Hungerstreik der Leiharbeiter in Hannover

Begonnen von Wilhelm17, 15:16:53 Do. 02.April 2009

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Wilhelm17

Hallo Leute,
es besteht zur Zeit die Gelegenheit nicht nur über die Leiharbeit zu jammern sondern aktiv etwas dagegen zu tun. Seit 27.03.09 sind mehrere Leiharbeitskollegen,  die bei VW Nutzfahrzeuge über die konzerneigenen Leihklitschen WOB-AG und Autovision beschäftigt WAREN im Hungerstreik
zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze. Die Situation hat sich bereits verschärft, da sich anfangen aus anderen Bundesländern solidarische Leiharbeitskollegen dazuzugesellen. Radio und Fernsehsender geben sich da die Klinke in die Hand. Eine Bilddoku der Aktionen dort findet ihr unter
www.alaid.de(Aktuelles). Nach der Feststellung der Tarifunfähigkeit des CGZP wendet sich der Hungerstreik immer mehr auch GEGEN die IG-Metall,
die jetzt mehr oder weniger allein für die diskriminierenden Arbeitsbedingungen dort verantwortlich ist. Packt Eure Zelte ein und verbringt das Wochenende mit uns dort. Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit der mächtigsten DGB-Gewerkschaft die Maske herunterzureissen und einen
Weg zum gesetzlichen Verbot der Leiharbeit einzuschlagen. HÖRT AUF ZU JAMMERN UND HANDELT JETZT MIT UNS. KOMMT NACH HANNOVER
zu VW-Nutzfahrzeuge Parkplatz vor Werkstor 3.

anti-hartz4

Endlich etwas mit Hand und Fuß. Die Hauptsache ist,Standhaft zu bleiben und sich nicht mit falschen Versprechungen Einlullen zu lassen! Das Ausbeuterpack darf keine Chance mehr bekommen! Meine Bedarfsgemeinschaft sendet solidarische Grüße aus Cottbus nach Hannover.
Widerstand dem Kapitalgesindel

baladu

sehr beeindruckend, was die Jungs da auf die Beine stellen! Sie haben sich tatsächlich erst zusammengefunden, als sie in Vorbereitung auf die Arbeitslosigkeit einen VW-Qualikurs gemacht haben. Das erste mal, dass ganz viele, quer durch alle Schichten und Abteilungen, zusammen gesessen haben. Sie sind stinkend sauer, weil VW (in Wolfsburg) auf der einen Seite händeringend Leute sucht, um die Sonderschichten wegen der Abwrackprämie zu fahren und sie entlassen werden. Hintergrund, dass sie (Kern von jetzt noch 30 Leuten) schon zwei Jahre bei VW arbeiten und nun fest eingestellt werden müssten. Zudem wird denen, den ein Vertrag angeboten wird, nur einer bei der zweiten VW-Leihfirme (AutoVision) angeboten. Das hat für VW den Vorteil, dass sie mit einem neuen Arbeitsvertrag bei einer neuen Firma anfangen und die ganze Mühle wieder von vorne losgeht, sprich: verkürzte Kündigungsfrist, kein Anspruch auf Jahresprämie und vor allem wieder  niedrigerer Lohn: Der Equal Pay - Vertrag ist gestaffelt; arbeitsvertraglicher Grundlohn 7,38, im ersten Jahr Aufstockung  auf 11,x, im zweiten Jahr 13,x und dann  ~16 Euro.
Gehe zurück auf Start!

Geldspenden sind zwar bei Besuch erwünscht, aber keine Spendenkampagne. Aber sie haben eine Unterschriftenliste gebastelt, die sie dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff übergeben wollen; sie freuen sich, wenn Leute auch in anderen Städten damit rumgehen und ihnen die Listen schicken. Hab sie abgetippt, könnt ihr ja selber zusammenbasteln.
Da sie keine öffentliche Kontaktadresse haben, vielleicht über die FAU Hannover, die sich dort engagiert - oder selber vorbei kommen.

FAU Hannover
c/o UJZ Kornstrasse
Kornstrasse 28-30
30167 Hannover


P.S.
Zitat von: Wilhelm17 am 15:16:53 Do. 02.April 2009
Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit der mächtigsten DGB-Gewerkschaft die Maske herunterzureissen und einen
Weg zum gesetzlichen Verbot der Leiharbeit einzuschlagen.

... die Maske reißen sich die IG Metall und der BR schon selber runter - die Kollegen fühlen sich nur verschaukelt von beiden; leere Versprechungen, Hinhalten, spalten (den einen wird was angeboten, den anderen nicht), gute Tips ("Jungs, das mit dem Hungerstreik ist gesundheitsschädlich!"), keinerlei Unterstützung.



Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Wulf,
Sehr geehrter Dr. Rößler,
wir die Mitarbeiter der WOB-AG, von denen ein Großteil Ende März wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz verlieren wird, appelieren heute im Namen aller Leiharbeitnehmer an Ihre politische Verantwortlichkeit.

Nicht ohne Selbstbewusstsein möchten wir darauf hinweisen, dass wir seit Jahren maßgeblich zu enormen Gewinnsteigerungen bei VW beigetragen haben.

VW ist in diesem Zeitraum zum drittstärksten Automobilbauer der Welt aufgestiegen.

Die WOB-AG und damit automatisch VW hat von unserer Arbeitskraft, unserer Flexibilität und Einsatzbereitschaft stets profitiert.

In dem Vertrauen, langfristig einen festen Arbeistplatz zu erhalten, waren wir bereit, für VW viel zu geben. Auch wir haben uns als Teil des Betriebs gefühlt und waren der Überzeugung, dass sich gute Leistung bei Volkswagen auszahlen wird.

Nun läuft die Zeit ab und uns droht unverschuldet die Arbeitslosigkeit.

Das haben wir nicht verdient!

Dehalb fordern wir:

- Die Weiterbeschäftigung bei der WOB AG oder bei VW
- Die Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in die Kurzarbeit für die Dauer der Wirtschaftskrise
- Die Zukunftssicherung für uns und unsere Familien
- Die staatlichen Hilfen nicht nur den Betrieben, sondern auch den Arbeitnehmern zu gewährleiten

Wir appelieren an Sie als politische Verantwortliche, trotz der Krise positive Zeichen zu setzen und auch uns vorübergehend die Kurzarbeit zu ermöglichen.

Hannover ist durch den geplanten Arbeitsplatzabbau wie bei Conti und VW bedroht.

Der soziale Friede der Region steht auf dem Spil.

