Berlin: Gegen Ausbeutung in Spätverkäufen

Begonnen von xyu, 12:33:14 Do. 11.August 2011

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xyu

(Quelle: http://de.indymedia.org/2011/08/313780.shtml )

Gegen Ausbeutung in Spätverkäufen
Einige Gewerkschafter_innen und Kolleg_innen 11.08.2011 03:14 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Viele Beschäftigte im Handel sind mit Dumpinglohn, langen Arbeitszeiten und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert. Wir machen einen konkreten Fall in Berlin-Friedrichshain öffentlich, wo sich ein Kollege gegen die Bedingungen gewehrt hat und gekündigt wurde. Aber damit ist sein Widerstand und unsere Unterstützung nicht zu Ende....
Viele Bewohner_innen von Szenekiezen und damit auch viele Linke frequentieren kleine "Spätverkaufläden", die auch an Sonntagen und fast rund um die Uhr geöffnet haben. Wer so einen Laden um die Ecke hat, gibt zwar etwas mehr Geld aus, muss sich aber um einen gefüllten Kühlschrank keinen Kopf machen. Das ist bequem.

Weniger bequem und auch kaum bekannt sind die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten.
Wir möchten hier den Fall unseres Freundes und Kollegen schildern. Dieser dürfte noch nicht einmal die schlechte Trendspitze des Eisbergs informeller Arbeitsverhältnisse im Kleinhandel darstellen, aber umso mehr exemplarisch sein.
Unser Kollege von uns arbeitete über 2 Jahre in einem Spätkauf in der Samariterstr. 3 in Berlin Friedrichshain. Er hat eine kaufmännische Ausbildung und bezog als Langzeiterwerbsloser ALG II.. Über Bekannte erfuhr er, dass der Inhaber, Herr Saeed, eine Arbeitskraft sucht. Gut, mensch soll sich ja bewerben...

Minijob mit 60 Stunden Woche

Er stellte sich vor und es wurde vereinbart, dass er einen Minijob bekommt, der mit 120 Euro im Monat vergütet wird und damit auf ALG II nicht angerechnet.
Soweit, so legal-- ein Minijob soll wie der Name sagt zeitbegrenzt sein, Jedoch verlangte der Chef, dass unser Kollege viel länger bleibt, nämlich 6 Tage die Woche bis zu 10 Stunden täglich! Es gab in dieser Zeit keine Pause, dass heißt unser Kollege musste während der Arbeit essen. In Einzelfällen konnte auch mal ein Tag Pause gemacht werden, oder abgelaufene Getränke mitgenommen...sogar Flyer ausgelegt...
Eine solche "Großzügigkeit", die psychologisch als vermeintlicher wechselseitiger Vorteil wirken soll, ist jedoch mehr als zynisch. Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden sind gesetzlich untersagt, und umgerechnet beläuft sich der "Minijob" auf ca. 1,50 Euro bei Vollzeitbeschäftigung. Doch was sollte unser Kollege machen ? Wer am Existenzminimum lebt, braucht die zusätzlichen 120 Euro, egal wie.
Also zeigte er die illegalen Arbeitsbedingungen nicht an, wie die meisten, die ihnen unterworfen sind.

Doch irgendwann ist das Maß voll. Im Laden befanden sich schon die ganze Zeit Überwachungskameras. Hm, das verursacht ein doofes Gefühl, aber solange es gegen Überfälle geht, mag die Maßnahme ja akzeptabel sein. Jedoch wurde die Anlage eines Tages so verändert, dass nur noch ein Kamerabild auf dem Überwachungsmonitor zu sehen war- mit vollem Blick auf die Kasse bzw. unseren kassierenden Kollegen..
So als mutmaßlicher Dieb stigmatisiert, forderte er seinen Chef auf, die Kamera zu entfernen. Der Chef reagierte mit der Aufforderung, nicht mehr zu kommen- und schickte ihm eine Kündigung angeblich "auf eigenen Wunsch".

Ein solcher Schrieb hat jedoch im Unterschied zu einer regulären Kündigung in der Regel eine dreimonatige Sperrfrist beim Jobcenter zur Folge. Dass bedeutet für unseren Kollegen Sanktionen im Rahmen des Hartz IV-Regimes in Form von Kürzungen der Gelder, die sowieso schon unter dem Existenzminimum liegen.

