Tarifverträge Leiharbeit 2022/23

Begonnen von karl., 08:29:36 Mi. 04.Mai 2022

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Kuddel

@Hans01, kann es sein, daß du SPD-Wähler bist, wenn man fragen darf?

Zitat von: karl. am 19:36:36 Mi. 06.Dezember 2023Wenn sich LAN individuell wehren z.B. mittels Arbeitszurückhaltung ist das noch lange keine Organisierung.

@karl. Da hast du schon recht. Es handelt sich aber schon um einen Wandel in der Leiharbeitskultur und das ist in dem Sinne eine kollektive Sache, wenn auch nicht organisiert oder abgesprochen. Es gibt vereinzelt Absprachen zu gemeinsamer Krankmeldung als Reaktion auf ein bestimmtes Ärgernis. Das ist zumindest etwas, auch wenn nicht etwas wie eine Organisation dabei herauskommt.

In Autobetrieben, wo die Bedingungen überdurchschnittlich gut sind, erlebt man umgekehrtes. Da schleppen sich Kollegen auch krank hin in der Hoffnung, übernommen zu werden.

Insgesamt ist die Situation aber so, daß Leiharbeiter kaum organisierbar sind. Dazu sind sie auch zu versprengt, heute hier, morgen da. Das Jobhopping ist da recht verbreitet, man fängt bei einem anderen Verleiher an, wenn der letzte zu sehr genervt hat. Aber man bleibt im gleichen Kreis und wird oftmals in den selben Betrieben eingesetzt, wie zuvor.

Das war Thema bei der Gründung der Stadtteilinitiative "Solidarisch in Gröpelingen". Da sagte man, die Leihbuden wechseln ständig, der einzige Fixpunkt der prekären Beschäftigten ist ihr Wohnort. Deshalb versuchte man eine Organisierung von der Seite her. Man sprach von einer "Stadtteilgewerkschaft". Es gab mal eine Veranstaltung zur Leiharbeit im Laden der Ini und eine Kundgebung auf der Straße zum Thema. Aber dem Anspruch einer echten "Stadtteilgewerkschaft" ist man damit nicht gerecht geworden. Vielleicht entwickelt sich da noch was.

Die Tatsache der Unorganisierbarkeit (bzw. schwierigen Organisierbarkeit) von Leiharbeitern ist ein riesiges Problem.

Ich unterstütze die Forderung, all diese Zersplitterungen der Belegschaften insgesamt zu bekämpfen, mit Outsourcing, Zeitverträgen, Werkverträgen und was da da sonst noch gibt, von der Stammbelegschaft her. Die sind besser (gewerkschaftlich) organisiert und es gab bereits einige Kämpfe, bei denen die Übernahme aller Leiharbeiter gefordert worden ist.

Es gibt sogar einzelne Beispiele, in denen auch Leiharbeiter das kollektiv gefordert haben.


Forderungen in Richtung von "ein Betrieb - eine Belegschaft" halte für sehr gut und sinnvoll. Bei der aktuellen Gewerkschaftsbewegung in den USA tauchen solche Forderungen auch verstärkt auf.

Hans01

Ja, am ehesten würde ich zur SPD tendieren. Denn nur mit der SPD sind Dinge wie Bürgergelderhöhung und der Mindestlohn bzw. die Erhöhung möglich gewesen. Bei den Grünen habe ich nicht den Eindruck, dass bei ihnen diese Dinge Prio 1 sind. Die hätten auch mit der CDU ohne diese Dinge koaliert.

Und Parteien wie CDU, FDP und AfD kümmern sich schon gar nicht um das Fußvolk. Ganz im Gegenteil. Die würden die Bürgergelderhöhung am liebsten sogar stoppen.

Übrigens scheint das eine IG Metall Veranstaltung gewesen zu sein (im Hintergrund ist eine IGM Fahne sichtbar).

Natürlich ist es schwierig, Leiharbeiter zu organisieren. Allerdings ist die Mitgliedschaft mit dem Mitgliedervorteil auch finanziell erleichtert und gerade Leiharbeiter benötigen auch eine Rechtsschutzversicherung. Die ist dort mit drin und muss nicht teuer dazugekauft werden.

