine der Säulen, auf denen die bürgerliche Gesellschaft ruht. Die Freiheit ist nicht ohne die Solidarität zu denken. Wer Wert auf seinen Ruf legt, der bricht nicht ohne Grund eine der drei Säulen von 1789 mutwillig ab, ihm muss bewusstes Handeln unterstellt werden - der will eine andere Gesellschaft.
Als einer der Vorreiter in dieser Debatte hat sich jüngst der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hervorgetan. Er tat im September kund, dass "man erstklassigen Leute attraktive Gehälter bieten müsse". Und keine zwei Monate später strich er 2.500 erstklassigen Leuten die Stellen, um die Eigenkapitalrendite der Bank von derzeit 19 auf 25 Prozent zu heben. Abgesehen davon, dass Normalsterbliche auf ihre Spareinlagen kaum 2 Prozent bekommen, ist diese Haltung aus Ackermanns Sicht schlüssig. Denn er hat zudem Eindruck gewonnen, "dass Gleichheit hierzulande ein absoluter Wert ist" - und das auch noch im irrigen "Sinne von Gleichmacherei". Womit sich der Kreis sowohl zu den jüngsten Lohndiktaten wie manchen Meinungsmachern schließt.
Angesichts dieser Ungeniertheit im Umgang mit der Gleichheit muss man leider feststellen: in unseren politischen und ökonomischen Verhältnissen nimmt die Gleichheit an Würde, Rechten und Pflichten Schaden, weil mittlerweile eine zunehmend meritokratisch gesonnene Elite ganz offenkundig der Meinung ist, sie habe zwar attraktive Gehälter verdient, der Rest aber müsse schauen, wo er bleibt.
Wir waren in Deutschland schon einmal weiter. Da kehren Sätze wie diese aus der Erinnerung zurück: "Die Kehrseite des Eigentums des einen ist das Nichteigentum des anderen." Oder: "Da jedes Privateigentum [...] das nicht dem Gemeingebrauch gewidmet ist, zugleich den Freiheitsraum aller einschränkt, kann sein Erwerb und Gebrauch, um der angemessenen und verhältnismäßigen Freiheit aller willen, selbst nicht unbeschränkt sein." Sätze offensichtlich aus der Mottenkiste. Aus der Mottenkiste der Freiburger Thesen der Liberalen, aufgelegt von führenden FDP-Politikern im Jahre 1972.
Wo aber bleibt die Beschränkung der Antreiber der Finanzmärkte in einer globalisierten Wirtschaft? Und ist es nicht bemerkenswert, dass schon 1998, also weit vor den umstrittenen Hartz-Reformen, das obere Fünftel der Gesellschaft 20 Prozent seiner Einkommen sparen konnte, das untere Fünftel sich dagegen verschulden musste, um im Leben über die Runden zu kommen?
Und war es nicht damals schon erstaunlich, dass die Ersparnisse des obersten Fünftels mit 156 Milliarden Mark kaum höher lagen, als das Vermögenseinkommen der gleichen Schicht mit 148 Milliarden Mark? Diese Vermögen vermehren sich also nahezu ohne eigenes Zutun. Wer hat aus dieser Vermehrung des privaten Reichtums politische Schlüsse gezogen, weil das Eigentum der einen die Freiheit aller begrenzt?
Keiner. Wir haben stattdessen in diesem Land 25 Jahre das Gegenteil getan: Getreu der Devise, die Gewinne müssen ungehindert sprudeln, damit das Kapital hierzulande Anlage sucht, haben wir es uns geleistet, auf alles Mögliche zu verzichten. Die Vermögensteuer wurde ausgesetzt, die Erbschaftsteuer nicht angehoben. Und während der Konsument an der Ladenkasse noch auf das halbe Pfund Butter Mehrwertsteuer bezahlt, sind Aktiengeschäfte frei von aller Umsatzsteuer. Dafür wurde im Zuge der Arbeitsmarktreformen der Zwang zur Aufnahme jeglicher Arbeit erhöht. Und: die Vermögensteuer exklusiv für Langzeitarbeitslose eingeführt. Sie haben fortan ihre meist kümmerlichen Ersparnisse aufzubrauchen, ehe sie Leistungen von der Arbeitsfürsorge erhalten.
Von Lohndiktaten betroffene Belegschaften, Langzeitarbeitslose und ihre Familien erfahren direkt oder indirekt den Wandel unserer Gesellschaft als eine Kette von Verletzungen der Gleichheit an Würde, Rechten und Pflichten - und damit ihrer Freiheit. Rechte Rattenfänger machen sich auf, den Unmut zu bündeln. Deswegen wird es höchste Zeit, in den Begriffen klar zu werden und wieder über die Gleichheit zu reden, wie über den wachsenden Missbrauch des Eigentums durch die Ackermänner zu Lasten der Freiheit aller. Die bürgerliche Gesellschaft muss - will sie überleben - sich von der zunehmend klassenbewussten Elite der Ackermänner befreien." HILMAR HÖHN

Medial

ich sehe das was du nicht siehst  , aber erwische euch dann alle

Pinnswin

http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Ruanda/chronik.html


Völkermord in Ruanda
Eine Chronik unterlassener Hilfeleistungen

Am 7. April 2004 jährte sich zum zehnten Mal eines der grausamsten Verbrechen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Völkermord an Hunderttausenden Angehörigen des Volks der Tutsi in Ruanda.
Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

Horch

Quelle: //www.jungewelt.de/2005/01-06/004.php

Selbststigmatisierung und Widerstandskultur
 
Arbeitslose und linke Politik. Anmerkungen zu Forschungsergebnissen des von der Marx-Engels-Stiftung Wuppertal unterstützten Projektes »Klassenanalyse BRD«
 
