Flüchtlinge im Hungerstreik initiieren Petition an den deutschen Bundestag

Begonnen von xyu, 23:36:54 Mo. 18.Juni 2012

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xyu

Die sich -mit Unterbrechung- seit mehreren Monaten in Würzburg im Hungerstreik befindenden Flüchtlinge aus dem Iran haben eine ePetition an den bundestag initiiert, welche hier: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?PHPSESSID=7bde3c13d5b311ecb078adf284b5fa7c;action=petition;sa=details;petition=24483 mitgezeichnet werden kann.

ZitatText der Petition

Der Bundestag möge beschließen:
Die Abschaffung von Gemeinschaftsunterkünften, Residenzpflicht und Essenspaketen. Einen Anspruch für jeden Asylbewerber auf einen Anwalt, einen zertifizierten Dolmetscher sowie Deutschkurse ab dem ersten Tag. Die drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das BAMF. Die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern. Die Vereinfachung des Verfahrens um eine Studienerlaubnis zu erhalten und der Familienzusammenführung.
Begründung

Eine Integration in die deutsche Gesellschaft wird durch das System der Gemeinschaftsunterkünfte verhindert. Hierbei handelt es sich um gefängnisähnliche Einrichtungen in denen sich häufig acht erwachsene Personen ein Zimmer teilen müssen.

Die Residenzpflicht verstößt gegen die Menschenwürde und ist durch nichts zu rechtfertigen - weder die räumliche Beschränkung auf einen Landkreis noch auf ein Bundesland. Sie stellt eine unnötige Härte für viele Familien, Verwandte und Freunde dar, sie verhindert, dass Flüchtlinge möglichst schnell Arbeit bekommen oder bei Verwandten billig wohnen können, sie schränkt die Betroffenen nicht mehr nachvollziehbar über Jahre in ihrem Recht auf Selbstbestimmung ein. Während ganz Europa Freizügigkeit genießt, bleibt die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern und Geduldeten extrem eingeschränkt. Eine Abschaffung der Residenzpflicht ist längst überfällig.

Die Versorgung mit Essenpaketen ist teuer, bürokratisch und in höchstem Grade entmündigend.

Ohne Begleitung durch einen Anwalt und Dolmetscher besteht das Asylrecht nur auf dem Papier. Im Gegensatz zu den Niederlanden besteht in Deutschland ein Anspruch auf eine Vertretung durch einen Anwalt und eine Begleitung durch einen Dolmetscher allen Phasen des Asylverfahrens bisher nicht. Dies würde aber von vorneherein viele Verfahren beschleunigen und Asylsuchenden eine effektivere Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglichen.

Bearbeitungsdauern des Erstantrages auf Asyl von bis zu zwei Jahren und länger sind keine Seltenheit. Während dieser Zeit schweben die Asylsuchenden in einer ständigen Ungewissheit über ihren Status und ihre Zukunft. Gerade jüngere Flüchtlinge verlieren so die besten Jahre ihres Lebens, denn durch den Status als noch nicht anerkannte Asylsuchende sind ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten extrem beschränkt. So gibt es in der GU Würzburg beispielsweise einen Flüchtling, der seit zwölf Jahren in diesem Teufelskreis gefangen ist. Im Zusammenhang mit dem Würzburger Hungerstreik hat sich gezeigt, dass eine Bearbeitung von Asylanträgen durch das BAMF in weniger als einem Monat möglich ist.

Ohne eigene Deutschkennnisse sind Asylsuchende faktische hilflos und eine effektive Integration unmöglich.

Die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern ist unabdingbare Voraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft sowie eine erfolgreiche Integration.
Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland dringend hochqualifizierte Fachkräfte benötigt werden, schaden die hohen Hürden für eine Studienerlaubnis nicht nur der persönlichen Entwicklung der einzelnen Asylbewerber, sondern auch der gesamten deutschen Gesellschaft.

