Eine andere Welt ist möglich? Wie sieht sie aus? Wie kommt man dahin?

Begonnen von Kuddel, 15:48:21 Di. 07.März 2023

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Onkel Tom

Na gut.. Ideen, wie man nach der Machtergreifung alles so anstellen könnte,
bleibt für mich Träumerei, da es an Ideen bis zur Machtergreifung gähnende
Leere und Unstimmigkeiten herrscht.. So hauen sich die Leute erst mit den
Bonzen und Cops, kriegen ihr eigenes Überleben nicht geritzt und zum Schluss
freut sich Bonze, das sein Privat-Cop gerade einen Kommunisten erschossen hat.
Träumt weiter von einer besseren Welt, die so ohne weiteres nicht erreichbar
erscheint. Es hält zumindest Motivation und Hoffnung hoch, das sich mal was
ändern könnte.  ::)
Lass Dich nicht verhartzen !

Hanni3

Wenn jeder von uns versucht, es im kleinen Umfeld besser zu machen, hilft das schon.

ICH....will und kann nicht die Welt retten, aber ich kann bissel helfen. Vielleicht machen es mir andere nach, dann ist es halt noch ein Stückerl besser.

Und auch wenn ich jetzt gesteinigt werde, muss ich anmerken, daß theoretische Endlosdiskussionen zwar nett sind, aber es sinniger wäre, sich umzusehen.
Wo Hilfe gebraucht wird. Diese Menschen sind dankbar und auch zu überzeugen.

Leutz, es gibt soooo viele junge, fitte von "uns".
Rausgehen, praktizieren.
Und jetzt flücht ich ;D

Kuddel

Zitat von: schonwiederich am 20:34:23 Do. 30.März 2023Wenn jeder von uns versucht, es im kleinen Umfeld besser zu machen, hilft das schon.

Wie sag ich's nur...

Ich finde, es ist doch selbstverständlich, daß man versucht im Umgang mit anderen Menschen sich vernünftig zu verhalten und im eigenen Umfeld etwas zu verbessern.

Es gibt aber kaum etwas, was ich ekliger finde, als diesen aus den USA hier rübergeschwappten Spruch, man würde mit kleinen Handlungen "the world a better place" machen.

Ich halte das für die totale Verarsche und ich muß mir wohl mal etwas Zeit nehmen, um zu erklären, was ich meine. Ich muß aufpassen, nicht ausfallend zu werden.

Hanni3

Zitat von: Kuddel am 08:24:26 Fr. 31.März 2023
Zitat von: schonwiederich am 20:34:23 Do. 30.März 2023Wenn jeder von uns versucht, es im kleinen Umfeld besser zu machen, hilft das schon.

Wie sag ich's nur...

Ich finde, es ist doch selbstverständlich, daß man versucht im Umgang mit anderen Menschen sich vernünftig zu verhalten und im eigenen Umfeld etwas zu verbessern.

Es gibt aber kaum etwas, was ich ekliger finde, als diesen aus den USA hier rübergeschwappten Spruch, man würde mit kleinen Handlungen "the world a better place" machen.

Ich halte das für die totale Verarsche und ich muß mir wohl mal etwas Zeit nehmen, um zu erklären, was ich meine. Ich muß aufpassen, nicht ausfallend zu werden.

Ich finde Hilfeleistungen nicht (mehr) selbstverständlich, weil ich soviel Egoidioten sehe.
Verarsche ist es nicht, es gibt sehr viel unnützere Dinge, die ich den ganzen Tag machen könnt.

Ja, erklärs,ich will mich gerne drauf einlassen.
Ausfallend werden darfst du auch.
Ich kann das schon ab.

Kuddel

Um es vernünftig zu erklären, brauche ich etwas mehr Zeit. Bitte gib mir ein paar Tage...

Nein, ich würde sicherlich nicht gegen dich ausfallend werden, sondern gegen den blöden Spruch.

Mir geht es ja nicht anders, im Alltag nerven mich Ignoranz und Ellenbogenverhalten meiner werten Mitmenschen.

In den 90ern und Nullerjahren fand ich es so furchtbar, daß scheinbar jeder seinen Egofilm durchgezogen hat und das ganze noch cool fand und mit irgend neoliberalen Sprüchen begründet hat. Jeder ist seines Glückes Schmied und dann der selten bescheuerte Spruch "wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht".

Heute ist es weniger ideologisch. Die Menschen sind zermürbt von den sozial immer schwierigeren Bedingungen, den immer kürzeren und prekäreren Jobs, sie werden immer kaputter und psychisch angegriffener. Ein soziales Verhalten wurde verlernt, Aggro ist verbreitet.

Da komme ich auch nicht klar mit und ziehe mich eher zurück und will niemanden sehen. 

Hanni3

Zitat von: Kuddel am 09:19:48 Fr. 31.März 2023Um es vernünftig zu erklären, brauche ich etwas mehr Zeit. Bitte gib mir ein paar Tage...

Das war kein Befehl. Ich würd nur gern nachvollziehen, was genau du meinst.

ZitatNein, ich würde sicherlich nicht gegen dich ausfallend werden, sondern gegen den blöden Spruch.


Er ist ausgelutscht, schon klar.

Aber die Grundaussage ist nicht falsch.


ZitatHeute ist es weniger ideologisch. Die Menschen sind zermürbt von den sozial immer schwierigeren Bedingungen, den immer kürzeren und prekäreren Jobs, sie werden immer kaputter und psychisch angegriffener. Ein soziales Verhalten wurde verlernt, Aggro ist verbreitet.

Da komme ich auch nicht klar mit und ziehe mich eher zurück und will niemanden sehen. 

Ich versuch, eine Balance zu halten zwischen Welt draußen und Rückzug.
Ich tank bissel Kraft und dann rappel ich mich auf und versuch, da "draußen" was Sinniges zu machen.

Hartzhetzer

ZitatEs gibt aber kaum etwas, was ich ekliger finde, als diesen aus den USA hier rübergeschwappten Spruch, man würde mit kleinen Handlungen "the world a better place" machen.
Dazu gab es im Internet mal einen Interessanten Artikel der in seiner Originalfassung verschwunden ist und in abgeänderter Form inzwischen auf Rubikon zu lesen ist. Zum Glück war ich damals so schlau mir den Artikel auf dem PC zu Sichern und kann ihn jetzt hier veröffentlichen. Er wurde schon einmal in einem anderen Zusammenhang hier im Forum gepostet, ich weiß aber nicht mehr wo und halte es darüber hinaus für angebracht ihn hier noch einmal zu posten da er den Nagel auf den Kopf trifft.
Die meiner Meinung nach wichtigsten Textstellen habe ich unterstrichen.
Vorher noch ein Zitat eines Textes von mir aus einem anderen Beitrag, da es auch mit in die Thematik reinspielt:
ZitatDas ist doch die typische abgehalfterte Strategie des Neoliberalismus.
Jeder Marktteilnehmer von der Bank, über den Konzern, bis hin zur Privatperson wird als eigenständige Mikroökonomische Schwäbische Hausfrau gedacht, deren Wirtschaftliche Handlungen nur auf sie selber Auswirkungen haben. Die Makroökonomischen Auswirkung der Handlungen der anderen Schwäbischen Hausfrauen auf andere Marktteilnehmer, den Staat oder die Gesellschaft im allgemeinen sind NIE die Ursache des Problems, sondern die Ursache liegt immer nur in der Fehlerhaften Mikroökonomischen Reaktion der einzelnen Marktteilnehmer auf die Makroökonomischen Auswirkungen.

ZitatDie Verantwortungslüge
"Große Macht birgt auch große Verantwortung". Wir haben nur die Verantwortung, nicht die Macht
Von Roland Rottenfußer


Im Neoliberalismus wird der schöne Begriff "Verantwortung" missbraucht. Der Einzelne soll durch Konsumentscheidungen auf eigene Kosten das Versagen der Politik korrigieren. Von "Eigenverantwortung" wird immer dann gesprochen, wenn sich die Institutionen aus der Verantwortung zurückziehen. Und wenn sie uns eine Verschlimmerung unserer Situation aufzwingen wollen. Trotzdem gibt es eine wirkliche Verantwortung des Bürgers: Sie besteht darin, die Macht dieser Institutionen zu brechen.

"Ein bisschen Eigenverantwortung finde ich schon richtig", sagte mein Zahnarzt, als er mir die hohe Rechnung präsentierte. Meine Krankenkasse würde davon keinen Cent übernehmen. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Brüderle fordert mehr Eigenverantwortung. Für die Pflegeversicherung solle - wie schon bei der Rente - jeder selbst vorsorgen. Auf dem Arbeitsmarkt gilt ja schon längst: "Fördern und Fordern". Auf eine Sammelklage gegen die zu geringe Höhe des Hartz IV-Satzes, reagierte die Stadt Wiesbaden mit dem Bescheid: "Diese Vorgehensweise entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, die Eigenverantwortung des Leistungsempfängers zu stärken". Die Kläger hatten aber detailliert nachgewiesen, dass sie von dem Geld beim besten Willen nicht leben konnten.

"Eigenverantwortung" klingt gut. Dahinter steht scheinbar das Ideal einer autonomen Persönlichkeit. Man befreit sich aus Abhängigkeiten und trifft für sein Leben Entscheidungen. Geht es schief, trägt man dafür die Verantwortung, also auch die Folgen. Ich bin tief gerührt, dass sich Menschen wie Brüderle und mein Zahnarzt so für meine Entwicklung zu einer reifen Persönlichkeit engagieren. Das ist quasi humanistische Psychotherapie, und bekomme sie sogar umsonst! Auch von der Kinoleinwand herunter bekomme ich wertvolle Ratschläge: "Unsere Entscheidungen machen aus uns, was wir sind", belehrt mich Spiderman. Das gleiche sagt Professor Dumbledore zu Harry Potter, als der ihn fragt, ob in ihm nicht der Keim des Bösen schlummere. "Viel mehr, als unsere Fähigkeiten, sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind." Und aus dem Lautsprecher kiekst ein gewisser Michael Jackson: "I'm starting with the man in the mirror."

Die erschöpften Realitätsschöpfer
Wie es der Zufall will, stimmen auch die freundlichen Zeugen Jehovas, mit denen ich gelegentlich diskutiere, Spiderman zu. Sie glauben fest, dass uns Gott einen freien Willen geschenkt hat. "Denn ohne freien Willen hätte ja der ganze Justizapparat keinen Sinn". Übertragen auf die Religion: dann dürfte Gott niemanden verdammen, und das gehört bekanntlich zu seinen Kernkompetenzen. Überhaupt bin ich, seit ich spirituelle Wege gehe, noch tiefer vom Prinzip der Eigenverantwortung durchdrungen. In einer Broschüre des Dachverbands Geistiges Heilen heißt es: "Ausgehend davon, dass der Mensch der Schöpfer seiner Realität ist, trägt er die Verantwortung oder Mitverantwortung für alle Dinge und Ereignisse, die in sein Leben treten." Ich, der Schöpfer meiner Realität!? Gemeint ist das Berühmte "Gesetz der Anziehung", das Büchern wie "The Secret" Millionenauflagen bescherte.

Zentral für unser Thema ist aber vor allem die Frage der ökologischen und politischen Eigenverantwortung. Angela Merkel etwa wirft uns vor: "Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt." Prinz Charles setzt eins drauf: "Wir zerstören die Klimaanlage unseres Planeten." Dirk Fleck, Autor einer Ökothrillern, nennt uns pauschal die "Tätergeneration". Wir zerstören mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften die Lebensgrundlagen unserer Nachkommen. Das bedrückt mich umso mehr als ich ja schon von Geburt an dem Tätervolk (Deutschland) und dem Tätergeschlecht (Männer) angehöre. Erdrückend viel Schuld für einen eigentlich ziemlich harmlos wirkenden Typen wie mich. Ich schlafe in letzter Zeit schlecht.