Die Zahl der Arbeitslosen wächst. Es macht wenig Sinn, die Schuld dafür bei unfähigen Politikern und vaterlandslosen Managern zu suchen. Die Ursachen liegen woanders. Der hochentwickelte deutsche Kapitalismus braucht für die Profiterzeugung immer weniger Menschen.In der Literatur – auch in linken Publikationen – werden jene, die aus dem ersten Arbeitsmarkt ausgestoßen werden, häufig als »Marginalisierte« bezeichnet. Ich benutze diesen Begriff mit Widerwillen. Er widerspiegelt die Sichtweise der Herrschenden. Diese betrachten ihre Welt als den lebenswerten Kernbereich und alles andere als die jenseits davon existierende Zone. Und der Begriff ist noch aus einer anderen Sicht fragwürdig. Viele Betroffene betrachten sich nicht als »Marginalisierte«. In den Forschungsergebnissen des von der Marx-Engels-Stiftung Wuppertal unterstützten Projektes »Klassenanalyse BRD« wird zu den angeblich »Marginalisierten« festgestellt, daß »sie ihre soziale Randständigkeit und Unterprivilegiertheit als Ausdruck des eigenen Versagens empfinden, viele der Betroffenen (verhalten sich) schamhaft-passiv: Gesellschaftliche Ausgrenzung wird durch Selbststigmatisierung komplettiert. Die Opfer übernehmen die Sichtweise derer, die sie herabzusetzen versuchen, (...) weil das Selbstbewußtsein unterminiert wird, fehlt oft die Bereitschaft, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.« (Werner Seppmann) Dieses Betrachtungsmuster für die Bewußtseinsentwicklung halte ich für eine stark vereinfachte Widerspiegelung der Gegebenheiten unter den heutigen Umständen in Deutschland.DDR-Sozialisation Seit über zehn Jahren arbeite ich vor allem in Ostberlin als freiberuflicher Dozent an Schulen und in Vereinen, die Lehrgänge oder Schulungen für Arbeitslose in Berlin anbieten. In dieser Zeit habe ich zirka 2 000 Männer und Frauen erlebt, die fast alle als »unbrauchbar« für den ersten Arbeitsmarkt »aussortiert« worden sind. Durch ABM, SAM oder berufliche Qualifikationsmaßnahmen waren sie teilweise mit der Arbeitswelt verbunden. Bei aller Unterschiedlichkeit von sozialer Herkunft und Lebenserfahrung konnte ich für diesen Personenkreis einige Beobachtungen machen.Die übergroße Mehrheit empfindet ihre »Marginalisierung« keinesfalls als ein Ergebnis des eigenen Versagens, sondern sie versteht ihre Situation als Resultat der ungerechten Behandlung durch Unternehmer und Staat. Das ist zweifellos ein Ergebnis »vorher« gewachsenen Klasseninstinkts und besonders häufig bei Menschen mit einer DDR-Sozialisation zu beobachten. Sie haben in einer Welt gelebt, in der andere Werte prägend waren als heute. Die DDR war eine Gesellschaft, die dem Prinzip der sozialen Gleichheit verpflichtet war: Wer wenig Geld hatte und »niedrige« Arbeiten verrichtete, war deshalb nicht gering geachtet. Diese Erfahrung liefert noch heute Immunstoff gegen die Selbststigmatisierung. Die DDR war eine Gesellschaft, die dem Prinzip der Solidarität verpflichtet war: Die Menschen wurden nicht zu Individualisten mit starken Ellenbogen erzogen, sondern sie fühlten sich als Teile kleiner und großer Kollektive, in denen das Prinzip der gegenseitigen Hilfe galt. Diese Erfahrung hilft noch heute, in der Gemeinschaft von Nachbarschaft, Klub, Verein oder Studiengruppe mit schweren Situationen klarzukommen. Und die DDR war eine Gesellschaft, die dem Prinzip der Durchschaubarkeit von gesellschaftlichen Prozessen verpflichtet war. Das war ein integrales Element der Bildungsarbeit. Die Erinnerungen an den Staatsbürgerkundeunterricht in den Schulen, an die gesellschaftswissenschaftlichen Studienfächer an Hoch- und Fachschulen (Pflichtfächer im Grundlagenstudium), an die Schulen sozialistischer Arbeit in den Betrieben immunisieren noch immer gegen die Denkweisen der heute Herrschenden. In den letzten ein bis zwei Jahren scheint auch die Schützenhilfe eines Teils der bürgerlichen Presse zu wirken, die den Menschen die Rücksichtslosigkeit der wirtschaftlichen und politischen Eliten bei der Durchsetzung ihrer Interessen vor Augen führt (Steuerreformen, Rationalisierungen auf Kosten der Beschäftigten, Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland). Die Zeiten, in denen die herrschende Elite den Entlassenen eigenes Versagen als Ursache für ihre Arbeitslosigkeit suggerieren konnte, sind – zumindest nach meinem empirischen Horizont – vorbei.VerweigerungshaltungIch sehe auch nicht, daß die Mehrheit sich schamhaft passiv verhält und keine Widerstandskultur entwickelt. Möglicherweise kommt der Widerstand nicht in traditionellen Formen wie Demo oder Streik zum Ausdruck. Aber es gibt die massenhaft entwickelte Kultur der Verweigerungshaltung der Betroffenen: Austricksen vom Arbeitsamt (um keine Sperre zu bekommen), Schwarzarbeit, Wahlboykott usw. Mit großer Hochachtung stelle ich fest, daß auch unter schwierigsten Bedingungen die meisten nicht in Depression, Alkohol oder Gewalt verfallen, sondern ihren Lebensmut behalten und versuchen, sich irgendwie durchzuwursteln. Es ist in diesem Zusammenhang auch bemerkenswert, daß es trotz aller Unkenrufe den Rechtsradikalen bisher nicht gelungen ist, unter den »Marginalisierten« eine Massenbasis zu entwickeln. (Mir wurde kürzlich entgegengehalten: Die Wahlen 2004 seien der Beweis, daß die Rechtsradikalen eben doch bei den »Marginalisierten« eine Basis haben. Das ist nicht nachweisbar. Erstens fielen die ehemals proletarischen Hochburgen der DDR durch sehr niedrige Wahlbeteiligung auf, z.B. Berlin-Marzahn/Nord mit 14 bis 20 Prozent. Zweitens waren NPD und DVU bei den unter 25jährigen besonders stark, denen die »Marginalisierung« ja eigentlich erst bevorsteht.)Tendenziell entwickelt die Mehrheit dieser Menschen instinktiv eine radikale Ablehnung der Grundelemente des politischen Systems (Parteien, Gewerkschaften, Parlamente, Gerichte) und wichtiger Linien bundesdeutscher Politik: »Gesundheitsreform«, Steuergesetze, Rentenregelung, »Agenda 2010«, EU-Erweiterung, »Antiterrorgesetze«, Auslandseinsätze der Bundeswehr. Auffallend ist das Mißtrauen gegenüber allen politischen Akteuren (auch gegenüber linken Parteien) und die Vermutung, daß es für ihre persönliche Lage im