Wir- die Schreiber_innen dieses Artikels- sind Gewerkschaftsaktivist_innen. Wir gehen davon aus, dass der Chef mit Absicht eine unserem Kollegen diskreditierende Kündigung wählte, da er bereits vorher bei der Arbeit nicht alles gefallen ließ und auch weitere Arbeitskolleg_innen dazu ermunterte. .
Pragmatisch, wie wir als Menschen der Jetztzeit sozialisiert sind, suchten wir am 9.8. Herrn Said in einen weiteren seiner Läden in der Frankfurter Allee 51 in Berlin-Friedrichshain auf. Dort stellten wir ihn zur Rede und verlangten, dass er eine für unseren Kollegen repressionsfreie Kündigung aus betrieblichen Gründen ausstellt, da dieser lediglich verlangt hatte, dass die ihm auf die Finger schauende Kamera so nicht installiert wird.
Naiverweise dachten wir, Herr Saeed könnte selbst daran Interesse haben, dass unser Kollege seinen Job ohne Sanktionen vom Jobcenter beenden kann. . Schließlich hat er ihn unter Ausnutzung einer Notlage massiv ausgebeutet, dass massives Lohndumping begangen wird , welches auch gegen Gesetzesnormen dieser kapitalistischen Gesellschaft (Sittenwidrigkeit) verstößt.

Herr Saeed dachte jedoch nicht an eine gütliche Einigung, sondern verwies uns unter völlig irrelevanten Anschuldigungen gegen unseren Kollegen barsch des Ladens, meinte, alles möge über Anwälte laufen. Auch ein letztlicher Hinweis, dass wir auch Öffentlichkeit herstellen könnten, stieß auf taube Ohren.

Daher wird er im für soziale Konflikte sensiblen Bezirk Berlin-Friedrichshain mit beidem leben müssen.

Wir wissen, dass das Verhalten von Herrn Saeed kein Ausnahmefall ist. In früheren Situationen betonte er schon mal, er wäre für die Bezahlung unseres Freundes gar nicht zuständig , das ALG II sei ja auch Lohn. Also Bürgergeld auf illegal-ultraneoliberal durch die dreiste kalte Küche ? Zumindest korrenspondiert sein Alltagsbewusstsein mit den entsprechenden Diskursen. Da Strukturen/Diskurse jedoch nie ohne Träger_innen funktionieren, sehen wir hier zumindest einen konkreten Ansatz, gegen die Ultra-Ausbeutung im prekären Bereich Farbe zu bekennen und bitten um dementsprechende Verbreitung dieses Textes.

Nur die bewusste Herstellung der Solidarität zwischen den in prekäre Verhältnisse Gestoßenen und der ganzen Arbeiter_innenklasse kann der Ausbeutung und Kapitalverwertung Grenzen setzen.

Judy

Ist ein Minijob nicht auf max 15 Wochenstunden begrenzt, da ansonsten versicherungpflichtig, wenn mehr Zeit gearbeitet wird?

eichkatz

Wenn ich auf dem aktuellen Stand bin, ist die Höchststundenzahl/Woche für Minijobs 2003 weggefallen. Nur noch der Lohn muss "geringfügig" sein. Lohnwucher und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bleiben natürlich. Am erschreckendsten an derErzählung fand ich ja, dass der Darstellung nach bis zum Vorfall mit der Kamera dieses Beschäftigungsverhältnis für beide Seiten offensichtlich normal war.

Auferstanden

nicht umsonst sind die hier schon angesprochenen Grenzstunden pro Woche liquidiert worden,
um eben Lohnwucher bewusst zu fördern, sprich zu ermöglichen.
Und so gesehen kann der immer noch bestehende Passus des Lohnwuchers über branchenübergreifende Absenkung
aller Löhne/ Gehälter umschifft werden.

Sklavenstaat 2011

Sir Vival

Passt ja gut zu der Stellenanzeige, die ich gestern in unserer Samstagszeitung fand:

"Suchen Auslieferungsfahrer (bis 7,5t) für Vollzeit auf geringfügig angestellter Basis"


Hallo? Geht´s noch?
Ich dachte erst, es war ein Druck-/Schreibfehler.
Es tofft viel Spass in Steckifee.........

