Der Kapitalismus wird verschwinden, früher oder später...

Begonnen von Strombolli, 13:28:16 Mi. 06.Mai 2009

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Strombolli

Besser früher! - Ich will es noch erleben. Wenn das Verschwinden nicht so sicht- und erkennbar wäre, würde der Rest Lebenshoffnung in mir verschwinden. Auch heute hat "er" sich wieder von seiner besten Seite in unserem kleinen, persönlichen Leben gezeigt. Aber das will ich hier gar nicht noch einmal auskippen. Nur soviel: Meine Wut wächst ins Unermessliche.

Ich kann deshalb dem Auszug aus einem Artikel des STERN von Eric Hobsbawm nur zustimmen:

stern-Artikel aus Heft 20/2009

Historiker Eric Hobsbawm: "Es wird Blut fließen, viel Blut"
© Volker Hinz
Sieht düstere Zeiten auf die Menschheit zukommen: Historiker Eric Hobsbawm

Die Politiker pumpen Billionen Euro und Dollar in die Wirtschaft, um der globalen Krise Herr zu werden. Alles umsonst, fürchtet Eric Hobsbawm, einer der wichtigsten Historiker der Gegenwart. Er hat Angst, dass der Kapitalismus sich über eine fürchterliche Katastrophe rettet.

Bei der Bewältigung der Finanzkrise geht es um "das Überleben der Menschheit", sagt der Historiker Eric Hobsbawm in einem Interview in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des stern. Der 92-Jährige, der als einer der bedeutendsten lebenden Geschichtswissenschaftler der Welt gilt, fürchtet, dass die Situation noch dramatischer ist als während der Großen Depression in den 30ern.

Aus der damaligen Krise, die erst durch den Zweiten Weltkrieg beendet wurde, habe man nichts gelernt. Eine "rationale Analyse des Kapitalismus" sei auch in den letzten 40 Jahren "systematisch verweigert worden", so Hobsbawm im stern. Noch immer hänge die Menschheit einer "primitiven Ideologie" an, die nur auf "Habgier aufgebaut" sei und keine Basis für eine stabile Gesellschaftsordnung biete. Hobsbawm: "Der Kapitalismus wird verschwinden, früher oder später."

Sogar einen dritten Weltkrieg will Hobsbawm nicht ausschließen und nennt als möglichen Anlass die wachsende wirtschaftliche Konkurrenzsituation zwischen den USA und China: "Entweder hören wir mit der Ideologie des grenzenlosen Wachstums auf, oder es passiert eine schreckliche Katastrophe".


Und das mit dem Ende des grenzenlosen Wachstums hat schon der "Club Of Rome" Anfang der 70ger des letzten Jahrhunderts verkündet!
Das Systemmotto: "Gib mir Dein Geld! - Jetzt, Du dreckiges Opfer !!!! - Und habe immer ANGST VOR DEM MORGEN !!!"

"Hört auf, Profite über Menschen zu stellen!" Occupy
Permanent angelogen & VERARSCHT IN DEUTSCHLAND! - Ich habe mit Dir fertig

Arwing

Viel schlimmer sind ein paar Kommentare von ignoranten Usern dort, die es noch immer nicht einsehen wollen, dass ein gebetsmühlenartig verbreitetes, endloses Wirtschaftswachstum auf einem Planeten mit begrenztem Lebensraum und -Rohstoffen nicht möglich ist. Insbesondere nicht auf Grundlage einer gewaltätigen ,,primitiven Ideologie", die nur das gierige Streben nach Reichtum und Macht kennt.

Die Menschheit steht vor einer Prüfung, die m. M. nach jede Zivilisation ab einem bestimmten technologischen Grad bewältigen muss. Der Ausgang wird daher entscheiden, ob sich die Menschheit vorwärts im positivem Sinne oder im schlimmsten Falle rückwärts bewegen wird.

Sind wir mal ehrlich: Kein industrieller Machtblock dieser Erde wird sich von der Konkurrenz benachteiligen lassen und seinen Wohlstand und die eigenen Machtverhältnisse einem Diktat des Konkurrenten unterordnen. Und gerade deshalb wird es einen zukünftigen recht gewaltvollen Kampf um die schwindenden Rohstoffe dieser Welt geben.