Rahmen der bestehenden Verhältnisse keinen erkennbaren Ausweg gibt.Natürlich hofft jeder auf zumindest kleine Verbesserungen, die ihm sein Leben und das Leben seiner Angehörigen erleichtern. Er freut sich, wenn ihm eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) zugewiesen wird. Aber eine Hoffnung auf eine grundlegende positive Veränderung ihrer Lage haben die Betroffenen unter den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen kaum noch. Egal, ob Junge oder Ältere, Frauen oder Männer, Ostler oder Westler.Besondere Aufmerksamkeit sollten wir den nachwachsenden Generationen und ihren Perspektiven in der Klassenstruktur schenken. Ich erlebe in den letzten zwei, drei Jahren diese jungen Frauen und Männer der Altersgruppe der unter 25jährigen in Berlin als Arbeitslose einer neuen Qualität. Seit Beginn ihres bewußten Lebens kennen sie ausschließlich die Welt des Neoliberalismus und der kapitalistischen Globalisierung, ohne Existenz der Korrektive früherer Zeiten, die da waren: sozialistische Länder und kampfkräftige linke Organisationen in den kapitalistischen Ländern.Was charakterisiert eine zunehmende Zahl junger Menschen am Rande der »Marginalisierung«? Selbst wenn sie es schaffen, einen Beruf zu erlernen, dann beginnen sie die Ausbildung vielfach schon in dem Bewußtsein, nach dem Abschluß ohnehin arbeitslos zu werden oder als Ein-Euro-Lohnsklave leben zu müssen. Oder eben mit Niedriglöhnen und unbezahlten Überstunden zu schuften und bei Krankheit gefeuert zu werden. Immer mehr von ihnen haben aber kaum die Chance, überhaupt jemals den regulären Arbeitsalltag kennenzulernen, verbunden mit der Vermittlung solcher Werte wie kapitalistischer Disziplinierung und der Möglichkeit, sich durch eigener Hände Arbeit einen bescheidenen Wohlstand zu erarbeiten. Und sie erleben mit der »Agenda 2010«, daß man sich ein Leben lang abrackern kann und doch am Ende vom Staat alles wieder weggenommen bekommt. Gerade die jungen Menschen befinden sich im Fadenkreuz der Bundesagentur für Arbeit; sie sind mit »Hartz IV« in besonderem Maße den Schikanen der Sozialbürokratie ausgeliefert. Sie sind in meinem Erleben auch die Altersgruppe, welche die geringsten Vorstellungen von den Ursachen ihrer eigenen düsteren Perspektive hat. Sie sehen häufig in den Politikern die Hauptschuldigen für ihre miese Lage und wissen nicht, wer in der Wirtschaft am Steuerruder steht. Sie sehen häufig nicht, daß in Deutschland eine Umverteilung nach oben läuft. Zum Thema Reichtum fallen ihnen lediglich Michael Schumacher und Dieter Bohlen ein. Die wahren Herren Deutschlands kennen sie nicht. Würde Gesellschaftsverständnis bei PISA meßbar sein, könnte das bundesdeutsche Bildungswesen neue Negativrekorde verzeichnen.In bestimmtem Maße haben meine Beobachtungen unter dem ehemaligen Berliner Lohnabhängigen natürlich nur punktuelle Bedeutung. Möglicherweise stellt sich die Lage im Ruhrgebiet oder Spechthausen anders dar.Intellektuelle ÜberheblichkeitDie Zahl der »Marginalisierten« wird in den nächsten Jahren wahrscheinlich schnell zunehmen. Ernst zu nehmende Untersuchungen kommen zu dem Schluß, daß sich ihr Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung auf bis zu 80 Prozent steigern wird. Und wir, die uns als Linke verstehen, haben mit ihnen bisher nur wenig »zu tun«. In der Forschung eher als in der praktisch-politischen Arbeit. Wahrscheinlich hängt das mit einer – sicher unbewußten – intellektuellen Überheblichkeit zusammen. Dabei wird zu oft vergessen, daß die eigentlichen Triebkräfte der großen Revolutionen die Unterprivilegierten waren, sie haben mit ihrem Blut und ihrem Mut die französische und die Oktoberrevolution zum Sieg geführt.Mir scheint es, daß manche linken Publikationen zu einer Unterschätzung des Widerstandswillens und der Widerstandsfähigkeit der »Marginalisierten« neigen. Sie unterschätzen den Stolz und das Selbstbewußtsein dieser Menschen. Und das hat damit zu tun, daß wir eigentlich wenig von ihnen wissen. Wer von uns in der Internationalismus-Bewegung tätig war, erinnert sich an die Diskussionen um die Thesen des mexikanischen Publizisten und Zapatisten-Anhängers Estevez in den neunziger Jahren. Er hatte den Aktivisten der Solibewegung in der »ersten Welt« empfohlen, sich aus den Kämpfen um die Rechte der »Marginalisierten« in Mexiko herauszuhalten, denn wir würden das Leben dieser Menschen nicht verstehen, ihre Lebensumstände und ihre Kultur, und damit auch ihre Probleme, Ziele und Kampfformen nicht begreifen. Im Kern hatte er recht: Was wissen wir eigentlich von dieser eigenen Welt der riesigen Favelas oder der indianischen Gemeinschaften? Sind es nicht möglicherweise eigene Kulturen, alternative Gesellschaften, die unser Mitgefühl und unseren paternalistischen Beistand nicht brauchen? Manches in dieser Diskussion erinnert mich an das Verhältnis linker Intellektueller zu den »Marginalisierten« in Deutschland. Wenn die potentielle Kraft der »Marginalisierten« heute in Deutschland noch keine gesellschaftlich relevante Wirkung zeigt, dann liegt es auch daran, daß die Linke für die Bündelung eines radikalen Massenwiderstands keinen politischen Rahmen gefunden hat. Weder die PDS noch die kommunistischen Organisationen haben einen organisatorischen Zugang zu diesen immer größer werdenden Schichten. Sie besitzen auch keine politisch-ideologischen Konzepte, die für diese attraktiv sind.Beim Unterricht mit jungen Arbeitslosen erlebe ich in regelmäßigen Abständen eine für mich verwirrende Situation. Nachdem ein Vertrauensverhältnis entstanden ist, wird einer der Nachdenklichen folgendes sagen: »Herr Norden, Sie brauchen mir nicht zu erzählen, wie ich von Arbeitgebern und Politikern abgezogen werde. Sie brauchen mir nicht zu erzählen, wie ich vom Arbeitsamt betrogen und schikaniert werde. Das weiß ich alles selbst. Aber was soll ich denn nun machen, Herr Doktor?«Vielleicht liegt der Krebsschaden der Linken in unserem Land darin, daß sie zu stark mit sich selbst beschäftigt ist. Wir vergessen, für wen wir politisch handeln wollen. Wir kennen diese Menschen kaum. Wir sollten zu ihnen gehen und nicht warten, daß sie zu uns kommen.

