Truckerprotest in Rußland

Begonnen von Kuddel, 20:05:11 Mo. 04.Januar 2016

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Kuddel

ZitatPRESSEMITTEILUNG
München, 29. März 2017

Aufstand der russischen Trucker

Wegen der seit Kurzem geltenden Maut für Lkw legen sich russische Fernfahrer mit der Staatsmacht an und drohen das Land lahmzulegen. Die Folge: erste Festnahmen von protestierenden Fernfahrern. Der deutsche Branchenverband Camion Pro fordert die sofortige Freilassung der Aktivisten und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien.


In ,,Convoy", dem wohl bekanntesten Fernfahrer-Film aller Zeiten, bilden amerikanische Trucker unter der Führung von ,,Rubber Duck" (Kris Kristofferson) im Kampf gegen korrupte Gesetzeshüter einen Konvoi aus Lkw. Dabei kämpfen sie für ihre Rechte und für die Freiheit auf dem Highway. Sie legen sich mit der Polizei und der Obrigkeit an, die den Aufstand mit aller Härte und teilweise rechtswidrigen Methoden niederschlägt. So weit die Handlung des bekannten Roadmovies aus dem Jahre 1978.

Was gerade in Russland passiert, klingt wie das Drehbuch zu ,,Convoy", ist aber keine Hollywood-Fiktion, sondern die Wirklichkeit. Der echte ,,Rubber Duck" heißt Andrej Bazhutin, fährt keinen ,,Mack", sondern einen Volvo FH12, und nicht der Mittlere Westen Amerikas, sondern die Weiten Russlands sind sein Arbeitsplatz. ,,Ansonsten übertreffen die Ereignisse, die wir in diesen Tagen in Russland beobachten können, die Hollywood-Vorlage bei Weitem", beschreibt Andreas Mossyrsch, Vorstand des Branchenverbandes Camion Pro, die Entwicklung des aktuellen Fernfahrerprotests in Russland.

Die Proteste begannen vor rund eineinhalb Jahren, als der russische Staat eine Lkw-Maut einführte. Nach Einschätzung vieler Fahrer bedroht diese Abgabe die Existenz der russischen Kleinunternehmen. Die Maut beträgt umgerechnet rund fünf Cent pro Kilometer. ,,Das ist für den desolaten russischen Straßenzustand weit überteuert", sagt Andrej Bazhutin, Chef der Vereinigung russischer Transportunternehmer. ,,Für uns ist klar: Wir bezahlen nicht für die Benutzung der Straßen, die vorhanden sind, sondern für Straßen, die der Staat noch bauen will. Zudem sind die Betreiber des Mautsystems private Investoren. Ob aus den Einnahmen der Maut wirklich Straßen gebaut werden, ist für uns völlig unklar. Das System ist absolut intransparent und korrupt", gibt der engagierte Fernfahrer zu bedenken.

Dass die Transportunternehmen die Kosten für die Maut nicht einfach an die Kunden weitergaben, hat aus Bazhutins Sicht nachvollziehbare Gründe: Russland befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Hinzu kommt, dass durch die Wirtschaftssanktionen der EU viele Transporte nach Westeuropa wegfallen. ,,Die Wettbewerbssituation ist für uns katastrophal. Es gibt mehr Fahrer als Aufträge, und unsere Kunden sind zumeist große Unternehmen oder Speditionen. Die Kunden weigern sich einfach, höhere Preise zu akzeptieren - nach dem Moto ,Friss oder stirb!'", beschreibt Sergej Vladmiriov, stellvertretender Vorsitzender des Fernfahrerverbands, die Ausgangslage für hunderttausende russische Lkw-Fahrer.

Gewerkschaften wie in westlichen Staaten gibt es kaum, und die rund 70 Prozent der Fahrer in Russland sind selbstfahrende Unternehmer und nicht organisiert. Es ist nun das erste Mal, dass sich Menschen in der Transportbranche zusammenschließen. "Unser Verein zählt rund 10.000 Mitglieder, die sich innerhalb eines Jahres zusammengefunden haben. Begonnen haben unsere Proteste mit Konvoi-Protestfahrten", berichtet Andrej Bazhutin.

Diese Demonstrationen der nicht-staatlichen Macht wurden Putins Administration offenbar schnell unheimlich. Innerhalb weniger Tage wurden Konvoi-Fahrten in Russland kurzerhand verboten. Die Fahrer ließen sich aber davon nicht beeindrucken und verstärkten ihre Proteste mit weiteren Konvois und Straßenblockaden. Die russische Polizei nahm daraufhin reihenweise Trucker in Haft. Aber die Regierung machte auch Zugeständnisse. So stellte sie in Aussicht, die Maut nicht auf kleine Lkw und Pkw auszuweiten. Andrej Bazhutin: ,,Damit sollte vor allem den streitbaren Lkw-Fahrern die Unterstützung der Bevölkerung entzogen werden."

Die russischen Trucker hatten schon seit Herbst 2016 Kontakte zu deutschen Organisationen wie ver.di und Camion Pro gesucht. Am 23. März 2017 fand ein Treffen zwischen Andrej Bazhutin, der Gewerkschaft ver.di und Camion Pro in der ver.di-Bundeszentrale in Berlin statt.

Die Vereinigung russischer Transportunternehmer, Andrej Bazhutin vorsteht, hatte für den 26. März 2017, im Zuge der landesweiten Proteste gegen Korruption, zu weiteren Protest-Konvoifahrten und Blockaden in Russland aufgerufen.

Wie ernst die russische Staatsmacht die Proteste nimmt, zeigt, mit welcher Härte und Willkür die Polizei offensichtlich gegen die Organisatoren des Fernfahrerstreiks vorgeht: Camion Pro erfuhr am 27.März, dass Andrej Bazhutin nach der Rückkehr in seine Heimat beim Verlassen seines Hauses von der Polizei festgenommen wurde. Ihm wird ,,Fahren ohne Führerschein" vorgeworfen. Unterstützer aus seinem Umfeld versichern, dass Bazhutin im Besitz eines gültigen Führerscheins ist und ihm dieser nie entzogen wurde. Seine schwangere Frau wollen die Behörden nun zwangsweise ,,aus gesundheitlichen Gründen" in einer Klinik unterbringen und gleichzeitig die Kinder des regimekritischen Lkw-Fahrer in staatliche Obhut nehmen. Mit diesen Maßnahmen wollen die Behörden Bazhutin und seine Mitstreiter offenbar einschüchtern und massiv unter Druck setzen. An den Festnahmen Bazhutin und andere ,,Schlüsselfiguren" soll auch das ,,Russisches Zentrum für Extremismusbekämpfung" beteiligt gewesen sein.

Camion Pro hat den russischen Truckern schon beim Treffen am 23. März die volle Unterstützung zugesagt. Camion-Pro-Vorstand Andreas Mossyrsch: ,,Wir fordern die russischen Behörden auf, rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten und die festgenommenen Fernfahrer-Aktivisten unverzüglich freizulassen!"
http://www.camionpro.de/camionpro-de/index.php/news/cp-online/78-aufstand-der-russischen-trucker

"An den Festnahmen ... soll auch das ,,Russisches Zentrum für Extremismusbekämpfung" beteiligt gewesen sein.

Aha, der Kampf um soziale Bedingungen und Arbeiterrechte ist also Extremismus und ein Fall für Antiterrorstrategen.


Kuddel

Da es schwer ist, aktuelles über den Arbeitskampf in Rußland zu erfahren, habe ich mich ein wenig ans Recherchieren gemacht und bin auf einen neuen ausführlichen Hintergrundbericht auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung gestoßen:
http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/245821/aus-not-vereinteine-analyse-von-arbeitsprotesten-der-lkw-fahrer-in-russland


Zu den aktuellen Ereignissen habe ich mich auf die Seite der Truckerorganisation OPR begeben und mein Glück mit Google Translate versucht. Herausgekommen ist folgendes:

Trucker Streik im Jahr 2017
Russland, am 7. April.

Russland
Lkw-Fahrer werden Streik fortsetzen




Trucker in Burjatien verlängern Streik um einen Monat

In Ulan-Ude verlängerten Lkw-Fahrer den Protest bis zum 5. Mai. Die Veranstalter haben bereits die kommunalen Behörden benachrichtet.

Ein paar stimmungsvolle Bilder, auch wenn der Text nicht verstanden wird:

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Roskomnadzor, die Behörde zur Kontrolle der Kommunikations- und Informationstechnologie, bestätigte die Sperrung von Sprachnachrichten im Handynetz mit der Begründung "Verletzungen des Datenschutzrechts".