Schlimm daran ist, dass jeder ernstzunehmende Machtblock über ein verheerendes Atomwaffenpotenzial verfügt und es wahrscheinlich einzusetzen bereit ist, sollte man mit dem Rücken zur Wand stehen.
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

Pascal Alter

Guten Abend , sehr geehrter Herr Strombolli,

diese Artikel ineressiert mich sehr, aber ich muss nach Krakau fahren :) - hier in diese schreckliche Kielce gibt es Stern nicht - auch in Internet ist nur, was Sie zitieren..
Jetzt aber ist Bilderberg -Treffen in Athen: Hintergründe und Abgründe - was meinen Sie zum diese Thema?

Bilderberg -Treffen in Athen: Hintergründe und Abgründe
Einmal jährlich trifft sich die Welt-Geld-Elite. Die Meetings sind top secret. Trotz Star-Aufgebots internationaler Finanzprominenz beim diesjährigen Bilderberg-Treffen in Athen: Die Presse schweigt. Das hat seinen guten Grund.  Auf der brisanten Konferenz geht es ums Geld – oder besser gesagt: Um das Geldsystem.

Gute Nacht, :)
Pascal Alter

BakuRock

Zitat von: Pascal Alter am 02:18:45 So. 17.Mai 2009
Guten Abend , sehr geehrter Herr Stromboli,
........................
Auf der brisanten Konferenz geht es ums Geld – oder besser gesagt: Um das Geldsystem.
Gute Nacht, :)
Pascal Alter

Hallo Pascal, das laesst doch hoffen - die sollen sich doch um "Geld" Kummer machen - wir denken darueber nach, ob und wie wir ohne Geld auskommen koennen.

Am Schluss fressen wir die Fruechte der gesaeten und von uns gejaeteten Aecker - und die koennen doch Geld fressen! - bis zur Verstopfung ;)
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Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, gibt es für sie keine Hoffnung. .... A. Einstein

Eigentumsfragen stellen!

Wer sind FAUistas

Strombolli

Hallo Pascal Alter,

zunächst: bitte nicht "Sehr geehrter ... und so!" - Wir sind hier bei chefduzen. Und da "duzen" (sagen also in der Regel DU) wir uns.

Zu Bilderberg: Ich weiss nicht wirklich, was ich dazu anderes sagen soll, als: Jegliche "Geheimbünde und -treffen" finde ich nicht gut. Ich stelle auch jede Elite in Frage. Das "Erheben über andere" mag ich einfach nicht. Ist es doch nur ein chemischer Zufall ob sich ein Mensch ausbildet.
Ein Zufall ob in Afrika oder China oder als Sprößling eines Unternehmers oder Abkömmling eines Obdachlosen...
Ich gebe jeder befruchteten Eizelle und dem was nach den vielen Monaten "herausblubbt" dieselben Chancen...

Und deshalb mag ich auch die Hochnäsigkeit der SELBSTERNANNTEN Eliten aller Art nicht.

zu dem kompletten STERN-Interview:

Hier eine für die Ewigkeit aufgearbeitete Textfassung (falls die Seiten Eins und Zwei im STERN verschwinden sollten)


Eric Hobsbawm: "Es wird Blut fließen, viel Blut"    © Volker Hinz

Sozialhistoriker und Philosoph Eric Hobsbawm, 92. "Was Shakespeare für die Darstellung der menschlichen Seele getan hat, das ist dem Historiker Hobsbawm bezüglich der Universalgeschichte gelungen", so die "Süddeutsche Zeitung"

Zur Person:
Eric Hobsbawm, 1917 in Alexandria, Ägypten, geboren, ist einer der letzten Universalgelehrten der Welt. Der Sohn eines Engländers und einer Österreicherin erlebte in den frühen 1930er Jahren als Schüler in Berlin die um sich greifende Arbeitslosigkeit, die ihn zum "lebenslänglichen Marxisten" machte. Kurz nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler emigrierte er nach England; später lehrte er in Cambridge, Paris, Stanford, am MIT in Boston und an der University of London. Zu seinen Werken, die weltweit verlegt werden, gehört "Das Zeitalter der Extreme" oder seine Biografie "Gefährliche Zeiten". Hobsbawm, den die britische Königin zum "Companion of Honour" ernannte, lebt mit seiner Frau in London.