Horch

//www.freitag.de/2005/01/05010701.php

Ein Paradies für Ausbeuter     
   IM GESPRäCH Klaus Wiesehügel, Vorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt, über den Beginn von Hartz IV, den Spargelstecher Michel Friedman und den drohenden Infarkt des Landes

FREITAG: Das Hartz IV-Jahr hat begonnen. Ab jetzt werden Arbeitslose gezwungen, zu Löhnen zu arbeiten, die weit unter dem ortsüblichen Niveau liegen. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn könnte man darauf reagieren. Warum gab es in den Gesprächen der Gewerkschaften mit dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering kein Ergebnis in dieser Frage?KLAUS WIESEHÜGEL: Das Thema wurde nicht endgültig beiseite gelegt. Aber bis zur Bundestagswahl im Herbst 2006 wird es wohl keine Annäherung geben. Ich bedauere es sehr, dass wir innerhalb der Gewerkschaften die wenigen Punke, die uns trennen, nicht überwinden konnten. Das wäre eine Voraussetzung, um als geschlossener Block mit der SPD verhandeln zu können. Dann könnten wir auch die Bundesregierung in Argumentationsnöte bringen, weil ja der Kanzler und der Wirtschaftsminister gar keinen Mindestlohn möchten. Ist die Angst der IG Metall begründet, dass ein gesetzlicher Mindestlohn die Tarifautonomie aushöhlen würde?Wenn wir die Tarifautonomie aufgeben und beispielsweise in einer Drittelparität unter Einbeziehung des Sachverständigenrates verhandeln würden, glaube ich, dass wir beim derzeitigen Kräfteverhältnis und angesichts der sehr differenzierten Lohnentwicklung weit unter einem Mindeststundensatz von 7,50 Euro landen. Das ist die Mindestmarge, die der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske in die Diskussion gebracht hat. Eine Größenordnung von vier oder fünf Euro würde nichts bringen. Für den Binnenmarkt und die Konsumschwäche wäre ein so niedriger Mindestlohn kontraproduktiv. Dafür gibt man in der Tat die Tarifautonomie nicht auf. Die Tariflöhne geraten immer stärker unter Druck. Es scheint so, als wollten sich die Unternehmer das, was sie in den vergangenen Jahrzehnten abgeben mussten, wieder zurückholen.In der Tat, das ist so. In der Vertrautheit der Tarifrunde, hinter verschlossenen Türen, lassen die Arbeitgeber alle Masken fallen. Dort sagen sie ganz offen, dass sie das momentane Überangebot an Arbeitskräften nutzen wollen, um zehn Prozent Lohnkostenreduzierung durchzusetzen. Wir dürfen nur noch darüber verhandeln, wie wir die zehn Prozent zusammen bekommen - und nicht mehr über die zehn Prozent selbst. Und das erleben wir nicht nur in der Baubranche, das erleben gegenwärtig alle meine Kollegen. Siemens, VW und Opel sind nur herausragende Beispiele dafür. Für die Baubranche gibt es den Mindestlohn. Damit sollte Tarifdumping durch vagabundierende Arbeitskräfte verhindert werden. Ist das gelungen?Inzwischen ist der Mindestlohn, der derzeit im Westen bei 12,47 Euro für Facharbeiter liegt, für die inländischen Arbeitnehmer fast wichtiger als für unsere ausländischen Kollegen. Er ist im Zuge des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes entstanden und sollte Konkurrenz unter Arbeitnehmern verhindern. Im Osten der Republik arbeiten die meisten Kollegen nicht für den Tariflohn, sondern für den niedrigeren Mindestlohn. Wir halten aber an dem Modell fest, weil wir den osteuropäischen Kollegen damit klar machen können, dass sie Anspruch auf einen fairen Lohn haben. Für einen polnischen Eisenflechter ist ein Stundenlohn von acht Euro ein paradiesischer Zustand ...... und für den ukrainischen Eisenflechter sind die polnischen Löhne paradiesisch. Der Verdrängungswettbewerb, den wir hier beklagen, ist auch in Polen Realität. Die polnische Regierung und die Gewerkschaften gehen mit Mitteln dagegen vor, die sie uns als europafeindlich vorwerfen. Das nenne ich ein Europa der Doppelmoral. Die IG BAU setzt auf eine Internationalisierung der Gewerkschaftsarbeit. Gelingt das?Wir haben lange gebraucht, bis wir soweit waren. Bei unseren Funktionären gab es die Vorstellung, wir müssen nur eine neue Mauer aufbauen, dann haben wir ein paar Probleme weniger. Da musste erst die Mauer in den Köpfen weg. Es war ein langer Prozess, um deutlich zu machen, dass die Internationalisierung der Arbeitsbeziehungen nicht umkehrbar ist. Die Menschen sind hier, und sie arbeiten hier. Die wollen wir nicht rauswerfen. Eine Antwort besteht darin, die Gewerkschaften grenzübergreifend zu stärken, wie wir das mit der Gründung eines "Europäischen Verbands der Wanderarbeiter" getan haben. Das darf sich aber nicht auf die Spitzenebene Brüsseler Tagungen beschränken, das muss sich auf die tägliche praktische Arbeit auswirken. Derzeit bereiten wir den Boden, indem wir unsere Leute Sprachen lernen lassen. Das ist die erste Voraussetzung, um sich zu verständigen. Noch ist es kalt, doch die Spargelsaison kommt bestimmt und dann fängt das Jammern wieder an, etwa nach dem Motto: die Bauern brauchen osteuropäische Erntehelfer, weil sich die deutschen Arbeitslosen zu schade sind, Spargel zu stechen.Das ist eine sehr bigotte Debatte. Aufgrund der neuen Arbeitsmarktgesetzgebung wird es überhaupt keine Spargelstecher in einem ordnungsgemäßen Arbeitsverhältnis geben. Statt dessen nur noch Minijobs, die nicht sozialversichert sind. Wer in diesem Lande lebt, braucht aber einen Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen und deshalb ein ordentliches Arbeitsverhältnis. Ich bin Michel Friedman vor laufender Kamera beinahe an den Hals gesprungen, als er erzählte, die Leute wären zu faul, und er würde, wenn er keine Arbeit hätte, sofort zum Spargelstechen gehen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement würde, wie er sagt, im Fußballstadion Würstchen verkaufen.Das ist genau so populistisch. Stechen Sie mal über mehrere Stunden in gebückter Haltung Spargel. Viele, die über diese Arbeit reden, wissen gar nicht, was