In Dagestan, einem Hauptschauplatz des Streiks mit etwa 40.000 beteligten Trucks, wird mit Spezialeinheiten gegen die Streikenden vorgegangen.
Das Video zeigt bürgerkriegs- oder antiterrorkampfmäßig ausgestatteten Uniformierte, die automatische Waffen auf Protestierende richten.

! No longer available

Das staatliche Fernsehen versucht die Auseinandersetzung totzuschweigen.


Am 5.4. gab es eine Pressekonferenz der Organisation der Lkw-Fahrer
gerichtet an Bauern, Menschenrechtsorganisationen und die Medien in In- und Ausland.
Die Konferenz berührt die heißen Eisen: die Ursachen dieses Massenprotestes, den Sinn und das Wesen der der Erpressung, die die Menschen in Armut wirft mit dem Druck der regionalen Strukturen und Angriffen der Behörden und Sicherheitskräfte.
Jeden Tag werden im ganzen Land Menschen in gewahrsam genommen, die nur offen ihre Unzufriedenheit mit der inländischen Wirtschaftspolitik ausdrücken.

Als auf der Pressekonferenz gefragt wurde, warum der Vorsitzende der Truckervereinigung vor dem Streik nach Deutschland gereist sei, etwa um dort Geld zu bekommen, brach das Publikum in Gelächter aus.


Fritz Linow

Zitat von: Kuddel am 19:14:44 So. 09.April 2017
Da es schwer ist, aktuelles über den Arbeitskampf in Rußland zu erfahren, habe ich mich ein wenig ans Recherchieren gemacht und bin auf einen neuen ausführlichen Hintergrundbericht auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung gestoßen:
http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/245821/aus-not-vereinteine-analyse-von-arbeitsprotesten-der-lkw-fahrer-in-russland

Sehr interessanter Hintergrundbericht. Angesichts einiger brisanter Details und vor allem, wie lange das da schon gärt, ist es echt verwunderlich, dass hier darüber so gut wie gar nicht berichtet wird.

Kuddel

In der Novaya Gazeta habe ich ein Interview mit Andrej (der auch in Deutschland war) gefunden, das ich aus dem Englischen etwas stümperhaft übersetzt habe:


ZitatAndrej Bazhutin:
"Mehr als eine Million LKW sind landesweit stehengeblieben"



Nina Petlyanova
Novaya Gazeta, 7. April 2017


Der landesweite Streik der russischen Trucker geht weiter. Die Hauptwaffe des Regimes gegen die Streikenden war eine harte Polzeitaktik. Andrej Bazhutin, Vorsitzender des Verbandes der russischen Trucker (OPR) und der ordnungsgemäß gewählte Vorsitzende der Fernfahrer gegen das Platon-Straßenmautsystem, ist harten Maßregelungen ausgesetzt. Am 27. März erhielt er eine 14 tägige Haftstrafe. Er verbrachte fünf von ihnen in einem Gefängnis, bevor er freigelassen wurde, während die Behörden seine vier Kindern fast ihrem Zuhaus entrissen und bei seiner schwangere Frau beinah eine Fehlgeburt auslösten. Aber nichts davon hat Bazhutin und seine Kollegen bewegt, ihren Kampf aufzugeben.

Ist eine 14 tägige Haftstrafe ein fairer Umgang unter Ihren Umständen? Wofür werden Sie bestraft?

Das Ziel ist klar. Dies geschah nicht auf Geheiß der Verkehrspolizei, der Polizei oder der anderer Sicherheitsdienste. Es war ein bewusstes Vorgehen seitens des Regimes, um mich zu isolieren. Die Richterin hat übetrieben, als sie mich zu 14 Tagen Haft verurteilte. Es war eine herzlose und ungewöhnliche Bestrafung. Ich habe es nichts so schreckliches getan, was es rechtfertigen könnte, mich für 14 Tage wegzusperren.

Was haben Sie gemacht? Haben Sie irgendwelche Gesetze verletzt?

Alle drei Fälle, die es bis vor Gericht machten, gingen um den Entzug meines Führerscheins. Zwei der Fälle wurden von Richterin Marina Afanasieva gehört, die angeordnet hat, mich zu verhaften. Aber in zwei der drei Fälle war ich nicht einmal hinter dem Lenkrad. Es wurde auf Video aufgenommen: Es ist beweisbar. Trotzdem wurde meine Fahrerlaubnis entzogen.

Wann haben Sie herausgefunden, dass Sie mit einer entzogenen Fahrlizenz gefahren sind?

Am 27. März, als ich inhaftiert war. Ich wusste, dass es die Vorwürfe gab. Wir haben einen Widerspruch gestellt, und ich war sicher, dass er erfolgreich sein würde. Aber was passiert ist, ist passiert. Die Verkehrspolizisten sagten mir, ich hätte wissen müssen, dass ich mit einer entzogenen Lizenz fuhr. Zwei Tage bevor ich inhaftiert war, fuhr ich nach Moskau und zurück in meinem eigenen PKW, und niemand hielt mich an. Bin ich so wahnsinnig, dass ich tausend Kilometer in eine andere Stadt fahren mit dem Wissen, dass meine Lizenz widerrufen ungültig war? Als ich inhaftiert war, holte ich meinen Sohn vom Training ab. Er trug seine nasse Uniform. Wir waren buchstäblich hundert Meter vom Haus entfernt. Die Polizei vom 25. Bezirk, wo ich schließlich festgenommen wurde, war im Hof meines Hauses. Ich fragte den Verkehrspolizisten sich entweder selbst hinter das Lenkrad zu setzen oder mich meinen Sohn nach Haus fahren zu lassen, aber er weigerte sich kategorisch. Außerdem schickte er eine Nachricht an die Kinderschutzbehörde, nachdem sie beschlossen hatte, die Kinder in ihre Obhut zu bringen.

Was haben Sie gemacht gemacht, als Sie das herausgefunden haben?

Als ich noch ein Handy hatte, rief ich meinen ältesten Sohn an und er lief nach Hause. Aber die Kinderschutzbehörde erklärte, dass er kein Erziehungsberechtigter war und nicht bei den Kindern bleiben konnte. In diesem Augenblick war ich zum 25. Polizeibezirk gebracht worden. Die Leute von Kinderschutzdienstes und mein Sohn traten in unsere Wohnung, und sie kontrollierten alles, einschließlich des Kühlschranks. Dann rief Artyom seine Mutter, meine Frau, und erzählte ihr alles. Sie verließ das Krankenhaus, wo sie ins Krankenhaus eingeliefert worden war, um eine Fehlgeburt zu vermeiden. [Natalya Bazhutina ist sieben Monate schwanger - Novaya Gazeta.] Sie kam nach Hause und sagte den Beamten, dass ihr ältester Sohn und seine Großmutter für die Kinder in ihrer Abwesenheit verantwortlich waren. Aber sie sagten ihr, sie brauchten eine Vollmacht. Natalya eilte zu einem Notariat, wo ihr gesagt wurde, dass die Vollmacht in Anwesenheit der Kinderschutzleute ausgefertigt werden könne. Aber sie hatten es einer schwangeren Frau nicht gesagt. Auf der anderen Seite warnten sie sie, dass, wenn mein ältester Sohn oder seine Großmutter mit den Kindern draußen spazieren gingen, die Kinder sofort entzogen werden würden, da sie keinen gesetzlichen Beweis für die Vormundschaft hatten.

Wussten Sie, was zu Hause geschah, als Sie vor Gericht und im Gefängnis waren?


Nicht für die ersten zwei Tage. Ich war isoliert. Dann gab mir jemand eine SIM-Karte und ich rief nach Hause. Zu dieser Zeit standen unsere Jungs aus dem OPR im Hof standhaft und ließen keine Fremden an die Wohnung kommen, denn im Hof gab eine ständige Überwachung. Ein Auto mit einigen fremden jungen Leuten war dort rund um die Uhr. Sie verschwanden erst, nachdem ich vier Tage lang verhaftet worden war.



Andre Bazhutin (Mitte) und Genossen.

Das wurde alles getan, um Sie einzuschüchtern?

Du kannst mich nicht mit solchen Methoden einschüchtern. Obwohl neuerding kaum jemand nicht an meine Tür klopfte: die Polizei, die Steuerinspektoren, die Staatsanwälte, der FSB (Geheimdienst). Bisher haben nur Aliens noch nicht bei mir angeklopft.

Russische Beamte verstehen nicht, dass sie uns nicht mit solchen Handlungen einschüchtern können: ich meine Trucker im Allgemeinen. Das sind Jungs, die es gewohnt sind, alles selbst zu machen. Sie haben eine Million Nächte allein in den Wäldern verbracht, auf Parkplätzen, an der Seite der Straße. Sie reparieren ihre eigenen Lastwagen, brutzeln ihr Essen und verteidigen sich. Sie sind es gewohnt, sich zu behaupten. Du kannst sie nicht aus der Spur bringen. Das Zeug funktioniert nicht bei ihnen.

