Suche Leiharbeiter für Reportage für die Financial Times Deutschland

Begonnen von Kathrin Werner, 12:24:13 Mo. 01.Dezember 2008

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Kathrin Werner

Liebe Chefduzen-Community,

ich schreibe für die Financial Times Deutschland eine Reportage über Leiharbeit in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Dazu bin ich auf der Suche nach einem Leiharbeiter, der mir von seinen Erfahrungen erzählt. Wie sind Sie von der Krise betroffen? Droht eine Entlassung, sind Sie vielleicht sogar schon entlassen? Wie geht es weiter? Ich würde mich sehr gerne einmal mit Ihnen treffen und darüber sprechen.

Wer Interesse hat, kann mich über dieses Portal oder - noch besser - per Email kontaktieren: werner.kathrin(at)ftd.de.

Ich freue mich auf interessante Gespräche.

Freundliche Grüße,

Kathrin Werner

Schraubenwelle

Das wäre doch was für Ziggy !
Obwohl ich bei der Presse ja nie weiss  wie die die Tatsachen verdrehen.

Codeman

Frage: Ist Ihr Aufruf denn mit der Administration abgesprochen ?
Ich bin der Rostfleck am Schwert des Sozialismus - Zitat frei nach Schraubenwelle

Ziggy

Die Finanz- und Wirtschaftskrise geht mir am Arsch vorbei. Das betrifft doch nur Leute, die Geld haben.
Für eine Leihkeule ist der Unterschied zwischen Lohn und Hartz4 minimal, jedenfalls im Normalfall bei den Niedriglöhnern.

"Wie geht's weiter?" Da müssen Sie unsere wirtschaftshörigen Politverbrecher und ihre "Experten" á la Prof. Sinn fragen.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

Manni

Wofür soll das gut sein? ´

Das die Reichen und Supereichen sich an unserem elend erfreuen?
Unterwerfung ist ein Geschenk geboren aus der Stärke, genährt durch Vertrauen, erhalten durch Liebe, Respekt und Achtung.

Jürgen

Hallo Kathrin,

da die FTD meist immer positiv über die deutsche Zeitarbeit mit deren Rahmenbedingungen geschrieben hat, wirst Du hier wohl kaum einen
Leiharbeiter finden, der zur Auskunft für eine Reportage der FTD bereit wäre.

Da es auf Grund des Geschäftsmodells von Zeitarbeitsunternehmen schon immer ein "hire and fire" in der Zeitarbeitsbranche gab und gibt, was durch Statistiken der Bundesagentur für Arbeit und Studien des IAB bestätigt wird, ist die Finanz- und Wirtschaftskrise nichts ungewöhnliches in Bezug auf die generell kurzfristigen Beschäftigungszeiten für Leiharbeiter mit meist Armutslöhnen und teilweise ergänzenden staatlichen Leistungen (z.B. Wohngeld, Kinderzuschlag oder Arbeitslosengeld II).
Siehe dazu auch den IAQ-Report 2008-01, die Zeitarbeitsstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung (Juni 2008) oder die Beiträge der Gewerkschaften und der HBS.

Zahlen des IAB zur Beschäftigungsquote für das Jahr 2003:

nach 1 Monat = 65 % (35 % also nur bis zu 4 Wochen beschäftigt)
nach 3 Monaten = 40 % (60 % also nur bis zu 3 Monate beschäftigt)
nach 6 Monaten = 25 % (75 % also nur bis zu 6 Monate beschäftigt)
nach 1 Jahr = 13 % (87 % also nur bis zu 1 Jahr beschäftigt)

Siehe dazu den IAB-Kurzbericht Nr. 14/2006, Seite 5:

http://doku.iab.de/kurzber/2006/kb1406.pdf

Bei einer Beschäftigungsquote von 40 % nach 3 Monaten und 25 % nach 6
Monaten
, kann niemand von sicheren oder dauerhaften Beschäftigungen für
Leiharbeiter sprechen, auch wenn fast alle Leiharbeiter in D. unbefristet
(Unternehmerprinzip) eingestellt werden, aber 75 % der eingestellten Leiharbeiter
innerhalb der gesetzlichen Probezeit von max. 6 Monaten mit Kündigungsfristen
von 1-14 Tagen (inklusive der Anrechnung von Resturlaub, Freizeitausgleich, usw.)
jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden können.