Wir, die Unterzeichner, vertreten die Auffassung, dass die drohende Arbeitslosigkeit gerade für die Menschen in dieser Region verhindert werden muss.

Vorname Name Anschrift Unterschrift

ManOfConstantSorrow

Der Aktion und den Formulierungen ist anzumerken, daß sie nicht von einer politischen Organisation kommen. Mag auch einiges an dem Gesagten zu kritisieren sein, so bleibt doch etwas besonderes an dieser Aktion: Leiharbeiter sind selbst aktiv geworden ohne auf einen Aufruf einer Gewerkschaft oder politische Organisation zu warten. Überraschend, ungewöhnlich und mutig ist, was sich da abspielt. Es ist ein Zeichen dafür, daß das Faß beginnt überzulaufen...
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Ziggy

Die Leiharbeiter sind aktiv geworden, als es ihnen persönlich an den Kragen ging! Und wer weiß, welche Stundenlöhne bei VW an die Leihkeulen bezahlt werden, muß sich da nicht groß wundern. Von "Organisation" kann da keine Rede sein, es geht um die eigene Existenz. Keiner von denen wäre für andere und deutlich ärmere Leihkeulen aktiv geworden. Also mal schön den Ball flachhalten. Die Motivation besteht darin, daß man woanders für 7 EUR arbeiten müsste statt für 17. So edel sind die Motive also nicht. Es geht um Kohle - wie überall auf der Welt, und zwar um die eigene Kohle. Und nur um die, sonst nichts.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

jobless0815

Zitat von: Ziggy am 10:06:11 So. 05.April 2009
Die Leiharbeiter sind aktiv geworden, als es ihnen persönlich an den Kragen ging! ..

Das ist richtig. Andererseits ist es nicht unedel tätig zu werden, weil man nicht für 7 Euro arbeiten will.
Letztlich bis du doch auch deswegen aktiv, oder habe ich da was falsch verstanden?

Ziggy

Das verstehst du völlig richtig. Ich wehre mich nur dagegen, bestimmten Leuten Heiligenscheine zu verpassen, denen es definitiv nur - und nur! - um eigene Interessen geht. Ich kann von mir behaupten, mich auch schon mal völlig uneigennützig für andere Leiharbeiter eingesetzt zu haben. Nicht, daß ich ein besserer Mensch wäre deswegen, aber die Berichterstattung und Wertung dieser VWler hat für mich etwas, na ja, "Klebriges" ... ich finde es ziemlich verlogen, ehrlich gesagt. Woanders kämpfen Leute gegen wirklich miese Bedingungen, das interessiert aber kein Schwein. Aber Airbus und VW und Opel, da kocht die Suppe. Nein danke, das geht mir gegen den Strich. Wer bei VW fliegt, der kriegt wenigstens erstmal ordentlich ALG. Eine 7 EUR Leihkeule schlägt da viel härter auf. Von denen redet aber keiner. Insofern finde ich die ganze "Diskussion" - auch hier im Forum - ziemlich verlogen.

Und das hier
Zitates besteht zur Zeit die Gelegenheit nicht nur über die Leiharbeit zu jammern sondern aktiv etwas dagegen zu tun
ist ja komplett daneben.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

ManOfConstantSorrow

Ich denke nicht, daß jemand den Hungerstreikenden nen Heilengenschein verpassen will.
Natürlich gibt es überall Kämfe um Arbeitsbedingungen und gegen Entlassungen unter Leiharbeitern. Dieses ist aber der erste mir bekannte Kampf, der versucht aus den Bereich eines Werksgeländes hinauszutreten und sich an die Öffentlichkeit richtet. Dies hat etwas symbolisiches, daß durchaus Bedeutung für andere Leiharbeiter hat.

Hier wollte niemand die mutigen Einzelkämpfer herabwürdigen, die sich an anderer Stelle für die Rechte der Leihsklaven einsetzen ohne beachtet oder unterstützt zu werden...
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Ziggy

Würdigung oder nicht ist mir scheißegal. Aber ich habe in mittlerweile fast 4 Jahren Leiharbeit genau gelernt, zu unterscheiden: Zwischen  Leuten, die gegen die bestehenden Verhältnisse kämpfen, und denen, die nur für eigene Interessen einstehen. Und die zweite Gruppe ist das unsolidarischste Dreckspack, das man sich denken kann. Schlimmer noch als die Ausbeuter selber, denn sie fallen, wenn es darauf ankommt, den eigenen Leuten in den Rücken. Sie dienen nicht einer nützlichen Sache, sondern nur dem eigenen Geldbeutel. Andere Kollegen, denen es viel schlechter geht, sind denen völlig egal. Also verzeiht mir bitte, wenn ich nicht in diesen Hosianna-Chor mit einstimmen mag.

Versteht mich nicht falsch: Ich finde das nicht schlecht, was die machen, aber verklärt mir bitte nicht die Gründe, warum sie es machen. Und verkennt bitte nicht die Charaktere und was sie tun, sobald es ihnen wieder besser geht. Dann scheißen sie nämlich wieder auf andere. Das ist die Wahrheit, ob's einem passt oder nicht. Sie glauben immer, sie sind etwas Besseres - und eigentlich sind sie das ja auch. Bis jetzt.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

alfred

Zitat von: ManOfConstantSorrow am 10:58:52 So. 05.April 2009
Dieses ist aber der erste mir bekannte Kampf, der versucht aus den Bereich eines Werksgeländes hinauszutreten und sich an die Öffentlichkeit richtet. Dies hat etwas symbolisiches, daß durchaus Bedeutung für andere Leiharbeiter hat.

Kurzzeitgedächtnis?

Opelleiharbeiterlink
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

Ziggy

ZitatNach den bisherigen Erfahrungen des Leiharbeiters wollte er jedoch nicht mehr bei der Firma WICO als Leiharbeiter arbeiten und entschied sich deshalb für die Abfindung. Damit zahlt WICO eine Abfindung in Höhe von 1.250 Euro sowie den Lohn für vier Wochen Kündigungsfrist.

Klassisches Eigentor.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

baladu

Ich weiß nicht, was hier teilweise für Erwartungen gehegt werden; es geht nicht darum, dass in Hannover die Revolution gemacht würde, dass der "neue Mensch" wunderbarerweise auf der Bildfläche erscheint, der total selbstlos für alle Entrechteten und Hungernden auf der ganzen Welt kämpft.

