bedarfsgemeinschaft neues urteil

Begonnen von besorgter bürger, 13:19:50 Fr. 29.April 2005

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

besorgter bürger

artikel

Az.: S 21A S 3/05

Klartext: Nicht jede Lebens- ist eine Bedarfsgemeinschaft. Die beim Hausbesuch gezählten Zahnbürsten oder Rasierapparate reichen nicht, ALG II zu kürzen oder zu streichen. Betroffene können nun ihre Bescheide anfechten und nicht gezahlte Gelder einfordern.

Zudem kehrte das Gericht die Beweislast um. Nicht der ALG-II-Antragsteller muss beweisen, dass er nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, sondern die Behörde muss nachweisen, dass eine solche Gemeinschaft besteht.

Der Sozialverband VdK sieht nun eine Klagewelle und Kosten in dreistelliger Millionenhöhe auf die Bundesagentur für Arbeit zukommen.
Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.

Wilddieb Stuelpner

Und genau auf diesen Punkt, daß Hartz IV und Alg II viele Gummiregelungen enthält, wo Arbeitsagenturen und ARGE was zu ihren Gunsten hineininterpretieren, behandelte gestern auch Peter Escher dieses Thema hinsichtlich der Neuerungen in der Feststellung von Alg-I- und -II-Bescheiden.

Der Fachanwalt für Sozialrecht Michael Baczko aus Erlangen ging auf die Fragen
  • der Begriffsdefinition von Bedarfs-, Haushalts- und Einstandsgemeinschaft,
  • zur Anrechnung von Alters-, Witwen-, Unfall- und Erwerbsminderungsrenten,
  • auf die Anrechnung von Kindergeldern/-zuschüssen und Pflegegeldern auf das Einkommen und Vermögen einer Bedarfsgemeinchaft,
  • auf die Aufhebung des geschützten Vermögens und Einkommen in Falle des Todes eines Alg-II-Empfängers und eintretenden Erbschaft an die Hinterbliebenen
ein. Er kam zu dem Schluß, daß die derzeitige Rechtslage der Alg-I- und -II-Regelungen sehr schlampig und oberflächlich gestaltet wurde. Es gibt genügend Gründe, daß Betroffene sich ein Herz fassen sollten und den Rechtsweg beschreiten sollten. Es wird höchste Zeit, daß eine ganze Reihe von Gummiregelungen durch eindeutige Begriffsdefinitionen konkretisiert werden müssen. Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?

Zu der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II) gehören:
  • erwerbsfähige Hilfebedürftige (Erwachsene, aber auch Erwerbsfähige von 15 –17 J.) (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II),
  • der Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II),
  • die im Haushalt lebenden Eltern eines minderjährigen, erwerbsfähigen Jugendlichen (von 15 –17 J.) (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II),
  • die dem Haushalt angehörenden minderjährigen, unverheirateten Kinder (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).
Was ist ein Haushaltgemeinschaft?» Eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB II liegt vor, wenn Verwandte und Verschwägerte auf familiärer Grundlage zusammen wohnen und wirtschaften (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft). Eine Haushaltsgemeinschaft liegt nicht vor, wenn zwar eine Wohnung
gemeinsam bewohnt, jedoch selbstständig und getrennt gewirtschaftet wird. «

