Euopäischer Wanderarbeiter - die einzige Zukunftsperspektive für europäische Bürger?

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 23:47:53 Sa. 27.August 2005

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Wilddieb Stuelpner

Ich habe in letzter Zeit soziale Lebensbedingungen aus verschieden europäischen Landstrichen, in der Welt und aus historischer wie gegenwärtiger Sicht kennengelernt.

Wer aufpaßt und entsprechende Fernsehsendungen verfolgt wie
  • Bilder einer Landschaft (BR, MDR),
  • 360° Geo-Reportage (Arte, MDR),
  • Axel Kaspar auf Reisen (3sat, MDR, Phoenix),
  • Weltreisen (ARD),
  • Weltspiegel (ARD),
  • auslandsjournal (ZDF, 3sat),
  • Bilderbuch Deutschland (ARD, BR, MDR, NDR, WDR),
  • Planet Wissen (WDR),
  • LexiTV (MDR)
  • Länder-Menschen-Abenteuer (NDR, WDR)
  • Terra X (ZDF)
  • ZDF-Expedition (ZDF)
bekommt davon einen richtigen, anschaulichen und vergleichbaren Einblick. In dieser Hinsicht sind die GEZ-Gebühren keine Verschwendung. Es kommt nur immer auf den Zuschauer an, was er sich für Sendungen auswählt und welche Schlüsse er aus den Beiträgen für sich und seine Weltanschauung zieht. Wir kennen das Abwandern deutscher Vorfahren nach Russland zu Zeiten der Herrschaft Katharinas der Großen an die Wolga, nach Kasachstan, zu anderen Zeiten ins rumänische Banat, in die ungarische Tiefebene oder an die ungarische Donau, nach Übersee nach Kanada und den USA.

Gleiches traf für die Iren, die Schotten, die Skandinavier, die Walser in der Schweiz, die Slowaken u.a.m. zu und dieser Exodus setzt sich in Wellen immer wieder fort. Innerhalb Deutschlands kennen wir das von verschiedenen zum Notstandsgebiet erklärten Gegenden, so z.B. aus dem Emsland, dem Hunsrück, dem Sauerland, dem Eichsfeld, dem Erzgebirge, der Lausitz, die Altmark, Mecklenburg-Vorpommern. In allen Fällen war Existenznot die Ursache für die Flucht aus der Heimat.

Letztens brachte Escher einen Bericht aus seiner entvölkerten Heimatstadt Weisswasser. Dort gibt es wegen der bundesdeutschen Deindustralisierung des Braunkohlentagebaus, der Kraftwerksanlagen und Brikettfabriketten, der Textilwirtschaft durch die Treuhand heute fast nur noch Rentner und Arbeitslose. Die meisten jungen Familien sehen dort keine Zukunft mehr und siedeln in den Westen oder gleich ins Ausland über.

Da fragt man sich, ob diese "Völkerwanderungen" nach Jobs überhaupt in unsere Zeit passen.

Verträgt sich so ein arrogantes und selbstgerechtes Verhalten von Unternehmen, daß den Wert eines Menschen nur anhand seines Lohn- und Preiswertes als Kostenfaktors bemißt und damit neben seinem finanziellen Zustand des Familiengeldbeutels auch seelisch auf sein Selbstbewußtsein einen abwertenden Einfluß nimmt, noch in unsere Zeit?
Vertragen sich die unsinnig hochgeschraubten Zumutbarkeitsbedingungen für Arbeitslose in unsere heutige Landschaft?

Ich meine Nein.

Gemäß der grundgesetzlichen Sozialverpflichtung der Unternehmer haben diese auch eine volkswirtschaftliche und soziale Verantwortung zu tragen. Sie haben dort Betriebsstandorte ohne staatliche Fördermittel und ohne bevorzugte, kostenlose Bereitstellung der Infrastruktur zu schaffen, wo die Menschen wohnen und leben. Sie haben volkswirtschaftlich unsinnige Pendelfahrten und Umsiedlungen zu verhindern. Pendeln ist Kraftstoff- und Materialverschwendung!

Das sollte sich die Bundesregierung, der deutsche Bundestag und die Bundesagentur für Arbeit einmal vor Augen halten und bei der Ausgestaltung der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen als FORDERN gegen Unternehmer aufstellen.

In diesem Zusammenhang will die Linkspartei eine europäische Sozialunion neben der Euroeinführungsunion, will europäisch einheitliche Arbeitsrechte, Streikrechte, Betriebsverfassungen, Mindestlöhne und -renten, einheitliche Sozial-, Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, Gesundheitsversorgung, einheitliches Sozial- und Arbeitsrecht.