Hören die auf Sie?

Sie tun es, aber nicht so, wie sie sollten. Wir haben gehört, dass einige der Mächtigen nervöse Ausfälle haben aufgrund von uns und aufgrund dieser Situation. Aber das wollen wir nicht. Wir sind keine professionellen Demonstranten. Wir wollen uns an den Verhandlungstisch setzen und unsere Probleme lösen. Was in der Branche passiert ist, ist abnormal. Immer mehr Trucker sind am Streik beteiligt. Manche mögen ihre Fahrzeuge nicht parken, aber sie fahren leer: sie transportzieren keine Ladung. Sie parken nicht an den Straßenrändern, sie sind nicht direkt an unseren Protest-Rallyes beteiligt, aber sie unterstützen uns.

Ihre Verhaftung und die Geschichte mit ihren Kindern haben ihre Pläne nicht verändert?


Auf keinen Fall. Natürlich machte ich mir Sorgen um die Kinder, als ich nicht sicher war, ob die Behörden sie zu Hause lassen würde oder nicht. Ich machte mir Sorgen um meine Frau und ihren Zustand. Aber ich wurde sofort mit Textnachrichten aus dem ganzen Land bombardiert. Die Leute waren bereit zu helfen. Sie waren bereit, meine Familie zu Verstecken. Ich werde in Zukunft vorsichtig sein. Aber wir werden nicht aufhören mit dem, was wir tun, bis wir etwas erreichen.

Wie ist die Stimmung der Trucker im Moment? Wie lange wollen sie streiken? Wie weit sind sie bereit, mit ihrem Protest zu gehen?

Wir werden den Streik nicht beenden, bis die Behörden eine Entscheidung treffen. Während zu Beginn des Protestes viele Kollegen sagten, wir würden nicht mehr als eine Woche aushalten, ist man jetzt einstimmig dafür, dass wir bis zum Ende aushalten. Das Hauptziel sind Verhandlungen mit dem Verkehrsminister Sokolov und dem Premierminister Medwedew, die, wie ich glaube, keine Ahnung von unseren Problemen haben. Wir wollen, dass sie wenigstens versuchen, sich ein Bild zu machen. Darüber hinaus sollten sich alle Mitglieder der Trucker-Community an den Verhandlungstisch setzen, auch diejenigen, die unseren Standpunkt nicht teilen, denn das Problem ist groß, das ist ein echter Wirtschaftszweig, und alle Meinungen müssen einbezogen werden. Bis solch ein Treffen stattfindet, wird der Streik fortgesetzt. Wir bleiben auf dem Weg, bis es eine echte Lösung gibt.

Am 5. April wurde Rustam Mallamagomedov, der Führer der Dagestanischen Trucker, in Moskau festgenommen. Haben Sie herausgefunden, was passiert ist? Wie werden Sie reagieren?

Das ist pure Gesetzlosigkeit. Für lange Zeit konnten wir nicht verstehen, wer die Leute, die Rustam festnahmen, waren. Waren sie aus der Moskauer Kriminalpolizei oder vom FSB (Geheimdienst)? Wir wissen immer noch nicht, was ihre Anklage gegen Rustam ist. Aber wir haben sofort die Anwälte und Menschenrechtsaktivisten geschickt. Es funktionierte, und Rustam ist jetzt frei. Wir gehen zusammen nach Makhachkala. Am 7. April treffen sich Trucker aus Dagestan, Kabardino-Balkariya und Tschetschenien dort mit Reportern. Auf dem Rückweg nach Moskau werden wir in Ossetien, Kransodar und Rostov-am-Don ähnliche Treffen abhalten, denn es gibt ein Informationsdefizit in den Medien über den Streik.

Warum ist Dagestan der Brennpunkt der Auseinandersetzung?

In Dagestan sind 90% der Fahrer selbstfahrende Unternehmer. Die Republik ist klein, und so ist der Streik in jedermanns Gesicht. Es sind Streikende im ganzen Land verbreitet, aber Russland ist so riesig, dass es nicht so spürbar ist, obwohl eine riesige Anzahl von Menschen im Streik sind. Wir werden die Zahlen bis zum 10. April zusammenfassen. Wir wollen die Anzahl der Regionen zählen, in denen es Protestlager gibt, und die Zahl der Menschen in diesen Lagern, sowie wo die Lager sind und wo sie waren, bis die Polizei sie auflöste.


Wir werden versuchen, ein Gesamtbild für jede Stadt in Russland zu geben. Es ist kompliziert. In Petersburg allein gibt es mehr als 200 Parkplätze, und wir müssen die Runden zu allen machen. Es gibt auch Menschen, die sich nicht offen im Protest engagieren, aber ihn unterstützen und ihre Lastwagen geparkt haben. Wir müssen sie auch berücksichtigen. Derzeit haben nicht einmal die Verkehrsp und die Bereitschaftspolizei diese Statistiken. Aber ich kann sicher sagen, dass zumindest die Hälfte aller Trucker nicht arbeiten. In Bezug auf Zahlen, das ist mehr als eine Million Lastwagen.





https://therussianreader.com/2017/04/08/andrei-bazhutin-more-than-a-million-trucks-have-stopped-running-nationwide/




BGS

Herzlichen Dank fuers Einstellen.

Diese Solidarität und Haltung ist vorbildlich

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel

ZitatLkw-Fahrer führen ihren unbefristeten Streik weiter, trotz Drohungen und Druck seitens der Behörden und dem Schweigen der Medien. An der Aktion nehmen Fahrer in St. Petersburg, Dagestan, Tjumen, Tschita, Ulan-Ude, der Region Altai und anderer russischer Regionen teil. Nach Angaben der Vereinigung der Transportunternehmer Russlands beteiligen sich am Streik über eine Million Fahrer.

Die Nesawissimaja Gaseta berichtet, dass die föderalen und regionalen TV-Sender Instruktionen bekamen, Angaben über das Ausmaß des Protests zu verzerren. Die Berichterstattung über die Proteste der Lkw-Fahrer ist in den regionalen Medien verboten, sagte das Mitglied des Volkskhurals von Burjatien Bair Tsyrenov der ,,NG". Die Streikbeteiligung in dieser Region ist deutlich sichtbar -- allein am Rande von Ulan-Ude standen etwa 100 LKW entlang der Strecke. Als Taktik gegenüber den Streikenden wird Druck auf die Anführer des Protestes ausgeübt in Kombination mit einem Berichterstattungsverbot in den lokalen Medien.

In Dagestan bezichtigten regierungsloyale Medien die Lkw-Fahrer, sie wüssten selbst, "dass sie ein Instrument zerstörerischer Kräfte sind, die die Situation in der Republik destabilisieren wollen". Es gibt auch Vorwürfe, wonach die Demonstranten angeblich verlogene Internet-Videos verbreiten. Doch in Wirklichkeit wachsen die Proteste im Süden von Russland an. Die Aktivisten dementierten eine gezielt gestreute Desinformation, dass sie den Streik nach Verhandlungen mit Behörden abgebrochen hätten. Fahrer aus Tambow erklärten ihre Bereitschaft sich nach Dagestan aufzumachen, um dort die Streikenden zu unterstützen.

Eine ähnliche Situation lässt sich in anderen Regionen beobachten.

Dabei entschieden sich die Lkw-Fahrer gegen radikale Protestformen: sie sehen von Straßenblockaden ab und versuchen ihre Aktionen legal durchzuführen. Zum Beispiel fand am Sonntag in Nowgorod eine genehmigte Strassenkundgebung der Lkw-Fahrer statt, an der sich auch etwa fünfzig Personen aus St. Petersburg beteiligten. Unter ihnen war auch der Vorsitzende der Gewerkschaft ,,Weg des Lebens" Alexander Rastorguyev, der an den Protesten der Lkw-Fahrer seit 2015 teilnimmt. Seine Reise nach Nowgorod verwandelte sich in ein großes Abenteuer. Zunächst wurde er an der Stadtgrenze von der Verkehrspolizei angehalten, und nach der Ende der Kundgebung gab es Informationen in den sozialen Medien, wonach die Polizisten die Autos der zurückkehrenden Petersburger Teilnehmer verfolgten. Rastorguyev wurde im Bezirk Tosno gestoppt und konnte nur durch die Überquerung eines Sumpfgebietes entkommen.

Inzwischen beginnen die Auswirkungen des Streiks die Wirtschaft. Verbraucher beschweren sich über eine Reduzierung des Warensortiments in den Lebensmittelgeschäften und Preiserhöhungen. In 34 Regionen gab es Appelle von Bürgern an den Verbraucherschutzverband. Probleme betreffen in erster Linie Fleischwaren, Obst und Gemüse, diverse Nahrungs-, Genussmittel- und Hygieneprodukte.