Kampfbegriff "Eigenverantwortung"
Die drastische und pauschale Zuschreibung von Verantwortung an die breite Masse, an Sie und mich, ist heute gängige Rhetorik. Wenn ich eine bessere Welt will, fange ich mit der Veränderung bei mir selbst an. Oft enthalten Ratschläge einen belehrenden Grundton: "Du versuchst dich vor deiner Verantwortung zu drücken, aber ich habe dich durchschaut. Lern erst mal erwachsen zu werden." Eigentlich könnte man sich ja darüber freuen dass Verantwortung so ein Zeitgeist-Thema geworden ist. Und gewiss gibt es echte Verantwortung und echte Schuld. Ich wehre mich aber entschieden gegen Übertreibungen und den Missbrauch des Begriffs "Eigenverantwortung".

Beispiel Zahnarzt: Ich putze meine Zähne so gut, dass der Zahnarzt seit vielen Jahren nichts zu meckern hat. Obendrein gehe ich regelmäßig zur Vorsorge. Ich bin meiner Verantwortung also in beispielhafter Weise nachgekommen. Die Prophylaxe zahle ich trotzdem aus eigener Tasche, zuzüglich der Praxisgebühr. Eine Art Geldstrafe für vernünftiges Verhalten.

Beispiel Rente: Viele Menschen haben schlicht nicht das Geld, um privat etwas zurückzulegen. Sie treiben sehenden Auges auf die Altersarmut zu. Dazu kommt: Wer keine "Riester-Rente" in Anspruch nimmt, dem entgehen auch die staatlichen Zuschüsse. De facto eine Geldstrafe für Armut.

Beispiel Benzin sparen und CO2 vermeiden: Auf dem Land sind die Verkehrsverbindungen oft so schlecht, dass man ohne Auto nicht weit kommt. Außerdem treibt die Bahn seit Jahren die Preise nach oben, während sie gleichzeitig den Service verschlechtert und die Kontrollen verschärft.

Beispiel Glühbirnen: Unverantwortliche Verbraucher haben Glühbirnen alten Typs benutzt und diese sogar noch unnötig lange brennen lassen. Zum Glück ist Papa Staat da eingeschritten und hat uns durch ein Verbot zu unserem Glück gezwungen. Es wird so getan, als ob hier der Dreh- und Angelpunkt für die Rettung der Welt läge. Die Wahrheit ist: Nur etwa ein Zehntel des CO2-Ausstoßes entfällt überhaupt auf Privathaushalte, davon ca. ein Zwanzigstel auf Beleuchtung, also ein Zweihundertstel. Und von den großen Energienutzern, z.B. der Atomindustrie, werden gewaltige Mengen CO2 völlig sinnlos in die Luft geblasen. Für den Energieexperten des Landkreises Weilheim, Hans Arpke, geht die "Verantwortung" des Endverbrauchers in Sachen Licht gegen Null: "Glühbirnen alten Typs geben Wärme ab. Wenn sie durch temperaturneutrale Energiesparlampen ersetzt werden, könnte der Verbraucher dies im Winter kompensieren, indem er die Heizung weiter aufdreht."

Beispiel "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt": Tatsache ist, dass immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze gedrückt werden. Ein Blumenstrauß für die Liebste zum Geburtstag ist nicht mehr drin, weil er nicht zum Hartz IV-Warenkorb gehört. Die Prasser sind vor allem die reichsten 10 Prozent, und da vor allem das reichste eine Prozent. Und die Politik tut alles, um deren Riesenvermögen noch weiter anschwellen zu lassen.

Beispiel Friedenspolitik: Hier herrscht oft eine Eigenverantwortungsmentalität, die zu kurz greift. Gerade spirituelle Menschen argumentieren gern: "Der Friede beginnt in dir". Der Friede im eigenen Herzen hat aber mit dem Weltfrieden nur am Rande zu tun. Er muss nach außen getragen werden, um gesellschaftliche Realität zu werden. Der Friedenspsychologe Prof. Gert Sommer mahnt politisches Engagement an, das die Auseinandersetzung mit den Kriegsbefürwortern nicht scheut. "Mit sich selbst im Frieden zu sein ist auch schön. Aber selbst wenn 99 % der Weltbevölkerung im Frieden sind und 1 % ist es nicht, dann reicht das völlig aus, um Kriege zu führen." Angesprochen ist hier vor allem die Machtfrage.

Beispiel Fairtrade-Produkte: Hier kann der Käufer tatsächlich etwas tun, allerdings mit Einschränkungen. Erstens wird ihm die ethisch richtige Handlung durch den Preis erschwert. Wohlmeinende zahlen eine Art Ethik-Strafgebühr. Viele können sich Preisaufschläge von z.B. 50 % bei Rosen beim besten Willen nicht leisten. Zweitens verschleiern die Großhändler bewusst die unfairen Herstellungsbedingungen beim Großteil der Produktpalette aus Übersee. Gleichzeitig werden die Verbraucher durch massive Werbekampagnen ständig zur Bedenkenlosigkeit verführt. Es braucht viel Zeit- und Energieaufwand, um zureichend informiert zu sein und Fehlentscheidungen auszuschließen. Ist ein Produkt "fair", war der Transportweg vielleicht zu lang (z.B. bei Rosen), und man ist ein "Klimasünder". Es stellt sich also die Frage: Warum kaufen mächtige Multis nicht von vornherein nur faire Produkte ein? Mit der Platzierung von Fairtrade-Ware räumen sie ja im Umkehrschluss ein, überwiegend Hersteller zu unterstützen, die unfair, also ausbeuterisch arbeiten. Ist ihnen das egal? Und warum verbietet der Staat nicht einfach den unfairen Handel? Ein kapitalistisches System, das seit Adam Smith auf dem Egoismus fußt, erwartet ausgerechnet vom Appell an den Altruismus des Einzelnen eine ethische Wirtschaftsordnung. Absurd!

"Verantwortung" im Kleinen, Machtlosigkeit im Großen
Der Endverbraucher soll also jene Fehler kompensieren, die vorher von großen Organisationen mit ungleich mehr Macht begangen wurden. Es findet eine Art Crowdsourcing des Verantwortungsgefühls statt. Der wohlmeinende Verbraucher lädt das ganze Elend der Welt auf sein Gewissen: "Wenn ich korrekt einkaufen würdet, gäbe es keine Ausbeutung mehr". Wahrscheinlicher ist aber: Kaufen mehr Menschen Fairtrade-Produkte, sind diese vielleicht früher ausverkauft. Nicht jeder Plantagenbesitzer ist daran interessiert, seine Arbeiter besser zu bezahlen, wenn es bisher auch funktioniert hat. Und wenn unfaire Produkte boykottiert werden, könnte das bedeuten, dass Arbeiter statt ihrer mies bezahlten bald gar keine Jobs mehr haben. Solche Probleme können nur durch Strukturveränderungen und politische Entscheidungen im Großen gelöst werden. Nahe liegend wäre es z.B., die Gewinnspanne der Aldi-Brüder (Vermögen geschätzte 34 Milliarden) drastisch zu reduzieren. Das Geld könnte eingesetzt werden, um Herstellern fairere Preise zu bezahlen. Auch müsste jede Gewinnabschöpfung durch Personen verhindert werden, die keine Eigenleistung erbringen (Aktionäre).

Innerhalb des alten System erleben wir jedoch immer wieder das alte Spiel: Arbeiter und Endverbraucher sollen sich um das kleine Stück vom Kuchen raufen, das die Abzocker übrig lassen. Da ist es schon anerkennenswert, dass mancher Fairtrade-Kunde freiwillig auf einen Vorteil verzichtet, wozu niemand sonst innerhalb der Lieferkette bereit war. Der österreichische Sachbuchautor Christian Felber wittert dahinter ein perfides System: "Wir werden vom eigentlichen Platz des politischen Geschehens ferngehalten und in die Supermärkte gelotst, wo wir unsere demokratische Verantwortung ausleben sollen, in einem zugewiesenen Reservat der Wahlfreiheit als Ersatz für echte Demokratie." Hier trifft Felber den Kern: Die Bürger werden von wichtigen Entscheidungen im Großen systematisch ausgeschlossen. Z.B. durch die Verweigerung direkter Demokratie (außer in der Schweiz) und durch Verlagerung von Entscheidungen auf die EU-Ebene. Durch Berufung auf Sachzwänge ("Alternativlosigkeit") und inszenierten Geldmangel. Durch wachsende, versteckte Macht der nicht demokratisch gewählten Kräfte (IWF, Ratingagenturen Großbanken, Weltkonzerne). Gleichzeitig sollen wir uns "immer verantwortlicher" fühlen.

Verfallsform echter Verantwortung
Mit Blick auf die von Politikern und staatlichen Stellen verbreiteten Kampagnen kann man feststellen:

Eigenverantwortung wird immer dann angemahnt, wenn uns jemand dazu zwingen will, Verschlechterungen unserer Lebenssituation hinzunehmen. Jeder Widerstand wäre ja dann gleichbedeutend mit der Regression auf ein unreifes Stadium der Charakterentwicklung. Beim Kauf einer neuen Brille stelle ich z.B. fest, dass meine Eigenverantwortung enorm groß ist (ich trage 100 Prozent selbst), während ich weiter monatlich meine Krankenkassenbeiträge zahle.
Eigenverantwortung wird von denen angemahnt, die sich aus der Verantwortung zurückziehen wollen, obwohl sie gut dafür bezahlt werden, diese zu tragen. Ein Beispiel: Bei der "Bankenrettung" 2008 wurde deutlich, dass Banken zwar ungeniert mit Milliardensummen zockten, aber nicht einsahen, warum sie entsprechende Verluste selbst tragen sollten. Dafür hat man ja den Steuerzahler. "Eigenverantwortung" ist heute vor allem der Kampfbegriff der Unverantwortlichen.
Der Begriff Eigenverantwortung dient auch der Disziplinierung, der Prägung der Bürger im Sinne des gewünschten Menschenbildes. Echte Autonomie und Reife werden damit eher verhindert. Christian Felber schreibt dazu: "Eigenverantwortung kann nicht heißen, dass ich mir vorgegebene Charakterzüge aneigne, dass ich mich an ein normatives Menschenbild anpasse. Das ist Unterwerfung, nicht Freiheit."
So wie der Begriff heute gebraucht wird, ist Eigenverantwortung die Verfallsform von echter Verantwortung. Diese ist normalerweise immer sozial, also gemeinschaftlich und zielt niemals auf Vereinzelung und Entsolidarisierung ab. "Die angedeutete Beziehungslosigkeit eines Menschen, der sich angeblich ganz um sich selbst kümmert, ist eine naive Illusion. Kein Mensch ist unabhängig, wir hängen alle voneinander ab." (Felber)

Zugewiesene Reservate der Freiheit
Wenn jedoch der Begriff "Eigenverantwortung" im Neoliberalismus missbraucht wird, könnten wir dann nicht wenigstens den Begriff "Verantwortung" gelten lassen? Prinzipiell schon. Unsere Verantwortung steht und fällt aber mit unserem realen Einfluss auf das Geschehen. Der ist oft kleiner als wir denken. Deshalb greifen auch wohlmeinende Appelle aus der Aktivistenszene oft zu kurz. So lesen wir im Webmagazin "Sein", "dass ein Wandel nicht durch politischen Widerstand und Gewalt erzeugt werden kann, sondern bei jedem Einzelnen beginnt, in jeder einzelnen Entscheidung, die wir jeden Tag treffen." Schade, dass der Autor zusammen mit der Gewalt gleich auch den Widerstand entsorgt hat. Die Machthaber können sich nur freuen, dass solche Halbwahrheiten im Volk kursieren. Sie müssen dann nur noch unseren Raum für Einzelentscheidungen auf ein für sie ungefährliches Maß verkleinern - und genau das geschieht.