Die Realität der deutschen Zeitarbeit ist also für 75 % aller Leiharbeiter in D. eine bis zu 6 Monate
dauernde Beschäftigung mit meist Niedrig- und Armutslöhnen für die überwiegende Mehrheit der Leiharbeiter als eingestellte Hilfsarbeiter
mit teilweise ergänzenden sozialen Leistungen!

Das ist und wird auch solange bleiben, bis es ein gesetzliches und tarifliches "equal treatment" gibt, wie in der Mehrheit der EU-Länder!
Die deutsche Zeitarbeit befindet sich dazu noch in der "Steinzeit" und hat daher auch ihren miesen Ruf in der Bevölkerung!

Siehe dazu auch den IAB-Kurzbericht Nr. 20/2002:

http://doku.iab.de/kurzber/2002/kb2002.pdf
(Tabelle 3; Tabelle 5 und 6 zeigen die Lohndifferenzen für das Jahr 2001, die
jedoch noch mit den Tarifverträgen und z.B. mit dem § 8.6 MTV BZA noch gesunken sind)

In Europa ist dieses Lohndumping bei Leiharbeitern jedoch in der Mehrheit keine
Praxis
, wie der IAB-Kurzbericht Nr.21/2002 zeigt:

http://doku.iab.de/kurzber/2002/kb2102.pdf

Siehe dazu Tabelle 2, Spalte 3 und 4
Abbildung 1 zeigt, das einige Länder mit ,,equal treatment" (also den
Tarifbedingungen der Entleihunternehmen) sogar prozentuall mehr Leiharbeiter
beschäftigen, als in D. je beschäftigt wurden.
Diese Ergebnisse sind das glatte Gegenteil zu der Argumentation in D., das gleiche
Löhne für Leiharbeiter zu Entlassungen und Insolvenzen von Zeitarbeitsunternehmen
führen würden! Das Gegenteil ist der Fall!

In Bezug auf die Entlohnung von Leiharbeitern müssen natürlich auch die
gesetzlichen Mindestlöhne in vielen EU-Ländern berücksichtigt werden (z.B.
Niederlande, England, Frankreich, Luxemburg, usw.), die es in D. für Leiharbeiter
nicht gibt!

Dazu ein passendes Zitat der TAZ vom 19.12.2003 unter dem Titel: "Regierung
verteidigt Lohndumping":
"...Das Wirtschaftsministerium wiederum versteht die Kritik nicht: Die Debatte rund
um die Zumutbarkeit sei "völlig überzogen". Eigentlich würde sich kaum etwas
ändern; die geltende Zumutbarkeitsregelung sei schon "sehr scharf". Bereits jetzt
seien Arbeitslose nach sechs Monaten verpflichtet, Jobs anzunehmen, die nicht mehr
einbringen als Arbeitslosengeld oder -hilfe.
In konkreten Zahlen: Das Arbeitslosengeld liegt durchschnittlich bei 767 Euro, die
Arbeitslosenhilfe bei 510 Euro monatlich. Also hat das Wirtschaftsministerium
errechnet, dass sich Empfänger von Arbeitslosenhilfe nicht beklagen sollten, wenn
sie künftig für 5 Euro pro Stunde schuften. "Dann haben sie 800 Euro bei einem
Vollzeitjob!
", hieß es gestern triumphierend..."
http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2003/12/19/a0110

Dazu kommt noch, das Leiharbeiter das größte Unfallrisiko in Deutschland
haben, was Dir sicherlich die VBG auf Anfrage bestätigen wird. Dazu gibt es auch
Statistiken (z.B. von der IGZ).