Nur mal kurz dazu, was ich beeindruckend fand:

- dass sich Leute, die sich nicht kannten, spontan organisieren und gemeinsam einen Kampf führen, den sie auch nur gemeinsam wieder beenden können.
- dass sie diesen Kampf führen, obwohl sie keinerlei Erfahrung in so etwas haben, dass sie auf keinen Apparat zurückgreifen können, dass sie sich alles selber erarbeiten
- dass man merkt, wie schnell ganz "normale" Arbeiter (in dem Fall junge türkische) lernen, was für ein Spiel gespielt wird; sie haben alle ganz normale Karrieren hinter sich: keine Ausbildung, schlecht betzahlte Jobs in Speditionen, im Einzelhandel, als Nachtwächter usw., dann die große Chance bei VW, immer das Versprechen, "du hast endlich mal eine Chance", dafür Schichtarbeit, Samstag, Sonntag arbeiten, mit Fieber zur Arbeit. Und nun merken sie, dass sie von allen Seiten einen Fusstritt kriegen: Von VW, von ihrer Leihfirma, vom Betriebsrat, von der IG Metall. Was die Organisationen betrifft, haben sie ganz unmittelbar gelernt, dass die mit der geschäftsleitung unter einer Decke stecken. Was die Kollegen betrifft, die meisten Festen von VW und auch "eigene Leute", die einzeln auf die Angebote von VW eingehen und wegbleiben, sehen sie einfach die allgemeine Angst und Ratlosigkeit, wie man sich gemeinsam wehren könnte. Da ist kein Hass auf die "Unsolidarischen" - sie meinten, es sind Leute vorbeigekommen, die gesagt haben, dass sie jetzt einen Job bei AutoVision angenommen haben und nicht mehr kommen. Wenn die das sagen und sich verabschieden, wär das verständlich und ok (auch wenn es anders natürlich besser wäre). Frustriert wären sie nur über die Leute, die wegbleiben und nichts sagen.
- dass sie nicht nur erzählen, sondern ganz viel fragen, wo du her kommst, wo du gearbeitest hast, was du machst... Kein Zuschwallen von Besuchern mit allgemeinen "Weisheiten" ("Wir müssen alle in die Gewerkschaft / die Partei / die Kirche ... eintreten, dann wird alles besser!"), sondern diskutieren wollen.

Wer hindert denn die Leute, denen es "schlechter" geht, an solche Orte zu gehen, gemeinsam über Erfahrungen zu reden, wie man sich wehren kann, Vorschläge zu machen, was man gemeinsam tun könnte??

Warum denn Hass auf Leute pflegen, die anfangen sich zu wehren - weil man ja eh weiß, dass denen alles andere als ihr Geldbeutel scheißegal sei??! Mit diesem Hass wird sich mit Sicherheit nichts verändern - da wird man sich höchstens selber toll finden oder im Frust versinken.

Also, geht doch einfach an solche Orte hin oder schreibt ihnen, dass ihr ganz beschissen findet, dass sie nicht für die verhungernden Kinder in Äthiopien kämpfen - mal gucken, was ihr dann für Antworten kriegt. Bestimmt keine dummen!

Ziggy

Hass? Hungernde Kinder in Äthiopien?
...

Nichts verstanden. Anderer Planet. Kann man nichts machen.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

mlawrenz

Die Hungerstreikenden haben absolut meinen Respekt. Sie kämpfen für sich und das ist gut und okay so. Für Deutschland ist es ungewöhnlich, dass man überhaupt kämpft. Außerdem wird die Aktion zahlreiche positive Nebeneffekte haben.

Es geht nicht um Heiligenscheine, sondern um Anerkennung, wenn jemand etwas Gutes auf die Beine stellt. Die FAU Hannover, die die Sache unterstützt, hat sich in der Leiharbeiterbranche bereits durch einige Aktionen einen Namen gemacht. Frühere Aktionen in der Leiharbeit zeigen, dass die Bosse der Branche schnell nervös werden, wenn Aktionen gegen die Leiharbeit stattfinden.

"So edel sind die Motive also nicht. Es geht um Kohle - wie überall auf der Welt, und zwar um die eigene Kohle. Und nur um die, sonst nichts."
Es geht wohl eher darum, dass die Beteiligten die Schnauze voll haben, sich rumschubsen und vom Kapitalfaschismus ausnutzen zu lassen.

Sicher ist es ein bisschen edler, wenn es nicht um die eigenen Rechte geht, aber auch nur ein bisschen.
"Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Reichen, die Krieg führt und wir sind dabei zu gewinnen'"
Warren Buffet, zweitreichster Mann der Welt


kleiner

Zitat von: baladu am 15:07:23 So. 05.April 2009
...

Warum denn Hass auf Leute pflegen, die anfangen sich zu wehren - weil man ja eh weiß, dass denen alles andere als ihr Geldbeutel scheißegal sei??! Mit diesem Hass wird sich mit Sicherheit nichts verändern - da wird man sich höchstens selber toll finden oder im Frust versinken.

Also, geht doch einfach an solche Orte hin oder schreibt ihnen, dass ihr ganz beschissen findet, dass sie nicht für die verhungernden Kinder in Äthiopien kämpfen - mal gucken, was ihr dann für Antworten kriegt. Bestimmt keine dummen!

Die dort Streikenden sind zumindest einmal solidarisch mit sich selbst, was ich nicht abwerten möchte, es ist wohl eher ein Fortschritt.
Wenn aber jeder nur für sich streikt, dann wird am ende nicht wirklich viel bei herum kommen können. Ein solcher Streik bei einem kleinem ZAF-Kunden würde wohl eher mehr Befremdung auslösen als Solidarität/Verständnis.
Insofern wünsche ich denen viel Glück und Erfolg für IHRE Sache, aber an der Situation Leiharbeit wird dies nichts ändern. Daher verstehe ich die ,,Aufregung", die hier in diese Sache hineingebracht wird, nicht.


PS:Was ,,Hass" und ,,die verhungernden Kinder in Äthiopien" hiermit zu tun haben entzieht sich wohl nicht nur meinem Verständnis. Und wirkt wohl nicht nur auf mich etwas dümmlich.

Ist der Dispo heute rot und nett,liegt es vielleicht am heißen Frittenfett.

admin

Die Hamburger Gewerkschaftslinken, die sich unter dem Namen JOUR FIX regelmäßg treffen, sandten mir folgendes:

Zitatdies als info für Dich/Chef-Duzen.
Zwei vom Jour Fixe waren in Hannover bei den Leiharbeitern. Es gibt dort auch ein Gewerkschaftsforum, die aber nicht bei den Leiharbeitern waren. Hast Du bzw. Chef-Duzen Kontakt zu den dortigen Kollegen?