Im nachfolgenden Reportagebeitrag stellt sich die Frage, warum beispielsweise Norwegen an deutsche Gastarbeiter so hohe Tarifstundenlöhne von 16 Euro zahlen kann, wenn gleichzeitig in Deutschland Dumpinglohnjobs mit Stundenlöhnen von 5 Euro nur noch geboten werden?

Ähnliches gilt für Österreich und die Schweiz.

Liegt's an der begünstigten Lage Norwegens ein erdölförderndes und -exportierendes Land zu sein? Oder liegt's an der besseren sozialen Einstellung der Unternehmer zum Land und seinen Bewohnern? Oder liegt's am mangelndem Ehrgeiz Maximalprofite um jeden Preis zu erzielen?

ZDF: Immer der Arbeit nach

ZDF.reportage: Immer der Arbeit nach - Das Glück winkt im Ausland

Reportage von Olaf Buhl,
Michael Schmitz und Elmar Schön

Sendetermin: Sonntag, 14. August, 18.30 Uhr

Zitate aus dem Fernsehbeitrag:

"Und ich bin der Meinung, ein deutscher Handwerker sollte für seine qualifizierte Arbeit auch dementsprechend bezahlt werden. Hier in Norwegen bekommt man das Geld."

"Dreimal so viel wie in Deutschland

Und tariflich ist die Welt noch in Ordnung: Egal ob Norweger oder Deutsche - alle arbeiten 37,5 Stunden die Woche für 16,50 Euro die Stunde bei geringen Abgaben. Das entspricht etwa dem Dreifachen des deutschen Durchschnitt-Dumpinglohns: "Bei uns in Berlin haben Leute aus Sachsen und aus Polen die Preise gedrückt. Die gehen für fünf Euro die Stunde arbeiten. Dazu aber ist der Job zu anspruchsvoll, dass ich für fünf Euro arbeiten gehe."

Damit finanziell alles stimmt, nimmt Trosky derzeit noch einiges auf sich: Unter der Woche ist er oft von seiner Familie getrennt. Das aber soll sich nun ändern. Gerade sind seine Frau Alexandra und Sohn Oscar aus Berlin zu Besuch. Die Großstädter wollen gemeinsam entscheiden, ob sie sich ein Leben in der norwegischen Abgeschiedenheit vorstellen können."


Spätlese

Dreimal so viel wie in Deutschland ...

das ist schon eine vollkommen richtige und zutreffende Schlagzeile.

(Es gibt auch vier- bis fünfmal soviel wie in Deutschland in einem kürzlich vorgestelltem Arbeitsland, was dringend Gastarbeiter sucht,  namens Island.)

Sicher kennen einige die skandinavischen bzw. nordischen Länder womöglich von einer früheren Urlaubsreise her.

Dort sind dann auch die Kosten für z. B. sämtliche Lebensmittel so hoch, dass sie "dreimal, viermal oder fünfmal so viel wie in Deutschland" sind. (Ganz banales Beispiel Norwegen: der 1/2 Liter Dünnbier = 5 Euro.)
Das Beispiel Island wurde recht realistisch dargestellt, die dort angeworbenen Handwerker aus Deutschland bewohnten zu 3 oder 4 gemeinsam kleine Räume oder auch isolierte Wohncontainer. 20-24 Euro gab´s da pro Stunde für den Anfang - schöne Zahl, geringe direkte Lohnabzüge auch, stimmt alles, aber die Kosten für Lebensmittel + Nebenkosten der anteilig zu zahlenden Unterkunft verbrauchten, genau so wie hier, den größten Teil des Lohnes. Kein Wunder, nach z. B. Island muss ja praktisch alles und jedes eingeführt und hintransportiert werden.

Kostengünstiger Deutschland Wochenendurlaub, oder spontanger Ehefrau-Kinder-Besuch in Island bzw. in Norwegen? Auch Fehlanzeige, die Hotelkosten sind oft auch "dreimal, viermal oder fünfmal so viel wie in Deutschland" (abgesehen von freien Kapazitäten) und den 59 Euro Billigflug gibts in diese Regionen auch nicht, sondern 500 - 800 Euro Linienflüge waren Hin- und zurück zu bezahlen, da für die letzten Teilstücke der Flugstrecke nur von kleinen preisverteuernden Turboprops mit geringer Sitzplatzkapazität angeflogen werden können. Nach ein paar Monaten hatten auch einige dieser Wanderarbeiter erkannt, dass das mit dem Verdienst nicht finanzierbar ist.