Judy

Nö, glaub ich nicht, mir wurde sowas Ähnliches von der AWO auch mal angeboten, ich hab zwar nur das Arbeitspensum genannt gekriegt, aber wenn ich die Alterchen ordnungsgemäß versorgt hätte, dann wär der 400-Euro-Job zeitmäßig auf eine Vollzeitstelle rausgelaufen. Das hat er dann auch eingesehen, und mir das Ganze als EEJ angeboten. Dann meinte er noch, ich müsste alle meine Zeugnisse etc anschleppen, damit er auch nachgucken kann, ob ich irgendwelche Lücken oder Nachteiliges im Lebenslauf habe, ich meinte dann nur, dass ich keinen Eurojob haben will und tschüs. Der meinte echt, ich sollte den noch anbetteln und zittern und beben, ob ich auch ja in seinen Augen würdig genug bin das Ganze als EEJ zu kriegen, wo ich den Job noch nicht mal als 400-Euro-Job genommen hätte. Für sowas nehmen die eh nur Ehefrauen, oder jemand mit verdienendem Lebenspartner. Die spinnen doch langsam wirklich.

Dearhunter

Wir sind uns einig, dass sowas sittenwirdig ist .. zwar ist die genaue Stundenzahl wirklcih weggefallen, aber ergibt eben neben einer vergrößerten Grauzone immer noch vollständiges Lohndumping und Sittenwidrigkeit.

Zum Fall im Eingangsbeitrag ist aber TROTZ Sittenwidrigkeit und Strafbarkeit auf Seiten des Arbeitgebers dennoch festzuhalten, dass der Betroffene (leider) nicht sanktionlos davonkommt. Dabei geht es nicht mal nur um die Kündigung an sich, die eine Sperre verurschen kann. Das ist nur ein Aspekt.

Es geht um die Mitwirkungspflicht des Betroffenen ... wenn er einen Job mit mehr als 20 Stunden pro Woche ausübt, steht er dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. In diesem Fall wäre er Aufstocker, es käme zwar dasselbe Geld dabei raus, aber er hätte es melden müssen, es hätte neu berechnet werden müssen.

Hört sich blöd an, ist aber so .. das ist meldepflichtig. Da er das nicht gemeldet hat (oder NUR den Verdienst, nicht die Arbeitszeit), kann er schon deswegen santioniert werden, so kann das JC das auch noch sehen, unabhängig von der Kündigung.

Der Chef dürfte das wissen ... drum ist er nicht einsichtig.


DH

schwarzrot

Zitat von: Dearhunter am 18:13:27 So. 11.September 2011
Es geht um die Mitwirkungspflicht des Betroffenen ... wenn er einen Job mit mehr als 20 Stunden pro Woche ausübt, steht er dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. In diesem Fall wäre er Aufstocker, es käme zwar dasselbe Geld dabei raus, aber er hätte es melden müssen, es hätte neu berechnet werden müssen.

Hört sich blöd an, ist aber so .. das ist meldepflichtig. Da er das nicht gemeldet hat (oder NUR den Verdienst, nicht die Arbeitszeit), kann er schon deswegen santioniert werden, so kann das JC das auch noch sehen, unabhängig von der Kündigung.

Der Chef dürfte das wissen ... drum ist er nicht einsichtig.
Naja, ich weiss nicht, ob da ein gericht nicht milderne umstände gelten lassen würde/zusätzliche sanktionen kassiert. Der 'chef'/ausbeuter hat ja mit der notlage des betroffenen mies klavier gespielt. Und das ist fast immer der fall, wenn es um sittenwidrige beschäftigung geht. (macht mensch nur aus notlagen heraus)
Ich würde daher nicht noch zusätzliche sanktionsmöglichkeiten sehen wollen.
Wenn das 'JC' in so einem fall auch noch, den ohnehin sittenwidrig beschissenen, noch einen drauf gibt, zeigen sie mal wieder ganz besonderes fingerspitzengefühl.
Zum glück ist es wahrscheinlich, dass der betroffene und seine gewerkschaft das genau so öffentlich machen würden.
Und bei den schweinereien der 'JC's finden wir fast immer ein merkmal: Nur keine öffentlichkeit.  :(
"In der bürgerlichen Gesellschaft kriegen manche Gruppen dick in die Fresse. Damit aber nicht genug, man wirft ihnen auch noch vor, dass ihr Gesicht hässlich sei." aus: Mizu no Oto