Ein Hannoveraner Aktivist schrieb dem Jour Fix folgendes:

Zitatna ja, ich habe den Eindruck, dass auch Gewerkschaftslinke ihre Probleme
mit Sachen haben, die völlig unabhängig von der Gewerkschaft laufen. So
habe ich das letzten Mittwoch empfunden, so scheint es, wenn auch auf
den einschlägigen Internetforen (IGM-ZOOM und Chefduzen) fast gar nichts
darüber berichtet wird. So scheint es, wenn bei den Kollegen, die seit
zehn tagen vor dem Tor campieren, nur vereinzelt Linke (abgesehen von
der FAU) vorbeischauen. Wer vorbei schaut, ist die türkische Community
und bspw. letztens ein Motoradclub.

War heute mit Christoph dort und es war richtig gut! Sind alles
türkische Jungs, so Mitte, Ende 20. Die Lage:

Bis Herbst 2008 haben ca. 900 Leiharbeiter der VW-eigenen Leihfirma
WOB-AG bei VW Nutzfahrzeuge in Hannover gearbeitet. Die sind peu a peu
entlassen worden. Zum ersten Januar sind nochmal 300 rausgeflogen. Der
BR und die IG Metall haben den Abbau mitgestaltet, Informationen
verweigert, Leute vertröstet usw.
Gleichzeitig sucht VW in Wolfsburg seit der Abwrackprämie verzweifelt
Leute, um die Mehrarbeit zu bewältigen - natürlich nicht zur
festeinstellung, sondern als befristete leiharbeiter.

VW hat mit der IG Metall einen "Equal Pay" - Vertrag abgeschlossen. Das
heißt, die Leiharbeiter werden bei der WOB-AG eingestellt, für einen
arbeitsvertraglichen Grundlohn von 7,38 Euro. Wenn sie bei VW arbeiten,
bekommen sie im ersten Jahr ~11 Euro, im zweiten ~13 und im dritten Jahr
~16 Euro. Bei Urlaub und Krankheit usw. kriegen sie nur die 7,38 Euro.
Die Jahresprämien der Festangestellten bekommen sie nicht. Nach zwei
Jahren müssten sie fest eingestellt werden. Das ist bei vielen auch das
problem: Die WOB-AG, sprich VW, will sie nicht weiter beschäftigen, um
eine Festeinstellung und die relativ hohen "Equal-Pay"-Löhne zu
vermeiden. Deshalb werden (wenn überhaupt), ihnen nur Verträge bei der
zweiten VW-eigenen Leihfirma AutoVision angeboten. Das hieße, neuer
Arbeitgeber, neuer Arbeitsvertrag, "gehe zurück auf Los!"

Ok, die letzten 230 haben im März einen Qualifizierungskurs  gemacht -
für sie prima, weil da haben sie zum ersten mal viele ihrer Kollegen auf
einen Haufen gesehen. Dort hat sich der kreis, der jetzt die Proteste
organisiert, erst kennen gelernt. Einge haben die Initiative ergriffen,
und versucht, was zu organisieren. Zunächst sind sie zum Betriebsrat,
der hat sie lt. Presse mit dem Werksschutz rausgekickt. Als der
mitkriegte, dass sie eine Kundgebung/ Demo planen, hat er versucht, die
Leute hinzuhalten ("vielleicht können wir ja bi dem einen oder dem
anderen was machen,... seid mal lieber ruhig...!" Allen war klar, dass
das hohle Versprechungen sind. Sie haben die Demo gemacht. Danach hieß
es auf einmal, dass ca. 90 Leute doch über AutoVision nach Wolfsburg
können. Viele haben das Angebot angenommen, im Moment ist es noch ein
Kreis von etwa 30, die regelmäßig zum Tor kommen, sieben, die sich am
Hungerstreik beteiligen (einer ist im Krankenhaus). Der BR /IG Metall
sitzt das ganze aus - ihr einziger Tip: "Leute, ihr gefährdet durch den
Hungerstreik eure Gesundheit!".

Die Reaktion der Festangestellten ist eher verhalten Als sie eine
Kundgebung zum Schichtwechsel gemacht haben, sind gerade 22 VWler zu
ihnen gekommen (im Werk arbeiten über 10 000). Sie meinen aber auch,
"immerhin!" und sehen die Angst bei den Leuten. Also keine Wut auf die
Festen.

Auf die Frage, wie wir sie unterstützen können, haben sie auf eine
Unterschriftenliste verwiesen, die sie gerade machen. Sie wollen die
Unterschriften dem niedersächsischen Ministerpräsidenten übergeben. An
Flugblättern hatten sie nur eines, dass sie bei den VWlern verteilt haben.
Geldspenden sehen sie natürlich gerne, halten aber eine Spendenkampagne
nicht für nötig, haben auch kein Konto.

Rumreisen für Veranstaltungen machen sie erstmal nicht - zum einen sind
sie durch den Hungerstreik geschwächt, zum anderen trauen sie sich das
glaube ich nicht recht zu - sind alles keine "Politkader" ("ich lese
eigentlich nicht viel...!")

Ziggy

Ich frage mich lediglich, wie weit es mit der Solidarität dieser Kollegen wohl bestellt ist, wenn ihre Interessen in trockenen Tüchern sind, und stattdessen andere Leiharbeiter anderswo betroffen sind. Und da habe ich berechtigte Zweifel. Meine einzige Hoffnung besteht wirklich darin, daß das sehr junge Leute sind, die vielleicht daraus lernen und etwas zurückbehalten fürs weitere Leben.

Noch einmal: Ich finde es gut und richtig, was sie machen. Aber sie tun es nur für sich und sonst niemanden. Ich habe meine Erfahrungen mit Leiharbeitern, denen es relativ gut geht. Sie sind allesamt sehr egoistisch. Von daher mein Statement dazu: Aktion okay, Sympathie nein.

Meine Sympathie und Solidarität gehört den Leihkeulen, die tagtäglich geprügelt werden, und um die sich niemand kümmert, keine Presse, keine Öffentlichkeit, die jedesmal, wenn sie nur den Mund aufmachen, den Job riskieren.

Meine Helden sind die Uneigennützigen. Die, die erst reagieren, nachdem das Feuer auf ihr eigenes Dach übergreift, verfallen wieder in ihre alten Verhaltensweisen, nachdem das Feuer gelöscht ist und ihre Habe gerettet.