Ich halte es für falsch, auf alte Fehler herumzureiten. Die SPD ist damals für die Agenda 2010 bestraft worden. Und auch die Gewerkschaften tun manchmal Dinge, die für Unverständnis sorgen. Aber es gibt für uns einfache Arbeitnehmer keine Alternative. Schon gar nicht ist es die AfD. Man kann nur das beste daraus machen. Aber leider hat rechte Politik stimmungsmäßig gerade die Mehrheit in der Bevölkerung. Da wird dann eher noch geschaut, ob die unteren 10% nicht vielleicht noch um einen Euro zu gut bei wegkommen. Es wird fleißig nach unten getreten. Und diese Politik ist derzeit mehrheitsfähig.

counselor

Die Ampel und damit die SPD steht derzeit vor der unlösbaren Aufgabe, im Interesse der Konzerne die Umverteilung von unten nach oben voranzutreiben, ohne dass die Menschen aufbegehren oder gar den Kapitalismus infrage stellen. Ab 2024 soll die Regierung ganz offen der Leitlinie folgen, den Industriestandort Deutschland auf Kosten sozialer Zugeständnisse im Konkurrenzkampf an die Spitze zu bringen.

Die Forderungen nach Neuwahlen von CDU und AfD folgen in dieser Situation der tiefen Vertrauenskrise dem Kalkül, eine neue Massenbasis für eine noch rigorosere Rechtsentwicklung aufzubauen.

Desto mehr die Regierung in die Krise kommt, umso mehr wächst aber auch unter den Industriearbeitern die Offenheit für den echten, den wissenschaftlichen Sozialismus.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Hans01

Halte ich für utopisch. Man sieht es an den Umfragewerten bei den Linken. Die würden derzeit nicht einmal in den Bundestag reinkommen. Wer soll denn dann auch nur im Ansatz die Politik Richtung Sozialismus lenken?

Nein, die überwältigende Mehrheit will leider rechte Politik. Es wird gegen Flüchtlinge gehetzt und gegen Bürgergeldempfänger. Und das kommt gut an bei der Mehrheit, denn Union und AfD kommen zusammen auf über 50%.

karl.

Hans01  22:00:17 Mi. 06.Dezember 2023

"Ich habe die BAG Entscheidung gelesen und fand die Begründung schlüssig"

Habe das komplette Urteil jetzt auch gelesen:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp-content/uploads/2023/09/5-AZR-143-19.pdf

Schlüssig finde ich da nichts. Werde das mal an zwei Punkten erklären warum. Es geht im wesentlichen um den Punkt verpflichtende Bezahlung in verleihfreien Zeiten.

Auf Seite 12 die letzten 3 Zeilen und auf Seite 13 die ersten 3 Zeilen heißt es in der Begründung:

""Wegen der ,,Gleichwertigkeit" der in Art. 5 Abs. 2 bis Abs. 4 RL 2008/104 vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung kannder in Art. 5 Abs. 2 RL 2008/104 verlangte Vorteil - Vergütung in verleihfreien Zeiten - ein möglicher Ausgleichsvorteil auch für eine Ungleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt durch Tarifvertrag und damit geeignet sein, den Gesamtschutz iSd. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 ausreichend zu achten."

Die von mir hervorgehobenen Begriffe (fettgedruckt) "kann, möglich,geeignet" sind gerade nicht schlüssig. Es kann also auch nicht möglich sein oder nicht geeignet sein. Es ist eine Bewertung die das BAG vorgenommen hat. Ein anders besetztes Gericht kann also auch sehr wohl zu einer anderen Bewertung kommen.

Zweiter Punkt Seite 15 RN 31:
"Ein Ausgleichsvorteil ist, dass Leiharbeitnehmer wie die Klägerin das tarifliche Entgelt auch in verleihfreien Zeiten ungeschmälert erhalten.....Der Verleiher trägt also das Wirtschaftsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt (Seite 16 RN 32).

Stimmt, aber nur auf dem Papier.
In der Praxis sieht es so aus: Die DGB-TV beinhalten zum einen AZK (Arbeitszeitkonten) die ziemlich regelmäßig in verleihfreien Zeiten angewandt werden. Außerdem kann man in der Probezeit (6 Monate) jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Urlaub nehmen in verleihfreien Zeiten auch so eine Masche. Die verpflichtende Bezahlung in verleihfreien Zeiten ist für ZAF kein Problem sondern eine Herausforderung an ihre Kreativität. Aber das spielt bei BAG-Urteilen keine Rolle. Hauptsache man kann die Gesetzestexte lesen. Und selbst da läßt man sich Türchen offen mit "kann" und "möglich" etc.
 

Der DGB: "PM 025 - 31.05.2023
"DGB zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Tarifverträgen in der Leiharbeit.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften bedauern, dass die Klägerin mit ihrem Begehren beim Bundesarbeitsgericht (BAG) gescheitert ist."

Immerhin der DGB sagt nicht schlüssig.