Die Verbraucherschutzgesellschaft ,,Öffentliche Kontrolle" appellierte an Ministerpräsident Dmitry Medvedev mit der Bitte, ,,eine drohende Versorgungskrise bei Lebensmitteln und Waren zur Deckung von Grundbedürfnissen" zu verhindern. Der Text des Schreibens wurde auf der Website der Organisation veröffentlicht. Die Experten der Verbraucherschutzgesellschaft registrierten im Laufe eines Monats 116 Beschwerden in 34 Regionen, aus denen Bürger über die Reduzierung des Warensortiments in den Lebensmittelgeschäften und Preiserhöhungen berichteten. Die Verbraucherschutzgesellschaft hält Unregelmäßigkeiten bei der Versorgung mit Schweinefleisch, Rindfleisch, Gemüse, Mehl, Zucker, Eier, Getreide, Früchte, Hygiene- und Reinigungsprodukte für möglich. Beunruhigung ruft die Situation in den Republiken Dagestan, Komi und Burjatien hervor, und außerdem im Irkutsker, Murmansker, Archangelsker, Leningrader, Swerdlowsker Gebiet, rund um Tjumen, Novosibirsk, Samara und in den Regionen Perm, Krasnojarsk, Chabarowsk und in St. Petersburg hervor.

Die Zeitung ,,Kommersant" berichtete über erste Auswirkungen des Streiks in Dagestan: kleine Bäckereien haben aufgehört, Brot zu backen, weil die Mehlvorräte erschöpften sind. Nach Prognosen der Leiter der Proteste, werden sich die Verbraucher bald mit einem Defizit von leicht verderblichen Waren und Preissteigerungen konfrontiert sehen.

Gekürzte Fassung eines Textes auf der Webseite der der KRAS, Sektion der Internationalen Arbeiter-Assoziation in Russland
http://www.aitrus.info/node/4920

Kuddel

Bürgerkriegsähnliche Verhältnisse bei einem Streik.
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Nachrichtensperre in Rußland und ebenso im Freien Westen®.

Der Westen berichtet nur, wenn der Freiheitskampf von Neoliberalen, Rechtsradikalen oder Oligarchen angeführt wird.
Kämpfende Arbeiter gibt es einfach nicht. Punkt.

Don Derfel

Offenbar ist Andrej wieder verhaftet worden.
Ich habe bisher nur Bilder auf Facebook (ja ich weiß, ist Bäbä)



https://www.facebook.com/100010930210255/videos/403955896645414/

Kuddel

Ja, es hapert am Informationsfluß.
Ich habe mich auf der OPR Seite wieder mit Google Translate versucht. Ein paar Versatzstücke, die in der Googleübersetzung Sinn ergaben:

Heute war eine Großkundgebung mit PKW Korso in St. Peterburg angekündigt.

Die Inhaftierung von Teilnehmern der Kundgebung:




Verhaftet wurden acht Personen, darunter der Vorsitzende des OPR Andrej Bazhutin und der Koordinator des St. Petersburger Zweiges Sergej Vladimirov.

Die Gefangenen wurden zur Polizeidienststelle der Stadt Puschkin gebracht. Adresse: Pushkin str. Hothouse, D.33 Referenz: +7 (812) 470-02-02
An das Gebäude der Polizeiwache von Puschkin wird niemand herangelassen, weder Menschenrechtler, noch Journalisten, noch die Menschen, die dazu aussagen wollen.

Ein Video davon:
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Nun haben bekannte Intellektuelle begonnen sich solidarisch zu erklären und veröffentlichen Stellungnahmen zum Konflikt.

Die Haupttaktik der Streikenden ist den Regionen Konvois zu organisieren, Wohnwagen, usw., die haben Auswirkungen auf die lokalen Behörden, und damit erzeugen sie Druck auf Medwedew.

Die Lebensmittelknappheit weitet sich weiter aus.

Die Versuche der Strafverfolgungsbehörden die Kraft der Lkw-Fahrer zu brechen, blieb ohne Erfolg. Die Streikenden haben eine klassische Netzwerk-Organisation, in der es keine Führer gibt, aber Austauschbarkeit, sowie verschiedene Kommunikationswege und gemeinsame Forderungen an die Behörden. Die Bewegung durch die Verhaftung von Andrej Bazhutin Rustam Mallomagomedova zu schwächen, war fehlgeschlagen.

Es gelang auch nicht mit Spezialeinheiten mit Hubschrauber und Panzern die Streikenden einzuschüchtern. Noch weiter zu gehen, trauen die Herrschenden sich nicht, denn einen 3. Kaukasuskrieg können sie jetzt nicht brauchen.

Fritz Linow

Im Zusammenhang damit vielleicht auch:

Zitat13.04.17
Russia blocks app used to organize protests

MOSCOW (AP) — Russia has banned the use on its territory of a smartphone app widely used like a walkie-talkie to organize demonstrations and other gatherings.
The app, called Zello, reportedly has been popular among long-distance truckers in Russia who are conducting strikes to protest a road tariff system.
Zello, based in the United States, said Russia halted the use of the app late Wednesday. The agency that oversees electronic communications in Russia, Roskomnadzor, had announced earlier in the week that the service would be ended because Zello did not comply with an Internet law.
That law demands that Internet services store copies in Russia of all messages sent via them for six months and make them available to authorities on demand.
A statement on Zello's company blog called the requirement "absurd."
http://bigstory.ap.org/aad441b617374dc7b9e29b7e0d994fec

und vom 14.04.17 (auch nur Englisch):

ZitatThe (Hushed Up) Story of Russia's Trucker Revolt

Long distance truckers are protesting, but state media and officials are strangely silent

The commencement of protest action by long-distance truckers carried out across different regions of Russia in late March has become conspicuous by its absence from the Russia's media space. Up to this point, the lack of media coverage of the truckers' strike has been symptomatic of the capabilities the authorities now have to control the information space. "Hushing up" the protests is evidently more important to those in control than taking steps aimed at resolving the conflict or appeasing the protesters. (...)
https://toinformistoinfluence.com/2017/04/15/the-hushed-up-story-of-russias-trucker-revolt/

Rudolf Rocker

ZitatRussian truckers 'march on Moscow' in biggest outbreak of industrial unrest in years
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/russia/12024221/Russian-truckers-march-on-Moscow-in-biggest-outbreak-of-industrial-unrest-in-years.html

ZitatRussian Truckers Resume Protest As Road-Tax Rate Set To Rise
http://www.rferl.org/a/russia-truckers-resume-protest-road-tax/28393821.html

ZitatIn St Petersburg, long-distance truck drivers are holding out for victory
https://www.opendemocracy.net/od-russia/natalia-shkurenok/in-st-petersburg-long-distance-truck-drivers-are-holding-out-for-victory

ZitatDagestan's long-distance truckers are fighting for their rights
https://www.opendemocracy.net/od-russia/aida-mirmaksumova/dagestan-s-truckers-are-out-to-fight-russia-s-predatory-state

ZitatRussian truckers' strike enters third week amid police crackdown
https://www.wsws.org/en/articles/2017/04/10/russ-a10.html

ZitatRussia: Truckers Begin New Round Of Anti-Tax Protests
https://www.stratfor.com/situation-report/russia-truckers-begin-new-round-anti-tax-protests

ZitatDagestan: Rallying truckers encircled by National Guard of Russian Federation
https://en.crimerussia.com/gromkie-dela/dagestan-rallying-truckers-encircled-by-national-guard-of-russian-federation/

ZitatRussian Truckers Resume Protests Against Controversial Toll System
http://www.rferl.org/a/russian-truckers-resume-protests-toll-system/28110513.html


Kuddel

Nur mal am Rande: Der Feind meines Feindes, ist noch längst nicht mein Freund.
Wenn die ekligen Westmedien Putin zum Bösewicht der Welt stilisieren, wird er nicht zu einem "Guten".
Rappekistenrebell, neigtest du nicht dazu, Putin zu verteidigen?

Schau dir mal das folgende Vdeo an:
! No longer available

Ab min 3:37 sieht man, wie Panzer aufgefahren werden, um die Streikenden einzuschüchtern.

Kuddel

Eine Einschätzung der Streikenden:
ZitatFernfahrerstreik. Zwischenbilanz nach 20 Streiktagen

1. Die Streikkoordinatoren gingen davon aus, dass der Streik nach einem Monat spürbare Auswirkungen zeigt. Die Prognosen sind früher eingetroffen.

2. Offen zugängliche Zahlen über finanzielle Verluste von Tankstellenbetreibern liegen nicht vor, dafür gibt es Berichte aus den Regionen über Lieferstockungen u.a. von Lebensmitteln. Solche Informationen stammen aus Städten, deren Versorgung komplett von Zulieferungen abhängig ist.