Familie bzw. Ehefrau einfach nachholen? Kein Problem - in vielen Berufsbereichen, man sieht ja dort manches liberaler als hier, werden auch Frauen gerne eingestellt, alles in allem trotzdem "dreimal, viermal oder fünfmal so viel wie in Deutschland". Gedrückte Stimmung also bei den Wandergastarbeitern aus Deutschland - eine Ehefrau aus MVP meinte, dass da wohl die Ehe und Familie dran kaputt gehen könnte.

Eine andere optimistische Stimme gab es aber auch: Ein Familienvater hatte seit 6 Monaten erfolgreich in Schweden Fuß gefasst, der Arbeitgeber hat sich auch Mühe gegeben Sprachkurse auf  eigene Kosten vermittelt, für private Kontakte gesorgt - so dass der "Gastarbeiter" seine Familie in ein paar Monaten nachholen wollte und diese auch total begeistert davon ist, da es in Schweden besser gefällt als in Deutschland.

Kann man also, je nachdem, alles mit positiven oder auch negativen Seiten sehen.
Alle von mir getätigten Aussagen/Antworten/Kommentare entsprechen lediglich meiner persönlichen Meinung und stellen keinerlei Rechtsberatung dar.

BGS

Die Unterschiede der Lebenshaltungskosten sind in Skandinavien noch immer beträchtlich. Zum Beispiel in FIN-Helsinki - Grossregion (2,5 Mio. Einwohner): die Mieten sind zwar etwas höher, als bei uns, jedoch beträgt der normale Verdienst, je nach Branche, etwa das Doppelte Brutto des hiesigen.

Durch die Einführung des Euro haben sich die hervorragenden Lebensmittel sowie die anderen Lebenshaltungskosten um ca. zwanzig Prozent vergünstigt, wenn man Zigaretten und natürlich Alkohol aussenvor lässt (gibt dafür es billig in Estland, Fährfahrt von ca. einer Stunde).

Man kann sich hervorragend auf Deutsch oder zumindest Englisch verständigen, da die Finnen diese Sprachen oft beide beherrschen. Zwar sind die Winter dunkel, kalt und lang, aber die dortige offene, menschliche und freundliche Grundstimmung, Ausländern gegenüber, kann man hier lange suchen.
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Spätlese

Zitat:
Zwar sind die Winter dunkel, kalt und lang, aber die dortige offene, menschliche und freundliche Grundstimmung, Ausländern gegenüber, kann man hier lange suchen.

Die Grundstimmung mag offen, menschlich und freundlich sein (auf jeden Fall offener als in D) - aber ich getraue mich dennoch hier zwischen Gast- bzw. Urlauber-/Touristenfreundlichkeit sprich Geldbringerfreundlichkeit und jedoch genau so Distanz gegenüber Ausländern zu unterscheiden.
Dänen, Norweger und Finnen bejubeln nicht ganztags bzw. pauschal z. B. die Deutschen und andere ...

(Ich hoffe, dass das jetzt hier nicht den Straftatbestand der verbalen oder schriftlichen Volksverhetzung erfüllt, welche in einfacheren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren mit oder ohne Bewährung geahndet werden kann.)
Alle von mir getätigten Aussagen/Antworten/Kommentare entsprechen lediglich meiner persönlichen Meinung und stellen keinerlei Rechtsberatung dar.

Wilddieb Stuelpner

Was mich an dem oben genannten ZDF-Fernsehbeitrag wundert, daß Norwegens Einwohner die Folgen der deutschen Besetzung nicht als Ablehnungsgrund gegen deutsche Gastarbeiter vorbringen?

Offensichtlich können sie zwischen Nazideutschland und deutschem Volk differenzieren, was bei einigen deutschen Kleinbürgern und Rechtsradikalen in heimatlichen Landen noch des nachholenden Lernens von Völkerfreundschaft bedarf.

BGS

ZitatOriginal von Spätlese
Zitat:
Zwar sind die Winter dunkel, kalt und lang, aber die dortige offene, menschliche und freundliche Grundstimmung, Ausländern gegenüber, kann man hier lange suchen.

Die Grundstimmung mag offen, menschlich und freundlich sein (auf jeden Fall offener als in D) - aber ich getraue mich dennoch hier zwischen Gast- bzw. Urlauber-/Touristenfreundlichkeit sprich Geldbringerfreundlichkeit und jedoch genau so Distanz gegenüber Ausländern zu unterscheiden.
Dänen, Norweger und Finnen bejubeln nicht ganztags bzw. pauschal z. B. die Deutschen und andere ...