Machtstrukturen werden stets durch Gesetze zementiert. Wir können im legalen Rahmen aber oft nur die unbedeutenden Entscheidungen treffen. Wer etwas verändern will, gerät schnell in eine Zwickmühle: Was helfen würde, ist verboten; was erlaubt ist, hilft nicht. Beispiele für in Deutschland verbotene sinnvolle Maßnahmen sind: Generalstreiks und unangemeldete Demonstrationen oder Besetzungen. Bedeutende Veränderungen können oft nur illegal herbeigeführt werden, und Verbote sind strafbewehrt. Der Einzelne müsste sich "opfern" und sich dafür auch noch von denen beschimpfen lassen, für deren Wohl er eingetreten ist. Strafen werden von Machthabern stets so hoch angesetzt, dass sich die Mehrheit davon abgeschreckt fühlt und die mutige Minderheit vernachlässigbar ist.

Gefährlicher "Zuständigkeitsburnout"
Da sich illegale Handlungen meist verbieten, bleiben mühsame, langwierige Wege mit geringen Erfolgsaussichten: Der Einzelne kann eine Partei "unterwandern" und dort seine Programmwünsche durchsetzen. Er kann eine eigene Partei oder Bürgerbewegung gründen, Protestbriefe und Petitionen schreiben, Unterschriftenlisten herumgehen lassen usw. Einflussnahme ist hier möglich. Die wahrscheinliche Wirkung ist aber so gering, dass viele schon im Vorfeld das Handtuch werfen. Hinzu kommt: Ethisch richtiges Handeln setzt einen umfassenden, meist langwierigen Erwachensprozess voraus. Man muss viel Zeit und Energie investieren und dem Gegenwind der herrschenden Kultur trotzen. Man muss Sachverhalte recherchieren, die die Verantwortlichen lieber unter Verschluss halten. Man muss sich selbst motivieren und von ihrem Alltagsgeschäft ausgelaugte Menschen hinter dem Ofen hervorlocken. Von typischen Argumenten ("Du hältst dich wohl für was besseres", "Die da oben machen ja sowieso, was sie wollen") darf man sich nicht entmutigen lassen.

Ich engagiere mich ja als Journalist und auch privat in einigen Belangen. Wenn ich aber einmal erschöpft bin und dann eine besserwisserische Mail erhalte - "Du, da müssen wir doch was dagegen tun" - reagiere ich zunehmend gereizt. Das Energie- und Zeitbudget des Menschen ist begrenzt, sein Verantwortungsbereich dagegen potenziell unbegrenzt. Besonders problematisch ist der Satz: "Wer zuschaut, ist mitschuldig". Er führt, nimmt man ihn wörtlich, sehr schnell zu einem "Zuständigkeitsburnout". Natürlich sollte man, wenn einer gerade ertrinkt, nicht am Ufer stehen bleiben - man sollte hineinhüpfen und ihn retten. Wer sich allerdings für den ganzen Globus zuständig fühlt, kommt schnell an seine Grenzen. Wenn ich in Syrien hinschaue, schaue ich gleichzeitig in Fukushima weg, und umgekehrt.

In die Vereinzelung getrieben
Und es sind gerade die aufrechten Leute, denen schnell die Zeit und die Kraft ausgeht: Diejenigen, denen ihre Familie und ihr Beruf wichtig ist und die noch in einem gemeinnützigen Verein mitarbeiten. Ihre "Gegner", z.B. in den globalen Konzernen, verfügen dagegen über gut bezahlte Vollzeitprofis in Sachen Manipulation. Diese sinnen Tag für Tag darüber nach, wie sie uns Verschlechterungen unserer Lage aufzwingen und Gegenwehr möglichst ausschalten können. Ob es darum geht, das Pinkeln und Parken in den Städten zu verteuern, die Überwachungsdichte zu erhöhen oder die Gesundheitskosten auf Arbeitnehmer abzuwälzen. Das neoliberale Menschenbild zieht so eine Negativspirale nach sich: Da sich das Kollektiv zunehmend weigert, Verantwortung für uns zu übernehmen, sind wir ständig damit beschäftigt, für uns selbst zu sorgen. In der Folge haben wir nicht mehr die Kraft, Verantwortung für das Kollektiv zu übernehmen.

Appelle an unser Verantwortungsgefühl suggerieren, dass unser Zuständigkeitsbereich beliebig ausweitbar wäre. Richtig ist, dass unser Einfluss in Maßen wachsen kann, solange wir die Zeche für ethisches Verhalten selbst zahlen (Beispiel: Fairtrade). Schwieriger wird es, wenn unser eigenverantwortliches Handeln massiv Herrschaftsinteressen berührt. Ein Beispiel sind die überall aus dem Boden schießenden Komplementär- oder Regionalwährungen. Wenn sie dem System der Kontrolle über das Geldwesen gefährlich werden, könnten sie von heute auf morgen verboten werden. So geschah es dem berühmten Geldexperiment von Wörgl von 1932. Vernunft und selbst offensichtliche Erfolge könnten wenig fruchten, wo Machtinteressen berührt sind.

Schuldgefühle machen klein
Es stellt sich die Frage, wie es möglich war, Verantwortung so massiv in teils unzutreffender, teils übertriebener Weise auf den "einfachen Bürger" abzuwälzen. Zunächst ist der Verantwortungstransfer natürlich eine psychische Selbstentlastung der wirklich Mächtigen. Es ist nicht gerade angenehm, sich damit zu konfrontieren, wie schwer die Verwüstungen sind, die man schon angerichtet hat. Gerhard Polt spottet in seinem Sketch "Der Verantwortungsnehmer": "Das kann man doch dem Minister nicht bloß deshalb anlasten, weil er es veranlasst hat." Zum zweiten sollen natürlich die finanziellen Nachteile verantwortlichen Handelns auf uns verschoben werden (Beispiel: ethisches Einkaufen).

Ich möchte aber noch einen dritten Grund nennen, der mir noch wichtiger erscheint: Die dunkle Schwester der Verantwortung ist die Schuld. Und mit Schuldgefühlen kann man Menschen manipulieren. Wer Verantwortung übernimmt, ohne entsprechende Einflussmöglichkeiten zu haben, wird sich schnell als Versager fühlen, wenn die Dinge nicht in seinem Sinn funktionieren. Größere "Eigenverantwortung" erzeugt größere Schuldgefühle. Die lähmen, machen uns klein und bringen uns gar zu der Annahme, wir hätten eine Besserung der Verhältnisse gar nicht verdient. Der US-amerikanische Bürgerrechtler Noam Chomsky schreibt: "Die Menschheit soll denken, sie sei wegen zu wenig Intelligenz, Kompetenz oder Bemühungen die einzig Schuldige ihres Nicht-Erfolgs. Das ,System' wirkt also einer Rebellion der Bevölkerung entgegen, indem dem Bürger suggeriert wird, dass er an allem Übel schuld sei und mindert damit sein Selbstwertgefühl. Dies führt zur Depression und Blockade weiteren Handelns."

Eine weltliche Form der "Erbsünde"
Man kann zum Vergleich auch andere Modelle der Schuldzuschreibung heranziehen. Das katholische Konzept der "Erbsünde", begründet von Paulus und dessen Verehrer Augustinus, diente z.B. als Instrument zur Beherrschung der Masse. Ein weltliches Pendant dazu bilden übertrieben strenge Gesetze: etwa auf dem Gebiet des Copyrights oder der Verkehrsregeln.
Je strenger die Regeln, desto mehr tendiert das Gesetz dazu, den Menschen für seine unvermeidliche Fehleranfälligkeit zu bestrafen, also für sein Menschsein. Es wird also aus der menschlichen Konstante "Fehlbarkeit" Schuld erschaffen, die der Betroffene nur durch eine Geldzahlung tilgen kann. Dieses Konzept erinnert wiederum an die Geldschöpfung in Form von Schuld durch die Banken. Nimmt jemand einen Kredit auf, erschafft die Bank hierfür eine Summe Geldes aus dem Nichts - verbunden mit dem Anspruch auf Zinszahlungen durch den Schuldner.

Zu diesen drei traditionellen Schuldkonzepten - Religion, Gesetz und Geldschöpfung - kommt in jüngerer Zeit ein viertes, das bei politischen Aktivisten und in der Ökoszene gängig ist. Dahinter steht oft die durchaus ehrenwerte Absicht, zuerst sich selbst zu belasten, statt die Schuld nur im Außen zu sehen. Der Kern dieser Kollektivschuldthese lautet: "Alles geschieht, weil wir es zulassen." Dieses Pauschalurteil hält einer genaueren Untersuchung natürlich nicht stand. So wäre der Satz: "Assad lässt auf Demonstranten schießen, weil wir es zulassen" zwar formal richtig, jedoch realitätsfern. Ist es im Ernst zu erwarten, dass wir nach Syrien einreisen, um uns vor die Gewehre der Mörder zu werfen? Wir könnten auf einer Unterschriftenliste protestieren, aber davon zeigt sich Assad wahrscheinlich unbeeindruckt. Außerdem: Niemals hören wir, dass auch das Gute geschieht, "weil wir es zulassen". Pfleger helfen den Kranken, weil wir es zulassen. Wunderbare Musik wird geschrieben, weil wir es zulassen. In jedem Frühjahr sprießen herrliche Blumen, weil wir es zulassen.

"Ich bin verantwortlich, wenn die Sonne aufgeht"
Hier wird deutlich, warum viele Menschen die Verantwortung, die ihnen zugeschoben wird, scheinbar bereitwillig übernehmen. Man müsste sich ja nicht jeden Schuh anziehen, der herumsteht. Ich vermute aber, dahinter steht der Wunsch, sich mächtig zu fühlen. Der König im Buch "Der kleine Prinz" befiehlt allmorgendlich der Sonne, aufzugehen. Abends befiehlt er ihr dann wieder unterzugehen. Und siehe da: Sie gehorcht. Was für eine Machfülle! Auch in der Esoterik ist es üblich, dem Individuum die Urheberschaft an allem zuzuschreiben ("Ich bin Schöpfer meiner Realität").
Eigene Anmerkung: hierzu zählt auch der gern von Psychologen und Esoterikern verbreitete Blödsinn mit der Selbsterfüllenden Prophezeiung, denn die funktioniert immer nur im negativen Sinne wenn man den einzelnen die Schuld für seine Misserfolge zuschieben will. Würde das auch im positiven Sinn funktionieren müsste niemand mehr arbeiten gehen, jeder bräuchte sich früh nach dem Aufstehen nur voller Überzeugung zu sagen: "In einem Jahr bin ich Millionär" und ein Jahr später hätte er 1 Million € auf dem Konto.
Ich sehe darin eine Abwehr von Machtlosigkeitsgefühlen, die als unerträglich erlebt werden. Die Größenfantasien sprießen in dem Maß, wie unsere tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Institutionen zurückgedrängt werden. An diese Sehnsucht, uns Verantwortung anzueignen, appellieren wiederum die Institutionen, die sie uns nur allzu gern zuschieben.

"Entschuldigt euch!"
Ich sehe voraus, dass mein Artikel bei einigen Lesern Abwehr hervorruft: "Er macht es den Bürgern und Verbrauchern zu bequem. Vielleicht will er sich nur selbst vor der Verantwortung drücken". In der Tat will ich meine Leserinnen und Lesern auch entlasten - von falschen Selbstvorwürfen. Aber meine Schlussfolgerung ist alles andere als bequem. Sie belastet uns alle mit einer Aufgabe, die die meisten bis heute gar nicht als solche erkennen. Wir müssen die bestehenden Machtstrukturen angreifen. Die Kräfte also, die darüber entscheiden, dass unsere Steuergelder in Kriegsgerät fließen. Jene, die bestimmen, dass das Volk und seine "Vertreter" Geld nur als Schuldgeld von Privatbanken beziehen können. Jene, die das Geld in einem wahnwitzigen legalen Raubzug beständig von unten nach oben pumpen.