3. Die Verbraucherschutzvereinigung teilte mit, dass ihr über 100 Meldungen aus drei Dutzend Regionen Russlands vorliegen mit Beschwerden über Lücken im Warenangebot von Lebensmittelgeschäften. Die Vereinigung erstellte eine interaktive Karte mit Angaben zur Lebensmittelknappheit, d.h. sie weist auf Verstöße gegen die Rechte von Verbrauchern hin, die durch die Doktrin zur Lebensmittelsicherheit in der Russischen Föderation geschützt sind. Sie hat sich mit einem offiziellen Schreiben an Premierminister Medwedjew gewandt, das Informationen über erste Engpässe in der Lebensmittelversorgung enthält und auf die Notwendigkeit hinweist, eiligst Maßnahmen zur Vermeidung einer Unterversorgung zu ergreifen.

4. Eine Reihe engagierter Personen, die zwar keine "Parteiführer" darstellen, sich aber für die Rechte und Freiheiten russischer Bürger einsetzen, haben sich offen für die Unterstützung der Fernfahrer ausgesprochen.

5. Kulturschaffende und Personen des öffentlichen Lebens setzen sich für die Fernfahrer ein. Aleksej Lebedinskij, bekannt als "Professor Lebedinskij", Musiker, hat eine Videobotschaft veröffentlicht. Der Politiker Leonid Gozman folgte.
Die Regierung organisierte vor laufenden Kameras der zentralen TV-Sender ein Treffen mit Vertretern von Fake-Organisationen, die niemanden vertreten außer sich selbst.

6. Die Regierung weigert sich demonstrativ die Fernfahrer zu beachten, die auf ein Treffen mit Premierminister Medwedjew und Transportminister Sokolow bestehen, um über die gegebenen Umstände zu sprechen, die es den Fahrern unmöglich machen ihrer Arbeit nachzugehen und Geld für sich und ihre Familien zu verdienen. Als ob nichts wäre.

7. Versuche des Sicherheitsapparats auf ihre Weise gegen die Fernfahrer vorzugehen haben an der Situation nichts geändert. Die Streikenden sind in einem klassischen Netzwerk organisiert, ohne Anführer bei gleichzeitiger Austauschbarkeit einzelner Koordinatoren, sie stehen dauernd im Kontakt und sie verbinden einheitliche Forderungen an den Staat. Kümmerliche Versuche Andrej Bazhutin oder Rustam Mallomagomedow außer Gefecht zu setzen scheiterten. Sie sind weder Nawalnyj noch Maltsew, sondern lediglich Sprecher der Streikenden. Nicht mehr. Einschüchterungsversuche gegenüber der Fernfahrer in Dagestan mit bewaffneten Einheiten der Nationalgarde, Panzern, Hubschraubern und Panzerwagen führten zu nichts. Die Staatsmacht fürchtet sich vor einem Blutvergießen in Dagestan. Ein dritter Kaukasuskrieg käme ihr zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht gelegen.

8. Die Staatsführung nimmt eine abwartende Haltung ein nach dem Prinzip "alles löst sich irgendwie von selbst in Luft auf". Im Fernsehen ist keine Rede von den Fernfahrern, sei's drum. Als ob es keine Probleme gäbe.

9. Die Taktik der Streikenden besteht derzeit darin, dass die Regionen versuchen diverse Aktionen durchzuführen wie Autokolonnen u.ä., Einfluss auf die lokalen Staatsvertreter zu nehmen, damit diese wiederum Druck auf Medwedjew ausüben, mit dem Ziel eines Treffens mit den Fernfahrern. Allerdings meinen Beobachter, dass nur eine Aktion in Moskau von den Medien wahrgenommen wird und den gewünschten Effekt erzielt.

Kuddel

Ruslan Akajew, politischer Berater des Informations- und Presseministers der südrussischen Republik Dagestan, äußerte sich auf Facebook dazu folgendermaßen:

"Warum lasst ihr unschuldige Personen leiden? Ihr seid keine Männer! Ihr seid Tiere! Könnt ihr nicht auf eine andere Art und Weise demonstrieren? Ich bin kein Befürworter von Platon, aber euer Verhalten ist wesentlich schlimmer! Nationalgarde! Schlachtet diese verrückten Lkw-Fahrer ab! Verwandelt sie in Staub! Konfisziert ihre Fahrzeuge! Zerschlagt ihnen ihre dreisten Gesichter! Beschützt die Menschen! Bitte!"
(Übersetzung aus dem Russischen)

Kuddel

ZitatRussland: Trucker Protest weitet sich auf Moskau aus

Trucker aus der Stadt Moskau und Umland haben sich den Platon-Trucker-Protesten gegen neue Straßensteuern angeschlossen, berichtete die BBC am 18. April. Diese Demonstrationen, die Straßenblockaden und andere Aktionen beinhalten, finden nun in unterschiedlichem Ausmaß in 80 Regionen statt quer durchs Land statt. In Moskau haben die Trucker die Pläne, den Autobahnverkehr entlang der Ringstraßen der Stadt zu stören. Bereits 29 Lkws versuchten, die Ringstraße zu blockieren und wurden von Polizei- und Militärfahrzeugen eingeksselt. Im Jahr 2015 führte die Regierung die staatliche Kfz-Steuer ,,Platon" ein, ein Kürzel für das elektronische Mautsystem. Daran entzündeten sich die Trucker Proteste im Jahr 2015 und Anfang 2016, verzögerten die vollständige Umsetzung der Mauteinführung und neue Proteste brachen im März dieses Jahres aus, vor einem geplanten 25 Prozent Ehöhung der Steuer. Der Kreml hat den Medien eine Sperre der Berichterstattung über die Streiks auferlegt. Die Trucker behaupten, dass 600.000 von ihnen ihren Job verlieren werden, wenn die Straßensteuer umgesetzt wird. Der Kreml hat die begründete Befürchtung, dass ein Protest über eine Frage schnell zu Kritik an anderen Themen führen kann.
Von mir aus dem Englischen übersetzt.
https://www.stratfor.com/situation-report/russia-trucker-protests-spread-moscow

Kuddel

Ich hab mich nochmal ans Übersetzen gemacht:

ZitatTruckerstreik bringt die Menschen gegen den Kreml auf

Die Fernfahrer Rußlands haben am 27. März eine Arbeitsniederlegung begonnen. Ihr Ziel ist es, die russische Regierung zu zwingen, die Straßensteuer (Platon) zurückzunehmen, die ihre Meinung nach ihre Existenzgrundlage bedroht. Die Kfz-Steuer von 1,53 Rubel pro Kilometer (wurde am 15. April angehoben auf 1.93 Rubel) wurde im November 2015 auf LKW im Fernverkehr als Quelle neuer Staatseinnahmen erhoben. Theoretisch werden die zusätzlichen Einnahmen für die Verbesserung der Bundesstraßen ausgegeben, aber die Trucker glauben, dass sie in den Taschen des Kremls verschwinden werden. Zum Zeitpunkt der Einführung im Jahr 2015 störten Konvois der Trucker den russischen Straßenverkehr. Sie forderten den Rücktritt von Premierminister Medwedew und protestierten dagegen, dass die neue Steuer von den Putinnahen Rotenberg-Oligarchen eingetrieben werden sollte (mit einer 20% Provision).

Die Ablehnung der Fernfahrer gegen die Platon-Steuer ist hochgekocht, als die Polizei ihren Streik am Rande von Moskau angegriffen hat. Eine geplante Verdoppelung des Platonsteuer am 15. April verstärkte den Truckerprotest. (Moskau hatte auf die Prognose von 23 Milliarden Rubel neuer Einnahmen für sein angespanntes Budget gebaut). Medwedews Zug, am 24. März die Trucker mit einer moderateren 25% -Erhöhung zu besänftigen, scheiterte an dem Streik. Soweit die Streikenden betroffen sind, haben die 1,53 Rubel Steuer bereits ihre operativen Margen auf Null oder auf den Negativbereich reduziert.

Wie von dem erfahrenen Kreml-Beobachter Paul Goble bemerkt wurde, hat der Kreml einen medialen Berichterstattungsbann verhängt, was zu einer landesweiten Sache geworden ist, die 80 Republiken betrifft. Der Truckerstreik bedroht Russlands wacklige Konjunkturerholung und wird voraussichtlich die Verbraucherpreise steigern.