Billionen Euro und Dollar setzen die Politiker gegen die Wirtschaftskrise ein. Wissen sie, was sie da tun? Nein, sagt Eric Hobsbawm, einer der wichtigsten Historiker der Gegenwart. Schlimmer noch als die Große Depression, die er vor 80 Jahren in Berlin miterlebte, sei der Zusammenbruch heute. Er hat Angst, dass der Kapitalismus sich über eine fürchterliche Katastrophe rettet.
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STERN: Herr Hobsbawm, Sie haben das Verschwinden von vielen Systemen erlebt: den Untergang der Weimarer Republik, die Zerschlagung des Faschismus, das Absterben der DDR, den Kollaps des Kommunismus und nun ...

HOBSBAWM: Wenn Sie das so aufzählen, merke ich, dass ich fast so etwas wie ein Museumsobjekt bin. Als ich ein Kind war, war der König von England auch noch der Kaiser von Indien, die Welt bestand zum großen Teil aus Monarchien, Kaiser- und Kolonialreichen. Und fast alle sind flöten gegangen.

STERN: Und nun erleben Sie vielleicht auch noch das: das Ende des Kapitalismus.

HOBSBAWM: Nein, ich glaube nicht, dass ich dieses Ende, über das ich mich freuen würde, noch erlebe. Als Historiker weiß ich aber, dass es keine Dauerlösungen gibt. Auch der Kapitalismus, egal, wie zäh er ist und wie sehr er auch in den Köpfen der Menschen als etwas Unabänderliches erscheint, er wird verschwinden, früher oder später.

STERN: Klar, dass Sie das so sehen müssen.

HOBSBAWM: Wieso denn?

STERN: Sie als alter Marxist, der hier in London in Rufweite vom Grab von Karl Marx lebt.

HOBSBAWM: Spotten Sie nicht. Dass ich Marxist geworden bin, liegt an meinen persönlichen Erfahrungen in den 30er Jahren, in der Großen Depression.

STERN: Sie lebten damals in Berlin, Sie wissen also, was das heißt: Krise.

HOBSBAWM: Ich habe als junger Mensch zwischen Schule und Straßenkämpfen mitbekommen, was es bedeutet, wenn Arbeitslosigkeit sich durch die Gesellschaft frisst. Das ist wie eine alles zersetzende Krankheit. Die Angst kroch in das Bürgertum. Mir war damals klar, dass wir auf der "Titanic" sind und dass wir bald den Eisberg rammen würden. Das einzig Ungewisse war, was passieren würde, wenn es so weit ist. Wer würde ein neues Schiff bereitstellen?

STERN: Sie wussten, dass ein System zu Ende gehen würde?

HOBSBAWM: Ja. Ich lebte in einer Welt, an deren Fortbestand keiner mehr glaubte. Eigentlich war ich literarisch interessiert, ein Schöngeist eben. Aber das war unmöglich 1931/32 in Berlin, man wurde politisiert, ich wurde Mitglied des Sozialistischen Schülerbunds. Die Krise war wie ein Vulkan, der politische Eruptionen hervorrief. Vor der letzten Reichstagswahl habe ich noch Flugblätter verteilt, es war gefährlich, aber für mich als Jugendlichen war da auch so ein Element von Indianerspielen, wie bei Karl May, dabei. Am 25. Januar 1933 organisierte die KPD ihre letzte legale Demonstration, einen Massenmarsch durch die dämmrigen Straßen Berlins zum Karl-Liebknecht-Haus. Wir sangen Lieder wie "Der kleine Trompeter", auch ein Lied über die Bauernkriege, "Wir sind des Geyers schwarzer Haufen", die "Internationale", es war da ein kollektives Hochgefühl, Massenekstase trotz Zukunftsangst.

STERN: Als Hitler an die Macht kam, da ...

HOBSBAWM: Als er am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, es war ein kalter Tag, auf dem Heimweg von der Schule mit meiner Schwester las ich die Schlagzeilen, ich kann sie immer noch, wie im Traum, vor mir sehen. Ja, ich habe es gespürt: Das ist ein historischer Wendepunkt.

STERN: Und jetzt? Stehen wir wieder an einem Wendepunkt?

HOBSBAWM: Ich denke, ja. Der 15. September 2008, der Tag, an dem die Lehman-Bank zusammenbrach, wird den Lauf der Geschichte mehr verändern als der 11. September 2001, als die Türme des World Trade Centers zusammenbrachen.

STERN: Riskieren Sie doch mal einen Blick in die Zukunft.