Wir sollten all das tun, aber nicht "weil", sondern "damit". Nicht weil wir schuld daran sind, dass die unterbezahlten Menschen in den Bananenplantagen an chemischen Spritzmitteln ersticken, sondern damit eine Welt entsteht, in der dies nicht mehr geschehen kann. Zwischen "weil" und "damit" besteht ein großer Unterschied: Noam Chomsky hat es schon angedeutet: Fühlen wir uns als Versager, macht uns das depressiv, also antriebsschwach. Fühlen wir uns dagegen als wertvolle Menschen, denen ihre Würde von Machtkartellen geraubt wurde, werden wir selbstbewusst unser Recht einfordern. Betrachten wir uns selbst als die Verantwortlichen, so neigen wir zur Nabelschau, anstatt an der revolutionären Umwälzung der Verhältnisse im Großen zu arbeiten. Wir leiten also Energie von den großen hin zu den kleinen Kampfplätzen. Außerdem: Wenn wir uns nach dem Motto: "Es geschieht, weil wir es zulassen" ständig selbst beschimpfen, entlassen wir die Täter billig aus ihrer Verantwortung.

Jenseits der Größenfantasien
Dies ist kein Aufruf, die "kleinen Schritte" zu einem anständigeren Leben zu unterlassen. Ich finde es wichtig, z.B. unnötige Autofahrten zu unterlassen und fair gehandelten Orangensaft zu kaufen. Aber diese Dinge sollten nebenbei geschehen und allmählich in Fleisch und Blut übergehen. Und man darf von ihnen keine "Wunder" erwarten. Das Leben des politisch erwachten Menschen sollte stets so organisiert sein, dass noch Kraft für die großen Kämpfe übrig ist. Das kann bedeuten, auf die Straße zu gehen, Plätze zu besetzen und Banken zu umzingeln. Das kann bedeuten, bei Regen und Kälte draußen zu stehen und durch die bedrohlichen Spaliere hochgerüsteter Polizisten zu marschieren. Das kann bedeuten, seine Kräfte auf strategisch wichtige Punkte zu konzentrieren, etwa die Internetfreiheit, Direkte Demokratie oder die Zerschlagung der Bankenmacht. Das kann bedeuten, mehr Sorgfalt auf richtige Wahlentscheidung zu lenken, anstatt mechanisch das Kreuzchen bei seiner politischen "Jugendliebe" zu machen. Das kann auch bedeuten, den Ungehorsam zu proben und dafür negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen.

Haben Sie sich schon einmal überlegt, warum es so beliebt ist, zu sagen: "Ich fange lieber mit kleinen Veränderungen bei mir selbst an"? Es ist einfach bequemer, die Fairtrade-Rosen für 3 Euro zu kaufen, als auf die Straße zu gehen und sich mit der Macht anzulegen. Das erstere verschafft ein wohliges Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Das letztere verursacht Angst, ist riskant. Es ist oft mit Selbstzweifeln verbunden oder bedeutet zähes Ringen mit Mitstreitern um den richtigen Weg. Gerade dies bedeutet aber wirkliche Eigenverantwortung, ein wirkliches politisches Erwachsenwerden ohne falsche Schuldgefühle und Größenfantasien. Ja, die Veränderung muss bei jeden Einzelnen anfangen. Aber sie darf nicht dort aufhören. Wir haben Verantwortung, aber sie besteht zunächst darin, zu erkennen, wo wir nicht verantwortlich sind.
Die Nazis vollzogen auf ihre Weise, was die Sozialdemokratie sich immer erträumt hatte: eine »ordentliche Revolution«, in der alles ganz anders wird, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Zitat Schwarzbuch Kapitalismus Seite 278

Kuddel

Danke, @Hartzhetzer, der recht lange Text beinhaltet einiges von dem, was ich meinte. Ich werde es später auch nochmal mit eigenen Worten versuchen.

counselor

Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Wenn ich so durch die Meldungen des Tages stromere, tun sich Abgründe auf. Die Normalität löst sich auf, die Grundfesten dieser Welt geraten aus den Fugen. Es ist nicht nur schrecklich, es hat auch was befreiendes. Nichts ist für ewig. Alles verändert sich. Und vielleicht ist es nur der Lack, der gerade abplatzt.

Für die Menschen im Globalen Süden war es schon immer so. Die Herrschaftsformen waren nicht festgeschrieben, die Menschen mußten sich ihr Überleben organisieren in korrupten und autoritären Verhältnissen. Wir in Mitteleuropa konnten noch eine Stetigkeit, feste Regeln den den Anschein von Gerechtigkeit glauben. Wahrscheinlich war es immer schon Kulisse und das Autoritäre und Unberechenbare wartete nur außerhalb des Blickfelds.

Der Leuchtturm des freiheitlichen Wertewestens braucht keinen Trump, um Gewalt und Irrsinn als wichtigste Kräfte der Gesellschaft sichtbar werden zu lassen. Ein drittel der jüngeren und 2 Drittel der älteren Bevölkerung glauben an Kreationismus, also es gab keine millionen Jahre für die Entwicklung des Lebens auf diesem Planeten, sondern der Herr hat es vor 6000 Jahren geschaffen und fertig und aus. Die Gewalt der Polizei gegen die Bevölkerung, die Gewalt der Menschen untereinander, der irrsinnig hohe Konsum an Opiaten, die explosion der Wohnungslosigkeit, die Ausweitung der Armut auf ein Niveau einer echten Hungersnot, das sind alles keine Automatismen, sondern die Auswirkungen eines völlig kranken und kaputten Wirtschaftssystems. Ach ja, ein Verbot von Abtreibungen. Ich glaub, ich spinne.

Oder wenn man nach Frankreich blickt, da wird die Ausweitung des Arbeitszwangs von der Herrschenden Klasse mit dem Polizeiknüppel dem Volk eingebläut. Eine solch krasse Umsetzung würde man jedem Science Fiction übelnehmen.

Die Zeiten der sozialen Abfederung und der netten Versprechen und sanften Lügen ist vorbei. Es ist der offene Klassenkrieg ausgebrochen. Weltweit.

Wir sollten unserer Phantasie einen Schubs geben und uns ernsthaft fragen, was denn ist, wenn unsere bisherigen Realität zubröselt ist. Ein wenig Gedankenakrobatik kann nicht schaden.

Man sollte seinen Gedanken mal freien Lauf lassen, wie es denn wird, wenn es schlimm kommt oder wie, wenn wir Einfluß auf die Zukunft nehmen und sie selbst mit gestalten...

Hanni3

Zitat von: Kuddel am 18:24:21 Fr. 14.April 2023Wir sollten unserer Phantasie einen Schubs geben und uns ernsthaft fragen, was denn ist, wenn unsere bisherigen Realität zubröselt ist. Ein wenig Gedankenakrobatik kann nicht schaden.

Man sollte seinen Gedanken mal freien Lauf lassen, wie es denn wird, wenn es schlimm kommt oder wie, wenn wir Einfluß auf die Zukunft nehmen und sie selbst mit gestalten...

Ich sehe eine Verschwimmung der Grenzen zwischen rechts und links.
Mir wurde heute ein Tweet eines AfD-Typen angezeigt. Der hatte bis aufs Kleinste aufgelistet, was die BRD bisher an Waffenkrempel an die Ukraine geliefert hat.
Das war eine seeeehr lange Liste.
Die könnte auch von einem linken Kriegsgegner sein.

Und das erschreckt mich bissel, daß es jetzt nimmer so klar abgegrenzt ist.
Was das für die Zukunft bedeutet, weiß ich nicht.
Hab nur ein dumpfes Gefühl

counselor

Heute gab es wieder Meldungen zum angeblich desolaten Zustand der Bundeswehr. Ich dachte mir dabei: Ich würde es gut finden, wenn der scheiß Gewaltapparat endlich zusammenbrechen würde. Entweder wäre das irrationale System am Ende und wir könnten was Neues aufbauen oder wir würden schlimmstenfalls besetzt und dürften für andere Oligarchen schuften.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Hanni3

Zitat von: counselor am 22:26:53 Fr. 14.April 2023Heute gab es wieder Meldungen zum angeblich desolaten Zustand der Bundeswehr. Ich dachte mir dabei: Ich würde es gut finden, wenn der scheiß Gewaltapparat endlich zusammenbrechen würde. Entweder wäre das irrationale System am Ende und wir könnten was Neues aufbauen oder wir würden schlimmstenfalls besetzt und dürften für andere Oligarchen schuften.

Der desolate Zustand der Bundeswehr ist seit mind 20 Jahren bekannt, wurde aber nie so richtig öffentlich gemacht.
Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen.

Allerdings stellt sich die Frage, was in all diesen Jahren mit den Geldern des Verteidigungsministeriums passiert ist.

Wo ist die Kohle hin?
DAS wäre mal eine Frage wert.

Wenn man dieses Geld in Soziales investiert hätte....


Hartzhetzer

ZitatAllerdings stellt sich die Frage, was in all diesen Jahren mit den Geldern des Verteidigungsministeriums passiert ist.

Wo ist die Kohle hin?
Die ist in die Tasche von Rüstungsfirmen und allen voran deren diversen Regierungsberatern geflossen.

ZitatWenn man dieses Geld in Soziales investiert hätte....
Du kannst Geld nicht in soziales investieren. Ein Investition findet immer nur dann statt wenn mehr Geld reinkommt wie man ausgegeben hat. Bei sozialen ist das nicht der Fall, da weiß man nicht ob die 1000€ die man monatlich in einen armen Schlucker investiert nach einem Jahr 2000€ mehr an monatlichen Steuereinnahmen bringen da der arme Schlucker inzwischen ein Hightech Startup in seiner Gartenlaube gegründet hat.
Menschen sind nun mal Marktwirtschaftlich betrachtet die schlechtesten und unsichersten Wertanlagen die es gibt.
Daher wird der Sozialkrempel ja auch sehr viel über Freiwilligkeit und Spenden finanziert.
Ich sage absichtlich Sozialkrempel, da es ja an den schlechten Arbeitslöhnen liegt das Menschen eine Rente oder Sozialgeld benötigen. Würde man für einen Monat Arbeit soviel Geld bekommen das man ein Jahr davon leben kann, bräuchte man keine Arbeitslosenversicherung.
Jedoch würde sich dann für die Kapitalisten ihr Kapitalismus nicht mehr lohnen denn sie würden dann mehr Geld für menschliche Arbeit bezahlen als wie sie daran verdienen.
Wieso müssen die Menschen die Arbeiten von ihrem Lohn die Arbeitslosigkeit ihrer Arbeitslosen Mitmenschen finanzieren? Man könnte genauso gut festlegen das ein Unternehmen einem entlassenen Arbeiter solange weiter Lohn bezahlen muss bis dieser eine neue Arbeit hat. Wahrscheinlich würde sich dann jeder Unternehmer 3 überlegen ob er Mitarbeiter entlässt wenn er den finanziellen Schaden des Entlassenen nicht mehr auf die anderen Arbeiter abwälzen könnte.
Aber auch hier würde sich der Kapitalismus für die Kapitalisten nicht mehr lohnen, denn sie würden mehr Geld für menschliche Arbeit bezahlen als wie sie daran verdienen.
Sozialgelder vertuschen in erster Linie die Tatsache das der Kapitalismus nur solange funktionieren kann wie die Unternehmer mindestens 80% ihrer Produktionskosten in Form von Arbeitslosen, Kranken, sowie verschlissenen Menschen der Gesellschaft aufhalsen können.

ZitatDer desolate Zustand der Bundeswehr ist seit mind 20 Jahren bekannt, wurde aber nie so richtig öffentlich gemacht.
Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen.
Ich kann noch nicht mal beurteilen wie desolat die Bundeswehr ist, um da ein konkretes Maß zu haben müsste man diese mit den Armeen diverser anderer Staaten vergleichen. Ich bin bei der Journalistischen Jammerei über den Zustand der Bundeswehr skeptisch und gehe davon aus das übertrieben wird um die Bevölkerung auf höhere Rüstungsausgaben einzuschwören.
Bei Hartz IV hat man es im Vorfeld ja auch so gemacht und die Bevölkerung ein Jahr vor Einführung systematisch über die Presse gegen Arme und Arbeitslose aufgehetzt um genügend Rückhalt für die Reformen zu bekommen.
Wer einmal lügt den glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht.