Zitat:
"...Auch der Gesundheitsschutz für Zeitarbeitnehmer müsse verbessert werden: "Bei
Leiharbeitnehmern ist die Zahl der Arbeitsunfälle viel höher als bei ihren Kollegen mit
einem regulären Arbeitsplatz. In Deutschland gibt es nach EU-Erhebungen pro 1000
regulär Beschäftigten 37 Arbeitsunfälle, bei Zeitarbeitern sind es 48.".."
http://www.welt.de/welt_print/article1189062/Leiharbeiter_EU_setzt_Deutschland_unt
er_Druck.html

Siehe dazu auch dieses (traurige) Video:
http://www.wdr.de/themen/global/webmedia/webtv/getwebtv.phtml?ref=6152

Zitat des IAB im Kurzbericht Nr.14/2006 vom 19.09.2006:
,,..Ob für Leiharbeiter, die im Anschluss eine anderweitige Beschäftigung gefunden
haben, Leiharbeit tatsächlich ein Sprungbrett in eine reguläre Beschäftigung
ist, lässt sich aus den deskriptiven Daten nicht ableiten. Denn vielleicht
hätten diese Personen auch ohne Zwischenstopp in der Zeitarbeitsbranche
eine Beschäftigung gefunden..
.."


http://doku.iab.de/kurzber/2006/kb1406.pdf

Außerdem bekommen 87 % der Leiharbeiter  kein Weihnachts- und Urlaubsgeld (Beschäftigung bis 1 Jahr) und
für 75 % der Leiharbeiter gilt kein Kündigungsschutzgesetz (Beschäftigung bis zu 6 Monate).

Mit dem Wegfall des Synchronisationsverbotes (letzte Änderung des AÜG zum 01.01.2004) können
deutsche Zeitarbeitsunternehmen fast alle Leiharbeiter synchron zu den gebuchten
Einsatzzeiten einstellen und entlassen, wodurch im dem Fall überhaupt gar kein Betriebsrisiko
in Bezug auf eine evtl. fehlende Einsatzzeit entsteht und nun ist es sogar so, das Zeitarbeitsunternehmen gar kein Betriebsrisiko im Rahmen des § 11, Abs.4 AÜG (§ 615 BGB) mehr tragen müssen, da jetzt auch Leiharbeiter das Kurzarbeitergeld bis zu 18 Monate beantragen können.

Somit bezahlt dann die Arbeitslosenversicherung das Betriebsrisiko des § 11, Abs.4 AÜG für Zeitarbeitsunternehmen,
weshalb es für das Lohndumping von 30-50 % für Leiharbeiter nach meiner Auffassung spätestens jetzt gar keine Grundlage mehr gibt , aber die Entleihunternehmen wollen sicherlich nicht auf die damit verbundene Gewinnmaximierung verzichten.

Was noch so für Dinge in der deutschen Zeitarbeit ablaufen, kannst Du auch hier in diesem Forum nachlesen.

Gruß

Jürgen1

brettermeier

Na, da scheint ja jemand geradezu drauf gewartet zu haben, 'Gehör' bei der Presse zu finden...

Ich find's interessant, dass die FTD hier anfragt, während der Spiegel bereits in der aktuellen Ausgabe einen zweiseitigen Artikel über Zeitarbeit veröffentlicht hat...

Ziggy

Vielleicht will ja @alfred als treuer FTD-Leser und Beate-Uhse-Großaktionär noch was dazu sagen.
Um seine Liebe zu beweisen, erklomm er die höchsten Berge, durchschwamm die tiefsten Meere und zog durch die weitesten Wüsten. Doch sie verließ ihn – weil er nie zu Hause war.

unkraut

Ich lade Kathrin herzlich ein , mal mit mir eine Woche mit zukommen  ;D

MfG unkraut
( der gluecklicherweise in der Lage ist 800 km fern der Heimat morgens seine Mails zu checken und bei CD vorbeizulesen )
Noch Fragen Hauser ? Ja Kienzle , wer ist eigentlich Unkraut ?

Wir wagen es nicht weil es schwierig ist sondern es ist schwierig weil wir es nicht wagen .

Mein Buchtip als Gastautor :  Fleißig , billig , schutzlos - Leiharbeiter in Deutschland  > ISBN-10: 3771643945

Jürgen

Hallo Bretti,

ZitatNa, da scheint ja jemand geradezu drauf gewartet zu haben, 'Gehör' bei der Presse zu finden...