Im November 2015 haben die westlichen Medien den ersten landesweiten Arbeitskampf in einer Schlüsselbranche der russischen Wirtschaft weitgehend ignoriert. Die Putin-Administration ist perplex. Anders als die eintägigen landesweiten politischen Demonstrationen vom 26. März, ist der Trucker-Streik (der einen Tag später begann) eine langsame Blutung für den Kreml, die er nicht stoppen kann. Dem Truckerstreik fehlt eine zentrale Organisation oder ein Führer, der verhaftet werden könnte (wie Aleksei Navalny im politischen Streik). Es ist kein politisches Handeln, und es scheint von einer sympathisierenden lokalen Bevölkerung unterstützt zu werden. Die Streikenden stellen so peinliche Fragen, wie die Straßensteuern erhoben und ausgegeben werden. Es gibt keine Demonstrationen, nur Trucker in ihren großen Fahrzeugen, die sich auf den Straßen sammeln oder auf Parkplätzen, gesittet mit Barbecue und unter Vermeidung von betrunkenem Verhalten. Die Polizei und die Spezialeinheit OMON stehen dem hilflos gegenüber. Es gibt keine Führer zu verhaften und kein unordentliches Verhalten zu bestrafen.

Die Streikenden behaupten, dass sie keinen wirtschaftlichen Druck haben, ihren Streik zu beenden. Mit dem neuen Steuersatz vom 15. April rechnen sie vor, dass sie Geld verlieren, indem sie weiterarbeiteten. In der Folge haben sie nichts zu verlieren, wenn sie ihren Streik fortsetzen.

Obwohl die russischen Mainstreammedien den Platon-Streik weitgehend ignorieren, führen die wenigen verbleibenden freien Nachrichtenportale detailliert Bericht über den Streik. Die Novaya Gazeta veröffentlicht derzeit Berichte über die Streikenden aus Wolgograd, Saratow, St. Petersburg, Murmansk, Kurgan, Jekaterinburg und Moskau.

Die Platonstreikenden haben ein Ziel - die Beseitigung der Steuer. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass das Stoppen der Arbeit ihre einzige Waffe ist. In einer normalen Gesellschaft könnten sie eine Gewerkschaft bilden, um ihre Interessen zu vertreten, aber das Putin-Regime hat mit den Beschränkungen des sozialen Verhaltens die Gesellschaft zerstört.

Der Platon-Streik ist eine bedeutende Schlacht des Willens zwischen dem Kreml und der Arbeiterklasse Russlands. Der Fernfahrer-Streik bietet ein Modell, wie man das "Monster" des politischen Putin-Systems bekämpft, das sonst den gewöhnlichen Russen lehrt, dass es nutzlos ist zu kämpfen. Wenn der Kreml einknickt und die Steuer zurückzieht, kann das russische Volk sehen, dass Widerstand funktionieren kann.

Putin hat politischen Widerstand durch Repression, möglicherweise Mord, Auschlüssen und der Kontrolle von Wahlkommissionen, niedergeschlagen. Putins Umfragewerte sind weiterhin hoch, aber die Leute haben zunehmend das korrupte System, das er geschaffen hat, satt. Der Abstand von einen Tag von landesweiten politischen Demonstrationen gegen Korruption und dem landesweiten Streik von Fernfahrern könnte ein Vorbote einer Verschmelzung von schwachen liberalen Kräften mit starken Volkskräften bedeuten,  als Bedrohung für das Putin-Regime. Mit seinen militärischen Verpflichtungen hat Putin in die Taschen der einfachen Arbeiter und Rentner gegriffen, um seine Auslandseinsätze zu bezahlen, und die Anti-Platon-Bewegung ist ein Ergebnis.
aus: https://www.forbes.com/sites/paulroderickgregory/2017/04/18/truckers-strike-pits-the-people-against-the-kremlin/2/#6b18c91b3873


Eine Einschätzung des US Amerikanischen Wirtschaftsmagazins Forbes.
Es erkennt die politische Brisanz dieses Streiks und bemerkt, daß der Westen dem Streik vor einem Jahr zu wenig Beachtung geschenkt hat. Man träumt davon, daß so Putin gestürzt werden könne, so wie damals die Regierung Polens durch den Streik der Solidarnosc.
Und es wird durch die Blume darauf hingewiesen, daß der Stellvertreterkrieg in Syrien so doch Erfolg zeigt und zur innenpolitischen Schwächung Putins führt.

Deutsche Linke scheinen wenig Interesse an solchen Arbeitskämpfen zu haben. Die Veranstaltungen mit den Initiatoren des Streiks, die an linken Treffpunkten stattfanden, waren sehr schlecht besucht. In der Jungen Welt, im Neuen Deutschland oder anderen linken Publikationen ist kaum etwas zu diesem Streik zu finden.

Kuddel

ZitatRusslands Trucker gegen »Platon«
Nicht nur das neue Mautsystem bringt vor allem Kleinunternehmer in Schwierigkeiten



Russische Trucker hatten sich auf einem Parkplatz im Moskauer Vorort Chimki schon im Dezember 2015 gegen die Maut in Stellung gebracht.


Der Kilometerpreis des russischen Mautsystems »Platon« für Schwerlaster stieg am 15. April planmäßig. An jenem Tag wollten Lkw-Fahrer ihren Protest dagegen mit einer Autokolonne von einem Streikposten am Stadtrand von St. Petersburg in die Innenstadt tragen. Doch die Polizei hinderte sie daran und nahm mehrere Personen fest.

Eigentlich sollte ein Gerichtsverfahren folgen, aber weder gibt es bislang einen Termin, noch eine klare Anschuldigung. Nicht einmal ein Gesetzesverstoß liegt vor. An derlei Schikanen haben sich die landesweit gut vernetzten Fahrer längst gewöhnt. Innerhalb der vergangenen drei Wochen wurden aus fadenscheinigen Gründen in über 250 Fällen Bußgelder oder mehrtätige Haftstrafen verhängt

Seit dem 27. März 2017 befinden sich russische Lkw-Fahrer in einem unbefristeten Streik gegen das Mautsystem »Platon«. Sie wollen erreichen, dass sich die Regierung mit ihnen an den Verhandlungstisch setzt, um gemeinsam über eine Lösung zahlreicher Probleme in der Logistikbranche zu sprechen.

Das Ende 2015 eingeführte »Platon«-System ist nur die Spitze des Eisbergs. Bereits vor der Einführung der Mautgebühr sank die Rentabilität bei Kleinspediteuren infolge der Wirtschaftskrise und der Sanktionen gegen Russland und auch der sogenannten Gegensanktionen. Gleichzeitig steigen diverse Abgaben wie die unlängst angehobene Benzinsteuer. Großspeditionen profitieren von den Problemen der ressourcenschwachen Konkurrenz. Sie konnten ihren Marktanteil im vergangenen Jahr von 30 auf etwa 40 Prozent ausbauen.

Nach Einschätzung der Vereinigung russischer Transportunternehmer OPR, die maßgeblich hinter dem Streik steht, liegt die Beteiligungsquote derzeit bei 40 Prozent. An der Spitze liegt Dagestan, wo sich bis auf eine kleine Minderheit alle Fahrer dem Arbeitskampf angeschlossen haben; es folgen Tschetschenien und die kleineren Kaukasusrepubliken.

Zum einen stehen sie ökonomisch schlechter da, zum anderen fördern die lokalen gesellschaftlichen Strukturen ein geschlossenes Vorgehen. Wer die Region mit einem beladenen Lkw verlassen will, erhält Polizeischutz. Zwar haben sich die Streikenden im Voraus auf friedliche Protestformen geeinigt, aber wer aus ihren Reihen ausbricht, muss sich deutliche Worte der Kollegen gefallen lassen.

Nicht überall ist der Protest sichtbar. Um keinen Konflikt mit der Polizei zu riskieren, bleiben die Trucks oft auf ihren Stellplätzen. In Dagestan kamen zur Einschüchterung der Fahrer sogar Einheiten der Nationalgarde zum Einsatz. Michail Kurbatow, einer der Koordinatoren der OPR, strahlt dennoch Optimismus aus. »Immer mehr Regionen schließen sich dem Streik an«, sagte er dem »nd«. Auch weit hinter dem Ural, insbesondere in Burjatien, liegt der Güterverkehr auf der Straße zu großen Teilen lahm. Aus 34 anderen Regionen vermeldete die Verbraucherschutzvereinigung bereits Engpässe bei der Lebensmittelversorgung.

In den Metropolen Moskau und St. Petersburg sind die Vorratsspeicher jedoch gut gefüllt, zudem verfügen große Supermarktketten über einen eigenen Fuhrpark. Nur wenige Printmedien berichten über den Streikverlauf. Das überregionale staatliche Fernsehen blendet den Protest komplett aus, während sich lokale Sender stellenweise über das faktische Nachrichtenverbot hinweg setzen.

Der Föderationsrat kündigte inzwischen eine Effektivitätsprüfung von »Platon« an, und in manchen Regionen signalisieren die Behörden Gesprächsbereitschaft mit dem Versprechen, die politische Führung in Moskau von den Ergebnissen in Kenntnis zu setzen. Doch dort dürften ausreichend Informationen vorliegen.