Warum die verdi keine mögliche Verfassubgsbeschwerde eingelegt hat ist bis heute nicht bekannt. Die Art und Weise wie verdi die Frist zur Einreichung der Beschwerde durch Nichteinbeziehung und Nichtaufklärung der klagenden Kollegin vorgenommen hat hinterläßt Fragen. Vielleicht hat verdi ja gute Gründe so vorzugehen aber wenn sie gut sind dann raus damit.
Mit der Kollegin ist verdi am Ende nicht wie mit einer Kollegin umgegangen sondern wie mit einer Geschäftsbeziehung.

"Zunächst gingen die mit der Angelegenheit befassten Gewerkschaftsjuristen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde eingelegt wird (...) Der Betroffenen wurde vorher mitgeteilt, dass das Verfahren nicht fortgesetzt werde. Man hat sie nicht etwa gefragt, wie sie die Dinge einschätze und ob sie gerne weitergemacht hätte. (...) Die Entscheidung durch Ver.di erging gegen Ende der Monatsfrist, so dass andere Leute nicht mehr in der Lage waren, mit der Betroffenen zu reden, sich eine Vollmacht zu holen und selbst einen Beschwerdetext zu erarbeiten.
Siehe unter
https://www.labournet.de/politik/alltag/leiharbeit/arbed_leiharbeit/bag-nichts-aendert-sich-in-der-leiharbeit-oder-doch-auch-wenn-ver-di-entschieden-hat-keine-verfassungsbeschwerde-einzulegen-die-klagekampagne-geht-weiter/
 

Das hinterläßt nicht einfach ein "Gschmäckle" das riecht übel.

Im Oktober war ich auf der Delegiertenversammlung unserer IGM-Geschäftsstelle. Hauptrednerin war die neue IGM-Vorsitzende. Ich ging ans Mikro und fragte warum es zum BAG - Urteil sowie zum Evaluierungsbericht des AÜG (das AÜG wurde 2017 geändert) der Bericht liegt seit 1 Jahr vor noch keine Aussagen gibt? Sie notierte sich das und versprach dies anzuleiern. Mal sehen ob es im neuen Jahr dazu mal eine Umsetzung gibt und das in der IGM diskutiert wird.
Wenn man sich aus dern Gewerkschaften ausklinkt machen die halt unwidersprochen was sie für richtig halten.

Wem das jetzt alles zu kurz war ich kanns auch länger.   :Q













counselor

Diskussionen über den Sozialismus mit Industriearbeitern sind nicht utopisch. Sie finden schon statt. Das Ziel des Sozialismus ist aber in ferner Zukunft.

ZitatNein, die überwältigende Mehrheit will leider rechte Politik.

Die Entwicklung ist widersprüchlich. Einerseits kämpfen viele Arbeiter mit ihren Gewerkschaften für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, andererseits bahnt sich an der Wahlurne eine offene Rechtsregierung an.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Hans01

Die Begriffe ,,kann, möglich, geeignet" sind doch aber genau richtig, um damit auszudrücken, dass die Bezahlung in verleihfreien Zeiten ein solcher Ausgleich sein kann. Du kannst daraus ja kein ,,muss" machen, da es sicherlich auch noch andere denkbare Ausgleichsmöglichkeiten gibt und man ja auch drauf verzichten kann (dann darf nur nicht weniger als Equal Pay tariflich geregelt werden). Also: Das kann man so regeln, es ist auch möglich das so zu regeln, muss es aber nicht zwingend tun.

Und dass die Verleiher ihre Leute bescheißen und sie dazu überreden, Urlaub oder Überstunden zu nehmen, das kann das BAG ja nicht berücksichtigen. Das BAG berücksichtigt Recht und Gesetz und nicht, ob sich die Betroffenen trauen, ihre Ansprüche auch tatsächlich einzufordern. Wir leben hier immer noch in einem Rechtsstaat. Dann müssen die Leute ihre Rechte einfordern, notfalls über einen Anwalt. Das mag unbequem sein, aber da muss man dann durch. Geht übrigens mit Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft einfacher, dann kümmern sich deren Anwälte drum.

Warum keine Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, weiß ich auch nicht. Ich vermute, dass die Anwälte die Erfolgsaussichten als schlecht eingestuft haben.

Hans01

Zitat von: counselor am 22:07:21 Fr. 08.Dezember 2023Die Entwicklung ist widersprüchlich. Einerseits kämpfen viele Arbeiter mit ihren Gewerkschaften für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, andererseits bahnt sich an der Wahlurne eine offene Rechtsregierung an.