HOBSBAWM: Wir Historiker sind keine Propheten. Ich kann nur sagen: Wir kommen wohl noch nicht an den Jüngsten Tag. Aber Teile der Welt können untergehen.

STERN: Warum bloß? (Was für eine dusselige Frage einer selbstverliebten, verblendeten Clique! - Anmerkung von Strombolli)

HOBSBAWM: Zunächst mal: Mir, der ich die Große Depression miterlebt habe, fällt es immer noch unfassbar schwer zu verstehen, wieso die Ideologen der entfesselten Marktwirtschaft, deren Vorgänger schon einmal so eine fürchterliche Katastrophe, also Armut, Elend, Arbeitslosigkeit, letztendlich auch den Weltkrieg mitverursacht haben, in den späten Siebzigern, den 80er, 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder das Sagen haben konnten.

STERN: Warum? Wie erklären Sie sich das?

HOBSBAWM: Der Mensch hat ein unglaublich kurzes Gedächtnis. Wir Historiker schreiben die Verbrechen und den Wahnsinn der Menschheit auf, wir erinnern an das, was viele Menschen vergessen wollen. Aber fast nichts wird aus der Geschichte gelernt. Das rächt sich nun. In den letzten 30, 40 Jahren wurde eine rationale Analyse des Kapitalismus systematisch verweigert.

STERN: Wir haben jede Menge Wirtschaftswissenschaftler, Experten, die den ganzen Tag nichts anderes tun. (...als verbal die Macht zu stützen, statt sie in Frage zu stellen - Anmerkung von Strombolli)

HOBSBAWM: Wir haben vor allem Theologen des Marktes mit einem kindlichkindischen Glauben, dass der Markt alles von allein regeln wird. Sie verschließen die Augen vor der Wirklichkeit, das macht sie so gefährlich für die Menschheit. In den vergangenen Jahren weigerten sie sich einfach, die Krisen, die sich immer mehr aufbauten, überhaupt wahrzunehmen. Verblendete. Ignoranten.

STERN: Manche in den USA sprachen - ganz euphorisiert - vom Ende der Geschichte. Gab es denn gar keinen Grund für diesen Optimismus?

HOBSBAWM: Nein. 40 Prozent der Weltbevölkerung leben von einem Dollar am Tag. Das ist doch keine Basis für eine stabile Gesellschaftsordnung. Von wegen Ende der Geschichte. Die Krisen wurden am Rand immer größer und immer dramatischer. Bei uns im Zentrum kamen sie gelegentlich als Börsenkräche an, die bald wieder repariert waren, das Spiel konnte weitergehen.

STERN: Das Spiel ist aus.

HOBSBAWM: Ja, das kann man wohl so sagen. Diese Krise hat eine völlig neue Qualität. Das Einzige, an dem sich die Politiker ein wenig orientieren können, ist die Zeit zwischen 1929 und 1933.

STERN: Nun haben wir, sagt die "New York Times", sogar eine Krise, die womöglich dramatischer ist als die der Großen Depression. Und diese Depression damals sei erst durch den Weltkrieg bereinigt worden.

HOBSBAWM: Roosevelts heute so gefeierter New Deal hat die Krise tatsächlich nicht beendet, er verhinderte allenfalls politische und soziale Aufstände in den USA. Niemand bekam in den 1930er Jahren die Krise wirklich in den Griff. Und heute - obwohl sich Geschichte nicht wiederholt - ist es ähnlich dramatisch wie damals, nein schlimmer: Keine Regierung weiß, was sie tun soll.

STERN: Wie bitte? US-Präsident Barack Obama pumpt Billionen Dollar in die Wirtschaft, Angela Merkel und die Bundesregierung legen milliardenschwere Konjunkturprogramme auf, auf dem G-20-Gipfel haben sie erklärt: Wir halten zusammen! Wir wissen, was wir tun!

HOBSBAWM: Haben Sie das Gefühl, die wissen wirklich, was sie tun? Stecken da Konzepte, Analysen dahinter? Nein, aufgeschreckt wie Krankenschwestern eilen die Politiker ans Bett des Kapitalismus und tun so, als ob sie etwas täten. (Gute Antwort! - Anmerkung von Strombolli)

STERN: Sie wissen nicht, wohin sie gehen?