Wieder aktuell: Bertolt Brecht

xyu

Ca. 60 Teilnehmer_innen beteiligten sich am 18.10. in Berlin-Friedrichshain an der Kreuzung Samariterstraße/Frankfurter Allee an einer Solikundgebung mit einem Minijobber.
Der Kollege hat ganz in der Nähe in einen Mumbai-Corner in der Samariterstraße 3 auf Basis eines Minijobvertrages gearbeitet und wurde auch so bezahlt. Real gearbeitet aber habe er meist 60 Stunden in der Woche, wie er berichtete. Weil er sich die Arbeitsbedingungen nicht mehr gefallen lassen wollte, wurde er gekündigt. Jetzt kämpft er um den ausstehenden Lohn. Mit seinen Anwalt Klaus Stähle, der auf der Kundgebung kurz auf das juristische Prozedere erläuterte, klagt er den Lohn ein. Gewerkschaftliche Unterstützung holt er sich von der Freien Arbeiter_innenunion (FAU), die auch die Kundgebung organisiert hat. Sie wurde unterstützt von den Internationalen Kommunist_innen sowie solidarischen Nachbar_innen und Künstler_innen.
Die Kundgebung war Teil einer Organisierung von Solidarität im Stadtteil, wie der Redner der Internationalen Kommunist_innen (www.interkomm.tk) erklärte. In Branchen, wo ein gewerkschaftlicher Widerstand schwierig ist, kann die Unterstützung durch solidarische Kund_innen und Nachbar_innen eine wichtige Solidaritätsarbeit sein. Einige waren auf der Kundgebung und haben auch erklärt, dass ihnen nicht egal ist, wie die Lohnabhängigen behandelt werden, egal ob in Spätkaufs, Bioläden oder Lidl. Erinnert wurde daran, dass die Spätkaufs eben nur ein Teil der Ausbeutungskette im Handel ist. Wo schon Gratisarbeit, die Probezeit genannt wird, in Plusmärkten oder Schuften von 3 bis 6 Uhr nachts auf Hartz IV-Basis die Regel ist, muss es nicht verwundert, wenn Kolleg_innen hoffen, in Spätkaufläden, wo sie mit dem Chef per du sind, bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Dabei wird schnell klar, dass ihre Verantwortung vielleicht steigt, nicht aber ihr Lohn.


Repression gegen kritische Medien


Ein Verantwortlicher der Trend-Online-Zeitung berichtete über Repressalien, die er erhielt, weil er einen Bericht von Kolleg_innen dokumentierte, die sich mit den Kampf des Spätkauf-Beschäftigten solidarisierte. Der Anwalt des Bosses behauptet, die Angaben würde nicht stimmen, verlangt die Herausgabe der Namen der Verfasser_innen und eine Entfernung des Artikels. Zudem soll der Verantwortliche des Online-Magazins 800 Euro nur dafür bezahlen, dass ein Rechtsanwalt dieses Brief geschrieben hat. Trend-Online lehnte die Unterwerfung ab, zumal der Kollege die Richtigkeit des Berichts bestätigte. Trotzdem stehen Anwaltskosten an. Daher sind Spenden weiter dringend willkommen.
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Spendengelder:
Karl-Heinz Schubert
Berliner Volksbank
BLZ 100 900 00
Kto-Nr.: 711 6888 003

Die Spendengelder, die die Kosten des Verfahrens übersteigen, d.h. nicht verbraucht werden, werden entweder der FAU zugeführt, die KollegInnen aus dem Spätverkauf Rechtsschutz gewährt, oder - falls dort nicht gebraucht - der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt übergeben.