Die Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften sind jedoch rückläufig. Zugleich profitiert nicht die Linke von der Unzufriedenheit der Ampel, sondern die AfD. Sprich: Den Leuten ist die Ampel viel zu links. Sie wollen rechte Politik. Und das macht mir Angst. Vor allem weil Merz, der immer noch im letzten Jahrtausend steckt, an der Spitze ist. Dazu kommen offen rechtsradikale AfD Leute. Eine Mehrheit will derzeit eine rechte bis rechtsradikale Regierung. Das ist ja exakt das Gegenteil von Sozialismus.

Kuddel

Gewerkschaftsmitgliedschaft schützt nicht vor rechten Einstellungen. Eine Studie zum Thema von Bodo Zeuner erlangte eine traurige Berühmtheit.

ZitatZeuner war Sprecher einer Forschungsgruppe, die sich mit Rechtsextremismus in den Gewerkschaften befasste. (...)  Die Ergebnisse der empirischen Studie, die mit der Befragung von über 4.000 Personen das bisher größte Forschungsvorhaben zu rechtsextremen Einstellungen in der Bundesrepublik darstellte, wurden auf einer Diskussionsveranstaltung im DGB-Haus des Bezirks Berlin-Brandenburg am 1. Juni 2005 präsentiert. Das Ergebnis dieser Prüfung wurde von den Auftraggebern als schockierend eingestuft. Es stellte sich nämlich heraus, dass gerade ausgebildete Facharbeiter (rund ein Viertel der Gewerkschaftsmitglieder) überproportional zu rechtsextremen Überzeugungen tendieren.
https://www.wikidata.de-de.nina.az/Bodo_Zeuner.html

Zitat von: Hans01 am 22:16:44 Fr. 08.Dezember 2023Den Leuten ist die Ampel viel zu links.

Diese Aussage halte ich für problematisch.
Für mich ist das ein Ergebnis von Unzufriedenheit und Orientierungslosigkeit.

Als Grundlage dafür sehe ich zwei Dinge:

  • Es fehlt an (politischer) Bildung. Die Menschen verstehen einfache gesellschaftliche/politische Zusammenhänge nicht. Deshalb reagieren gerade verängstigte Menschen emotional. Sie fühlen sich von denjenigen angezogen, die die von ihnen gefühlte Angst und Wut ausdrücken und eine Abschottung gegen alles Fremde und Bedrohliche versprechen.
  • Es wurde ein politisches Weltbild fern der Realität erzeugt, das das kollektive Bewußtsein prägt. Beteiligt an dieser bewußten politischen Verwirrung sind nicht nur die Asozialen Medien sondern auch die des Mainstreams. Es wurde der politische Kompaß umgepolt. Es wird das herrschende Machtgefüge als "links" bezeichnet, wärend man die Rechten als "Stimme des kleinen Mannes" aufbaut.
In diesem Forum wurden viele Beispiele zusammengestellt, wie plump und dreist diese links-rechts Umkehrung stattfindet:

https://forum.chefduzen.de/index.php?topic=330274.0
https://forum.chefduzen.de/index.php?topic=9508.msg335512#msg335512

Daß der Regierungsblock neoliberal mit Rechtstendenzen ist, ist im Sinne der der Herrschenden Klasse.

Daß es dazu keine echte linke Opposition gibt, ist ein reales Problem. Die Linkspartei ist eine zahnlose sozialdemokratische Partei ohne Kraft und Glanz.

So können sich die Rechten als einzige Opposition gegen "die da oben" inszenieren.

Ihre wirkliche Position hinterfragt da keiner. Sie sind der militante Arm der Herrschenden Klasse und sie werden von den Reichen finanziert. All das, was die Regierung ("die Ampel") gerade macht, wollen sie mit Turbo durchsetzen, noch schneller und noch radikaler.

Italien ist ein gutes Beispiel dafür, daß die Rechten eben nicht die "Stimme der kleinen Leute" sind. Sie haben dort das Bürgergeld abgeschafft und nun einen Mindestlohn verhindert. Gleichzeitig werden die Reichen mit Steuersenkungen beschenkt.

Hans01

Ja, da gehe ich voll mit. Es wählen viele Menschen, denen es finanziell nicht besonders gut geht aus Protest AfD. Leider verstehen sie nicht, dass die AfD keine Partei des kleinen Bürgers ist. Ganz im Gegenteil fordern sie massive Steuererleichterungen für Gutverdiener und Unternehmen. Dinge wie Bürgergeld, Mindestlohn und Grundrente haben wir der SPD zu verdanken. Höhere Löhne sind dagegen Aufgabe der Gewerkschaften, die sie nur dann durchsetzen können, wenn sie mit ausreichenden Mitgliedern ausgestattet sind. Aber auch die Gewerkschaften sind auf dem Rückzug.