HOBSBAWM: Ja, und das macht die Sache so schrecklich ungemütlich: Sie wissen einfach nicht, was sie tun sollen! Was wir im Augenblick erleben, ist ja etwas, was es nach der radikalen Moraltheologie des Marktes gar nicht geben kann und darf, es ist also etwas, was das Denkvermögen der Akteure sprengt. Wie ein blinder Mann, der durch ein Labyrinth zu gehen versucht, klopfen sie mit verschiedenen Stöcken die Wände ab, ganz verzweifelt, und sie hoffen, dass sie so irgendwann den Ausgang finden. Aber ihre Werkzeuge funktionieren nicht.

Das Systemmotto: "Gib mir Dein Geld! - Jetzt, Du dreckiges Opfer !!!! - Und habe immer ANGST VOR DEM MORGEN !!!"

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Strombolli

TEIL II

STERN: Der frühere französische Premierminister Laurent Fabius fürchtet "soziale Revolten", und die, meint die SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan, könnten zu einer Gefahr für die Demokratie werden.

HOBSBAWM: Alles ist möglich. Inflation, Deflation, Hyperinflation. Wie reagieren die Menschen, wenn alle Sicherheiten verschwinden, sie aus ihrem Leben hinausgeworfen, ihre Lebensentwürfe brutal zerstört werden? Meine geschichtliche Erfahrung sagt mir, dass wir uns - ich kann das nicht ausschließen - auf eine Tragödie zubewegen. Es wird Blut fließen, mehr als das, viel Blut, das Leid der Menschen wird zunehmen, auch die Zahl der Flüchtlinge. Und noch etwas möchte ich nicht ausschließen: einen Krieg, der dann zum Weltkrieg werden würde - zwischen den USA und China.

STERN: Das ist doch Unsinn. (Fehlende Fantasie einer verwöhnten Generation. - Anmerkung von Strombolli)

HOBSBAWM: Nein.

STERN: Okay, das ist doch einfach absurd, dieser Gedanke!

HOBSBAWM: Nein. Im Augenblick, das gebe ich gern zu, erscheint dieses Szenario sehr unwahrscheinlich. Im Augenblick scheinen sich China und die USA zu ergänzen, ja sich sogar zu stützen, sie erscheinen geradezu komplementär. Doch im pazifischen wie im asiatischen Raum wird ihr Konkurrenzkampf immer härter. Es gibt keine Basis für eine dauerhafte Freundschaft zwischen diesen beiden Großmächten.

STERN: Hören Sie doch bitte auf mit Ihrem Pessimismus!

HOBSBAWM: Ob es Ihnen passt oder nicht: Es gibt wenig Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken! Im 19. Jahrhundert glaubten die Menschen, es gehe stets aufwärts, vorwärts, man werde zivilisierter, man werde gebildeter. Die Leute lernten lesen, schreiben, sie glaubten, es gehe nicht nur materiell, sondern gleichzeitig auch moralisch voran. Man konnte optimistisch sein.

STERN: Aber dann kam 1914.

HOBSBAWM: Und da hört das alles auf. Ein schreckliches, ein extremes Zeitalter beginnt: Mehr Menschen als jemals zuvor wurden im 20. Jahrhundert in Kriegen oder auf Weisung und mit staatlicher Erlaubnis ermordet. Die Folter, die im Westen offiziell abgeschafft worden war - ein dramatischer Fortschritt in der Menschheitsgeschichte -, sie kam zurück! Und wurde am Anfang des neuen Jahrtausends durch die USA wieder zu einem staatlichen Mittel der Befragung! Die Barbarei schreitet voran. Anerkannte Werte der Zivilisation werden plötzlich wieder aberkannt.

STERN: So wie Sie reden, kann man nur sagen: Der Mensch ist blöd.  (Der Mensch ist leider nicht naiv, der Mensch ist leider primitiv
Freiheit, Freiheit wurde wieder abbestellt! aus "Freiheit - Marius Müller-Westernhagen" - Anmerkung von Strombolli)

http://www.dailymotion.com/video/x5kbfq_marius-muller-westernhagen-freiheit_music

HOBSBAWM: Sehen Sie, materiell hat sich die Welt für sehr viele Menschen verbessert. Man ist größer, lebt länger, man ist gesünder. Aber geistig, politisch, moralisch - da kommt der Mensch nicht hinterher, vielleicht entwickelt er sich sogar im Augenblick noch weiter zurück. Was sind die Werte des Lebens? Warum leben wir? Wozu?