ZitatWir sollten unserer Phantasie einen Schubs geben und uns ernsthaft fragen, was denn ist, wenn unsere bisherigen Realität zubröselt ist. Ein wenig Gedankenakrobatik kann nicht schaden.

Man sollte seinen Gedanken mal freien Lauf lassen, wie es denn wird, wenn es schlimm kommt oder wie, wenn wir Einfluß auf die Zukunft nehmen und sie selbst mit gestalten...
Leider finde ich dieses Szenario aus dem Schwarzbuch Kapitalismus am realistischsten:
ZitatWas dagegen Mine und andere beschreiben, ist ein Prozeß der Entzivilisierung, wie ihn der Kapitalismus notwendigerweise am Ende seiner rasenden »Entwicklung« freisetzt. »Zero Tolerance«, wie zu erwarten war, befriedet die Gesellschaft nicht, sondern wird zum Moment ihrer beschleunigten Auflösung. Die »Sicherheitsapparate« beginnen von innen heraus zu verwildern und zu verfaulen; sie unterscheiden sich immer weniger von den Banden. Neben den elend bezahlten staatlichen Apparaten, die der Korruption verfallen und sich mit den Mafia-Strukturen verzahnen, bilden die transnationalen Konzerne eigene Horror-Kulturen aus. In den Transiträumen und »schwimmenden Inseln« der transnationalen Betriebswirtschaft entstehen »deterritorialisierte« Staaten im Staate, ebenso wie in den »grauen Zonen« der preisgegebenen Zusammenbruchs-Regionen.
Vor dem Hintergrund einer allgemeinen Darwinisierung des Denkens und einer Verwilderung der sozialen Beziehungen zersetzen sich »Marktwirtschaft und Demokratie« in partikularisierte Kampfstrukturen »ums Dasein«. Ob transnationale Konzerne mit Privatarmeen und eigenen Geheimdiensten, ob Söldnerhaufen und geschäftsmäßige Todesschwadronen, ob »ethnische« Milizen, Untergangssekten oder Neonazi-Banden: Die Landkarte der Entzivilisierung nimmt Gestalt an, während der Medienzirkus gespenstisch weitergeht und der demokratische Plastikdiskurs von Tag zu Tag ignoranter und hohler wird. Wie der Demokratie die »vierte Gewalt« der kapitalistischen Maschine schon immer vorgelagert war, so ist ihr nun, als Folge der irreparablen Funktionsstörungen dieser Maschine in der Dritten industriellen Revolution, die »fünfte Gewalt« der Banden nachgelagert.
Es gibt keinen emanzipatorischen Aufstand, aber jedermann fängt an, sich zu bewaffnen.
Die Ultima ratio von Vernichtung und Selbstvernichtung ist das erste und das letzte Wort des Kapitalismus. Eine »Apokalypse« ist das nur bedingt zu nennen. Denn in den religiösen und mythischen Vorstellungen vom Weltzusammenbruch war immer auch die Verheißung einer anderen, verjüngten Welt enthalten. In diesem Sinne sind aber die Prediger des ökonomischen Terrorsystems von »Marktwirtschaft und Demokratie« trotz der Unbewältigbahren Weltkrise dieser Produktions und Lebensweise noch nicht einmal mehr apokalyptisch. Der »biopolitische« Zeitgeist der verwilderten Haßkonkurrenz erscheint als Spengler redivivus; und die neoliberal vermittelte Ragnarök könnte gelingen als »molekulare« endemische Zerstörung der menschlichen Gesellschaft überhaupt. Das Credo des Kapitalismus, dieser zum totalen Weltsystem objektivierten größten Untergangssekte aller Zeiten, lautet: Nach dieser soll keine andere Welt mehr kommen.

Auszug aus dem Schwarzbuch Kapitalismus Seite 436 letzter Abschnitt bis Seite 437

Natürlich finde ich den Gedanken einen positiven Einfluss auf die Zukunft nehmen zu können schön und würde es dem gerade Zitierten Szenario vorziehen. Jedoch sehe ich noch nicht einmal innerhalb der Menschen die sich selbst als Links definieren genügend gemeinsame Schnittpunkte um zumindest unter diesen Menschen eine Vernetzung herzustellen die zu einem gemeinsamen Kampf gegen das Gegenwärtige System führt.
Ich weiß noch nicht einmal ob das Links - Rechts - Mitte denken noch Zeitgemäß ist.
Bei einigen Linken denkt man es handelt sich um neoliberale Spinner aus dem bürgerlichen Speckgürtel, wie aktuell im Thread Angriffskrieg gegen die Ukraine nachzulesen.
Für andere Linke wiederum ist Kapitalismuskritik und ein Klassenstandpunkt Schnee von vorvorgestern.

Zum Beispiel habe ich meinem Bruder (Mitte 20 ) gestern einen Link zu diesem Artikel gesendet:
https://dasgrossethier.noblogs.org/2023/02/die-krise-der-klimabewegung/

Und diese Antwort erhalten:
ZitatWeiß nicht, ich seh das ein bisschen anders. Im groben hat mir der Artikel ja jetzt nur gesagt dass jede Form von Aktivismus dumm und sinnlos ist wenn wir in der aktuellen politischen Situation weiter mit den waffen kämpfen die wir haben.
Aber vieles davon war auch wirklich zusammenhangslos und hinzu interpretiert. Es gibt Studien von der WHO und unabhängig Fakultäten die klar sagen was du als einzelner Mensch machen kannst um diese Welt so gut es geht vor dem Supergau zu schützen und was scheiße ist. Und wenn einfach jeder irgendwann ein Verständnis dafür bekommt und vielleicht auch mitmacht wäre das schon mal ein toller Anfang, obwohl ich persönlich da noch härter sanktionieren würde.
Aber mein Grundgedanke bleibt der selbe.. wir sind alles nur Menschen, auch die Politiker, die Oligarchen, die Lobbyisten, die Bauern und jeder andere normal arbeitende Mensch in diesem Land. Und wenn jeder für sich den richtigen Weg geht muss sich früher oder später die Politik fügen weil die ganze Nachfrage und die neuen Bedürfnisse überhand nehmen und wirklich eine Stimme bekommen.
Aber wer immer den bequemen Weg geht und weiter an den Stricken gewisser Wirtschaftszweige hängt braucht keinen Wunder erwarten.

Wiederum werden Menschen als Rechte und Schwurbler bezeichnet wenn sie sich über steigende Preise im Namen von Klimaschutz aufregen oder es nicht einsehen auf ihr Auto und Fleischkonsum zu verzichten.
Ganz deutlich wird das wenn der kapitalistische Staat zu Ausbeutungs- und Unterdrückungsmaßnahmen nach innen und außen greift und das mit Links Humanistischen, sowie Ökologischen Standpunkten rechtfertigt.
Das konnte man während Corona auch hier im Forum beobachten, wie jeder der sich gegen Zero Covid aussprach als Querdenker galt. Vor 10 Jahren war der Begriff Querdenker noch positiv bewertet und stand für jemanden der sich nicht kritiklos vom Mainstream die Welt erklären lässt.
Im Ukraine Krieg das gleiche, wir müssen den neuen Hitler Putin stoppen und daher bis zur letzten Patrone und bis zum letzten Mann für die Befreiung der Ukraine kämpfen. Das wird sogar von Klimaschutzaktivsten gefordert, ungeachtet dessen wieviel CO2 und Umweltzerstörung ein Krieg produziert.
Auf der anderen Seite erhält man einen Aufruf zur Unterschriftensammlung in der gefordert wird Krieg als Ökozid zu ahnden. Der Aufruf endet damit das man dann Putin am Ende des Ukraine Krieges den Ökozid in Rechnung stellen könnte. Ich wusste nicht das Putin in der Ukraine gegen seine eigenen Truppen kämpft, ich dachte bisher das es da auch andere gibt die Waffen an Putins Gegner liefern und somit den Krieg füttern.

Diejenigen die sich als Mitte bezeichnen sind überwiegend nur ein Haufen von egoistischen, sozialdarwinistischen, empathielosen Marktradikalen, die ihre eigene Radikalität nicht mitbekommen da sie in dieser Gesellschaft als Normalität gilt. Sie werden immer nur dann mit der Widerlichkeit ihrer Radikalität konfrontiert wenn Rechte auf die Bühne treten und den Ökonomischen/ Nationalistischen Irrsinn dieser Mitte direkt ohne Zivilisatorische Streicheleinheiten und Demokratische Schönfärberein exerzieren wollen.
Die Nazis vollzogen auf ihre Weise, was die Sozialdemokratie sich immer erträumt hatte: eine »ordentliche Revolution«, in der alles ganz anders wird, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Zitat Schwarzbuch Kapitalismus Seite 278

Kuddel

Ach, Hartzhetzer wieder ganz der Alte.

Mein Vorschlag war ja, der Phantasie freien Lauf zu lassen und einfach mal zu beschreiben, was man sich wünschen würde, egal ob es umsetzbar ist oder nicht.

Du kommst wieder mit deiner persönlichen Bibel, dem Schwarzbuch Kapitalismus. Egal wieviel da treffend beobachtet sein mag, es ist ein Kniefall vor dem Herrschenden System, das als unüberwindbar beschrieben wird.

Es ist ein Kreuz mit den Linken, die sich am liebsten mit sich selbst beschäftigen und mit vielen schlauen Texten belegen, warum wir sowieso nix ändern können.

Diese Texte sagen aber mehr über die Autoren, als über die Welt. Es gab unendlich viele Papiere darüber, daß der Kapitalismus mit immer effektivern Organisationsformen, Technologien und Roboterisierung die Arbeit abschafft und demnächst keine Arbeiter mehr braucht. Das Gegenteil ist eingetreten. Es wurde noch nie so viel gearbeitet wie heute und das größte Problem der Wirtschaft scheint zu sein, motivierte Arbeitskräfte zu finden, sowohl für einfache "Aushilfsjobs", alsauch für die hochspezialiserten Facharbeitertätigkeiten.

Und dann haben die masochistischen Linken fast einen Orgasmus gekriegt bei der Untersuchung der "Industrie 4.0" Konzepte. Das war für diese Linken DER Beweis dafür, daß Arbeitskämpfe nicht mehr möglich sind.

Auch das ist nur eine Beschreibung des Zustands der Linken und nicht der kapitalistischen Wirklichkeit. China ist das Land mit der wohl am weitesten fortgeschrittenen Digitalisierung der Produktion, mit der abgefeimtesten Überwachungstechnologie und den fiesesten Repressionsmaßnahmen und doch, es gibt dort zur Zeit mehr Arbeitskämpfe, als in den letzten Jahrzehnten. Und die Arbeiter sind mutiger geworden, fordern nicht nur bessere Arbeitsdingungen, sondern sie fordern politische Mitsprache und den Rücktritt Xi Jinping. Das hat sich seit dem Massaker von Tiananmen Squarre niemand mehr getraut.

ZitatJedoch sehe ich noch nicht einmal innerhalb der Menschen die sich selbst als Links definieren genügend gemeinsame Schnittpunkte...

Sag ich ja. Die Linken sind ziemlich egal. Sie beschäftigen sich mit sich selbst.

Hartzhetzer

ZitatMein Vorschlag war ja, der Phantasie freien Lauf zu lassen und einfach mal zu beschreiben, was man sich wünschen würde, egal ob es umsetzbar ist oder nicht.