Definition Verwandte und Verschwägerte: nach § 1589 ff. BGB
  • Es wird vermutet, das sich Verwandte und Verschwägerte unterhalt leisten. Der Unterhaltsvermutung kann widersprochen werden!
  • Die Unterhaltsvermutung gilt nur, soweit dies nach Einkommen und Vermögen erwartet werden kann (§ 9 Abs. SGB II).
  • Das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft wird grundsätzlich durch Erklärung des Hilfebedürftigen festgestellt (BA-HW 9.11). Besteht keine Rechtspflicht zur Unterhaltszahlung reicht zum Widersprechen der Unterhaltsvermutung eine entsprechende schriftliche Erklärung des Hilfeempfängers aus (BA-HW 9.27).
Selbstbehalte beim Einkommen in der Verwandten- und Verschwägerten Haushaltsgemeinschaft:
  • Selbstbehaltsberechnung: Freibetrag von 690 EUR / West und 662 EUR / Ost (zweifacher Satz der maßgeblichen RL) + anteilige (tatsächliche) Miete und Heizung zuzüglich die Hälfte der Differenz zwischen Selbstbehalt und des im Sinne von § 11 Abs. 2 SGB II bereinigten Einkommens (§ 1 Abs. 2 der ALG II-VO). Dabei sind besondere Belastungen wie Krankenbehandlungen, Schuldverpflichtungen, Versicherungen Unterhaltszahlungen zu berücksichtigen (BA-WH 9.32)
Selbstbehalte beim Vermögen in der Verwandten- und Verschwägerten Haushaltsgemeinschaft:
  • Da gesetzgeberisch nichts anderes bestimmt wurde, ist davon auszugehen, daß der Vermögensselbstbehalt in der Haushaltsgemeinschaft der gleiche ist, wie der in § 12 SGB II festgelegte.
Regelleistungshöhe in der Haushaltsgemeinschaft
  • Bei dem Hilfebedürftigen in der Haushaltsgemeinschaft ist immer von einer 100 % - Regelleistung auszugehen (345 / 331 EUR).
Was ist eine Wohngemeinschaft?Zur Klarstellung: Alles was keine Bedarfsgemeinschaft und keine Haushaltsgemeinschaft ist, ist folglich eine Wohngemeinschaft (WG). Definition einer Wohngemeinschaft

Alle Gemeinschaftsformen die keine eheähnliche Gemeinschaft = Bedarfsgemeinschaft oder Haushaltsgemeinschaft sind, sind folglich automatisch eine Wohngemeinschaft. Charakteristisch für eine Wohngemeinschaft ist, das jedes Mitglied der Wohngemeinschaft seinen Lebensunterhalt nach seinen finanziellen Kräften bestreitet und es keine Lebensunterhaltsunterstützungsleistungen für einander gibt. Reine Untermietverhältnisse sind typisch für eine Wohngemeinschaft.
  • Gelegentliches zusammen kochen steht dem Charakter einer Wohn- oder Untermietsgemeinschaft nicht entgegen.
  • Im Wohngemeinschaftsfall ist von einer 100 % Regelleistung auszugehen. Eine steht auch nicht der Zahlung des allein erziehenden Mehrbedarfes entgegen.
  • Unterkunfts- und Heizkosten werden kopfanteilig umgelegt.
Was ist eine Einstandsgemeinschaft?Definition der eheähnlichen (eG) Einstandsgemeinschaft Laut Definition des Bundesverfassungsgericht liegt eine eheähnliche Einstandsgemeinschaft nur
vor wenn ,,die Bindung der Partner so eng ist, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann .. . und sich durch innere Bindungen
auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die
Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht", in BVerfGE 87.264.

Indizien für eine eheähnliche Einstandsgemeinschaft sind:
  • eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, die von den Partnern ein gegenseitiges Einstehen im Bedarfsfall erwarten lässt
  • eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft
  • gemeinsame Betreuung und Versorgung von Kindern oder Angehörigen im Haushalt
  • Eine wechselseitige gemeinsame Befugnis über Einkommen oder Vermögensgegenstände des Partners zu verfügen, soweit dies über das gemeinsame tägliche Wirtschaften hinausgeht
  • das Bundessozialgericht hat die Anerkennung einer eG davon abhängig gemacht, das die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft wenigstens für drei Jahre besteht (BSG 29.4.1998, info also 1998, 184) Rechtsfolge ist: wenn keine eheähnliche Einstandsgemeinschaft vorliegt
Tipp: wenn sich bei einem Pärchen noch keine eheähnliche Einstandsgemeinschaft herausgebildet hat, dann ist dies lediglich eine Wohngemeinschaft ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Partners und mit Regelleistungen von je 100 %, sowie dem allein erziehenden Mehrbedarf.
Quelle:
Foliensammlung zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, Alg II und Sozialgeld nach dem SG II
, Folien 17 - 21

© Harald Thomé / Wuppertal, Tacheles e.V., Folien 17

malaclypse

hallo leute!"
ist das noch aktuell? habe da was im hinterkopf, dass im letzten sommer was daran geändert wurde...

malaclypse

autsch ..sehe gerade den thread zwei reihen drunter...sorry für den frühschuss..

Kater


besorgter bürger

vielleicht hilft das weiter:

ZitatEheähnliche Gemeinschaft verneint. Neues aus dem Bereich RechtSG Karlsruhe Beschluß vom 6.2.2007,

http://www.gegen-hartz.de/urteile/0344e198d709d261b.html
Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.

  • Chefduzen Spendenbutton