Bislang setzt der Kreml offenbar schlicht auf eine Hinhaltetaktik in der Erwartung, der Protest löse sich irgendwann von selbst auf. Anstatt sich dem direkten Gespräch zu stellen, entsandte Moskau Dienstag den Fernsehjournalisten und Kaukasuskenner Maksim Schewtschenko als Unterhändler nach Dagestan. Der Kampfmoral der streikenden Fahrer tut dies keinen Abbruch: sie wollen einzig und allein mit den Entscheidungsträgern aus der Regierung sprechen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1048515.russlands-trucker-gegen-platon.html

Kuddel



In den USA sieht man in der Bewegung die Chance, Putin zu stürzen. So verstehe ich die Begeisterung der Washington Post:
https://www.washingtonpost.com/world/europe/the-latest-protest-moscow-is-trying-to-ignore-thousands-of-angry-truckers/2017/04/21/13f87080-1a2d-11e7-8598-9a99da559f9e_story.html?utm_term=.6ed3ae37d9be  



Und überrascht hat mich, daß ausgerechnet RT Deutsch nun berichtet:
https://deutsch.rt.com/russland/49536-russland-neue-trucker-proteste-gegen-maut-korruption/

Und der ist nicht so übel.

ZitatAuch wenn die Fernfahrer ihr Ziel, die Abschaffung der Fernstraßen-Maut nicht erreichen sollten, so lenkt ihre Aktion die öffentliche Aufmerksamkeit auch auf andere wichtige Fragen, wie beispielsweise den Arbeitsschutz. Die streikenden Trucker fordern zudem Regelungen, die ausreichend Schlaf und Erholung garantieren. Die Verhältnisse auf russischen Parkplätzen – vor allem in der Provinz – sind oft rau. Es fehlen bewachte Parkplätze, auf denen die Fernfahrer in Ruhe schlafen können, ohne Angst um ihr Fahrzeug und Leben haben zu müssen.

Arbeitsschutzgesetze werden auch in vielen anderen Branchen, insbesondere im Dienstleistungs- und Bausektor, unterlaufen. Die Arbeitszeiten sind oft viel länger als acht Stunden. Für das Mittagessen fehlen oft Küchen. Die Aktionen der Fernfahrer erhöhen den Druck auf den Gesetzgeber, die Arbeitsbedingungen im Dienstleistungs- und Bausektor zu verbessern.

Fritz Linow

Die Washington Post erwähnt zumindest, dass zwischen ,,Platon" und Putin Vetternwirtschaft besteht. Oder stimmt das auch nicht? Faktencheck!

Kuddel:
Zitat,,In den USA sieht man in der Bewegung die Chance, Putin zu stürzen."

Erkenne aus dem Artikel jetzt nicht so, dass in den USA endlich wieder Hoffnung besteht, den verdammten Iwan zu stürzen, bloß weil eine Zeitung über den Truckerstreik in Rußland berichtet. Schaden will die USA allemal, aber gleich stürzen? (Washington Post gehört übrigens dem Arschgesicht von Amazon, Jeff Bezos.)

Der Bericht auf RT Toitschland wirkt eher verharmlosend, so nach dem Motto: Ja es gibt Probleme, aber das kriegen wir schon in Griff, sind schließlich nur Dagestanmuselmanen, die ihre Unternehmen nicht ordnungsgemäß registriert haben.
In diesem Sinne:

,,Ende März traf sich Dmitri Medwedew mit gemäßigten Fernfahrern. Anschließend machte der Premier ein Zugeständnis."
Russland Heute, Deutsches Syndikat

Die frohe Botschaft aus Russland lautet eigentlich,  dass die Logistik die Achillesverse des Kapitalismus ist. Das ist keine neue Erkenntnis, muss aber vielleicht wieder neu gelernt werden.


Kuddel

Meine Interpretation ist durchaus etwas gewagt.

Es fiel mir auf, daß sich ein führendes US Wirtschaftsmagazin, wie Forbes, dem Thema widmite und schrieb:
ZitatPeople Against The Kremlin
(...)The platon strike is a significant battle of wills between the Kremlin and Russia's working class (...) how to fight the "monster" of the Putin political system(...)a nationwide strike of long-haul truckers could forebode a fusion of weak liberal forces with strong popular forces that could emerge as a threat to the Putin regime.
https://www.forbes.com/sites/paulroderickgregory/2017/04/18/truckers-strike-pits-the-people-against-the-kremlin/2/#3f2c79703873

Dann legte mit der Washingten Post eine politisch meinungsbildende Zeitung nach:
ZitatAnd although the anti-corruption protest was a one-day event, the truckers are still out there.

Russian authorities are treating this as a political challenge.
(...)"We don't need a corrupt system."
https://www.washingtonpost.com/world/europe/the-latest-protest-moscow-is-trying-to-ignore-thousands-of-angry-truckers/2017/04/21/13f87080-1a2d-11e7-8598-9a99da559f9e_story.html?utm_term=.1e8f2727898e

Der Artikel hält einem "Faktencheck" stand.

Ich finde den Bericht durchaus erwähnenswert, denn US Medien interessieren sich normalerweise nicht für Arbeitskämpfe im Ausland.
Die amerikanische Herrschende Klasse erkennt aber die Brisanz und das Potential solcher Arbeitskämpfe. Sie weiß auch, daß mit einem Streik der Chilenischen Kleinspediteure 1973 der Putsch gegen das Linksbündnis Unidad Popular eingeleitet worden ist. Und sie hat nicht vergessen, daß mit dem Arbeitskampf auf der Leninwerft 1980 in Danzig eine Streikbewegung entstand, die zum Sturz der Regierung unter der Kommunistischen Partei führte und damit den Zusammenbruch des Ostblocks einleitete.

Zitat von: Fritz Linow am 00:31:11 So. 23.April 2017
Die frohe Botschaft aus Russland lautet eigentlich,  dass die Logistik die Achillesverse des Kapitalismus ist. Das ist keine neue Erkenntnis, muss aber vielleicht wieder neu gelernt werden.

Das ist der Grund, warum ich mich seit Jahren schwerpunktmäßgi mit diesem Thema beschäftige. An dieser Stelle ist das System angreifbar und verwundbar. Ich halte die Entwicklungen in der Branche für entscheidend, egal ob es nun Trucker oder Amazonbeschäftigte sind. Etwa 1200 Truckern ist es vor 3 Jahren gelungen, die kanadische Regierung in die Knie zu zwingen. Es wurden nicht nur ökonomische Ziele durchgesetzt, sondern auch eine Generalamnestie für alle Streikenden und ihre Sabottageaktionen sowie die Rücknahme der Antistreikgesetze. In Frankreich sieht die Regierung in den Truckern eine Macht, gegen die man schwer ankommen kann. Bei den Kämpfen gegen die Arbeitsreform machte die Regierung den Routiers sofort Zugeständnisse und nahm sie von der Arbeitsmarktreform aus, um sich nicht mit ihnen herumschlagen zu müssen.

In Deutschland interessiert sich die Linke nicht dafür, wo der Kapitalismus angreifbar sein könnte. Man steckt alle Energie in einen Eintagesevent und hält eine Großdemo für wichtiger als permanenten Klassenkampf.

Die Linke will nichts tu tun haben mit den fahrenden Schmuddelkindern des Proletariats. Und wenn man sich die Branche näher ansieht, ist es auch nicht gerade hoffnungsvoll, was sich da tut, bzw. nicht tut. Die kleinen Selbstorganisationen sind zerstritten untereinander. Nachdem die Gewerkschaften ihre Autortät in diesem entscheidenem Wirtschaftszweig fast vollständig verspielt haben, haben sie nun ihren Fehler erkannt. Sie bemühen sich massiv, gemeinsam mit der SPD um die Fahrer, um jeden Versuch der Selbstorganisation, pumpen Kohle hinein, schicken wichtige Funktionäre und Poltiker, lassen einen Trucker im Bundestag sprechen und Sigmar Gabriel trifft sich mit einem Sprecher einer Mini-Fahrerorganisation. Sie haben erkannt wie wichtig es ist, daß ihnen die Entwicklungen in der Branche nicht außer (ihrer) Kontrolle geraten dürfen.

Die Fahrerszene war vor 3 Jahren weitaus weiter eintwickelt. Unter DGB/Verdi/SPD Einfluß ist man wieder zurück in Vereinzelung, einer wirkungslosen Symbolpolitik, Zerstrittenheit, Rassismus und Konkurrenz gegen osteuropäische Kollegen, gefallen.