Eine andere politische Struktur des Gemeinwesens in Form von Rätedemokratie mit abwählen.
Dadurch gäbe es keine Parteien mehr die Menschen in politische Schubladen stecken und zum Nutzvieh ihrer Macht machen.
Das abwählen muss aller 2 Jahre stattfinden und verhindert Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch. Wer aus einem der 3 Gründe abgewählt wird bekommt einen vermerkt auf seinen Personalausweis und darf nie wieder in einem Rat mitmachen. Jeder der sein Gemeinwesen mitgestalten will kann dem entsprechendem Rat beitreten.
Das gleiche müsste auch in den Betrieben eingeführt werden, so würde man Entscheider Positionen nachhaltig mit Menschen besetzen die ihrer Position und der Gesellschaft verpflichtet sind.
Schwätzer, Blender und Egomanen könnte man auf diese weise Rausfiltern und von gesellschaftlicher, sowie wirtschaftlicher Entscheidungsmacht ausschließen.
Dann würde auch dieses ganze Links, Rechts, Mitte Gelaber enden da nur noch die Entscheidungen/ Taten zählen die jemand im Rahmen seiner Entscheider Position für seinen Betrieb/ seine Gemeinschaft fällt/ ausübt.
Die Menschen könnten als das miteinander Diskutieren was sie sind und nicht als die Schubladen in die sie Vorsortiert werden. Dadurch das nicht alles von Akademikern und Experten über den Kopf der Massen hinweg entschieden werden würde sondern die Menschen vor Ort mit entscheiden könnten bekämen diese einen Bezug/ eine Verbundenheit zu dem Ort/ Stadt/ Betrieb in dem sie leben und/ oder Arbeiten. Das wär effektiv gegen die Entfremdung, was wiederum effektiv gegen sinnlosen Vandalismus wäre.
Wer die Stadt in der er lebt aktiv mitgestaltet beschmiert nicht sinnlos Bänke und Hauswände, zerschlägt nicht die Scheiben von Haltestellen, zerkratzt keine Fenster im ÖPNV, entsorgt seine alten Möbel nicht einfach auf der nächsten freien Rasenfläche.
Heutzutage ist alles was sich außerhalb des eigenen Privaten Eigentums- und Zugriffsbereich befindet egal da es einem nicht gehört und nichts angeht, außer der eigene Private Eigentums- und Zugriffsbereich wird davon negativ beeinträchtigt.

ZitatDu kommst wieder mit deiner persönlichen Bibel, dem Schwarzbuch Kapitalismus. Egal wieviel da treffend beobachtet sein mag, es ist ein Kniefall vor dem Herrschenden System, das als unüberwindbar beschrieben wird.
Als persönliche Bibel bezeichne ich es nicht, jedoch ist es bisher eine der besten, ehrlichsten und klarsten Analysen der falschen Welt in der wir leben die ich bis jetzt gelesen habe.
Als unüberwindbar wird das Herrschende System dort nicht beschrieben, zum Beweis einige Stellen aus dem Epilog:
ZitatMenschen, die gerade unter dem Diktat der kapitalistischen »Selbstverantwortung« jeder Selbstbestimmung über das eigene Leben beraubt und eigentlich selber nichts mehr sind, fragen unvermeidlich nach einem »Rezept«, wenn sie sich der Ausweglosigkeit ihrer Daseinsweise überführt sehen. Damit beweisen sie nur, daß sie selbst die Überwindung des Kapitalismus noch in kapitalistische Kategorien einbannen wollen. Denn ein »Rezept« setzt bereits voraus, daß die anzustrebende Selbstbestimmung nach vorgefertigten Mustern einer äußerlichen Instanz abzulaufen hat, also sich selber dementiert.
Was sich angeben läßt, sind nicht »Rezepte« nach einem sozialen Baukastensystem (das wäre nichts als Sozialtechnologie, die ihren Ort nur im Kapitalismus haben kann), sondern vielmehr Kriterien der Emanzipation. Die »böse Horizontale« fängt nicht mit dem Abspulen eines vorgedachten Programms an, sondern mit der sozialen Rebellion gegen die unverschämten Zumutungen von »Marktwirtschaft und Demokratie«.
Radikale theoretische Kritik und Rebellion müssen zusammenkommen, nicht schwächelnde »Ethik« und der Ruf nach einer »gerechten« demokratischen Menschenverwaltung. Der Begriff der »sozialen Gerechtigkeit« gehört zum Plastikwortschatz der Medienpolitiker und damit zum Diskurs der demokratischen Krisenverwaltung. Nicht etwa die Befreiung der Reichtumsproduktion von den absurden kapitalistischen Restriktionen ist damit angesagt, sondern die »gerechte« protestantische Zuteilung der Notrationen gerade unter diesem pseudo-naturgesetzlichen Diktat.

Die Aufgaben, die gelöst werden müssen, sind von geradezu ergreifender Schlichtheit. Es geht erstens darum, die real und in überreichem Maße vorhandenen Ressourcen an Naturstoffen, Betriebsmitteln und nicht zuletzt menschlichen Fähigkeiten so einzusetzen, daß allen Menschen ein gutes, genußvolles Leben frei von Armut und Hunger gewährleistet wird. Unnötig der Hinweis, daß dies längst mit Leichtigkeit möglich wäre, würde die Organisationsform der Gesellschaft diesen elementaren Anspruch nicht systematisch verhindern.
Zweitens gilt es, die katastrophale Fehlleitung der Ressourcen, soweit sie überhaupt kapitalistisch mobilisiert werden, in sinnlose Pyramidenprojekte und Zerstörungsproduktionen zu stoppen. Unnötig zu sagen, daß auch diese ebenso offensichtliche wie gemeingefährliche »Fehlallokation« durch nichts anderes als die herrschende Gesellschaftsordnung verursacht ist.
Und drittens schließlich ist es erst recht von elementarem Interesse, den durch die Produktivkräfte der Mikroelektronik gewaltig angeschwollenen gesellschaftlichen Zeitfonds in eine ebenso große Muße für alle zu übersetzen statt in »Massenarbeitslosigkeit « einerseits und verschärfte Arbeitshetze andererseits.
Es hat die Züge eines verrückten Märchens, in dem das Absurde normal und das Selbstverständliche ganz unverständlich erscheint, daß das, was offen auf der Hand liegt und eigentlich gar nicht erwähnt zu werden braucht, im gesellschaftlichen Bewußtsein vollständig verdrängt worden ist, als wäre darüber ein Zauberbann ausgesprochen worden. Trotz der geradezu schreiend evidenten Tatsache, daß ein auch nur einigermaßen sinnvoller Einsatz der gemeinsamen Ressourcen mit der kapitalistischen Form völlig unvereinbar geworden ist, werden nur noch »Konzepte« und Vorgehensweisen diskutiert, die genau diese Form voraussetzen.
Es handelt sich weder um ein materielles noch um ein technisches oder organisatorisches Problem, sondern allein um eine Bewußtseinsfrage. Um zivilisatorisch überleben zu können, muß die Menschheit die Gehirnwäsche des Liberalismus und seines Bentham-Systems abschütteln, also gewissermaßen die verinnerlichten Zwänge und Zumutungen der blinden Geldmaschine wieder herauswürgen, um sich überhaupt unbefangen dem Verhältnis von vorhandenen Ressourcen und ihrer vernünftigen gesellschaftlichen Anwendung stellen zu können.
Das würde bedeuten, die herrschenden gesellschaftlichen Formen, Kategorien und Kriterien nicht mehr in irgendeiner anderen Kombination gruppieren zu wollen, sondern sie schlicht abzuschaffen. Der gesamte Betrieb von abstrakter »Arbeit«, betriebswirtschaftlicher Rationalität, Wachstumszwang und Marktwirtschaft, die gesellschaftliche Reproduktion über »Arbeitsmärkte« unter dem leitenden Selbstzweck des Geldkapitals und seiner »Verwertung« - dieser unhaltbar gewordene ganze Systemzusammenhang kann nur noch stillgelegt werden. Es bedarf eines weltweiten sozialökonomischen »Maschinensturms « gegen die in Wahrheit grauenhaft häßliche Weltmaschine des Kapitals, um sie zum Stehen zu bringen und zu verschrotten, bevor sie vollends in die Luft fliegt und die Reste menschlicher Zivilisation mit sich ins Verderben reißt.

Der Gedanke einer permanenten gesellschaftlichen Beratung über den Einsatz der Ressourcen verweist schon auf ein mögliches institutionelles Gefüge, das »Marktwirtschaft und Demokratie« ablösen könnte: nämlich eben »Räte«, beratende Versammlungen aller Gesellschaftsmitglieder auf allen Ebenen der gesellschaftlichen Reproduktion. Sich einfach versammeln und die Dinge in die eigene Hand nehmen, ohne sich länger von der kapitalistischen Menschenverwaltung kujonieren und auf lächerliche Notrationen ohne Not setzen zu lassen - nur darin kann die Entfesselung der »bösen Horizontale« sich darstellen.
Die historischen, immer nur kurzlebigen Ansätze von »Räten« seit der Pariser Commune sind daran gescheitert, daß sie in den kapitalistischen Kategorien von abstrakter »Arbeit«, Geldform, Marktvermittlung und »Politik« befangen blieben, also ihren eigenen Gesichtspunkt gegen die herrschenden Fetischformen nicht geltend machen konnten.
Unter den Bedingungen der Dritten industriellen Revolution könnten »Räte« dagegen tatsächlich nur noch an die Stelle von Geldform und anonymen Märkten treten. Die Mikroelektronik stellt dafür gleichzeitig die Möglichkeit einer allseitigen kommunikativen Vernetzung bereit, die alle Herrschaftszentren »vertikaler« Menschenverwaltung leicht aushebeln kann.
Damit die »böse Horizontale« in Gang kommen kann, bedarf es einer bewußten »Palaverkultur «; also genau das, was für Ford und Lenin der Horror eines ewigen »Gequatsches« war, das ihre schöne Gesellschaftsmaschine beeinträchtigen könnte. Genau darum geht es: alles zu bereden und abzuwägen, statt sich einer blinden und zerstörerischen abstrakten Leistungsmaschine zu unterwerfen und als deren Rädchen zu funktionieren. Zeit für das Palaver stünde übergenug zur Verfügung; und zwar nicht nur durch die Produktivkräfte der Dritten industriellen Revolution, sondern auch durch die Perspektive, alle destruktiven und unsinnigen Produktionen ersatzlos stillzulegen, die nur der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems dienen (von der Geldverwaltung bis zur nervtötenden medialen Glocke der »Werbung«).

Dennoch befindet sich ein größerer Teil der Linken überall in der Phase einer unbestimmten Latenz. Es ist immer noch möglich, eine Kehrtwendung zu machen und sich den katastrophalen Erfahrungen der 90er Jahre zu stellen. Die Linke muß begreifen, daß sie nicht etwa »zu radikal«, sondern im Gegenteil niemals radikal genug war. Nicht eine stärkere Anpassung an das ökonomische Gesetz des Kapitalismus ist das Gebot der Stunde, sondern im Gegenteil der vollständige Bruch mit diesem Gesetz. Die Linke muß ihre eigene Geschichte kritisieren, ihre eigene apriorische Verbundenheit mit der bürgerlichen Welt aufdecken und sich davon lösen. Nur dann waren die systemimmanenten Kämpfe der letzten hundert Jahre nicht umsonst, mit denen die Linke dem Kapitalismus stets nur vorübergehend ein niemals genügendes Minimum an sozialen Gratifikationen und eine Begrenzung der schlimmsten Zumutungen abgetrotzt hat, wenn diese Linke am definitiven Ende der kapitalistischen Geschichte den Mut findet, aus dem eisernen Käfig von »Marktwirtschaft und Demokratie« auszubrechen.
Jedoch ist genau das was dort beschrieben wird etwas das die Mehrheit der Menschen von Rechts über die Mitte bis Links hinweg als unmöglich durchführbar erachtet.
Daher ist für mich die entscheidende Frage wer macht den Kniefall zuerst?
Derjenige der das hier Zitierte bejaht, andere Menschen davon überzeugen will und wegen deren Meinung das es so nicht geht, so eine Welt nicht möglich ist, resigniert. Oder diejenigen die der Meinung sind das es so nicht geht, das eine andere Welt nicht möglich ist.
Es ist der Klassiker, die Frage danach was zuerst da ist, die Henne oder das Ei.