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Auch Labournet wurde wegen einer Verlinkung des Berichts der Kolleg_innen juristisch belangt. Damit bestätigt sich wieder einmal, über Ausbeutungsverhältnisse soll geschwiegen werden, damit andere Kolleg_innen erst gar nicht auf die Gedanken kommen, sich auch zu wehren. Das zeigte sich auch, als Unterstützer_innen des Spätkaufkollegen aus der Nachbarschaft mit Plakaten auf seinen Kampf und die Ausbeutung um die Ecke aufmerksam machen. Innerhalb weniger Stunden waren sämtliche Plakate entweder abgerissen oder zerkratzt und das im Umkreis von fast 2 Kilometern. Allerdings wurden auch Flyer in viele Briefkästen der Umgebung des Ladens verteilt und die Resonanz zeigte, dass mit diesen Zensurversuchen die Informationen über die Ausbeutung und den Widerstand dagegen nicht zum Schweigen zu bringen ist. Deshalb war es interessant zu sehen, dass an dem Tag der Kundgebung der Mumbai-Corner und ein weiterer Laden des Bosses um die Ecke geschlossen hatten. Es haben wohl zu viele Nachbar_innen nach den Arbeitsbedingungen gefragt. Diese Gelegenheit gibt es aber auch noch später.

Künstler_innen zeigen sich solidarisch

Besonders gefreut haben sich der Kollege und die Unterstützer_innen über eine Solidaritätsgeste des Liedermachers Detlef K. Er dichtete einen Solidaritätssong mit den Kollegen und sorgte auf der Kundgebung mit weiteren Einlagen aus der Arbeiter_innen- und Solidaritätsbewegung für gute Stimmung und erhielt dafür viel Applaus.
Ein Genosse der FAU betonte noch einmal, dass Arbeitsbedingungen, wie sie der Spätkaufkollege erlebt und erlitten hat, sicher häufig sind, auch in Berlin-Friedrichshain. Selten aber ist es bisher noch, dass sich Kolleg_innen dagegen wehren. Daher soll mit der Kundgebung auch anderen Lohnabhängigen Mut gemacht werden. Blickt auf Euren Lohnzettel und guckt Euch an, wie viel und wie lange ihr arbeiten müsst. Wenn ihr Euch gegen Arbeitsbedingungen wehren wollt, sprecht mit Kolleg_innen, mit Kund_innen und Nachbar_innen, macht die Zustände öffentlich. Geht zu der Gewerkschaft Eurer Wahl, um Euch beraten und unterstützen zu lassen. Denkt nicht von vornherein, dass Widerstand zwecklos ist. Denkt an Emmely, die Kaiser's- Kassiererin, die aktive Gewerkschafterin sollte mit dem Vorwand 1,30 Euro Flaschenpfand unterschlagen zu haben, gekündigt werden. Mit Unterstützung einer Solidaritätsgruppe wurde ihr Fall bundesweit bekannt und schließlich war ihr Kampf erfolgreich. Ihr Kampf hat wiederum andere inspiriert, auch unseren Kollegen und sein Beispiel kann wiederum viele andere motivieren, sich zu wehren.

Wie weiter?
Mit der Plakat- und Flyeraktion und der Kundgebung wurde die erste Etappe im Kampf um die Rechte des Kollegen abgeschlossen. Am kommenden Donnerstag gibt es einen Gütetermin vor dem Arbeitsgericht. Vom Ausgang des Verfahrens wird es abhängen, ob der Druck und die Solidaritätsarbeit erhöht werden muss. Wir halten Euch auf dem Laufenden.


  http://www.fau.org/artikel/art_110923-124300

Quelle: http://de.indymedia.org/2011/10/318296.shtml

xyu

http://de.indymedia.org/2011/12/322184.shtml

ZitatAm 20. Dezember 2011 einigten sich die Parteien in
der Lohnklage von Daniel Reilig[fn:1] gegen den Besitzer des
Spätkaufs "Mumbai Corner in Berlin-Friedrichshain,
d. h. die Kammer musste kein Urteil sprechen. Über den Fall
wurde auch auf Indymedia ( http://de.indymedia.org/2011/12/322010.shtml) schon mehrfach berichtet.
Daher nur kurz zur Vorgeschichte:
Die streitenden Parteien hatten einen Vertrag
geschlossen, der für 25 Stunden Arbeit pro Monat[fn:3] eine
Entlohnung von 120,- EUR pro Monat vorsah (= 4,80 EUR /
Stunde). Das Arbeitsverhältnis bestand so 2 3/4 Jahre. In
der Lohnklage vertritt Daniel Reilig, er habe aber tatsächlich
rund 60 Stunden pro Woche gearbeitet (~= 50 Cent / Stunde).
Der Spätkaufbesitzer widerspricht dieser Behauptung
selbstverständlich.

