Junktim soll für Mitbestimmung sorgen - Antiquiertes Gesetz zur Personalvertretung

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 19:51:05 Di. 29.Juli 2008

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Wilddieb Stuelpner

Neues Deutschland, vom 28. Juli 2008

Junktim soll für Mitbestimmung sorgen - Antiquiertes Gesetz zur Personalvertretung in Sachsen: Koalition uneins über Novelle

Von Hendrik Lasch, Dresden

Das Gesetz zur Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Sachsens ist hoffnungslos veraltet. Gewerkschaften verlangen dringend eine Novelle. Doch der große Regierungspartner schiebt das Thema vor sich her.

Erpressung gehört bislang nicht zu den anerkannten Formen der Mitbestimmung. Personalräte müssen angehört werden, sie dürfen gelegentlich ihre Meinung sagen; ultimative Forderungen stellen dürfen sie nicht. Im politischen Streit um die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Sachsens jedoch greift die SPD jetzt zu milden Formen der Nötigung: Wenn nicht endlich das Gesetz zur Personalvertretung novelliert werde, sagt Stefan Brangs, parlamentarischer Geschäftsführer des Koalitions-Juniors, werde man im Gegenzug Vorhaben etwa zur inneren Sicherheit bremsen, die dem Regierungspartner CDU wichtig sind: »Wir stoppen alle anderen Gesetze«, sagte Brangs dem ND.

Das Junktim ist vorläufiger Höhepunkt in einem seit Jahren anhaltenden Tauziehen um die Mitbestimmung. Im Koalitionsvertrag von 2004 einigten sich CDU und SPD, die Regelungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Nach Sicht von Brangs ist das jetzige Gesetz »eines der schlechtesten in der Republik« – eine Sicht, die Gewerkschafter teilen. Werner Schuh, für den öffentlichen Dienst zuständiger Abteilungsleiter beim DGB, nennt das 1993 beschlossene Paket trotz mittlerweile dreier Novellen »völlig antiquiert«.

Personalratswahl auf wackeligen Beinen

Dass es Makel gibt, wird selbst von CDU-Seite eingeräumt. So besteht die bereits im Herbst 2005 im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes aufgehobene Trennung zwischen Arbeitnehmern und Angestellten im Gesetz zur Mitbestimmung fort. Eine Korrektur sei »besonders eilbedürftig«, räumte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) im Herbst 2006 gegenüber Gewerkschaftern ein. Hintergrund waren die Personalratswahlen im Frühjahr 2007, bei denen sonst rechtliche Probleme erwartet wurden. Die Sorge war berechtigt:

Nachdem die Novelle ausblieb, kam es nach der Wahl zu zahlreichen Klagen.
Nun steht im Gefolge der für 1. August vorgesehenen Verwaltungsreform im Herbst schon die nächste Personalratswahl ins Haus, und der Makel ist noch immer nicht behoben. Es sei, wettert Klaus Tischendorf, Gewerkschaftspolitiker der LINKEN, »noch immer keine gesetzliche Grundlage da, die das sicher abdeckt«.

Ursache dafür ist auch, dass die Dresdner Koalitionäre über mehr als die Aufhebung von »Standesschranken« zwischen Angestellten und Arbeitnehmern verhandeln. Nötig seien »substanzielle Verbesserungen« im Gesetz, so Brangs. Der Sozialdemokrat nennt die Beteiligung von Personalräten bei ordentlichen Kündigungen, die Anerkennung wissenschaftlicher Mitarbeiter als Beschäftigte oder eine an die Größe der bald fusionierten Landkreisverwaltungen angepasste Regelung zur Freistellung.

Im Landtag stoßen solche Ideen auf offene Ohren – allerdings nicht bei der CDU, sondern der LINKEN. Deren Fraktion hat angesichts des Gezerres in der Koalition einen eigenen Gesetzentwurf mit weitreichenden Änderungen vorgelegt. So soll die komplizierte Abstufung bei den Rechten der Personalräte, die in manchen Fällen mitbestimmen, in anderen nur mitwirken oder angehört werden dürfen, aufgehoben werden. Die Belegschaftsvertretungen müssten »aus der Rolle als Bittsteller, Beobachter und Kritiker befreit und zu selbstbewussten Partnern werden«, sagt der Abgeordnete Michael Friedrich.

Lösung oder Dauerblockade

Im Landtag hat der bei Gewerkschaften gelobte Entwurf freilich kaum Erfolgsaussichten, nicht zuletzt, weil die SPD an die Koalitionsdisziplin gebunden ist. Er wäre auch nicht nötig, wenn eine Novelle in das Parlament eingebracht würde, auf die sich Brangs mit verschiedenen Unterhändlern bei der CDU verständigt hat. Das Problem: Keiner von ihnen ist mehr in Amt und Würden. Der DGB hat indes nach dem Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich noch einmal nachdrücklich auf die Dringlichkeit des Themas hingewiesen. Die SPD hat ihr Junktim gestellt. Nach der Sommerpause gibt es damit eine Lösung – oder eine Dauerblockade der Koalition.

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