ZitatDiese Texte sagen aber mehr über die Autoren, als über die Welt. Es gab unendlich viele Papiere darüber, daß der Kapitalismus mit immer effektivern Organisationsformen, Technologien und Roboterisierung die Arbeit abschafft und demnächst keine Arbeiter mehr braucht. Das Gegenteil ist eingetreten. Es wurde noch nie so viel gearbeitet wie heute und das größte Problem der Wirtschaft scheint zu sein, motivierte Arbeitskräfte zu finden, sowohl für einfache "Aushilfsjobs", als auch für die hochspezialiserten Facharbeitertätigkeiten.


https://www.youtube.com/watch?v=lFq2aAcf-8s&t=207s
Die Nazis vollzogen auf ihre Weise, was die Sozialdemokratie sich immer erträumt hatte: eine »ordentliche Revolution«, in der alles ganz anders wird, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Zitat Schwarzbuch Kapitalismus Seite 278

Kuddel

Was du sagst, ist zwar alles richtig, doch mein Vorwurf an dich bleibt. Du suchst nicht nach praktischen Möglichkeiten, in diesen schlimmen Verhältnissen effektiv zu kämpfen, du suchst nur nach Ausreden, warum man nicht kämpfen kann.

Ich kann dir nicht widersprechen. Der Zustand der Welt ist nicht nur scheiße, sondern niederschmetternd und grausam. Du glaubst gar nicht, wie schwarz ich sehe.

Mich nerven die Linken, die sich alles irgendwie schönreden genauso wie die, die sich krampfhaft an linken Konzepten von (mehr als) 100 oder 50 Jahren festhalten.

Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dürfen wir die Augen nicht verschließen vor dieser Welt, die wie ein Alptaum daherkommt, wir aber nicht hoffen können, daß man uns weckt. Der Alptraum ist real.

Zitat...das die Mehrheit der Menschen von Rechts über die Mitte bis Links hinweg als unmöglich durchführbar erachtet...

...wegen deren Meinung das es so nicht geht, so eine Welt nicht möglich ist...

Blablaba. Und so weiter und so fort.

Es ist so leicht, Argumente zu finden, warum man nichts machen kann.

Die Herausforderung ist jedoch, angesichts dieser scheinbar unumstößlichen Verhältnisse, nach inneren Widersprüchen, Brüchen und Ansätzen zu suchen, als Ansatzpnkt für subversive Aktivitäten und offene Angriffe.

Mich nervt dieses weinerliche "es geht nicht", denn es haben Menschen immer wieder militanten Widerstand organisiert in autoritären oder faschistischen  Verhältnissen, es gab einen Georg Elser, Widerstand in Ausschwitz und auch in den nordirischen H-Block-Hochsicherheitsknästen.

Die Sklaverei wurde abgeschafft, indem sich die Sklaven erhoben haben. Sie brauchten keine Mehrheiten in der Gesellschaft und sie brauchten keine linken Schwätzer, die ihnen erzählt haben, wohin der Weg denn gehen soll. Sie hatten das sichere Gefühl, "wir wollen und wir können so nicht mehr so leben, wir spielen nicht mehr mit". Sie haben eine Rebellion begonnen, selbst wenn es für sie als Individuen den sicheren Tod bedeutet hat.

Wenn wir tatsächlich eine andere Welt wollen, kommen wir nicht weiter, wenn wir Zustimmung in den Medien oder Mehrheiten in den Parlamenten suchen.

Geschichte entwickelt nicht gradlinig, sie bleibt unberechenbar und verläuft in Sprüngen. Rebellionen und Revolutionen sind nicht vorhersehbar. Voraussetzung ist und bleibt die Vorstellung von einem anderen Leben, einem "wir wollen so nicht weitermachen". Das tragen auch Menschen in sich, die im Alltag politische Scheiße reden.

Nehmen wir die Trucker auf dem Rasthof Gräfenhausen. Es sind nur wenige Dutzend. Sie haben für sich entschieden, wir wollen uns nicht länger wie Sklaven behandeln lassen, wir spielen nicht mehr mit. Sie haben nicht über Revolution gequatscht. Sie haben nicht gefragt, ob sie das dürfen.

Ihr Schritt war radikaler als alle linksradikalen Pamphlete zusammen. Sie haben Gesetze ignoriert und gebrochen. Sie haben in ihrem Bereich den Kapitalismus zum Stillstand gebracht.

Da gucken alle doof. Sie kommen jetzt in Scharen, die Medienmenschen, die Gewerkschaftsvertreter und die Politiker. Sie fragen sich, was da los ist und wie man das beenden kann.

Die Fahrer mögen weder Deutsch noch Englisch können, doch sie wissen was sie tun. Sie lassen sich vor keinen Karren spannen, sie haben einen holländischen Gewerkschafter zu ihrem Verhandlungsführer gewählt, haben aber ihre Macht nicht aus den Händen gegeben, die Entscheidungen werden basisdemokratisch von den Fahrern getroffen. Sie ließen sich auch nicht durch den Besuch von Bundespolitikern beeindrucken.

Noch ein Beispiel: Der Wilde Streik bei Opel Bochum 2004.

Die Arbeiter haben nicht nur die Produktion zum Stillstand gebracht. Sie haben auch die Werkstore verbarrikadiert und hatten den Betrieb in ihrer Hand.

Man mag es kaum glauben, dieser Kampf wurde von einer unglaublichen Solidaritätswelle begleitet. Der lokale Fußballverein zeigte Solidarität im Stadion. Von Balkonen und Küchenfenstern Bochums baumelten Transparente.

Die Medien versuchten mit manipulativen Fragen, eine Ablehnung in der Bevölkerung auszumachen und scheiterten damit krachend. Egal wie man die Fragen formulierte, immer ergab sich eine Mehrheit, die diesen Kampf für gut und richtig hielt. Das war nicht nur im Raum Bochum so, sondern bundesweit. Ja, richtig gehört, der so viel gescholtene Deutsche Michel befürwortete das Brechen von Gesetzen und das Infragestellen der Eigentumsverhältnisse. Ja, die stinknormalen Menschen, die sonst so viel Scheiße reden und SPD oder CDU wählen, zeigten anarchistische und klassenkämpferische Haltungen. Sie befürworteten die Direkte Aktion, einen Kampf jenseits der Gesetze und stellten sich auf die Seite der kämpfenden Arbeiter.

Die Bullen haben mal durchgespielt, was eine Erstürmung der verbarrikadierten Werkstore erreichen würde. Sie kamen zu dem Schluß, daß es nach hinten losgehen könnte, weil es zu weiteren Solidarisierungen führen und bundesweite Proteste gegen die Staatsmacht bewirken  würde. Man sah also davon ab.

Die Mehrheit der Bevölkerung (egal wie sie politisch eingestellt ist) kapiert, daß die Opelarbeiter und die osteuropäischen Trucker um ihre Würde kämpfen. Das spüren auch unpolitische Menschen. Sie fühlen sich in ihrem Alltag selbst gedemütigt und haben deshalb Sympathie für solche Kämpfe.

Für mich stellt sich die Frage, wie wir zu mehr Kämpfen kommen, die für sich sprechen. 

counselor

Zitatdie sich krampfhaft an linken Konzepten von (mehr als) 100 oder 50 Jahren festhalten.

Sich an Marx und Lenin zu orientieren, bedeutet zunächst, dass man von ihrer profunden Kritik am Kapitalismus bzw Imperialismus inspiriert ist und diese versucht, weiter zu entwickeln. Man muss schon wissen, was man an den bestehenden Verhältnissen auszusetzen hat und sich die tieferen Gründe für die Zustände bewusst machen, wenn man das Übel radikal (an der Wurzel) abstellen will. Außerdem sollte man versuchen, aus den Fehlern der bisherigen Ansätze zum Sozialismus zu lernen (damit man die Fehler nicht nochmals macht).
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

@counselor, du hast mich in dieser Sache falsch verstanden.

Es gibt viele historische Analysen des Kapitalismus, die weder veraltet, noch unbrauchbar geworden sind.

Mich nervt nur, wenn Linke sich weiter an einem Proletariat orientieren, wie es heute einfach nicht mehr existiert. Wir haben es nicht mehr mit Massen zu tun, die aus Berg- und Stahlwerken quellen, auch nicht mit dem Massenarbeiter der 70er Jahre. Wir haben eine vielfach gespaltene und atomisierte Klasse. Subunternehmen, Leiharbeit, Scheinselbständigkeit, etc.. Das sind andere Voraussetzungen, um sich zu organisieren und um zu kämpfen.

counselor

Es gibt durchaus noch Großbetriebe. Ich selbst habe einige Jahre im Stammwerk von Merck in Darmstadt gearbeitet. Dort werden 6000 Mitarbeiter beschäftigt.

Weiteres Beispiel: Das Klinikum Nürnberg beschäftigt ca 8400 Mitarbeiter.

Das MAN-Motorenwerk in Nürnberg hat aktuell etwa 4000 Mitarbeiter.

Aber ich gebe Dir Recht: Die Struktur der Klasse hat sich schon verändert. Viele sind heute in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Ich weiß, es gibt nicht nur die atomisierten Arbeiter mit prekären Arbeitsbedingungen, es gibt auch noch Stammbelegschaften, die eine wichtige Rolle spielen und die das Kapital "kauft" durch hohe Löhne (wie in der Autoindustrie), man spricht manchmal von einer "Arbeiteraristokratie". Auch das ist eine Spaltung und diesen Bereich darf man nicht vergessen.

Diesen Fehler begehen die Linken, die sich nur noch für Amazon und Radkuriere interessieren.

Hartzhetzer

ZitatWas du sagst, ist zwar alles richtig, doch mein Vorwurf an dich bleibt. Du suchst nicht nach praktischen Möglichkeiten, in diesen schlimmen Verhältnissen effektiv zu kämpfen, du suchst nur nach Ausreden, warum man nicht kämpfen kann.
Dann kommt das bei dir falsch an, ich habe schon Ideen was man machen könnte um den Kram effektiv zu bekämpfen. Leider fällt mir der Umgang mit anderen Menschen äußerst schwer, was dazu führt das ich isoliert lebe und niemanden kenne mit dem ich gemeinsam gegen die gegenwärtigen Missstände kämpfen kann.
Das was bei dir als Ausreden warum man nicht kämpfen kann ankommt sind meine persönlichen Gründe warum ich nicht kämpfe.

Die Beispiele die du aufzählst und die ich gut finde haben was ganz wichtiges gemeinsam. Es handelt sich um Gruppen von Menschen die sich im Rahmen ihrer Gemeinsamkeiten die sich aus ihren Gelderwerbs Tätigkeiten ergeben zusammengetan haben um für bessere Bedingungen ihres Gelderwerbs zu kämpfen und ein deutliches mehr an monatlich verfügbaren Geld zu fordern.
Es war keine einzelner Depressiver LKW Fahrer der gesagt hat: "Ab heute Streike ich!" und es war auch in Bochum kein einzelner frustrierter Arbeiter der gesagt hat: "Ich blockiere jetzt mal das Werkstor und mache den Laden dicht!"
Ohne jetzt die Beispiele von dir in den Dreck ziehen zu wollen muss ich an der Stelle erwähnen das spätestens dann wenn die Arbeiter ihre Forderungen erfüllt sehen und sie sich eine Verbesserung ihres Privaten und Arbeitslebens erkämpft haben wieder bereitwillig zu Rädchen der Kapitalistischen Maschine werden.

Ich habe weder eine Nahkampfausbildung bei den Navy SEALs absolviert noch den Körperbau eines Schwarzeneggers in jungen Jahren. Wenn ich als Einzelperson die Sachen durchziehen würde die ich gerne machen würde um dem Dreck hier zu Schaden dann wäre ich innerhalb kürzester Zeit im Gefängnis.
Dort wäre ich dann schlimmer wie in meiner Schulzeit und Jugend dazu verurteilt für andere den Fußabtreter zu machen, höchstwahrscheinlich wäre ich derjenige der sich mindestens einmal wöchentlich in den Arsch ficken lassen müsste.

Wäre/n die ganzen legalen/ straffreien Proteste/ Protestformen, die Anpassungen des Konsumverhaltens, Wahlen oder die Mitgliedschaft in politischen Parteien ein funktionierendes Mittel für wirkliche positive Veränderungen der Welt dann wäre die Welt nicht in dem Zustand in dem sie sich befindet.
Daher beteilige ich mich nicht mehr an dem Kram da ich ihn für Verarschung halte.