das für eine Knochenarbeit ist. Für ältere Menschen ist das kein Job. Die Langzeitarbeitslosen sind zum großen Teil über 50 Jahre alt. Von jüngeren Arbeitslosen zu verlangen, sie sollen sich ihren Eintritt ins Arbeitsleben über Spargelstechen "erkaufen", ist aber ebenfalls zynisch. Die brauchen eine andere Perspektive. Im Übrigen gab es schon immer Saisontätigkeit und Wanderarbeiter, die von Feld zu Feld gezogen sind. Wer sich freiwillig für diese Tätigkeit entscheidet, soll sie tun. Wir wollen das tariflich so absichern, dass es einigermaßen geordnet zugeht. Nichts deutet im Moment darauf hin, dass die Gewerkschaften solche Forderungen noch durchsetzen könnten. Die Gewerkschaften hatten sich in der alten Bundesrepublik über viele Jahre daran gewöhnt, dass sie allein mit der Streikdrohung den Unternehmern erfolgreich gegenüber treten konnten. Wir konnten sehr glaubhaft sagen, ihr braucht die Ware Arbeitskraft, und wir verhandeln mit euch über die Bedingungen und den Preis. Wir hatten die Stärke, Arbeitskämpfe zu führen und zu gewinnen. Jetzt sind wir in der Situation, dass das in vielen Bereichen nicht mehr funktioniert. Die Unternehmer verlagern den Standort und brauchen die hiesigen Arbeitskräfte nicht mehr. Und dann kommt noch zusätzlicher Druck durch die Sozialpolitik in Gestalt von Hartz IV: die Angst vor dem sozialen Abstieg macht die Menschen gefügig. Zusätzlich zieht sich der Staat aus seiner Investorenfunktion zurück.Ja, es mangelt an öffentlichen Investitionen. Auch deshalb ist die Bauwirtschaft so stark geschrumpft, die Belegschaften wurden halbiert. Allein der Bedarf an Infrastruktursanierung ist riesengroß. Nur ein Drittel wird erledigt. Notwendige Lebensgrundlagen verrotten. Das halte ich für viel dramatischer als die Schulden, die unsere Kinder erben. Die künftige Generation erbt eben auch eine desolate Infrastruktur. Durch die Steuersenkungspolitik hat der Staat nicht genug Möglichkeiten, um zu investieren. Wir unterbieten uns in einem Steuerwettlauf nach unten. Das ist der Infarkt des Landes. Nach der neuen EU-Dienstleistungsrichtlinie sollen zukünftig alle Dienstleistungen europaweit ausgeschrieben und angeboten werden können. Auch dadurch wird ein neuer "Wettlauf nach unten" entstehen.Da ist zum Beispiel das Herkunftsland-Prinzip. Egal ob jemand Altenheimbetreiber ist oder eine Wasserleitung legt: Bei schlechter Arbeit wäre dann nur eine Klage im Herkunftsland des Dienstleisters möglich. Vor allem aber würde eine solche Richtlinie die nationalen Gesetze zum Schutz der Arbeit und der Arbeitnehmer außer Kraft setzen, die am Arbeitsort gelten. Nur die Gesetze des Herkunftslandes wären anwendbar. Wie soll das funktionieren, wenn ein Unternehmen aus Litauen im Harz ein Altenheim betreibt? Kommt dann der Inspektor der litauischen Regierung und schaut nach dem Rechten? Jeder Unternehmer könnte sich künftig aus 25 Ländern den Anbieter suchen, der die günstigsten Arbeitsbedingungen bietet. Und viele Firmen werden in einem für sie günstigen Land einen Briefkasten an die Wand schrauben und sagen, hier ist der Sitz meines Betriebes. Dann würden die Gesetze dieses Landes für die ganze EU gelten. Wenn das Realität wird, haben wir paradiesische Zustände für Ausbeuter. Mit ganz dünnen Bohrern mussten wir ganz dicke Bretter bohren, um solche Folgen den Politikern vor Augen zu führen. Selbst als wir in Brüssel mit Abgeordneten des Europaparlaments geredet haben, lagen die Politiker in Berlin noch im Tiefschlaf. Inzwischen sind sie aufgewacht und sagen, das ist nicht gut, was da auf uns zukommt. Jetzt geht es darum, eine politische Position zu entwickeln, an der auch der Wirtschaftsminister nicht vorbeikommt. Für die international vernetzte Politik, die sich in der EU oder in der Welthandelsorganisation manifestiert, scheinen sich die Menschen allerdings nicht wirklich zu interessieren.Die IG BAU hat schon oft Themen aufgegriffen, bei denen wir geahnt haben, was da auf uns zukommt. Aber die Vermittlung ist schwierig, auch intern. Wenn ich sage, ich fliege zur Holzarbeitergewerkschaft nach Malaysia, weil die um Hilfe gebeten hat, dann sagen meine Kollegen: Klaus, wir wünschen dir einen schönen Urlaub. Aber in Ostmalaysia geht es um handfeste Konflikte, etwa um den Kauf von Waldflächen durch westliche Investoren, die keine Gewerkschaft zulassen wollen. Da stehe ich dann fassungslos da und frage mich: Nimmt denn niemand wahr, was in dieser Welt passiert. Es gibt einen Krieg der Investoren gegen diejenigen, die Arbeitnehmerrechte einfordern. Dieser Krieg wir bei uns öffentlich nicht dargestellt. Es ist abwegig zu behaupten, wir hätten mit dieser Entwicklung nichts am Hut. Wir sind nicht weit davon entfernt, dass künftige Investoren in Europa gewerkschaftsfreie Zonen fordern. In den USA ist es im Augenblick so, dass Unternehmen von den Kommunen Steuerfreiheit verlangen, sie fordern Schutz vor Gewerkschaften, und Kosten bei der Ansiedlung dürfen auch nicht entstehen. In Asien ist diese Entwicklung noch dramatischer. Wenn man sich all das vergegenwärtigt, könnte man auf die Idee kommen, eine Guerillabewegung zu gründen.Manchmal verzweifele ich auch. Es gibt in unserem Land eine mangelnde Bereitschaft, sich mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen. Sieben Millionen Menschen setzen sich vor den Fernseher, nur weil eine abgetakelte Schauspielerin Kakerlaken isst. Da ist es schwer, eine gesellschaftspolitische Debatte zu führen, die wir ganz dringend brauchen, um zu definieren, in welche Richtung die Gesellschaft steuern soll. Im Freitag wurde eine solche Debatte über Monate geführt. Das müsste viel mehr in die Breite gehen. Doch in den meisten Zeitungen wird gar nicht das abgebildet, was nötig und möglich wäre. Die Leserbriefe sind oft politischer als das, was an journalistischem Inhalt geboten wird. Das Gespräch führte Günter Frech