Es ist in der Tat wichtig, aufzuklären. Daher werde ich nicht müde zu betonen, dass man seine eigenen Arbeitsbedingungen nur im Kollektiv verbessern kann. Es funktioniert nicht als Einzelkämpfer, wenn man nicht gerade ITler ist.

karl.

Hans01 Gestern um 22:08:48

"Also: Das kann man so regeln, es ist auch möglich das so zu regeln, muss es aber nicht zwingend tun.

Das hört sich aber bei dir jetzt anders an. Zuerst war es für dich schlüssig. Bei meiner Argumentation war nicht die Rede von zwingend.

Aber vielleicht hat es bei dem einen oder anderen Leser klick gemacht. Die meisten lesen so ein Urteil sowieso nicht zu Ende.

Hans01

Du missverstehst da was. Das Urteil ist schlüssig. Daran ändern die oben genannten Worte nichts.

Kuddel

Das Labournet kommentiert die Tarifrunde Leiharbeit so:

ZitatDas gewerkschaftspolitische Grauen in 7 Worten: ,,Gute Arbeit. Gutes Geld. Tarifrunde Leiharbeit 2024" – am 15.12. starten die Verhandlungen für 8,5% statt equal pay
(,,gute Arbeit" und Leiharbeit in einem Satz, daran kann sich mensch nicht gewöhnen!)
https://www.labournet.de/?p=216416

Hans01

Das Labournet könnte aber auch langsam mal wach werden. Die haben doch wirklich alle Gründe und Risiken ausführlich dokumentiert, sie haben die Entscheidung des BAG mitbekommen, es werden weiterhin Leute für Klagen gesucht (aber offenbar nicht gefunden). Aber verstehen wollen, dass die Beendigung von Tarifverhandlungen eben nicht automatisch zu Equal Play führt und der Schuss nach hinten losgehen könnte, damit tun sie sich schwer.

Mich würde im übrigen mal eine Auswertung interessieren, wieviel Leiharbeiter inzwischen bessere tarifliche Regelungen als im Einsatzbetrieb haben. Ich hab das ja weiter oben nicht zum Spaß geschrieben. Im Bereich Logistik und Dienstleistungen ist es oft schon umgekehrt. Da ziehen die Leiharbeitstarife die nicht tarifgebundenen Einsatzbetriebe mit nach oben. Einige sind sogar so stumpf und lassen ihre Löhne konsequent auf 12 Euro. Da wird der Leiharbeiter dazu gedrängt, zu schlechteren Konditionen übernommen zu werden, obwohl er dies gar nicht möchte.

Ja, es ist im Metall Bereich noch anders, weil es dort noch gute Ig Metall Tarife gibt. Nur sind die auch nicht vom Himmel gefallen. Das musste man sich kollektiv erkämpfen. Etwas, wozu die Leiharbeiter nicht einmal im Ansatz zu bereit sind. Und deshalb werden dort am 15.12 auch keine 8,5% bei rumkommen. Eher so die Hälfte, weil die Arbeitgeber am längeren Hebel sitzen.


Kuddel

Du scheinst mir schon ziemlich verwirrt zu sein.

Eine kritische Haltung den Gewerkschaften gegenüber (nicht zu verwechseln mit einer gewerkschaftsfeindlichen Haltung) scheint dir fremd zu sein.

Man sollte einfach nicht vergessen, daß die Gewerkschaften schon oft Dinge gemacht haben, die nicht im Interesse ihrer Mitglieder waren.

Zitat von: Hans01 am 15:37:25 Fr. 08.Dezember 2023Ich halte es für falsch, auf alte Fehler herumzureiten. (...) Und auch die Gewerkschaften tun manchmal Dinge, die für Unverständnis sorgen. Aber es gibt für uns einfache Arbeitnehmer keine Alternative.

Es geht nicht nur um einzelne Tarifauseinandersetzungen, es geht auch um gesellschaftliche Entwicklungen. Leihabeit als Solche z.B.: Sie war mal eine Randerscheinung mit wenig Bedeutung. Diesen ganzen Handel mit der Arbeitskraft über Zwischenhändler hätte unterbunden werden können. 1982 wurde ein gesetzliches Verbot für ,,Die Arbeitnehmerüberlassung in Betrieben des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden" durchgesetzt. An dieser konsequenten Haltung der IG Bau hätten sich auch die anderen Gewerkschaften ein Beispiel nehmen können. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie sagten stets ja und amen zu allen Verschlimmbesserungen in der Arbeitswelt und der Sozialen Absicherung. Sie steckten bis zum Anschlag im Arsch der Schröder-SPD, nickten die radikale Ausweitung der prekären Arbeit und die Einführung der Hartz Gesetze ab. Die Maximaldauer der Leiharbeitseinsätze wurde immer weiter verlängert.

