Mitarbeiterbeteiligung als verkapptes Ausbeutungsmittel und Finanzgeschäft für Unternehmen

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 23:49:32 Di. 09.Mai 2006

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Wilddieb Stuelpner

Hört sich gut an, daß man als Mitarbeiter am Unternehmensgewinn mit einer kleinen Einlage, die für mindestens 10 Jahre eingefroren wird und Gewinn abwerfen soll, beteilgt wird. Dafür wurden allerdings vorher Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, andere betrieblichen Sozialleistungen gestrichen und Überstunden nicht bezahlt, um diese Mittel durch die eigene Einlage als "Gewinn" selbst statt vom Unternehmer zu finanzieren.

Und für den Unternehmer ist die Mitarbeiterbeteiligung die billigste Kapitalerhöhung als die teuere, kreditabhängige Fremdfinanzierung durch Banken. Die Bank will von Anfang an Ausfallsicherheiten, der Belegschaft geht dieser Seifensieder erst auf, wenn die Firma bereits konkurs ist.

Schön für das Märchen von der wiederaufgewärmten, im gleichen Boot sitzenden Sozialpartnerschaft zwischen Bourgeois und Arbeiter.

Nur wird dabei nicht gesagt, daß
  • die eigene Einlage in den meisten Fällen nicht insolvenzsicher ist und
  • wenn die Firma wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast sitzt, man mit seinen Einlagen haftet und gegenüber Gläubigern eigene Privatmittel noch zusätzlich nachschießen muß.
Dafür hat man den Spaß, sich ein bissel wie ein zigarrenpaffender Fabrikant zu fühlen und die Gewißheit, den Einlagenanteil nicht fürs Alg als Bemessungsgrundlage anerkannt zu bekommen, wenn der Konkurs eintritt. Und als Teilhaber oder nicht stimmberechtigtes Mitglied einer stillen Beteiligung hat man keine Rechte, sondern nur Pflichten. Man beutet sich immer wieder selbst aus, weil man an seinem Arbeitsplatz auf Teufel komm raus spart, Schutz- und Umweltbestimmungen, weil zu teuer, nicht einhält und umsonst noch zusätzliche Stunden schiebt, damit's der Firma gut geht.
Der exemplarische Fall Envron in den USA sollte eigentlich als abschreckendes Beispiel dienen. Nach dieser Riesenpleite war die Einlage der Mitarbeiterbeteiligung, die Gewinnausschüttung, der Arbeitsplatz und die fonds- und pensionsvereinsgestützte Altersabsicherung durch den Schornstein gerauscht.

ARD/SR, Sendung Plusminus: Aktien für Arbeitnehmer

Dienstag, 9. Mai 2006

Die Unternehmen machen Gewinne – dennoch steigen die Löhne kaum. Nur Arbeitnehmer, die einen Teil ihres Lohns in Firmenanteile oder Aktien gesteckt haben, profitieren von dem derzeitigen Wirtschaftsboom. Bisher praktizieren jedoch nur wenige Betriebe die "Mitarbeiterbeteiligung". Das will die Bundesregierung ändern. [plusminus zeigt Chancen und Risiken für die Beschäftigten.

Freiwillige Gewinnbeteiligung

Seit 1984 gehört Heidi H. zur Stammbelegschaft der Ottweiler Druckerei. Die Arbeit hat ihr immer Spaß gemacht. Eine zusätzliche Motivation hat sie nie gebraucht – und doch: Als die Geschäftsleitung vor vier Jahren für alle Mitarbeiter eine Gewinnbeteiligung einführte, hat auch sie sich gefreut:

"Ich finde, das ist ja auch ein Lob an die Mitarbeiter, weil sonst würde es die Geschäftsleitung ja gar nicht machen."

Die Druckerei schreibt schwarze Zahlen. Das ist auch ein Verdienst der Belegschaft, findet die Geschäftsleitung. Deshalb hat sie die 140 Mitarbeiter finanziell am Erfolg beteiligt – im Durchschnitt mit rund 1000 Euro pro Jahr und Nase. Davon wurde jeweils die Hälfte ausgezahlt. Die andere Hälfte bleibt im Betrieb und liegt zehn Jahre fest – als Mitarbeiter-Guthaben.

Und obwohl darauf vier Prozent Zinsen pro Jahr gezahlt werden, rechnet sich das Ganze auch für das Unternehmen, stellt Petra Krenn-Paul, die Geschäftsführerin der Ottweiler Druckerei, fest:

"Das führt natürlich dazu, dass sie dann noch motivierter sind, an den gemeinsamen Unternehmenszielen mitzuarbeiten – und noch motivierter sind, noch kostenbewusster zu sein - und noch kundenorientierter zu sein."

Ein Blick auf die Historie

Aber solche Fälle sind sehr selten. In gerade mal 3600 deutschen Unternehmen sind die Mitarbeiter beteiligt. Damit ist Deutschland nach wie vor ein echtes Entwicklungland.