STERN: Was ist Ihre Antwort?

Tja, ich könnte nun fragen, warum hält der Mensch an einem System fest, das regelmäßig die fürchterlichsten Katastrophen produziert? Das die Umwelt ausbeutet und zerstört, den Ast also absägt, auf dem er sitzt? Und jetzt brechen und knacken überall die Äste. Vielleicht wird die Menschheit noch bedauern, dass sie nicht auf Rosa Luxemburg gehört hat: Sozialismus oder Barbarei.

STERN: Ich bitte Sie: Es waren Ihre politischen Freunde, die Erben Lenins, die den Gegenentwurf zum Kapitalismus zertrümmert, den Gedanken an die Utopie zerstört haben.

HOBSBAWM: Ja, das stimmt. Und das rächt sich nun. Denn nun, wo wir es wirklich brauchten, gibt es kein Gegenprojekt für die Menschheit! Das ist fatal.

"Unverantwortliche Banker", sagt die Kanzlerin, "hemmungslose Gier", erklärt der Bundespräsident, hätten die Grundlagen des Gemeinwesens verzockt. Mich erinnert das an mittelalterliche Deutungsversuche. Gab es früher eine Dürre, hieß es: Wir haben gesündigt, Gott straft uns dafür. Und nun soll wieder eine Todsünde, Gier, schuldig am Schlamassel sein - der strafende Gott ist nun der strafende Markt!
Die Politiker müssen so reden, sie können ja wohl schlecht zugeben, dass nicht der einzelne Mensch, sondern das System an sich falsch ist. Der Markt ist nicht moralisch. Die reine Marktwirtschaft ist auf Habgier aufgebaut - und auf sonst gar nichts, das ist das System.

STERN: Vielleicht ist es einfach so: Der Mensch ist habgierig - fertig, aus, Nikolaus.

HOBSBAWM: Nein. Nein. Auch Karl Marx hat ja nie gegen gierige Kapitalisten argumentiert, er war gegen ein System, das notwendigerweise Habgier schafft. Der Mensch, mein fester Glaube, kann anders sein. Aber im Kapitalismus sucht jeder seinen Vorteil, jeder ist dazu verdammt, sonst geht er unter.

STERN: Die Banker, sagen Sie, haben also nichts übertrieben?

HOBSBAWM: Sie haben sich absolut systemimmanent verhalten. Profit. Gewinn. Maximales Wirtschaftswachstum. Die marktradikalen Theorien sind ja wunderbar - wenn man von der Wirklichkeit absieht. Man konstruiert sich ein System, nennt es Freiheit, und in der Theorie funktioniert es: Jedermann, jeder Mensch, jede Firma sucht für sich den Vorteil, den rational kalkulierbaren Vorteil, und der Markt, jenseits des menschlichen Urteils, regelt alles zum Guten. Eine primitive Ideologie. Das Wissen von Leuten jedoch, die den Kapitalismus analysiert und verstanden hatten, wurde dagegen verspottet und vergessen: Leute wie Marx und Schumpeter wussten, dass der Kapitalismus etwas Instabiles ist, dass er sich entwickelt und revolutionär voranschreitet, aber auch zwangsläufig zusammenbricht, dass er stets anfällig ist für Krisen von unterschiedlicher Dauer und bisweilen großer Heftigkeit.

STERN: Und nun rufen selbst die ungestümsten Freunde der Marktwirtschaft nach dem Staat.

HOBSBAWM: Ja, das ist doch eine nette Ironie der Geschichte.

STERN: Und Sie freuen sich, recht zu haben.

HOBSBAWM: Ich empfinde eine gewisse Schadenfreude, ja. (Ich auch! Das ist wieder motivierend. - Anmerkung von Strombolli)

STERN: Ähnlich empfand Karl Marx 1857 in einer Krise, er amüsierte sich: "Dass die Kapitalisten nun überall von den Regierungen öffentliche Unterstützung verlangen, ist schön."

HOBSBAWM: Ja, und sie glauben auch nun, dass nach einer kurzen Zeit des staatlichen Eingriffes alles wieder zum Alten zurückkehren werde. Aber das wird nicht passieren.

STERN: Warum denn nicht?

HOBSBAWM: Es ist ganz einfach: Entweder hören wir mit der Ideologie des grenzenlosen Wachstums auf, oder es passiert eine schreckliche Katastrophe. Entweder wandelt sich die Gesellschaft, scheitert aber dieser Versuch, dann kommt die Finsternis. Heute geht es um das Überleben der Menschheit.