Ich finde es bemerkenswert, wie hier reagiert wird, sobald ein kleines Arschloch wie ich - noch dazu selbst Leihkeule! - es wagt, etwas zaghaft in Frage zu stellen. Von Leuten, die selber überhaupt keine eigene Erfahrung damit haben, wie Leiharbeit schmeckt. Politische Sonntagsredner. Besten Dank. Man lernt immer gerne dazu.

Es erinnert mich so langsam an den Umgang in den etablierten politischen Parteien. Sobald ein kleines Parteimitglied etwas sagt, was nicht konform ist, der "Linie" zuwiderläuft, wird ausgebuht. Der feine Unterschied zwischen mir und anderen aber ist, daß ich weiß, was Leiharbeit in der Praxis für jeden Einzelnen bedeutet, viele andere Wortführer hier wiederum nicht. Deren große Worte haben für mich den Stellenwert von Reden á la Huber und Bsirske, die jede Bodenhaftung längst verloren haben, oder zumindest keine Ahnung, von was sie überhaupt sprechen.

Wenn man "Leiharbeit bekämpfen" will, muß man an die Ursachen gehen, nicht an die Symptome. Was die Kollegen am VW-Werkstor erleben, sind die ganz normalen Auswirkungen der Zeitarbeit, nicht mehr, nicht weniger. Zehntausende vor ihnen haben es erlebt, zehntausende nach ihnen werden es noch erleben. Und nicht um alle wird leider so'n Gedöns gemacht.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

alfred

Zitat von: admin am 16:59:29 So. 05.April 2009
Ein Hannoveraner Aktivist schrieb dem Jour Fix folgendes:

Zitatna ja, ich habe den Eindruck, dass auch Gewerkschaftslinke ihre Probleme
mit Sachen haben, die völlig unabhängig von der Gewerkschaft laufen. So
habe ich das letzten Mittwoch empfunden, so scheint es, wenn auch auf
den einschlägigen Internetforen (IGM-ZOOM und Chefduzen) fast gar nichts
darüber berichtet wird.

Erstens wurde hier bei chefduzen.de schon weit vor diesem Thread über den wilden Leiharbeiterstreik berichtet (wenige Stunden nach Beginn des Hungersteiks) und zweitens schreiben bei zoom.de genau wie bei chefduzen.de Privatleute in ihrer Freizeit. Christoph betreibt zwar das igm-Forum, hat aber auch nicht jeden Tag die Zeit, dort aktiv zu sein.

An die FAU-Aktivisten: Schon wenn ich den ersten Threadbeitrag hier lese, vergeht mir glatt die Lust mich kontruktiv zu beteiligen und das geht ganz sicher vielen Mitlesenden so.  Eure Aktionen (von denen ich Kenntnis habe) finde ich gut, ABER Eure Kindergartenbefindlichkeitendarstellung ist eigentlich immer nur lächerlich! Statt sich ersteinmal um die Sache zu kümmern und den Betroffenen und dem "Publikum" zu zeigen, ja, diese Typen meinen es ernst und die tun etwas, wird erst einmal auf die ig-Metall eingedroschen und gehetzt was das Leder hergibt. Bei der guten Aktion für den ostdeutschen Fahrradhersteller (rotes Solibike) wurde z.B. gestritten und gekeift wer denn nun zuerst seine Fahnen und Wimpel vor Ort hatte - wohlgemerkt von Eurer Seite aus. Das ist lächerlich und befremdet nicht nur mich - Respekt verschafft man sich ersteinmal mit Taten und mit etwas bescheidenerem verbalen Auftreten.

Die Aktion der VW-Leiharbeiter fand ich von Anfang an gut, die Politik der dann aufspringenden Vereine und Personen verursacht mir hingegen schon wieder Bauchschmerzen - ich selbst bin Leiharbeiter und beitragszahlendes igm-Mitglied.
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

Kuddel

Die Aktion sorgt jedenfalls für einige öffentliche Aufmerksamkeit.

Zitat»Wir wollen arbeiten«

Sieben entlassene VW-Leiharbeiter sind im Hungerstreik

Von Reimar Paul, Hannover
Seit mehr als einer Woche befinden sich sieben VW-Leiharbeiter im Hungerstreik. Den Männern wurde gekündigt, obwohl die Abwrackprämie derzeit für einen beispiellosen Auftragsboom an einigen Konzernstandorten sorgt.

Es gibt schönere Plätze zum Campieren. Beton und Asphalt, wohin man blickt. Die beiden Zelte stehen am Rande eines großen Parkplatzes. Nur wenige Meter entfernt führt eine Straße vorbei. Verkehrslärm dröhnt von einer Kreuzung und vom nahen Busbahnhof Hannover-Stöcken herüber. Auf der anderen Seite ragt ein gewaltiger Zaun empor, dahinter befindet sich das Betriebsgelände der VW-Nutzfahrzeugsparte. Dort fertigen etwa 15 000 Beschäftigte neben verschieden Transportertypen auch Zylinderköpfe und Saugrohre. Doch die Nutzfahrzeugsparte kämpft derzeit mit einer drastisch gesunkenen Nachfrage. Zu Spitzenzeiten arbeiteten hier einmal mehr als 900 Leiharbeiter, nun wurde Ende März den letzten 213 von ihnen gekündigt.


»Deshalb stehen wir hier«, sagt Levent Tagay. Der Türke war bis Ende März als Leiharbeiter im VW-Werk unter Vertrag. Jetzt kämpft er gemeinsam mit anderen Gekündigten um eine Weiterbeschäftigung. Lediglich 90 Zeitarbeiter, so erzählt Tagay, hätten neue Verträge erhalten. Einigen weiteren Kollegen habe man schlecht bezahlte Arbeit bei VW-Tochterfirmen in ganz Deutschland angeboten. »Einer sollte für 7.35 Euro nach Ingolstadt, und das für drei Monate befristet.« Der Kollege habe seinen Wohnsitz und Familie in Hannover, »er hat das abgelehnt«.

