Labournet: Arbeitsorganisation - Partizipativer Januskopf

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 16:59:35 Mi. 03.Januar 2007

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Wilddieb Stuelpner

Labournet: XI. Diskussion > Arbeitsalltag: Arbeitsorganisation

29.12.06 | WortLaut
Partizipativer Januskopf
Von Dr. Rolf Geffken

»Zielvereinbarung«, »Partizipatives Management«, »Balanced Scoreboard« – der Trend hat viele Namen. Seit etwa 15 Jahren halten auch in deutschen Betrieben neue Personalmanagement-Systeme Einzug, die darauf zielen, die Kreativität der Arbeiter zu nutzen und ihre Motivation zu steigern. In auf betriebliche Abläufe zugeschnittenen »Qualitätszirkeln« sollen sie selbst herausfinden, was verbessert werden kann.

Solche Konzepte sind janusköpfig. Einerseits tragen sie einer alten Marxschen Erkenntnis Rechnung: dass nämlich die Wertschöpfung durch die Arbeiter erfolgt – und Beschäftigte, die sich mit ihrer Arbeit identifizieren, weil sie mitentscheiden können, besser arbeiten. Gewissermaßen wird die Entfremdung der Arbeit des Einzelnen gemildert. Vielleicht deswegen waren solche Konzepte, die zuerst von Ökonomen der Ohio State University formuliert wurden, im kapitalistischen Teil der Welt lange verpönt. Manchen galten sie gar als »kommunistische Ideologie«.

Doch seit der Staatssozialismus Geschichte ist und die Japaner mit solchen Konzepten Erfolge erringen, sind die Dämme gebrochen. Inzwischen kann man hier zu Lande fast von einer flächendeckenden Verbreitung derartiger Ideen sprechen.

Damit werden aber auch Probleme sichtbar: Die Individualisierung der Arbeitsbeziehungen, die mit solchem Qualitätsmanagement einhergeht, führt auch zu einer Individualisierung in der Wahrnehmung von Rechten. Gerade in Drucksituationen – und diese herrschen heute eigentlich immer – können »Qualitätszirkel« schnell zu Mobbing-Plattformen mutieren. In einer Zeit, in der Arbeitgeber ohnehin auf eine Beschneidung von Gewerkschaftsmacht drängen, wird diese halbe Mitsprache zum Bumerang. Urlaub, persönliche Perspektiven, Qualifikation, Entgelt-Bestandteile: Kaum etwas, was noch nicht – zumindest mancherorts – auf dieser Ebene geregelt würde.

Für Arbeitsrechtler ist dies mehr als dramatisch. Das gesamte Arbeitsrecht, das sich im 20. Jahrhundert in Deutschland herausgebildet hat, basiert nämlich auf kollektiver Interessenvertretung. Sind wir also auf dem Weg ins Jahr 1900?

Es ist löblich, dass Oskar Lafontaine kürzlich den Vorschlag machte, einen Gesetzentwurf gegen die »schleichende Individualisierung von Arbeitnehmerrechten« im Bereich sogenannter Zielvereinbarungen zu entwickeln. Auch die Gewerkschaften sollten sich an der weitereren Diskussion beteiligen.

Der Autor ist Anwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Seine Ausarbeitung zum Thema ist beziehbar unter institut@ICOLAIR.de

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=102654&IDC=42

----------------------------------------

Nicht anderes als das Bismarcksche Prinzip vom Herrschen (der Arbeitgeber und Ausbeuter) und Teilen (Spalten der Beschäftigten).

Solange der AN nicht Produzent und Eigentümer in einer Person ist, solange dient Investivlohn und anderes unternehmerische Kroppzeug nur der Profitmaximierung, der Isolierung jedes Beschäftigten zu seinem Kollegen.

Einen Finger (vereinzelten Kollegen) kann man brechen, eine geschlossene Faust (solidarisch und kollegial handelne Belegschaft mit wirksamer Interessenvertretung) nicht.

  • Chefduzen Spendenbutton