Horch

Diesen Link habe ich noch gar nicht erwähnt:

//www.exit-online.org

Eine Abspaltung der Krisis.

Horch

Das ist zwar keine Überwindung der Lohnarbeit, aber immerhin eine weitgehende Überwindung der fremdbestimmten Arbeit. Das Beispiel beweist, dass nicht nur in Argentinien sondern sogar in GB der extremsten Neoliberalen Thatcher Widerstand lohnt bzw. gelohnt hat. Sicherlich eine Alternative für Menschen, die einen menschenwürdigen Arbeitsplatz suchen. Sicherlich nicht einfach, denn beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf, aber jedenfalls machbar.

Quelle: //www.freitag.de/2005/01/05010901.php

Pit Wuhrer

Sozialismus in 300 Meter Tiefe    

ZEHN JAHRE TOWER COLLIERYIm walisischen Kohlerevier gibt es noch eine Zeche. Sie wird von den Bergarbeitern verwaltet, die ihren Job behielten, weil sie etwas riskierten

Die Zeche liegt hoch am Berg, und wäre sie nicht in einer Mulde versteckt, würde sie das Tal dominieren. Vier Kilometer von Hirwaun entfernt, dem nächsten Ort, steht der Förderturm, um ihn herum haben sich ein paar Baracken gruppiert - die Umkleideräume, die Kantine und das kleine Verwaltungsgebäude. Hier sitzt manchmal der Direktor der Zeche, der Genossenschaftsvorsitzende, der eine Idee verkörpert, die einst viele für völlig utopisch hielten. Tyrone O´Sullivan, ein bulliger Typ, Anfang 60, seit 45 Jahren Bergmann, fuhr mit 15 zum ersten Mal in den Berg und war über 20 Jahre lang Gewerkschaftsvorsitzender von Tower Colliery - der Zeche, der er nun vorsteht.

O´Sullivan hat alle Streiks der vergangenen Jahrzehnte mitgemacht und versteht sich als Sozialist. "Wir zeigen, dass der Sozialismus funktioniert, dass Arbeiter die Betriebe übernehmen und davon leben können, denn ein Unternehmen, in dem die Belegschaft die Manager kontrolliert, ist immer effizienter als eine Firma, in der die Bosse alles einsacken - das Wissen steckt in denen, die einfahren, und nicht im Direktorium."