(Ich hoffe, dass das jetzt hier nicht den Straftatbestand der verbalen oder schriftlichen Volksverhetzung erfüllt, welche in einfacheren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren mit oder ohne Bewährung geahndet werden kann.)

Es handelt sich eben um mehr als Gastfreundschaft oder Touristenfreundlichkeit. Da ich selbst an die vierzig Mal, längstens ein ganzes Jahr, in Finnland war, und auch dort arbeitende Menschen kenne und selbst Vorstellungsgespräche geführt habe, habe ich dortige Internationalität und Aufgeschlossenheit als sehr positiv erfahren.

Natürlich warten die nicht unbedingt auf Zuwanderer aus Deutschland, aber wer kommt, ist normalerweise willkommen. Die Arbeitsmoral ist verhältnismässig hoch, d. h. man sollte wohl schon einigermassen gerne arbeiten wollen. Aber die Arbeitnehmer werden wenigstens nicht ganz so himmelschreiend betrogen, wie hierzulande und in der finnischen Athmosphäre mit Natur ohne Ende quasi "überall gleich um die Ecke" stellt sich sehr bald ein viel besserer Lebensgefühl durch bessere Lebensqualität ein.

Durch die EU-weite Niederlassungsfreiheit ist der genannte Grossraum Helsinki-Vantaa sicher nicht nur für mich persönlich interessant, anstatt hierzulande z. B. durch drohendes Hartz-4 weiter abqualifiziert bzw. ausgegrenzt und zum Sündenbock gemacht zu werden.

Was soll sich denn hierzulande bitte nach der Wahl für die Armen und Ausgebeuteten bessern? Nichts. Die werden als höchstens Feindbilder gebraucht und mit irgendwann zehn Millionen Arbeitslosen, darunter dann 500.000 1-€-Jobbern, lassen sich die anderen Menschen, die noch reguläre Arbeit haben, wunderbar hinsichtlich jeglicher eventueller Forderungen und Wünsche in Schach halten, auch für noch weniger Geld als heute. Wer etwa erwartet, in 20 Jahren hier eine Rente zu bekommen, von der man irgendwie leben kann, ist ein Traumtänzer. Also sage ich: Rette sich, wer kann, denn Deutschland hat abgewirtschaftet und bereits zu lange auf Kosten der kommenden Generationen gelebt. Wird Schröder / Merkel / Stoiber / Fischer oder, oder, oder, dies in der nächsten Legislaturperiode plötzlich ändern? Niemals, es wird nichteinmal gelingen, die selbstverpflichtenden Maastricht-Kriterien zu erfüllen. In der Politik gewählt zu werden, hat mit wirklichen Fähigkeiten IMHO so gut wie nichts zu tun.

Wie bereits andernorts geschrieben, haben durch Eichels Steuerreform 2000 die Einkommensmillionäre 22 Prozent Netto an Einkommen dazgewonnen und die mit 100.000,- € oder mehr Jahresverdienst 12 Prozent. Von allen anderen schweige ich aus Höflichkeit.
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
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Pinnswin

Zitat...
Sie ziehen von einer Großbaustelle zur anderen. Stechen in der Landwirtschaft den Spargel, pflücken danach Erdbeeren, ein paar Wochen
später im Herbst Äpfel oder Weintrauben. Vor Weihnachten verpacken sie Bücher in den neuen Lagerhallen der Internet-Versandhändler:
Wanderarbeiter - Frauen und Männer
...
Sandra Siebenhüter sieht wie ihr Frankfurter Soziologenkollege Mihai Balan vor allem die Europäische Union in der Pflicht, die Arbeits-
und Lebensbedingungen von Wanderarbeitern entscheidend zu verbessern. Bisher seien die Gesetze in diesem Bereich vor allem
eines - einseitig arbeitgeberfreundlich.


http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/2011087/



Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

Eivisskat

Hier stehen - bei der Kälte - auch schon wieder ganze Pulks kleiner, alter Wohnwagen um die dicken Höfe der Spargelbauern und viele kleine Menschlein auf den eiskalten Feldern, die den ganzen Tag gebückt in der Erde wühlen.

Ist schon irgendwie ganz krass, was diese Menschen auf sich nehmen, damit die (fetten) Deutschen nicht auf ihren Spargel -  und der Landwirt nicht auf seine Einnahmen - verzichten müssen.

???

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