Der gewerkschaftliche Kurs ist oftmals überaus bedenklich. Ich möchte an Tarifabschlüsse unterhalb der Inflationsrate erinnern, an den vorzeitigen Abbruch von Arbeitskämpfen oder den Abschluß mehrjähriger Tarifverträge, was ein selbstgewähltes Streikverbot für die Laufzeit der Verträge bedeutet.

Das Labournet ist bei diesen Entwicklungen in Betrieb und Gewerkschaft immerhin eine kritische Stimme und sorgt für Gegendruck, wenn die Gewerkschaften ihre Verbindung zur Gewerkschaftsbasis verlieren.

Wenn dir die kritische Haltung des Labournet schon zuviel ist, haben wir wohl keine gemeinsame Diskussionsgrundlage.

Hans01

Zitat von: Kuddel am 10:46:51 Mi. 13.Dezember 2023Du scheinst mir schon ziemlich verwirrt zu sein.

Es spricht nicht für dich, beleidigend zu werden.

Letztendlich hält Kritik an Gewerkschaften einige von einem Beitritt ab. Das stärkt die Arbeitgeberseite und sorgt für schwächere Tarifabschlüsse, die du dann kritisierst ohne selbst beizutreten. So wird sich nichts ändern. Da ist aktives handeln gefragt.

Kuddel

Ich will dich nicht beleidigen, bin aber genervt, daß bei dir scheinbar keine Handlungsoptionen bestehen jenseits eines Gewerkschaftseintritts und dem bedingungslosen Folgen der Gewerkschaftspolitik.

Ich bin nicht gegen Gewerkschaften. Ich wünschte, wir hätten kämpferische Gewerkschaften.

Als Azubi (lang, lang ist's her) bin ich in die IGM eingetreten. Ich bin dann zur Gewerkschaftsjugend gegangen, weil ich da aktiv werden wollte. Aber solche Leute wie mich brauchte man da nicht. Es waren irgendwelche Aktionen von der Gewerkschaftsführung geplant und uns war zugedacht, deren Transparente hochzuhalten und ihre Hochglanzfaltblätter zu verteilen. Was die jungen Gewerkschaftsmitglieder dachten oder tun wollten, interessierte niemanden. Nach einigen Malen bin ich da nicht mehr hingegangen.

Auch noch während meiner Ausbildung habe ich einen Leserbrief für die Mitgliederzeitung geschrieben. Ich habe da geschrieben, was ich an der aktuellen Gewerkschaftpolitik gut und was ich schlecht fand. Der Leserbrief wurde auch veröffentlicht. Das Lob für die Gewerkschaft wurde abgedruckt, die Kritik fehlte.

Ich habe auch mal versucht, die Rechtsberatung der Gewerkschaft zu nutzen. Man war erstmal daran interessiert herauszufinden, ob ich meinen Mitgliedsbeitrag bezahlt habe. Der Anwalt redete mich die ganze Zeit mit "Kollege" an, doch er hatte null Ahnung und konnte und wollte mir nicht helfen. Es war Zeitverschwendung.

Nach ein paar miesen Jobs fand ich als Facharbeiter eine Anstellung in einem großen Industriebetrieb, der überduchschnittlich gut zahlte. Über Betriebsrat und Gewerkschaft habe ich mich pausenlos geärgert. Sie haben sich mehr um das Wohl des Betriebs gesorgt, als um die Interessen der Arbeiter.

Als ich aus dem Betrieb raus war, gab es für mich über Jahre nur noch Leiharbeit. Ich wurde teilweise auch in dem Betrieb eingesetzt, in dem ich zuvor zur Stammbelegschaft gehörte, nur meine Bezahlung war rund ein Drittel niedriger. In meinen Zeiten als Leiharbeiter war ich kein Gewerkschaftsmitglied mehr. Ich wüßte nicht, wozu es hätte gut sein können.

Würde ich heute bei Amazon arbeiten, würde ich bei Verdi eintreten. Dort würde es Sinn machen. Ich kenne einige, die bei Amazon sind und mit den Verdistrukturen Kämpfe gegen Amazon führen. Diese Amazonaktivisten stoßen da auch an ihre Grenzen, bzw. die von Verdi. Dann werden sie außerhalb der gewerkschaftlichen Strukturen aktiv.