Das in der Regel Familienzusammenführungen nicht durchgeführt werden sorgt bei vielen Asylsuchenden für erhebliche psychische Probleme. Dies ist auch eine der Hauptursachen für die zahlreichen Selbstmorde sowie Selbstmordversuche die sich in den letzten Monaten unter Flüchtlingen in der Bundesrepublik ereignet haben.

mehr infos zum hungerstreik und den Unterstützungsmöglichkeiten: http://gustreik.blogsport.eu/

dagobert

Zitat von: xyu am 23:36:54 Mo. 18.Juni 2012
Der Bundestag möge beschließen:
Die Abschaffung von Gemeinschaftsunterkünften, Residenzpflicht und Essenspaketen.
Zumindest dem zweiten Wunsch sind wir jetzt ein kleines Stückchen näher ...
ZitatPresseerklärung, 01.03.2016
EuGH setzt hohe Hürden für Wohnsitzauflagen für subsidiär Geschützte

PRO ASYL fordert: Keine Wohnsitzauflage für subsidiär Geschützte und anerkannte Flüchtlinge

PRO ASYL fordert nach dem heutigen EuGH- Urteil die Große Koalition auf, die Wohnsitzauflage für subsidiär Geschützte abzuschaffen und die Pläne zur Einführung einer solchen Auflage für anerkannte Flüchtlinge fallen zu lassen. ,,Die genaue Lektüre des Urteils verdeutlicht: Wohnsitzauflagen für subsidiär Schutzberechtigte und Flüchtlinge sind europarechtlich nicht machbar", sagt Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL.

Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts hat der EuGH heute über die Rechtmäßigkeit von Wohnsitzauflagen für subsidiär Geschützte ein Urteil gefällt. Der Gerichtshof hat dabei hohe Voraussetzungen für die Zulässigkeit von derartigen Wohnsitzauflagen aufgestellt, die nach deutschem Recht nicht vorliegen. Zum Maßstab seiner Entscheidung hat er dabei die Genfer Flüchtlingskonvention und die EU-Qualifikationsrichtlinie, die die Voraussetzungen für den internationalen Schutz sowie die Rechte von Anerkannten regelt, zugrunde gelegt.

Ergebnis des heutigen Urteils ist, dass eine Wohnsitzauflage zur gleichmäßigen Verteilung der Kosten für Sozialleistungen nur dann zulässig ist, wenn man auch eigenen Staatsangehörigen und anderen Drittstaatsangehörigen eine solche Auflage auferlegt. Dies ist in Deutschland aktuell nicht der Fall. Das Recht, innerhalb von Deutschland den Wohnsitz frei zu wählen, haben auch deutsche Sozialhilfeempfänger.

Deswegen ist eine Beschränkung der freien Wohnsitzwahl – aus Gleichbehandlungsgründen – nicht zulässig, wenn der Zweck die gleichmäßige Verteilung der Kosten für Sozialleistungen ist. Dabei verweist der EuGH sowohl auf Art. 33 der Richtlinie, der die Bewegungsfreiheit gewährleistet, als auch auf Art. 29 der Richtlinie, der den gleichberechtigten Zugang zu den Sozialleistungen garantiert.

Weiterhin geht der EuGH auch auf die Frage ein, ob aus integrationspolitischen Gründen eine Wohnsitzauflage für subsidiär Geschützte rechtlich zulässig wäre. Eine Begründung könnte hierfür die Vermeidung von sozialen Brennpunkten sein. Hierzu stellt der EuGH fest, dass mit einer solchen Zielsetzung zwar kein Gleichbehandlungsanspruch mit Deutschen bestehe, aber dafür mit anderen vergleichbaren Drittstaatsangehörigen.

Im deutschen Recht findet sich keine Pflicht für andere Drittstaatsangehörige, aus integrationspolitischen Gründen einer Wohnsitzverpflichtung nachzukommen. Der Gerichtshof stellt außerdem die Überlegung an, ob unter Umständen dennoch keine Ungleichbehandlung der subsidiär Schutzberechtigten vorliegen würde, wenn diese einen anderen, besonderen Integrationsbedarf hätten. Dann würden sich beide Gruppen nicht in einer ,,vergleichbaren Situation befinden". Eine Ungleichbehandlung würde nicht vorliegen, weil es um unterschiedliche Sachverhalte gehen würde. Ob dies der Fall ist, prüft der EuGH jedoch nicht weiter, sondern verweist die Prüfung dieser Frage zurück an das Bundesverwaltungsgericht.

PRO ASYL sieht diese vom EuGH zur Voraussetzung erklärten Unterschiede als nicht gegeben an. Im Vergleich zu anderen MigrantInnengruppen befinden sich international Schutzberechtigte nicht in einer anderen Situation, was das Ziel der Integration angeht. Beide Gruppen müssen gleichermaßen Deutsch lernen, sich in den Arbeitsmarkt integrieren und Teilhabemöglichkeiten erhalten.
http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/eugh_setzt_hohe_huerden_fuer_wohnsitzauflagen_fuer_subsidiaer_geschuetzte/


http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/f_Presse/160301_Urteil_EUGH_zur_Wohnsitzauflage_fuer_subsidiaer_Geschuetzte.pdf
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

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