Am 26. März trat der erste der mittlerweile sieben Leiharbeiter in den Hungerstreik. Isa Güner hat die Aktion inzwischen abgebrochen. Er erlitt einen Schwächeanfall, klappte zusammen und musste mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Ärzte diagnostizierten Unterzuckerung. Güner hat seitdem Diabetes. In den Zelten liegen die Hungerstreikenden auf Matratzen und Schlafsäcken. Außen an die Zeltwand haben sie Ausschnitte aus Lokalzeitungen, Unterschriftenlisten und Solidaritätserklärungen angeklebt. Eine kommt von der »Gemeinschaft ehrlicher Metaller« in Emden. Weiter hinten steht ein blaues Dixi-Klo. Die Protestierenden mussten die Miettoilette auf eigene Kosten ordern, nachdem ihnen der Werkschutz den Zutritt zu den Waschräumen auf dem Betriebsgelände verboten hatte. »Dabei hatten wir doch bis Ende März noch gültige Werksausweise«, schimpft Tagay.

In der Bevölkerung wachse die Unterstützung für den Hungerstreik, sagt Tagay. Anwohner brächten Holz und Wasser vorbei, einige hätten auch Geld gespendet. »Ein Mann hat von der Aktion im Radio gehört, er ist dann von der Autobahn abgefahren und hat hier eine Kiste Mineralwasser abgestellt.« Vertreter der LINKEN seien auch schon vor Ort gewesen. Die kleine anarchosyndikalistische Freie Arbeiterunion (FAU) unterstützt den Hungerstreik nach Kräften. Am Zaun um den Parkplatz flattern Transparente. »Viel Gerede, wenig Taten, noch weniger Wirkung: wir sind arbeitslos«, steht auf einem. In einen Pfeiler hat jemand eine kleine rote Fahne mit »IG Metall«-Aufdruck gesteckt. Dabei sind die Streikenden auf ihre Gewerkschaft gar nicht gut zu sprechen. »Die lassen uns ziemlich hängen«, klagen sie. Nur als der NDR da war, hätten einige Leute »aus dem Apparat« den Weg nach Stöcken gefunden.

Uwe Stoffregen, Sprecher des IG Metall-Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, sagt dagegen: »Wir haben Verständnis für die Sorgen und Nöte der Leiharbeiter.« Den Hungerstreik unterstütze die Gewerkschaft aber nicht, »weil er die Gesundheit gefährdet«. Im Übrigen, so Stoffregen, seien die 90 neuen Verträge unter Vermittlung von Gewerkschaft und Betriebsrat abgeschlossen worden. Für die anderen Betroffenen sehe es allerdings »eher schlecht« aus.

Doch damit mögen sich die Hungerstreikenden nicht abfinden: »Wir wollen hier weiter arbeiten, wie die Stammbelegschaft ins Kurzarbeiterprogramm aufgenommen werden oder zu denselben Bedingungen in ein anderes norddeutsches Werk wechseln.« Etwa nach Wolfsburg, »dort brummt es doch«. Tatsächlich sorgt die Abwrackprämie für mehr Nachfrage nach Pkw. Im Wolfsburger Stammwerk werden zurzeit Sonderschichten geschoben. Um der großen Nachfrage nach dem Golf zu begegnen, werden im April drei zusätzliche Schichten an zwei Sonnabenden und einem Sonntag gefahren, bestätigt eine Konzernsprecherin. Derzeit gebe es täglich bis zu dreimal so viele Bestelleingänge wie sonst üblich.

Bei VW hatte es wegen der Absatzkrise Ende Februar zum ersten Mal seit 25 Jahren in mehreren Werken Kurzarbeit gegeben. Betroffen davon waren rund 61 000 der etwa 92 000 VW-Beschäftigten. Vor einem der Zelte sitzt Tufan Cicek auf einem wackeligen Campingstuhl. Er begann am Donnerstagabend vergangener Woche als erster mit dem Hungerstreik. Obwohl die Sonne scheint, hat er sich in Wolldecken eingemummelt, eine Mütze und die Kapuze des Parkas tief ins bartstoppelige Gesicht gezogen. Ab und zu trinkt er einen Schluck aus einer Wasserflasche.

»Der zieht das durch«, sagt Tagay. Die Umstehenden, die auf Bänken um eine Feuertonne hocken und das Geschehen beobachten, nicken.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/146745.wir-wollen-arbeiten.html

Hier gibt es weitere Berichte:
http://www.fau.org/artikel/art_090403-111247

jobless0815

Zitat von: Ziggy am 17:34:31 So. 05.April 2009
...
Meine Helden sind die Uneigennützigen. Die, die erst reagieren, nachdem das Feuer auf ihr eigenes Dach übergreift, verfallen wieder in ihre alten Verhaltensweisen, nachdem das Feuer gelöscht ist und ihre Habe gerettet.
...

Das ist doch die ganz große Tendenz in der Gesellschaft, schon seit längerer Zeit. Man mus schon froh sein, wenn
die Leute EIGENNÜTZIG denken und deshalb aktiv werden, selbst DAS ist ja schon für viele undenkbar: die kneifen die
Arschbacken zusammen und machen leider gar nix, da kann man sich nur noch wundern.

Ich würde mir auch wünschen, Solidarität würde es nachhaltig im Alltag geben und nicht nur über den Kauf von
Kaffee im Dritte-Welt-Laden. Leider muste ich überwiegend das Gegenteil erfahren.

ManOfConstantSorrow

von alfred:
ZitatKurzzeitgedächtnis?

Opelleiharbeiterlink
???
Was soll das? Die erwähnte Solidaritätsgruppe war eine Initiative für Leiharbeiter, nicht von Leiharbeitern.
Diese Soligruppen werden in der BRD leider fast nur von der MLPD organisiert (,die dann oft versuchen ihr politisches Süppchen darauf zu kochen). Während in anderen Ländern (wie Groß Britannien) es eine selbstverständlichkeit ist bei Arbeitskämpfen Unterstützerkomitees zu gründen, will hier kaum einer den Sinn und die Notwendigkeit solcher Initiativen einsehen. Ich hoffe, daß sich dies bald ändert!!!

Sicherlich ist ein pauschales Gewerkschaftsbashing falsch. Man sollte seinen kritischen Blick wahren und von Fall zu Fall entscheiden: Wenn möglich gemeinsam mit gewerkschaftlicher Rückendeckung kämpfen, wenn nötig eigenständig!

Und da die Hungerstreikenden eben keine Heiligen sind, möchte ich an dieser Stelle auch Kritik an einigen ihrer Stellungnahmen üben:

Zitat»Wir wollen arbeiten«
Ist einfach nur bescheuert! Es ist das dämlich deutsche: "Hauptsache Arbeit!"
Ziggy hat recht, sie können Arbeit finden... zu 7 EUR die Std. Dazu haben sie berechtigterweise keinen Bock.