Ähnliches habe ich bei der Krankenhausbewegung mitbekommen. Auch dort praktizieren Aktivist:innen den Spagat mit Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Gewerkschaft.

Es nervt mich, wenn du von den Problemen mit den Gewerkschaften einfach nichts hören möchtest. Um sich mit den Ausbeutungsverhältnissen heutzutage auseinanderzusetzen, muß man kreativ sein. Ich sehe da keinen goldenen Weg. Ich bin neugierig auf alles, was den Beschäftigten nützt und bin offen für unterschiedliche Organisationen oder Kampfformen.

Hans01

Glaube mir, dass die Arbeitgeber sich über jeden einzelnen freuen, der so denkt wie du. Denn das bedeutet ein Arbeitnehmer weniger im Organisationsgrad der Gewerkschaft und mehr Uneinigkeit innerhalb der Arbeitnehmer. Es gibt leider nur diesen einzigen Parameter (Organisationsgrad) der allein dafür entscheidend ist, ob und wieviel man ein Stück vom Kuchen abbekommt. Da müssen wir doch zusammenhalten, statt den Arbeitgebern den Gefallen zu tun, sich untereinander madig zu machen.

Die Dinge, die zu beschreibst, sollten einen nicht davon abhalten, dem Arbeitgeber den Gefallen zu tun, von einer Mitgliedschaft abzusehen. Das ist einfach unklug. Es ist dem Arbeitgeber auch scheißegal, ob ihre Mitarbeiter über die Runden kommen. Sie geben immer nur exakt soviel wie sie gemessen an dem Streikpotential geben müssen. Und das Risiko ist kleiner, je niedriger der Organisationsgrad ist.

Man darf auch nicht die Erwartungshaltung haben, dass innerhalb einer Gewerkschaft alles nach meiner (oder deiner) Pfeife tanzt. Das ist eine kollektive Gemeinschaft und die demokratische Mehrheit gibt eine Richtung vor. Du kannst andere versuchen zu überzeugen. Das ist immer mühselig und oft funktioniert das nicht. Dennoch ist es komplett falsch, dann von einer Mitgliedschaft abzusehen, da dies den Arbeitgeber stärkt.

Kuddel

Dein Weltbild ist einfach.
Du siehst zwei Seiten, die sich unversöhnlich gegenüber stehen.
Auf der einen Seite die Unternehmer, auf der anderen die Gewekschaften.

So sollte es wohl auch sein.

Der Grundkonflikt ist der zwischen Kapital und Arbeit, auf der einen Seite der Kapitalist, auf der anderen die Arbeiter.

Eine Gewerkschaft sollte ein Werkzeug der Arbeiter sein, eine Organisation, die Arbeiter zusammenbringt zur gemeinsamen Gegenwehr.

Was aber, wenn die Gewerkschaft diese Aufgabe nicht erfüllt?

ZitatDie IG Metall und ihre Betriebsräte bei VW sind jederzeit bereit, die Arbeitsplätze, Löhne und Rechte der Belegschaft auf dem Altar der ,,Wettbewerbsfähigkeit" und der ,,Rendite" zu opfern. Geht es dagegen um ihre eigenen vier- oder fünfstelligen Monatsgehälter, verteidigen sie diese mit allen Mitteln.
https://www.wsws.org/de/articles/2023/10/03/vowa-o03.html

Ich rufe weder dazu auf, in eine Gewerkschaft ein- noch auszutreten.
Ich erwarte einfach nur ein waches, kritisches Auge bei der Beurteilung der gewerkschaftlichen Arbeit.

Ich wünsche mir, daß betriebliche Probleme auch in unabhängigen Zusammenhängen diskutiert werden. Es gibt heute nicht mehr so viele Betriebsgruppen wie noch vor einigen Jahrzehnten. Es gibt auch kaum noch unabhängige Betriebszeitungen. Ich weiß von Leuten, die in der Gewerkschaft (IGM) waren, doch als sie sich zu konsequent für die Interessen der Arbeiter eingesetzt haben, sind sie aus der Gewerkschaft ausgeschlossen worden.

Hans01

Mich erinnert das immer an die sogenannten ,,unabhängigen" Betriebsräte, die in Wahrheit arbeitgeberfreundlich agieren.

Wenn der Eindruck entsteht, dass die Gewerkschaft ihre Aufgabe nicht erfüllt, müsste man erst einmal klären, ob sie sie wirklich nicht erfüllt. Ich habe aufgezeigt, warum die Gewerkschaften im Bereich Zeitarbeit so agieren wie sie agieren. Zudem ist es deren Kernaufgabe Tarifverträge abzuschließen. Alle anderen Optionen sind schlechter, da mit enormen Risiken behaftet.