Nachdem sich die Parteien im Vorfeld bereits auf die Höhe einer
Zahlung des Spätkaufbesitzers an seinen ehemaligen Beschäftigten
geeinigt hatten, ging es in dem Tauziehen vor Gericht um die
Frage, ob Daniel Reilig eine Bürgschaft für die in Ratenzahlungen
verlangen könne. Gerade der Prozesskostenhilfeantrag des
Arbeitgebers machte aber auch dem Richter deutlich, dass die
Angst, am Ende könnten die Zahlungen nicht eintreibbar sein,
begründet sind. Als Kompromiss kam dann statt der Bürgschaft
eine Einmalzahlung in Höhe eines Viertels der Gesamtsumme heraus
und dadurch verringerte Ratenzahlungen.

Weitere Punkte der Einigung umfassen ein Zeugnis, an dessen
Formulierungen die Rechtsanwältin des Spätkaufbesitzers bis ins
Detail herumfeilschte, offenbar um zu vermeiden, dass aus dem
Zeugnis deutlich wird, wie lang die geleistete Arbeitszeit
tatsächlich war.

Daneben umfasst die Einigung die üblichen Punkte, mit der
Einigung auf alle gegenseitigen Ansprüche zu verzichten und
-- in diesem Fall besonders: -- der Spätkaufbesitzer nimmt alle
Strafanzeigen zurück, die er im Laufe der letzten Monate
u. a. gegen Daniel Reilig und Personen, die für ihn als Zeugen
aussagten, gestellt hatte.

Widerstand auch in schwer organisierbaren Branchen möglich

Für die FAU Berlin und die Gruppe Internationale Kommunist_innen,
die den Fall öffentlich gemacht haben, ist der Ausgang des Verfahrens ein politischer Erfolg. Auch in schwer organisierbaren Branchen, wie den Spätkäufen ist Widerstand möglich, erklärte Florian Wegner von der FAU Berlin. Heinz Steinle von den Internationalen Kommunist_innen betont, dass in Lohnverhältnissen, in denen die Kolleg_innen den Laden durch Streiks nicht einfach dicht machen können, neue Formen der Solidarität erprobt werden müssen. Dazu gehört die Stadtteilorganisierung, wo eben Kund_innen, die ja meistens auch Nachbar_innen sind, sich für die Arbeitsbedingungen in den von ihnen bevorzugten Läden interessieren. In dieser Hinsicht wäre gerade im Samariterkiez in Berlin-Friedrichshain, wo es viele ex-besetzte Projekte gibt, noch viel mehr möglich", meinte Steinle. Es ist sicher leichter, abstrakt alles böse irgendwo in der Welt anzuprangern oder die Ausbeutung um die Ecke anzugehen.

Endii

Zitat von: xyu am 12:33:14 Do. 11.August 2011
Er stellte sich vor und es wurde vereinbart, dass er einen Minijob bekommt, der mit 120 Euro im Monat vergütet wird und damit auf ALG II nicht angerechnet.
Soweit, so legal-- ein Minijob soll wie der Name sagt zeitbegrenzt sein, Jedoch verlangte der Chef, dass unser Kollege viel länger bleibt, nämlich 6 Tage die Woche bis zu 10 Stunden täglich! Es gab in dieser Zeit keine Pause, dass heißt unser Kollege musste während der Arbeit essen. In Einzelfällen konnte auch mal ein Tag Pause gemacht werden, oder abgelaufene Getränke mitgenommen...sogar Flyer ausgelegt...
Eine solche "Großzügigkeit", die psychologisch als vermeintlicher wechselseitiger Vorteil wirken soll, ist jedoch mehr als zynisch. Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden sind gesetzlich untersagt, und umgerechnet beläuft sich der "Minijob" auf ca. 1,50 Euro bei Vollzeitbeschäftigung. Doch was sollte unser Kollege machen ? Wer am Existenzminimum lebt, braucht die zusätzlichen 120 Euro, egal wie.
Also zeigte er die illegalen Arbeitsbedingungen nicht an, wie die meisten, die ihnen unterworfen sind
.

Wer sich gegen solche Arbeitsbedingungen nicht direkt wehrt, macht es sich selbst und allen anderen schwer! Und warum man die 120Euro extra unbedingt haben muss, erschließt sich mir auch nicht.


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