Uns geht es nicht um den Gewinn von heute, sondern um die Jobs von morgen

Das sind nicht nur große Sprüche, wie die Zahlen zeigen, die O´Sullivan auf den Tisch legt: Seit Tower Colliery im Besitz der Belegschaft ist, stieg die Fördermenge von 450.000 auf 650.000 Tonnen Kohle im Jahr und die Zahl der Genossenschaftsmitglieder von 239 auf 320. Der Umsatz liegt bei umgerechnet 42 Millionen Euro, und die Arbeiter erhalten für walisische Verhältnisse einen Traumlohn: im Schnitt 45.000 Euro im Jahr. "Wir könnten mehr verkaufen", sagt O´Sullivan, "wir sind international wettbewerbsfähig, der Bedarf ist groß, und wir exportieren bereits nach Belgien, Frankreich und Irland."

Warum fördern Sie dann nicht mehr, Mister O´Sullivan? "Weil wir langfristig denken und nicht auf kurzfristige Profite aus sind. Jede Zeche hat mit ihren Kohleadern eine begrenzte Lebensdauer. Uns geht es nicht um den Gewinn von heute, sondern um die Jobs von morgen."

So haben O´Sullivan und andere um ihn herum auch früher schon gedacht. 1984/85, beim großen Kampf der Bergarbeiter gegen das Diktat der Zechenschließungen von Margret Thatcher, blieben die Beschäftigten der damals staatlichen Tower Colliery länger im Streik als alle anderen. Sie widersetzten sich bis Anfang 1994, als die Regierung die Stilllegung der Zeche bekannt gab und hinhaltender Protest ein hoffnungsloses Unterfangen schien. 1985, nach dem Ende der großen Streiks, hatte es in Südwales, einer der ältesten Bergbauregionen der Welt, noch 22.000 Bergleute und 27 Zechen gegeben - 1994 hielten nur noch die traditionell militanten Kumpel der Tower Colliery durch.

Sie trugen den Kampf um ihre Jobs ins ganze Land, reisten in die Großstädte, organisierten Kundgebungen und zogen unter dem Motto "Save our Jobs!" in einem langen Marsch von Hirwaun nach London, während die Bergarbeiterfrauen mit einem tagelangen Sit-In die Sohle besetzt hielten. Mehrmals lehnte die Belegschaft die ihnen angebotene Abfindung ab, bis die Regierung im April 1994 mit einem Junktim aufwartete: Entweder der Jobverzicht und eine Entschädigung von 26.000 Euro werden sofort akzeptiert oder es gibt eine allgemeine Kündigung mit einer weitaus geringeren Abfindung - die Entscheidung der Mehrheit von Tower Colliery war klar.

Aber nicht alle wollten die Niederlage damals einfach so hinnehmen - schon gar nicht Tyrone O´Sullivan, dessen Vater 1963 bei einer Explosion in der Zeche umgekommen war. So tauchte spät nachts in einer Kneipenrunde die Idee auf: "Die Tories wollen die Mine an Private verhökern - warum kaufen wir uns die Zeche nicht einfach zurück?" Ja, warum eigentlich nicht? Eine Vollversammlung der gerade entlassenen Bergleute war schnell einberufen. Fast alle erklärten sich bereit, einen Teil ihrer Abfindung in eine mögliche Übernahme zu stecken. Doch um als seriöse Unternehmer auftreten zu können, wurde eine anerkannte Beratungsfirma gebraucht, die in der Lage war, einen detaillierten Finanzplan vorzulegen. "Da habe ich wohl die klügste Entscheidung meines Lebens getroffen", erinnert sich O´Sullivan. Er überzeugte seine Kollegen, sich ausgerechnet an jenes Unternehmen zu wenden, das den Konservativen recht nahe stand und die Thatcher-Regierung während der Streiks 1984/85 und bei der Beschlagnahme von Gewerkschaftsgeldern beraten hatte: Price Waterhouse - wenn die Regierung jemandem traut, dann denen, argumentierte O´Sullivan.

Irgendwann dachten alle: Kriegen die ihre Zeche nicht zurück, gibt es einen Aufstand

Der Consulting-Konzern akzeptierte den Auftrag und ließ sich sogar auf einen Deal ein: Sollte die Übernahme scheitern, würde man sich mit 40.000 Euro Honorar zufrieden geben. "Im Erfolgsfall haben wir ihnen jedoch den anderthalbfachen Satz ihrer Gebühren versprochen: knapp 450.000 Euro statt der veranschlagten 300.000", erzählt O´Sullivan. "Nach ein paar Wochen wünschten sich die Tory-Freunde noch mehr einen Erfolg als wir."

Auch von anderer Seite erhielten die Genossenschafter Hilfe. Der frühere Chef der staatlichen Kohlebetriebe von Wales entwickelte einen Förderplan, andere Ex-Manager vermittelten Kontakte zu Banken und Kohlekraftwerken. Potenzielle Abnehmer fanden sich schnell: In Tower Colliery wird Anthrazit gefördert, eine schwefelarme Kohle von hohem Brennwert. Ein Stahlunternehmen unterzeichnete einen Fünfjahresvertrag, ein Stromkonzern der inzwischen ebenfalls privatisierten Elektrizitätsindustrie orderte Kohle für drei Jahre, Stadtverwaltungen zeigten sich interessiert. Innerhalb weniger Wochen kamen Vorverträge im Wert von umgerechnet 28 Millionen Euro zustande, mit denen die Behauptung der regierenden Konservativen widerlegt wurde, für britische Kohle gebe es keinen Markt mehr.