All das ist auch ein Ergebnis davon, daß seit jahrzehnten Linke sich nie mit Berufskraftfahrern zusammensetzen und in ihre Diskussion einmischen wollten. Die Situation hierzulande ist finster.

Die Selbstorganisation von (meist migrantischen) Arbeitern der Logistikbranche in Norditalien, ist hingegen sehr inspirierend:
http://de.labournet.tv/groesser-als-das-gesetz

Rudolf Rocker

Vieleicht haben es die Linken in Deutschland aber auch aufgegeben sich um die Trucker zu kümmern, weil sie gemerkt haben, das sie unorganisierbar sind?
Um das einordnen zu können, fehlt mir allerdings die historische Kenntnis.

Kuddel

Es wird in den nächsten Jahren sicherlich keinen vernünftigen Truckerstreik in Deutschland geben.
Das ist kein Grund sie DGB/SPD oder möglicherweise den Nazis zu überlassen.

Der Versuch Paketfahrer zu organisieren, vierlief vor einigen Jahren noch schlechter, als der, die LKW Fahrer zu mobilisieren.
Aber Norditalien beweist, daß es nicht unmöglich ist.

Es ist ein nicht spezielles Problem dieser Branche.
Die Erfahrungen der letzten Zeit ließen Erwerbslose, Leiharbeiter oder Callcenterbeschäftigte als unorganisierbar erscheinen.

Wir haben eine Situation, in der diejenigen mit einem halbwegs erträglichen Job, versuchen irgendwie den Zustand zu halten, der Rest ist von der eigenen Situation so geschafft und oftmals psychisch schwer angeschlagen, daß ein gemeinsames Handeln kaum vorstellbar ist.
Wir müssen das Unmögliche versuchen.

Fritz Linow

Aus der Zeit, als SPD und Gewerkschaften noch die Abschaffung der Lohnarbeit zum Ziel hatten, stammt das hier:

,,Um das Getriebe des Staates lahmzulegen, bedürfen wir in erster Linie der Organisation der Transportarbeiter, und diese, insbesondere die Eisenbahner, fehlen uns in der Organisation."
Carl Legien, 1906

Lange her. Da SPD und Gewerkschaften seitdem aber selber tragende Säulen der Lohnarbeit geworden sind, sind die Transportarbeiter nicht mehr so wichtig. Andererseits steht nirgendwo geschrieben, dass man sich nur auf den DGB verlassen soll.

Wenn man bedenkt, wie abhängig alles von korrekten Warenströmen ist und in welchem Widerspruch dazu die Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der Beschäftigten stehen, dann ist das ein vedammt dünnes Eis, auf dem das ganze funktioniert.

Im Rahmen der G20-Proteste soll ja auch der Hafen (symbolisch) besetzt werden. Eigentlich eine ganz nette Idee, um zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat, nämlich nicht in der linken Kuschelzone. Wenn daraus noch Verbindungen zu den im Hafen Beschäftigten entstehen, können vielleicht auch hier  irgendwann mal wesentlich effektivere Arbeitskämpfe geführt werden als jetzt unter der DGB-Herrschaft.


Rudolf Rocker

ZitatWenn man bedenkt, wie abhängig alles von korrekten Warenströmen ist und in welchem Widerspruch dazu die Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der Beschäftigten stehen, dann ist das ein vedammt dünnes Eis, auf dem das ganze funktioniert.
Das sieht man sehr gut an den empfindlichen Reaktionen, wenn es da mal irgendwo im Getriebe hakt. Da wird zum Beispiel mal eben die Marine eingesetzt um die Handelswege gegen eine Handvoll "Piraten" zu sichern. (Das die "Piraten" ihren vorherigen Job als Fischer aufgeben mussten, weil europäische und japanische Großfangschiffe ihnen und ihren Familien die Lebensgrundlage entzogen haben, wird in diesem Zusammenhang gerne außer acht gelassen!)

Nicht mit millitärischen Mitteln (noch nicht), aber dennoch mit massiven Hetzkampagnen geht man gegen streikende Lokfüher und Piloten vor.

Wenn man sich die Doku Kein Gott, kein Herr! - Eine kleine Geschichte der Anarchie anschaut, bemerkt man immer wieder historische Parallelen.
Von den autoritären Kommunisten über die bürgerlichen Demokraten bis zu dem Faschisten waren sich scheinbar alle einig, das eine unabhängige Selbstorganisation der Arbeiter mit allen Mitteln verhindert werden muss!
Die radikale Verfolgung von Anarchisten und die massive Diskreditierung anarchistischer Ideen haben ihre Spuren hinterlassen.



Kuddel

Zitat von: Fritz Linow am 15:27:49 So. 23.April 2017
Im Rahmen der G20-Proteste soll ja auch der Hafen (symbolisch) besetzt werden. Eigentlich eine ganz nette Idee, um zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat, nämlich nicht in der linken Kuschelzone. Wenn daraus noch Verbindungen zu den im Hafen Beschäftigten entstehen, können vielleicht auch hier  irgendwann mal wesentlich effektivere Arbeitskämpfe geführt werden als jetzt unter der DGB-Herrschaft.

Ein wahrlich gute Idee.

Es gibt einige Hafenarbeiter in Hamburg, die jenseits offizieller Gewerkschaftlicher Strukturen sich austauschen und auch den Kontakt zu Jour Fixe HH halten.

In den USA gab es überaus erfolgreiche Aktionen, in denen Hafenarbeiter gemeinsam mit der Occupy Bewegung die großen Häfen stillegten.














Als die Presse unter dem Titel Dreadlocks vs. Arbeiterhelme
Occupy gegen Arbeiterinteressen ausspielen wollte, erntete sie eine gepefferte Antwort eines Zusammenschlusses der Hafentrucker verschiedener Häfen. Sie erklärten sehr genau, warum Occupy und sie als Arbeiter für die gleiche Sache kämpften.


Fritz Linow

Kuddel:
ZitatMeine Interpretation ist durchaus etwas gewagt.

Scheint korrekt zu sein. Stratfor berichtet auch:

Zitat21.04.17
Russia: Trucker Protests Intensify Despite Government Crackdowns

(...) In addition, according to rumors, some Russian regional authorities are considering hiring Chinese truckers to replace the striking Russian ones.(...)
There are concerns that the trucker protests could unite with the All-Russia protests like those staged a few weeks ago against corruption and the stagnant economy.(...)
https://www.stratfor.com/article/russia-trucker-protests-intensify-despite-government-crackdowns



Strategic Forecasting, Inc (abgekürzt Stratfor) ist ein US-amerikanischer Informationsdienst, der Analysen, Berichte und Zukunftsprojektionen zur Geopolitik, zu Sicherheitsfragen und Konflikten anbietet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stratfor

admin

ZitatTrucker rüsten zum 1. Mai
Streikführer Andrej Baschutin kündigt verschärften Protest gegen neue russische Maut an
»Nein zur räuberischen Abgabe« bleibt die Losung der Petersburger Fernfahrer.



Die OPR hatte zu einem landesweiten Truckerstreik gegen das Mautsystem »Platon« aufgerufen. Sind sie ihrem Ziel in den seither vergangenen vier Wochen näher gekommen?

Es gibt zunehmend Reaktionen auf unseren Streik. In vielen Regionen erklären sich lokale Staatsvertreter zu Gesprächen bereit - sie haben jedoch keinerlei Entscheidungsbefugnisse. Die Regierung hat sich durch ihre demonstrative Zurückhaltung selbst in die Ecke manövriert und simuliert nun diverse Aktivitäten über einflusslose Mittelsmänner. Die wollen uns beispielsweise zu einem runden Tisch mit Industriellen und Unternehmern zum Thema Lenk- und Ruhezeiten einladen. Dabei bleibt deren Interesse völlig unklar.
Da das Neue deutschland den artikel hiner eine Paywall versteckt, hier der Link zu einem PDF des Artikels: https://www.pressreader.com/germany/neues-deutschland/20170426/281711204537546

BGS

Besten Dank fuers Einstellen der PDF. Aus dem Artikel

Zitat
...gezielt gestreute Desinformation, die die Streikmoral untergraben sollen... .

... Inzwischen schlossen sich sogar neue Regionen unserem Streik an. ...

... Wagen von Streikbrechern wurden in Brand gesett. ...

... LKW mit Fracht auf den Strassen sind jetzt alle voellig ueberladen. ...

... uns ist klar, dass nur ein gemeinsames Vorgehen zzum Ziel fuehrt. ...

... Wir werden den Protest forcieren... .

... Uns ist wichtig, dass die Leute auf die Strasse gehen... .

... Mit den Demonstrationen zum 1. Mai werden wir auf unsere Forderungen aufmerksam machen und planen weitere Aktionen.


Quelle> https://www.pressreader.com/germany/neues-deutschland/20170426/281711204537546

Vorbildlich.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel


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