Gerichtshof schützt Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern

Begonnen von Ratrace, 11:05:09 Do. 21.Juli 2011

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Ratrace

ZitatGerichtshof schützt Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern
Darf ein Arbeitnehmer über Missstände im Unternehmen öffentlich aufmerksam machen? Einer Berliner Altenpflegerin war deswegen fristlos gekündigt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht spricht ihr jetzt eine Entschädigung zu.

21. Juli 2011

Die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen der Veröffentlichung von Missständen bei ihrem Arbeitgeber verstößt gegen die Menschenrechtskonvention. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem am Donnerstag verkündeten Urteil. Die Straßburger Richter schützen damit sogenannte ,,Whistleblower"-Arbeitnehmer, die auf Missstände in Unternehmen oder Institutionen öffentlich aufmerksam machen.

Im konkreten Fall hatte die Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch ihren Arbeitgeber, den Klinikbetreiber Vivantes, des Betrugs beschuldigt. Vivantes habe zu wenig Personal und sei deshalb nicht in der Lage, die Bewohner eines Pflegeheims ausreichend zu versorgen. Daraufhin war die Altenpflegerin fristlos gekündigt worden.

Die deutschen Gerichte bestätigten die Kündigung. Der EGMR sieht darin eine Verletzung der Meinungsfreiheit und sprach der Pflegerin eine Entschädigung von insgesamt 15.000 Euro zu.
http://www.faz.net/artikel/C31328/whistleblower-gerichtshof-schuetzt-meinungsfreiheit-von-arbeitnehmern-30469774.html
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Patrik

Das gibt Hoffnung

Dieses Urteil. Der UN Bericht der Deutschland wegen seiner unsozialen Politik rügt.

Irgendwie wird es immer mehr. Langsam müsste mal den wieder Wörter wie "Unrechtsstaat" oder "Korruption" wieder verstärkt benutzen. Denn das deutsche Gerichte nicht sehen das da ein Grundrecht verletzt worden ist, muss denen doch offensichtlich gewesen sein.

Auferstanden

dieses positive (Einzel)urteil ist aber ezugleich erschreckende Bilanz der deutschen
Rechtsaufassung unter der aktuellen Arbeitsgesetzgebung.
Wie korrumpiert kann eine Gesetzeshaltung sein, wenn ein AN nachweisbare Missstände
offenlegt und dafür eine fristlose Kündigung erfährt?
Der Europäische Gerichtshof hat zu recht wider der deutschen Sklavengesetzgebung
handelnd einschreiten müssen.

Man kann für die Zukunft nur hoffen, dass über Deutschland hinaus, -demokratische
Gesetzeskonstrukte in diesem Land Einzug halten.
Von Deutschland / Gesellschaft selbst ist dies scheinbar nicht zu erwarten...

MizuNoOto

Der nationale Rechtsweg gegen das Urteil war ausgeschöpft. Auch das BVerfG hat eine Beschwerde abgelehnt.

ZitatArbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat der Bundesregierung nahegelegt, gegen das Straßburger Urteil zur Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern vorzugehen.
SZ

CubanNecktie

So, dann wünsche ich dem Herrn Hundt eine angemessene Pflege in einem Vivantis-Altersheim - wenn er pflegebedürftig wird.
Vorstellungsgespräch bei einer Leihbude?
ZAF Fragebogen
Passwort: chefduzen.de

Auferstanden

...zitierend: ""nach den Worten des Präsidenten der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA)
dürfen Mitarbeiter mögliche Missstände nicht gleich an die Öffentlichkeit tragen. «Das würde den Pflichten zur
gegenseitigen Rücksichtnahme innerhalb eines Betriebes eindeutig widersprechen.»
Die Klärung solcher Vorgänge innerhalb des Unternehmens müsse «in jedem Fall Priorität haben», so Hundt.""

Genau mit solch einer Aufassung und Geisteshaltung darf man die aktuelle deutsche Demokratie erleben.
Wie schon beschrieben, von Deutschland ist eine Demokratisierung nicht zu erwarten und wird von "außerhalb"
Einzug halten müssen.

Ziggy

Daß der Hundt ein solcher ist, ist unstrittig. Dennoch rate ich, mal auf dem Teppich zu bleiben, und "Meinungsfreiheit" ist sowieso der falsche Terminus.

Im konkreten Fall - der mir aber nicht näher bekannt ist, daher unterstelle ich einfach mal - hat sicher die Arbeitnehmerin die Mißstände intern angesprochen, und als sie kein Gehör fand, ist sie an die Öffentlichkeit gegangen, aber nicht mit ihrer Meinung, wie das Urteil suggeriert, sondern sie hat Fakten benannt, und da das ihrem Boss nicht gepasst hat, wollte er sie loswerden. Und sowas muß klar unterbunden werden, ist klar.

Grundsätzlich sind Firmeninternas vertraulich - und zwar zu Recht! -, und wenn jetzt jemand denkt, er könne wahllos in der Öffentlichkeit über seinen Betrieb herziehen, ohne dafür belangt zu werde, ist das ein Trugschluß.

Gibt es Mißstände im Betrieb, die intern nicht zu klären sind, und noch dazu von öffentlichem Interesse - und da gehört ein Altenheim sicher dazu -, hat man aber die Pflicht, das bekannt zu machen.

Aber sonst: Immer schön langsam und mit Bedacht, Herrschaften.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

Sir Vival

Zitat von: Auferstanden am 07:28:38 Fr. 22.Juli 2011
..................Wie korrumpiert kann eine Gesetzeshaltung sein, wenn ein AN nachweisbare Missstände
offenlegt und dafür eine fristlose Kündigung erfährt?..........................

Naja, ich habe es sozusagen "rückwärts" erlebt. Fristlose Kündigung bekommen, die dann abgeschmettert und einfach in eine fristgerechte geändert wurde. Da wurde gar nicht nachgehakt, was denn überhaupt vorgefallen war und was der Grund war. Ich habe dann die Missstände (eklatante Arbeitsschutzgesetzesverletzungen, VWL-Versicherungsbetrug, Schwarzarbeit, usw.) angezeigt und alles versucht, dies bei und nach der Gerichtsverhandlung offenzulegen und bin gegen eine Justiz-Granitwand gelaufen. Niemand wollte nur ansatzweise etwas davon wissen.
Kein Gewerbeaufsichtsamt für Arbeitsschutz, keine BG (ist ja klar), kein Zoll (wg. Schwarzarbeit) usw.
Nichtmal meine über 100 Überstunden (schriftl. Beweis + Stechuhr!) bekam ich bezahlt. Das ist pure Ausbeutung made by "German Rights".

Also, dieses "neue" Urteil, das die Rechte deutscher AN stärken soll (ich lache mich schepp), ist wieder mal der Beweis, wie offen man das sehen kann. Ist ja auch wieder dehnbar, oder? Keine fristlose Entlassung..........dafür aber die fristgerechte später oder die fristlose nach erfundenen Gründen (siehe Fettschwartenanwalt Naujoks).
Der EIGENTLICHE Grund, waum sowas überhaupt passiert (die Missstände) wird gar nicht verfolgt. Glaubt mir, da passiert nix!
Es tofft viel Spass in Steckifee.........

MizuNoOto

Ziggy hat Recht, es geht nicht um Meinungsfreiheit, sondern darum, Missstände bei den zuständigen Behörden anzuzeigen zu dürfen.
Hätte der EuGHMR nicht entschieden, hätte jeder angestellte Straftäter eine Generalentschuldigung gehabt.  Dass deutsche Richter den Kadavergehorsam über law and order stellen, hätte ich nicht gedacht.

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