Ich finde es gut, das hier auch einmal die "Mainstream-Presse" reinschaut, aber gewartet habe ich darauf nicht, denn
ich habe diese Fakten hier schon öfter geschrieben und jeder Journalist kann diese Infos zur deutschen Zeitarbeit
überall im Netz finden.

Leider ist es jedoch so, das manche Journalisten nicht gerade objektiv schreiben und daher manche Fakten einfach weglassen.
Ich habe Frau Werner jetzt einige nachprüfbare Fakten genannt und wir werden sehen, was davon im Artikel der FTD erscheint.

Wie Du selbst weißt, gibt es im Dreiecksverhältnis der Zeitarbeit nur 2 Gewinner und dazu gehören nun einmal nicht 75 % der Leiharbeiter, die max. 6 Monate beschäftigt werden und in der Mehrheit dafür einen Niedrig- oder sogar Armutslohn erhalten.

So sieht nun einmal die grausame Realität der Zeitarbeit in D. aus und daran gibt es auch absolut nichts zu beschönigen.

Gruß

Jürgen

P.S. gibt es dieses Jahr keine Weihnachtsfeiern von R.?


brettermeier

Moin Jürgen,

erstmal nix für ungut, wollte Dich mit der Spitze einfach nur mal 'anpieken' und das hat ja auch geklappt ;-)

Ich würde nicht drauf wetten, dass in nächster Zeit überhaupt noch ein Artikel zum Thema in der FTD erscheint, da der Spiegel in diesem Fall einfach mal schneller war. Ansonsten hab ich mich gewundert, dass die FTD offiziell (wenn es denn tatsächlich eine echte Anfrage war) in diesem Forum anfragt, weil das so gar nicht zum sonstigen Style der FTD passt.

Thema Weihnachtsfeiern :

Für die ZAN bei R. gab es meines Wissens nach noch nie richtige Weihnachtsfeiern, sondern stattdessen immer ein Sommerfest. Es gab immer ein kleines Weihnachtspräsent, was dieses Jahr von der GF gestrichen wurde, soweit ich weiss haben sich aber einzelne Niederlassungen gegen diese Anweisung hinweggesetzt und wenigstens was 'ganz Kleines' wie einen 'Milka-Weihnachtsmann' oder ähnliches besorgt (ich weiss, das klingt lächerlich, aber besser eine winzige Geste als gar nix).

Für die Internen sind meines Wissens nach die Weihnachtsfeiern gestrichen und sollte doch eine stattfinden, bin ich nicht dabei, ebenso, wie ich ganz bewusst die Teilnahme an der 40-Jahr-Feier abgesagt hatte.

Ich kann die 'Meckerpostings' schon erahnen, deswegen sage ich vorab schonmal, dass das absolut nichts mit 'Gutmenschentum' oder sonstwas zu tun hat. Es gibt halt Dinge, die ich nicht in Ordnung finde (wie z.B. feiern, wenn gleichzeitig haufenweise Leute entlassen werden), völlig egal bei wem ich arbeite. Manchmal kann man aktiv gegen irgendwas angehen, manchmal kann man auch nur passiv/indirekt seine Haltung zum Ausdruck bringen, indem man z.B. an bestimmten Veranstaltungen nicht teilnimmt...




alfred

Zitat von: Ziggy am 05:26:17 Di. 02.Dezember 2008
Vielleicht will ja @alfred als treuer FTD-Leser noch was dazu sagen.

Den dt. FTD-Redakteuren geht derzeit auch der Arsch auf Grundeis - soweit ich weiß, werden vier Wirtschaftsblätterredaktionen zusammengefaßt und drei alte Redakteure dürfen sich auf einen neuen Platz hin bewerben.

ZitatFür die ZAN bei R. gab es meines Wissens nach noch nie richtige Weihnachtsfeiern, sondern stattdessen immer ein Sommerfest.

Die 'Sommerfeste' fanden/finden komischerweise immer im November/Dezember statt - auch dieses Jahr...
To be is to do (Socrates), To do is to be (Sartre), Do be do be do (Sinatra)

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