STERN: Sie mögen es dramatisch.

HOBSBAWM: Nein. Die Menschheit kann nicht zum Laisser-faire-Kapitalismus der letzten Jahrzehnte zurückkehren. Die Zukunft kann keine Fortsetzung der Vergangenheit oder auch der Gegenwart sein. Die Lösung liegt in der richtigen Kombination aus Markt und Staat.

STERN: Das könnte auch der Marktradikale Guido Westerwelle sagen, genau so! (Herr Hinz, entweder Sie verstehen es nicht, oder Sie sind ein gar listiger Hervorkitzler von Meinungen. - Anmerkung von Strombolli)

HOBSBAWM: Nein. Es kann so nicht weitergehen. Wir werden Gesellschaften bekommen müssen, in denen der Staat wieder eine größere Rolle, eine viel größere Rolle spielt.

STERN: Und das ist alles?

HOBSBAWM: Anders geht es im Moment nicht, oder soll ich auf die große Revolution hoffen? Nein, die Zeit drängt. Die Welt riskiert im Augenblick eine Explosion wie eine Implosion. Sie muss sich also ändern.

STERN: Aber danach sieht es nicht aus: Mit der Abwrackprämie etwa hier in Deutschland wird die Wegwerfgesellschaft sogar noch staatlich subventioniert.

HOBSBAWM: Die Politiker sind Gefangene des alten Denkens, das ist beängstigend. Womöglich kann sich der Kapitalismus tatsächlich nur durch eine Riesenkatastrophe retten, wie es Schumpeter nennen würde, durch eine "kreative Zerstörung". Ich möchte das nicht, aber sehen Sie, die Schäden und Zerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg waren ein ungeheurer Ansporn zum Aufbau.

STERN: Sie sind ein Apokalyptiker.

HOBSBAWM: Ich stelle nur fest: Keiner kann wissen, wie wir aus der Krise kommen, denn so etwas wie heute hat es noch nie gegeben. Und noch etwas kommt hinzu: Die Weltwirtschaft verschiebt sich vom Westen, ihrem historischen Zentrum, in ein neues Zentrum, nach Asien - ein Vorgang, der schon in normalen Zeiten für unruhige Zustände sorgen würde.

STERN: Was mich beunruhigt: Es herrscht - angesichts der Herausforderungen - eine Dürre des Denkens, eine Art intellektuelle Wortlosigkeit.

HOBSBAWM: Ja, Sie haben recht. Es fehlen heute Leute und Denker wie Keynes, der in den Dreißigern so weitsichtig war, dass es ihm gelang, den Kapitalismus zu bändigen. Er wollte den Kapitalismus nicht überwinden, er wollte ihn stabilisieren, er wollte ihn retten. Er sagte ganz offen: "Meine Klasse ist das gebildete Bürgertum, und ich möchte eine Welt, in der es Leuten wie mir gut geht. Aber das heißt, es muss den anderen auch gut gehen."

STERN: Also: Was ist zu tun?

HOBSBAWM: Ich sehe nur einen Weg aus dem Dilemma, der aber setzt eine fundamentale Bewusstseinsveränderung voraus, er ist ein internationales, ein Riesenprojekt: die Welt gegen die Umweltgefahr sicherer machen. Das würde helfen, die Wirtschaft anzukurbeln, aber es wäre auch ein Projekt, das man gegen die Marktkräfte durchsetzen müsste.

STERN: Mein Gott, für einen alten Marxisten hören Sie sich sehr bescheiden an!

HOBSBAWM: Ja. Ich bin nun 92 Jahre alt, lebe von einem Tag auf den anderen, aber meine Utopie ist schon noch die vom alten Marx, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, "also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist". Irgendwo in meinem Innern schlummert noch immer der Traum der Oktoberrevolution.

STERN: "Alle Revolutionen", sagte aber Ihr Marx, "haben bisher nur eins bewiesen, nämlich dass sich vieles ändern lässt, bloß nicht die Menschen."