Da aber selbst ausgefeilteste Gutachten oftmals nicht reichen, um ein unorthodoxes Vorhaben auf den Weg zu bringen, organisierten die Bergleute von Tower landauf, landab zahllose Veranstaltungen, bis alle wussten, worum es ging. "Die veranstalteten einen Riesenwirbel", beschreibt Huw Beynon, Direktor der School of Social Science an der Universität von Cardiff und wohl der beste Kenner der britischen Kohleindustrie, den damaligen Ausbruch aus Duldsamkeit und Apathie - "und irgendwann dachten alle: Kriegen die ihre Zeche nicht zurück, gibt es einen Aufstand."

Dazu kam es nicht. Im Oktober gab die Regierung dem Tower-Kollektiv den Vorzug vor zwölf anderen Bewerbern, die sich gleichfalls für die Zeche interessiert hatten. Am 23. Dezember 1994 unterschrieb O´Sullivan den Vertrag, 24 Stunden später gehörte die Zeche den Bergarbeitern, am 2. Januar 1995 zog eine große Menge höchst erfreut von Hirwaun zur Grube hinauf - die Kumpel, die jetzt Genossenschafter waren, ihre Frauen, die acht Monate zuvor den Schacht besetzt hatten, die Kantinenbelegschaft, die Leute aus den umliegenden Tälern, die unter dem unaufhörlichen Zechensterben gelitten hatten. Vorneweg das Banner der Bergarbeitergewerkschaft NUM, kurz dahinter die Brass-Band der Zeche mit der Internationale und Britanniens Arbeiterhymne The Red Flag. Sie feierten den kleinen Sieg im Meer der Niederlagen.

Und erfolgreich ist das Projekt bis heute geblieben. Trotz der hohen Löhne erzielt die Genossenschaft einen Gewinn von derzeit mehr als vier Millionen Euro im Jahr. Ein Teil der Rücklagen wird für Investitionen verwandt, worüber die vierteljährlich tagende Versammlung der Genossenschafter entscheidet. So entstand beispielsweise eine neue Fabrikationsanlage für Briketts, für die je nach Kundenspezifikation ein bestimmter Anteil von Biomasse (etwa Sägemehl) der Kohle beigemischt wird (zwölf neue Arbeitsplätze sind dadurch entstanden). Tower gilt außerdem als sicherste Zeche in Britannien - bis heute kam es zu keinem nennenswerten Unfall. Schon die Gewerkschaftsvertretung sorgt dafür, dass sich daran nichts ändert.

Und doch ist die Existenz der Grube gefährdet. Augenblicklich liefert die Genossenschaft eine halbe Million Tonnen, also fünf Sechstel ihrer Jahresförderung, an das alte Kohlekraftwerk von Aberthaw. "Viel hängt davon ab, ob es denen gelingt, die Kohleverbrennung so zu modernisieren, dass der Kohlendioxid-Ausstoß Kyoto-gerecht ausfällt", meint O´Sullivan. Pläne für eine Umrüstung seien vorhanden. Auf die, hofft er, könne die britische Stromwirtschaft angesichts ihrer Abhängigkeit von der Kohle (vgl. Kasten) kaum verzichten.

Ein anderes Problem sind die nur noch begrenzten Vorkommen. Der Schacht der 200 Jahre alten Tower Colliery reicht 300 Meter tief, der Hauptstollen musste jedoch sieben Kilometer weit in rund 800 Meter Tiefe getrieben werden. "Die nächsten fünf Jahre sind gesichert. Wenn wir genug Geld für Investitionen auftreiben können, reicht es sogar für weitere acht."

Und dann? "Wir werden sehen", lacht O´Sullivan, "zur Zeit planen wir einen Öko-Park auf unserem Gelände, der schafft vielleicht neue Arbeitsplätze. Und wenn nicht, haben wir zumindest vielen gezeigt, was möglich ist. In den letzten Jahren haben uns mehrere Belegschaften konsultiert, darunter Bergarbeiter aus Südafrika, Indien, der Ukraine. Vielleicht setzen die unser Modell fort."



Britanniens Kohlebergbau hätte eine Zukunft, wenn es ihn noch gäbe

Tower Colliery, die letzte Kohlezeche in Wales, ist seit der Stilllegung der letzten Zeche von Selby Ende Oktober nur noch eine von neun Gruben in Britannien überhaupt. Vor 20 Jahren, nach Ende des großen Bergarbeiterstreiks, hatte es im Land noch knapp 180 Bergwerke und rund 170.000 Kumpel gegeben - heute zählt die einst mächtige Bergarbeitergewerkschaft NUM noch 2.000 aktive Mitglieder. Die Gesamtfördermenge im Untertagebau sank in diesem Zeitraum von über 100 Millionen auf rund 16 Millionen Tonnen Kohle im Jahr. "Für britische Kohle gibt es keinen Markt mehr", so hatte die konservative Regierung in den achtziger Jahren ihr Zechenschließungsprogramm begründet.

Doch das hat sich geändert. In den vergangenen Jahren sind die Marktpreise kontinuierlich nach oben geklettert. Eine Tonne Kohle bringt den Produzenten heute umgerechnet 65 Euro, doppelt so viel wie vor fünf Jahren. Gründe für diesen Preisanstieg liegen im Verhalten Chinas, das angesichts des Eigenbedarfs keine Kohle mehr exportiert, und in den enorm gestiegenen Frachtkosten. In Großbritannien wird seit Jahren auf billige Importkohle aus Australien, Südafrika, Polen, Kolumbien und den USA gesetzt. Fast die gesamten Einfuhren und 55 Prozent der im Land geförderten Kohle dienen der Stromerzeugung, denn knapp ein Drittel der Elektroenergie wird aus Kohle gewonnen - 40 Prozent aus Gas, 23 Prozent aus nuklearem Brennstoff. Der britische Kohlebergbau hätte eine Zukunft, wenn es ihn noch gäbe.

Horch

Habe ich schon in einem anderen Thread erwähnt, gehört aber der Vollständigkeit halber auch in diesem Thread.

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