Morgen beginnen die Verhandlungen. Siehst du irgendwo Proteste oder Aktionen? Nein, es gibt weder innerhalb und schon gar nicht außerhalb der Gewerkschaften entsprechende Bewegungen. Sich in Foren auskotzen kann man machen, ist aber nicht sonderlich zielführend.

karl.


Hans01 13:48:16 Do. 14.Dezember 2023
ZitatMorgen beginnen die Verhandlungen. Siehst du irgendwo Proteste oder Aktionen? Nein, es gibt weder innerhalb und schon gar nicht außerhalb der Gewerkschaften entsprechende Bewegungen.

1. Die DGB-TG hat gar nicht zu Protesten aufgerufen. Nur wenn man auf die homepage des DGB oder der IGM oder Verdi ging konnte man wissen, dass die TV gekündigt worden waren. Es war auch nicht bekannt wo die Verhandlungen stattfanden.

2. Letztes Jahr hat die DGB-TG zu Protesten zu den TV-Verhandlungen am 15.12.2022 in Berlin aufgerufen. Es waren wohl knapp 300 Menschen da.
Im Januar darauf waren dann die Verhandlungen in München. Dort waren es dann wohl knapp 1000.

3. Wenn die DGB-TG selber nichts organisiert und die Informationen z.B. noch nicht mal in den Entleihbetrieben an den "Schwarzen Brettern" bekannt geben läßt kann man nicht einfach nur die LAN selber verantwortlich machen.

4. Momentan ist auf der homepage des DGB noch nichts zu finden wie die Verhandlungen ausgingen. Vielleicht kommts ja noch vor Weihnachten.


Nochmals zu einem deiner Beiträge bezüglich "BAG-Urteil schlüssig"

Hans01  22:08:48 Fr. 08.Dezember 2023
ZitatAlso: Das kann man so regeln, es ist auch möglich das so zu regeln,..

Das hieße: Das BAG Urteil ist schlüssig wenn es zum Urteil kommt, dass es EuGH-konform ist. Und es ist auch schlüssig wenn es gegenteilig zum Urteil kommt, dass es nicht EuGH-konform ist.

Im Duden schreiben sie zu schlüssig folgendes:

"folgerichtig und den Tatsachen entsprechend aufgrund gesicherter Schlüsse; überzeugend, zwingend"

Stellt sich die Frage: Können Begründungen so oder so beide Male zwingend sein ?

Also ich bleib dabei "nicht schlüssig".


Hans01

Tarifverhandlungen für die Leiharbeit 2024 sind gestartet. In der ersten Runde haben die Arbeitgeber kein Angebot vorgelegt. Die DGB-Gewerkschaften fordern 8,5 Prozent mehr Geld. Die nächste Verhandlung ist am 29. Januar. Doch zuvor wird noch eine weitere Tariferhöhung zum 1. Januar wirksam.

https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/leiharbeit/forderung-tarifrunde-leiharbeit-2023-2024

Onkel Tom

Okay.. 8,5%, bei der zum Abschluss 4% an realer Lohnerhöhung raus kommt ?
 ::)
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.
Karl May

Hans01

Der VGZ-Verhandlungsführer Sven Kramer ordnet die Forderung wie folgt ein: "Diese Forderung lässt sich – auch angesichts der erneuten Lohnsteigerung in der Zeitarbeit zum 1.1.2024 – mit der aktuell höchst angespannten wirtschaftlichen Lage unter keinen Umständen vereinbaren."

https://ig-zeitarbeit.de/tarifverhandlungen-zeitarbeit-fuer-das-jahr-2024-sind-gestartet/

dagobert

"aktuell höchst angespannten wirtschaftlichen Lage"

Dieselbe Platte wie jedesmal ...
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counselor

Richtig! Es ist immer die gleiche verlogene Leier! Die Wahrheit ist: Lohnerhöhungen schmälern die Profite!
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Hans01

Wobei ich mich frage: Kann das den Leihbuden nicht egal sein? Die müssen sich eh alle dran halten, es gibt keinerlei Kostenvorteile untereinander und die Stundenkalkulation wird ja fix sein, so dass auch der Stundensatz für den Entleiher entsprechend ansteigt. Kann mir nicht vorstellen, dass die Verträge nicht von vornherein auch die Tariferhöhungen mit einpreisen.

Ansonsten denke ich aber auch, dass die 8,5% nicht kommen werden. Allerdings muss man mehr fordern um wenigstens etwas zu erreichen. Wenn man direkt mit ,,etwas" startet, wird diese Summe runtergehandelt.

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