HOBSBAWM: Das stimmt. Aber eine große Sache ist es dennoch, dieses Prinzip Hoffnung. Auch wenn die ideale Gesellschaft, wie Max Weber glaubte, jenseits unserer Möglichkeiten liegt, ist nichts Ernsthaftes in der Politik zu erreichen, wenn man nicht an sie glaubt. Der Mensch hat die Anlagen zum Guten wie zum Schlechten - und wie er sich benimmt, das kann man wohl ändern! Dass unsere Welt, immer noch oder endlich mal Heimat für alle werden kann - das ist doch ein schönes Ziel!

Interview: Arno Luik
stern-Artikel aus Heft 20/2009 - © stern.de 
Das Systemmotto: "Gib mir Dein Geld! - Jetzt, Du dreckiges Opfer !!!! - Und habe immer ANGST VOR DEM MORGEN !!!"

"Hört auf, Profite über Menschen zu stellen!" Occupy
Permanent angelogen & VERARSCHT IN DEUTSCHLAND! - Ich habe mit Dir fertig

Pascal Alter

Guten Tag ..Strombolli,

Welche  Ueberraschung !
Was soll ich sagen?
Ich bin wirklich sehr Dankbar.
Ach diese Kapitalismus..! Lebt er noch wirklich ?
Wenn er braucht Staats-Hilfe, also Sozialhilfe - wie ich selbst -lebt alber auch wie ich lebe inoch ?
Gewissemasen.
..
Diese Artikel-Interview mit Eric Hobsbawn iist meine Meinung nach,,,,,,,,,, wie Letzter Wille, also Testament sehr beeindruckend fuer mich. -
Diese These; "eine rationale Analyse des Kapitalismus sei auch in der letzten 40 Jahhren systematisch verweigt worden" - ist reine Wahrheit - aber passt  leider nich nur zum Kapitalismus.
Natuerlich ich meine Situation  in letzter 20.Jahren in Polen (zum Beispiel).
Nochmals vielen Dank, und shcoene Sonntag (doch).
..
Pascal Alter

PS Nach Krakau einmal in Monat reise ich sehr gern; wirklich schoehne Stadt und nette Leute (auch Frauen).
..aber es ist fuer mich noch  ETWAS sehr Interessante und wichtige; Goethe-Institut Krakau.
Jetzt muss ich Rueckgeben sehr interessante Buecher u.a. von Wilhelm Genazino; Ein Regenschirm fuer diesen Tag" - super; es ist einfach Genial;
"Vermutlich wird  sich dann zeigen, dass Menschen erst dann gluecklich sein koennen, wenn sie zwischen gespielter und echter Verrueckheit jederzeit waehlen koennen".(s.95)
So ist es, auch mit mir, Lieber Strombolli - vielen Dank nochmals :)

Arwing

Sehr schön Strombolli. Danke fürs Einstellen des Komplettinterviews.

Der Journalist versucht ihn aber auch etwas lächerlich zu machen. Was man sich heutzutage alles von marktideologisch durchgeformten Menschen alles gefallen lassen muss... Dennoch wollte Hobsbawn wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen ein aufrüttelndes Interview zu geben, bevor es vielleicht zu spät ist.
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

onlyone

Zitat von: Strombolli am 13:28:16 Mi. 06.Mai 2009


Er hat Angst, dass der Kapitalismus sich über eine fürchterliche Katastrophe rettet.




Die Katastrophe ist laut Armutsbericht in den blühenden Landschaften und darüber hinaus schon längst angekommen. Hartz IV, Tafel, Suppenküche, Kleiderkammer und Co... meine Güte, widerlich!


mfg
only
"Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Arbeit. Er hat das Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freie Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation."

meltman

Zitat von: OnlyoneDie Katastrophe ist laut Armutsbericht in den blühenden Landschaften und darüber hinaus schon längst angekommen.

"Wir haben uns viel zu lange durch bundesweite Durchschnittsquoten blenden lassen", sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Verbands. "Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland nicht länger zwei- sondern mindestens dreigeteilt und im Hinblick auf die Armutsbetroffenheit zerrissener als je zuvor. Wenn die ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweist wie die reichste, hat das mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun."

Quelle
"Politiker, die sich Manager als neue Feindbilder aussuchen, vergessen, dass Eliten in anständiger Weise miteinander umgehen sollten."
Hans-Peter Keitel

Arwing

Ich habe am Mittwoch die Ehre Hobsbawn's Interview aus dem Stern im Geschichtsunterricht vorzustellen und dann eine kleine Diskussion innerhalb der Klasse zu seiner Prognose und der Finanzkrise anzuregen ;D
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

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