ZitatDer soziale Friede der Region steht auf dem Spiel.
Wie böd is das denn? Reicht nicht ein DGB, der stets den sozialen Frieden wahren will?? Unser Problem sind doch die Angriffe auf unseren nicht gerade üppigen Lebensbedingen, die so friedlich hingenommen werden. Der soziale Frieden ist das, was die Unternehmer wollen und das letzte was wir brauchen!

Es ist schon etwas besonderes, wenn sich in diesem Land Widerstand regt. Es ist notwendig bestehende Kämpfe zu kritisieren, wenn wir uns ernsthaft mit den Verhältnissen anlegen wollen.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

alfred

Bei zoom berichten Betroffene seit geraumer Zeit, was bei der Wob AG so passiert. Beispiellink

Zitat(...) Besonders prekär ist die derzeitige Lage was die Verlängerungen betrifft.
Es wird gelogen was das Zeug hält, sprich es steht fest das ALLE gehen müssen.
Alleine schon deswegen weil viele Stammkräfte von anderen Kostenstellen, an Linien versetzt werden wo eine höhere Auslastung ist.
(...)
Das Ergebnis ist das die Leiharbeiter sich untereinander "anscheißen" bis zum geht nicht mehr.
Bei "Mobbing" gegen andere WOB Ag Leute nur allzugerne mitmachen.
Da es ja vermeintliche Vorteile bringt.
Die Spitze des Eisbergs war vor kurzem erreicht.
Die Frühschicht der ML3 hat WILD GESTREIKT (90% WOBAG), sprich Sie haben aufgrund der Fantastischen Informationspolitik von VW, die Arbeit niedergelegt und sind zum BR gegangen.

Um Endlich Richtige Informationen zu bekommen.

Diese Aktion hat bei den anderen Leiharbeitern mehr als "Freude" ausgelöst und einen "unheimlichen" Motivationstrieb ausgelöst.
Die Jungs haben noch mehr reingehauen.
Da es ja jetzt weniger Konkurrenz gibt im "Kampf" um die Verlängerung, (...)

Es war übrigens schon langfristig bekannt (also weit vor der "Finanzkrise"), dass Ende 2008 keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden und das ein Teil in 2008 fest übernommen wird. Das auch in 2009 Leiharbeiter benötigt werden liegt einzig und allein an der Abwrackprämie. Zur Ehrenrettung der Leiharbeiter muss ich aber sagen, dass es hier um Mosel durchaus auch engagierte VW-Leihkeulen gab/gibt. Eine Minderheit ja, aber es gibt sie. Und weil hier erwähnt wurde, dass AutoVision kräftig einstellt - noch im März meinte ein BR zu mir, dass bereits 90 Prozent der ZAN abgebaut wurden (überwiegend Befristete, versteht sich), @baladu: Deine Lohnangaben können so nicht stimmen, denn dann würden die ostdeutschen Kollegen mehr verdienen als Deine Wober...
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

Ziggy

Genau das meine ich: Du wirst mit solchen Leuten niemals wirklich etwas bewegen können, die kochen alle nur ihr eigenes Süppchen.

Nicht, daß ich das verurteilen würde, ich habe durchaus Verständnis. Umgekehrt bitte ich aber auch um Verständnis, daß sich meine Solidarität da in engen Grenzen hält. Mir geht es um grundsätzliche Dinge, da kann ich mit solchen Leuten nichts anfangen.

Die Leute im ZOOM Forum lügen sich in die eigene Tasche. Aber ich halte mich da jetzt bewusst etwas zurück, nachdem mir da schon mal der Kragen geplatzt ist und ich ausfällig wurde. Ich werde an der Diskussion nach dem großen Knall wieder teilnehmen, wenn alle in der Realität aufgeschlagen sind.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

alfred

@Ziggy, ich sehe gerade das Du dort Deine Beiträge editiert/gelöscht hast!? Ich verlinke trotzdem - einiges ist dank Zitatfunktion noch lesbar:

Leiharbeiter bei VW

::) Bei chefduzen.de hättest Du Dir für Deine Wortwahl sicher eine Sperre eingefangen...  ;D
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

ManOfConstantSorrow

Ich will Ziggy nicht widersprechen. Die Situation der Leiharbeiter liegt zu einem Großen Teil an ihnen selber. Sie haben sich den sozialen Niedergang soweit bieten lassen. Vieles hätte sich durch solidarisches Verhalten aufhalten lassen. Ich will aber die Hoffnung nicht aufgeben und halte es für wichtig, wenn sich irgendwo etwas tut, wie jetzt bei diesem Hungerstreik. Da soll man nichts glorifizieren. In meinen Augen ein Schritt in die richtige Richtung, wenn ich auch einzelnes kritisch sehe... Und die Eigenständigkeit der Aktion halte ich für großartig. Wenn man will, kann man auch loslegen ohne einen Apparat hinter sich zu haben. Jetzt kommen dadurch neue Leute zusammen und es gibt wieder ein Diskussion darüber, was man machen kann.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Ziggy

Zitat von: alfred am 07:45:47 Di. 07.April 2009
::) Bei chefduzen.de hättest Du Dir für Deine Wortwahl sicher eine Sperre eingefangen...  ;D

Vermutlich lebenslang!  ;D

Diese Argumentation muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen (sinngemäß): "Ihr Billig-Leiharbeiter habt leicht reden, ich verdiene knapp 17 Mücken die Stunde, da steht für mich viel auf dem Spiel, da halte ich lieber den Mund und lasse mich weiter a****f*cken ..." Aber sich (hintenrum!) feste beschweren über den bösen BR. Und "warum unternimmt die IG Metall denn nichts?" Und der Hammer war ja, wie er sich beschwert hat, daß immer nur die Festangestellten fette Lohnerhöhung kriegen. Da lag ich am Boden und konnte nicht mehr. So einer gehört geteert und gefedert und aus dem Land gejagt. Als ich ihn "Ratte" geschimpft habe, womit er m.E. noch sehr gut bedient war, hieß es, ich würde "nachtreten". Ja, klar trete ich da nach, am liebsten zweimal. Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.

Ich verstehe sehr wohl, daß man sich an einem Job festkrallt, der so gut bezahlt ist. Auch, daß man dafür einiges erträgt, kann ich noch nachvollziehen. Was mich wirklich erschüttert, ist die komplette Blindheit gegenüber der Realität: "Wirtschaftskrise? Nicht bei uns! Wir fahren Sonderschichten!" Ja klar, du Volldepp! Schon mal was von Konjunkturpaket und Abwrackprämie gehört? Im kommenden Herbst/Winter ist der Spuk aber endgültig vorbei. Erwarte von meiner Seite bitte kein Mitleid oder gar Solidarität, das ist schon anderweitig vergeben.