Dabei wären viele bereit, mitzumachen, wie ein kleine Straßenumfrage beweist:
  • "Wenn ich davon Vorteile hätte – klar, warum nicht?"
  • "Wenn's ihm gut geht, geht's mir ja auch gut."
  • "Wenn ich dort arbeite, sehe ich ja, ob's läuft oder nicht. Wenn's schlecht läuft, geh' ich da nicht rein."
  • "Wenn dadurch die Arbeitsplätze mehr gesichert werden, würde ich das machen."
Die Idee einer "Gesellschaft von Teilhabern" ist so alt wie die Bundesrepublik. Doch gegen Kanzler Adenauer konnte sich Wirtschaftsminister Erhard seinerzeit nicht durchsetzen. Der Staat unterstützt seither Arbeitnehmer, die vermögenswirksam sparen - nicht aber die, die sich an ihrem Unternehmen beteiligen.
Risiken ernst nehmen

Denn die Mitarbeiterbeteiligung hat auch Grenzen – und sie birgt Gefahren, wie sich in den USA gezeigt hat.

Beispiel Enron: Als das Unternehmen 2001 zusammenbrach, verloren über 4000 Mitarbeiter nicht nur ihren Job, auch ihre Pensionsgelder waren vernichtet - 70 Milliarden Dollar über Nacht verschwunden.

Vorsorge für den Fall der Fälle

Da ist Johannes K. optimistischer. Nach seinem Studium hatte er vor zehn Jahren bei einem Berliner Unternehmen für Trockenausbau angefangen. Um ihn zu halten, hat man ihm nun angeboten, sich mit fünf Prozent an der Firma zu beteiligen. Klemm griff sofort zu – und nahm dafür sogar einen Kredit auf. Für Johannes K. steht fest:

"Für mich ist diese Beteiligung eine Chance, Unternehmer zu werden. Mit einem fixierten Kapitaleinsatz beteiligt zu sein an einer Firma, der ich vertraue und die ich gut kenne."

Das hoch spezialisierte Unternehmen Mänz und Krauss hat bislang alle Untiefen der Baukrise gut überstanden. Damit das so bleibt, sollen im Herbst alle 50 Mitarbeiter die Chance bekommen, sich über eine stille Gesellschaft an dem Unternehmen zu beteiligen. Um die Ersparnisse der Mitarbeiter für den Fall der Fälle abzusichern, schließt die Geschäftsleitung eine Insolvenzversicherung ab - bei der Bürgschaftsbank Berlin. Doch bisher ist das nur in Berlin und Thüringen überhaupt möglich.

Der geschäftsführenden Gesellschafter der Mänz und Krauss GmbH, Thorsten Krauss, will das Geld seiner Mitarbeiter gesichert wissen:

"Ich denke, dass Mitarbeiter, die mit einem so geringen Anteil oder relativ geringen Anteil beteiligt sind, nicht komplett in das Risiko genommen werden können. Das Mittel der Insolvenzabsicherung halte ich dort für sehr, sehr gut. Insgesamt gesehen, in der 'long Range', rechnet sich das gesamte Programm für uns."

Was will die Politik?

Dass die Mitarbeiterbeteiligung politische Unterstützung braucht, darüber sind sich die Berliner Parteien einig. Doch die Stiegler-Kommission der SPD fordert Mitspracherechte für die beteiligten Arbeitnehmer und eine Insolvenzsicherung. Die kommt aber für die Laumann-Kommission der CDU nicht in Frage.

Außerdem sei für eine staatliche Förderung kein Geld da, meint Karl-Josef Laumann, der Vorsitzende der CDU-Kommission Mitarbeiterbeteiligung und Sozialminister von Nordrhein-Westfalen:

"Wir leben ja nicht in einer Zeit, wo wir ein solches Modell mit riesen staatlichen Subventionen anschieben können. Ich bin sehr froh, wenn die Unternehmen, die sich eine Beteiligung der Arbeitnehmer vorstellen können, das in Deutschland mehr machen – dass wir dort Impulse setzen, dass wir es einfacher machen. Wer das nicht will, den werden wir dazu auch nicht zwingen können."

(Anmerkung: Aber für Unternehmer werden staatliche Förderprogramme, Steuer- und Beitragsgeschenke, Subventionen und Zuschüsse ohne Gegenleistungen zu erwarten, von der Bundesregierung aufgelegt, Herr Laumann. Das geht völlig problemlos, sie verlogener Drecksack! Wozu etwas für Belegschaften tun, die mit Ihren Lohnsteuern erst die Förderprogramme finanzieren?)

Nicht alles passt auf alle

Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn hat sich intensiv mit der Mitarbeiterbeteiligung beschäftigt. Ergebnis: Eine für alle Betriebe gleiche Regelung wird nicht funktionieren. Mitarbeiterbeteiligung als staatlich geförderte Altersvorsorge ergibt keinen Sinn, meint Dr. Gunter Kayser:

"Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben hier im Grunde genommen nicht das Know-How. Sie haben auch nicht die Stabilität, die erforderlich ist, um ein solches doch komplexes und stark erklärungs- und beratungsbedürftiges Instrument wie die Mitarbeiterbeteiligung überhaupt einführen zu können."

Das nüchterne Fazit

Mitarbeiterbeteiligung wird nur dort funktionieren, wenn es um eine echte Teilhaberschaft geht oder die Firmen freiwillig etwas drauflegen. Dazu dürften aber auch künftig nur die wenigsten bereit sein.

Ein Beitrag von Hans-Reinhard Barth und Jörg Lefèvre

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