Das realistischste für mich ist es ein Stück weit auch von den Faschos zu lernen. So wie die Dinge von Links kopieren und für ihre Ziele nutzen kann ich mir auch nützliches von denen aneignen.
Bevor ich als Einzelperson effektiv protestieren und gegen das System kämpfen kann muss ich mich mit Krafttraining körperlich hochrüsten, einen Kampfsport lernen und so wenig ungesunde Zuckerscheiße wie nur möglich essen.

Denn egal ob das Szenario aus dem Schwarzbuch Kapitalismus eintrifft oder es wirklich zu einer Revolution kommt muss man vorbereitet sein. Diejenigen die darauf vertrauen das schon alles gut werden und der kram hier die nächsten 50 Jahre stabil weitergehen wird werden definitiv das nachsehen haben. Sie werden diejenigen sein die zuerst über die Klinge derer springen müssen die keine Skrupel haben sich ihren Teil vom Rest der noch übrig ist zu nehmen.

Das man in der Schule für das Leben lernt das stimmt zu 100%, ich habe dort gelernt das nur die Menschen die stark, egoistisch, sadistisch und empathielos sind ein gutes Leben haben können.
Es war ja das BRD Schulsystem das nach der Wende dafür gesorgt hat das meine Schulklasse zerfiel, die umliegenden Schulen zu Gymnasien wurden und die ganzen widerlichen Wichser von den anderen Schulen die zu doof fürs Gymnasium waren auf meine Schule kamen. Aber genau das ist der Sinn von Schule in dieser Gesellschaft, Menschen zu Herrn und Sklaven, zu Akademikern und bedeutungslosen Arbeiter umzuerziehen.

Mit dem Wissen von heute hätte ich meine späte Jugend und mein junges Erwachsenenalter nicht damit vergeudet mich mit Drogen zu betäuben, sondern ich hätte meine Zeit mit körperlicher Aufrüstung sinnvoller nutzen können. Dann wäre ich heute stark und gefährlich und nicht nur ein bedeutungsloser Theoretiker ohne Biss.
Die Nazis vollzogen auf ihre Weise, was die Sozialdemokratie sich immer erträumt hatte: eine »ordentliche Revolution«, in der alles ganz anders wird, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Zitat Schwarzbuch Kapitalismus Seite 278

Kuddel

Jetzt hör mal auf, dich selbst zu bemitleiden.

Es ist schon richtig, daß sich die Welt in einem katastrophalen Zustand befindet und es ist ungeil, wenn die eigene Gesundheit nicht so dolle ist. Das verstehe ich alles.

Mich nervt nur, daß du nicht neugierig bist auf das Chaos des Weltenlaufs, in dem ständig Unvorhergesehenes passiert und keinesfalls nur das, was die Herrschenden geplant haben.

Deine Gedanken drehen sich stets darum, warum man nichts machen kann, statt sich darüber zu freuen, daß es überall kracht und den Herrschenden außer Kontrolle gerät.

Und ich finde es zwar löblich, daß du von einer Revolution träumst, aber dann beerdigst du deinen Traum gleich wieder, weil du meinst, es müsse einen möglichst geordneten (und wahrscheinlich bewaffneten) Kampf zum Umsturz geben, aber davon ist weit und breit nichts in Sicht.

Eine Revolution entwickelt sich aus zahllosen und auch widersprüchlichen Kämpfen. Und nach einer Revolution bricht nicht automatisch ein goldenes Zeitalter an, in dem jeder gut versorgt und glücklich ist. So manche Revolution bringt ein neues Herrschaftssystem hervor, manchmal schlimmer  als das vorherige.

Man sollte schon wissen, daß es keinen goldenen Pfad oder Patentrezept für eine andere Welt und eine neue Gesellschaft gibt. Man muß sich aber auch klarmachen, was es heißt, den Lauf der Dinge und dieser Gesellschaft einfach hinzunehmen. Das bedeutet nämlich nicht, daß diese ungerechten Verhältnisse einfach für immer fortbestehen, dieses Wirtschaftssystem wird uns in einen wahren Alptraum führen. Ein außer Rand und Band geratenes Klima, Hungersnöte, riesige Fluchtbewegungen und zahlreiche Kriege als Normalzustand. Ein die Hände in den Schoß legen ist keine Option.

Kuddel

Zitat von: Hartzhetzer am 07:00:35 Mo. 17.April 2023Ohne jetzt die Beispiele von dir in den Dreck ziehen zu wollen muss ich an der Stelle erwähnen das spätestens dann wenn die Arbeiter ihre Forderungen erfüllt sehen und sie sich eine Verbesserung ihres Privaten und Arbeitslebens erkämpft haben wieder bereitwillig zu Rädchen der Kapitalistischen Maschine werden.

Ach gottchen. Was stellst du dir vor?

Meinst du, eine Arbeitsniederlegung muß zu einer Revolution führen?

Diese Formulierung hat mich geärgert:
Zitat von: Hartzhetzer am 07:00:35 Mo. 17.April 2023...wieder bereitwillig zu Rädchen der Kapitalistischen Maschine werden...
Wie kommst du darauf, daß sie gern Tag und Nacht in einer Kabine hinter dem Lenkrad verbringen, um irgendwelchen Scheiß von A nach B zu transportieren? Ich nehme mal an, die würden um einiges lieber in die Disco gehen oder mit Frau und Kindern am See abhängen.

Zitat von: Hartzhetzer am 07:00:35 Mo. 17.April 2023Es war keine einzelner Depressiver LKW Fahrer der gesagt hat: "Ab heute Streike ich!" und es war auch in Bochum kein einzelner frustrierter Arbeiter der gesagt hat: "Ich blockiere jetzt mal das Werkstor und mache den Laden dicht!"

Nach einer Erzählung war es ein junger Arbeiter auf der Leninwerft, ein Nervenbündel und Alkoholiker, der beim Aufhängen eines Plakats mit dem Werkschutz aneinander geriet, es zu einem Handgemenge kam und das zum Ausgangspunkt für den Streik auf der Werft wurde, der letztendlich das polnische Regime zu Fall brachte.

Vielleicht war es in Wirklichkeit anders, aber ich kann mir vorstellen, daß es sich so ähnlich zugetragen haben könnte.

Zum Matrosenaufstand, der schießlich zur Revolution 1918/1919 geführt hat, habe ich die Aussage eines Matrosen gelesen, der meinte, der Auslöser für diese Revolte sei recht unpolitisch gewesen. Die Mannschaft war unzufrieden mit dem Essen an Bord und begann zu meutern...

Und nun nochmal zu meinen Beispielen, den Truckern und den Opelarbeitern...

Es gibt kaum einen Job, der isolierter und einsamer ist, als der eines Truckers. Die auf dem Parkplatz in Gräfenhausen waren noch nicht einmal angestellt bei dem polnischen Unternehmen, sie hatten Verträge als selbständige Auftragnehmer. Es mag vielleicht nicht so bekannt sein, aber ein nicht unerheblicher Teil der Berufskraftfahrer arbeitet unter Einfluß von Alk und Drogen, nicht anders als Arbeiter anderer Branchen.

Die Trucker von Gräfenhausen waren keine verschworene Gemeinschaft, sie kannten einander oftmals nicht, begegnen sich eher zufällig beim Tanken oder Pausieren. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen, benutzen unterschiedliche Alphabete und haben verschiedene Religionen. Sie überwanden Vereinzelung und Spaltungslinien, weil sie gemeinsame Interessen haben, die nur gemeinsam durchgesetzt werden können.

Und meinst du, dieser Kampf bei Opel wäre aus heiterem Himmel gefallen? Bei Opel arbeiteten ganz normale Menschen. Bei denen findest du all das, was du so gern beschreibst: Es gibt einzelne Arbeiter, die sind nicht nur unpolitisch, sondern auch egoistisch und andere sind rassistisch oder sonstwie bekloppt drauf. So wie überall. Es gab aber eine kleine Opposition, eine Betriebsgruppe, die sich regelmäßig traf, nicht nur um die Kollegen anzustacheln, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, sondern sie träumten von einer Welt ohne Kapitalismus und waren überzeugt, daß man die nicht erreichen kann ohne den gemeinsamen Kampf mit den Arbeitern. Das war natürlich eine absolute Minderheitenposition, die wurde von akademischen Linken meist nicht verstanden und die Kollegen im Betrieb wollten davon nicht wissen. Sie haben eine jahrelange zähe Betriebsarbeit gemacht mit unzähligen Flugblättern, Reden auf Betriebsversammlungen und Einzelgsprächen. Ihre Minderheitenposition gegen den Strom führte zu Debatten unter den Kollegen und zu einer Politisierung. Ohne diese Vorarbeit wäre der Wilde Streik bei Opel Bochum nicht denkbar gewesen.

Wir haben genug Leute, die ständig davon quatschen, was man alles machen könnte und sollte, aber es gibt nur wenige, die die unspektakuläre Wühlarbeit im Unsichtbaren auch tun.

Das Opelwerk in Bochum gibt es nicht mehr. Die Aktivisten der kleinen oppositionellen Betriebsgruppe sind inzwischen in Rente. Diejenigen, die noch leben, treffen sich noch jede Woche, um gemeinsam über die politischen Entwicklungen zu diskutieren.

Solche Menschen bewundere ich.

Hartzhetzer

Danke für deine höfflich rübergebrachte Meinung, die Diskussionen mit dir tuen gut da sie mir andere Sichtweisen eröffnen. Viele Dinge tue ich aufgrund meiner eigenen Lebenserfahrung zu schwarz sehen und zu deprimiert beurteilen.

ZitatAch gottchen. Was stellst du dir vor?

Meinst du, eine Arbeitsniederlegung muß zu einer Revolution führen?

Diese Formulierung hat mich geärgert:
ZitatZitat von: Hartzhetzer am Gestern um 08:00:35
...wieder bereitwillig zu Rädchen der Kapitalistischen Maschine werden...
Wie kommst du darauf, daß sie gern Tag und Nacht in einer Kabine hinter dem Lenkrad verbringen, um irgendwelchen Scheiß von A nach B zu transportieren? Ich nehme mal an, die würden um einiges lieber in die Disco gehen oder mit Frau und Kindern am See abhängen
Von Arbeitsniederlegungen eine Revolution zu erwarten ist solange unrealistisch bis sich eine daraus entwickelt. Aber ich weiß schon was du meinst, anstatt sich zu sagen: "Cool hier kämpfen Menschen gegen die täglichen Zumutungen dieses Ladens." sehe ich nicht das positive des Kampfes, sondern tue den Kampf damit ab das ich Beispielsweise sage: "Gesamtgesellschaftlich tut sich dadurch trotzdem nichts ändern."

Und ja das "bereitwillig" ist Kacke, diese Menschen gehen genauso bereitwillig arbeiten wie ich Miete und Strom bezahle. Bei diesem Satz war ich in Gedanken wieder viel zu sehr bei den reaktionären Menschen die ihr Arbeiten gehen wie eine goldene moralische Rüstung tragen und andere auf Demos anschreien: "Such dir mal eine Arbeit! Gehe arbeiten!"
Entweder liegt es an meinem eigen psychischen Zustand das ich immer zuerst so etwas vor Augen habe oder daran das ich in Sachsen eines der reaktionären Zentren Deutschlands lebe in dem man zu 80% (auch in der eigenen Familie) mit solchen Menschen zu tun hat. Am wahrscheinlichsten jedoch ist eine Mischung aus beiden, wodurch sich infolge eines Zusammenspiels beider negativer Faktoren die als schwarz wahrgenommene Welt verstärkt.
Die Nazis vollzogen auf ihre Weise, was die Sozialdemokratie sich immer erträumt hatte: eine »ordentliche Revolution«, in der alles ganz anders wird, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Zitat Schwarzbuch Kapitalismus Seite 278

Kuddel

ZitatProtest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle andern auch nicht mehr mitmachen

Ulrike Meinhof

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