(Das bezog sich jetzt alles auf den ZOOM-Thread, nicht auf die Jungs in Hannover. Sorry, ich bin da immer noch auf hundertachtzig, wenn ich an dieses Arschloch denke.)
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

alfred

Zitat von: Wilhelm17 am 15:16:53 Do. 02.April 2009
Nach der Feststellung der Tarifunfähigkeit des CGZP wendet sich der Hungerstreik immer mehr auch GEGEN die IG-Metall,
die jetzt mehr oder weniger allein für die diskriminierenden Arbeitsbedingungen dort verantwortlich ist.

::) Der Threadersteller wütet nun auch bei zoom. link Hallo Wilhelm, willst Du so andere Leiharbeiter überzeugen? Sie beschimpfen und mit Halbwissen prahlen? Viel Erfolg dabei...
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

mlawrenz

"Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Reichen, die Krieg führt und wir sind dabei zu gewinnen'"
Warren Buffet, zweitreichster Mann der Welt


Wilhelm17

Hallo Alfred,
ich versuche in dieser Debatte lediglich die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie die Deregulierung der Leiharbeit 2003 entstanden ist.
Schau dir z.B. die Besetzung der Hartzkommission an. Die Zumutbarkeitskriterien zur Arbeitsaufnahme für die Arbeitslosen sollten gesenkt
werden. Das Problem war, daß die Industrie in den Bereichen, in denen der DGB gut organisiert ist, so hohe Standarts etabliert hat, dass
dort kein Arbeitgeber mehr direkt einstellt. Wie sollte man die Arbeitslosen dann billig in Arbeit zwingen, ohne die Standarts für die
Stammbelegschaften abzusenken? Es war denen in der Hartzkommission klar, daß ein neuer Niedriglohnsektor her muß und die Gewerkschaften
waren bei den Gesetzesänderungen bereit alles abzuwinken, was nicht ihre eigenen Leute schlechter stellt. Das Ergebnis ist ja nun bekannt.
Ich zitiere Dir dafür gerne einen bemerkenswerten Auszug aus einem Artikel in der süddeutschen Zeittung
vom 26.04.2003, der die Seilschaften zwischen SPD und DGB recht deutlich macht: "Und so hat auch die Politik entdeckt, dass man die
Zeitarbeitsbranche als einen ,,zentralen Teil der Reform des Arbeitsmarkts", so Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, in Anspruch nehmen
könnte. Mit den Gewerkschaften, denen die Zeitarbeit ein Dorn im Auge ist, hatte sich der Minister verständigt, nach einer Übergangsfrist
bis Januar 2004 das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit in der Zeitarbeit einzuführen." (Zitat Ende) Und wie siehts heute aus?
Die Stammis sahnen weiter ab, die Leiharbeiter stocken auf mit Hartz IV und Clement sitzt im Aufsichtsrat von Adecco.
Die süffisanten Kommentare von Reinhard Dombre zu den hervorragenden Ergebnissen der ersten BZA-Tarifverhandlungen verkneif ich mir
hiermal. Als am 3. April 2007 wieder mal Tarifverhandlungen für die Leiharbeitsbranche waren begleitend von einer Demo vor dem DGB-Gebäude
in Berlin waren von den tausenden IG-Metallmitgliedern noch keine 20 vor Ort, noch nicht mal zu Warnstreiks wurde aufgerufen. Das ist die
Solidarität der Stammbelegschaften mit den Leiharbeitern. Aber wenn die Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektro-Industrie anstehen,
dann sollen wir paar Nasen für Eure Spitzengehälter bitte hübsch solidarisch sein. Die Entwicklung der Hartzgesetze hat deutlich gezeigt,
wie überaus groß der Einfluß des DGB auf die Sozialgesetzgebung ist und wie rigoros dieser Einfluß für Partialinteressen genutzt wird. Der
DGB hat die politischen  Rahmenbedingungen für die Etablierung des Niedriglohn-sektors Leiharbeit geschaffen und verkauft sich jetzt als
Retter in der Not. Wie schön, daß man da noch die bösen Christen als Alibifunktion hat.
Zitat aus der Süddeutschen von Hier : http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/572/337420/text/

baladu

Zitat von: alfred am 00:29:34 Di. 07.April 2009
Bei zoom berichten Betroffene seit geraumer Zeit, was bei der Wob AG so passiert. Beispiellink

danke für den link, werde ich mir mal anschauen.

Zitat von: alfred am 00:29:34 Di. 07.April 2009
@baladu: Deine Lohnangaben können so nicht stimmen, denn dann würden die ostdeutschen Kollegen mehr verdienen als Deine Wober...

keine Ahnung, aber 16 Euro als Grundlohn kamen mir realistisch vor, deshalb hab ich das erstmal für wahr genommen. Andersherum überrascht es mich, wenn du sagst, dass bei VW in Mosel deutlich mehr als 16 Euro verdient wird - meinst du tatsächlich den Grundlohn oder den inklusive Schichtzulagen usw.??

Zitat von: alfred am 00:29:34 Di. 07.April 2009
Es war übrigens schon langfristig bekannt (also weit vor der "Finanzkrise"), dass Ende 2008 keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden und das ein Teil in 2008 fest übernommen wird.

Bezieht sich das auf VW allgemein oder speziell auf Mosel?


Zitat von: ManOfConstantSorrow am 08:50:43 Di. 07.April 2009
Und die Eigenständigkeit der Aktion halte ich für großartig. Wenn man will, kann man auch loslegen ohne einen Apparat hinter sich zu haben. Jetzt kommen dadurch neue Leute zusammen und es gibt wieder ein Diskussion darüber, was man machen kann.

Genau, das ist es schließlich! Die Hoffnung, dass sich in vielen solchen kleinen Auseinandersetzungen das Blatt allmählich ändert. Ob man das überhaupt will oder nicht, muss ja jeder für sich entscheiden.

Die Auseinandersetzung um die Rolle der Gewerkschaften finde ich wichtig, aber nicht in der Form von Glaubenskriegen. Weiß nicht, vielleicht ist in Thüringen und Sachsen eine andere Situation, dass dort die Gewerkschaften und Betriebsräte nicht so fest im (Unternehmens-)sattel sitzen, wie in den Westländern und sie von daher mehr Raum für Leute von unten lassen... Vielleicht unterschätze ich das.

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