Tariflohn / sittenbwirdigkeit / Urteile / Gesetze

Begonnen von Conrad, 19:51:54 Sa. 20.Januar 2007

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Conrad

Hallo zusammen,


bei meiner Einladung meiner "Vermittlerin", kam durch Zufall eine weitere Mitarbeiter vorbei die als Fallmanagerin arbeitet. Im Gespräch zu meinen Bemühungen einen Arbeitsplatz zu finden meinte die Vermittlerin, das Sie knapp über 500 fälle hat und Sie mich gerne an Ihre Kollegin weiterreichen möchte da Sie als FM nur 120 Fälle zu bearbeiten hat.

Nach Sichtung meiner Unterlagen (Bewerbungsmappe, Absageschreiben usw.)  und dem ausgefüllte "Profilingbogens und einen 10min Gespräch meinte Sie das ich doch Hochqualifiziert wär.

Im Gespräch meinte Sie das ich, bei normalen Anstellung nicht mit Tarfilohn rechnen darf. Sondern das 4 - 5 € Stundenlohn ausreichnen....
Nun meine Frage der Tariflohn liegt bei 16,xx€ als Zeitungsdrucker, ab wann ist der Lohn sittenwirdig?

Im Bereich als IT-Kaufmann meinte Sie das 1000€ brutto völlig ausreichend sind. Üblich sind 1800€ Brutto und mehr bei einer 50  - 60 Stundenwoche.

Ich meinte hier ein paar Urteile gelesen zu haben, wo ein Gericht diese als sittenwirdig ansieht. Zur Info es handelt sich wenn um eine normale Anstellung nicht über eine Zeitarbeitsfirma oder PSA.

Mir ist klar das es kaum Tariflohn gibt, das man mit 15 - 20% weniger rechnen kann aber 60 - 67% finde ich doch etwas arg viel.

Bei den Löhnen die die Mitarbeiterin meinte sehe ich mich schlechter gestellt als mit ALG2 empfänger da bei den Stellen Fahrkosten von 250 - 300€ anfallen.

Für Hinweise und ähnliches wär ich dankbar. Am Montag möchte die FM mir eine EV aufs Auge drücken, mit den dezenten Hinweis jeder Job zu jeden Lohn.


mfg.

Conrad


Conrad

das habe ich auch gefunden. ich weiss das es hier im forum gepostet wurden ist mit einem Urteil von sittenwirdigkeit wenn der Tariflohn unter 33% gesenkt wird. Doch leidfer habe ich das mit 1 stunde suchen nicht gefunden, wahrscheinlich seh ich den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Erstmal danke Kater für die schnelle Reaktion und vielleicht findet ja wer noch diesen Forumseintrag.

mfg.

conrad

Wilddieb Stuelpner

Du meinst den Fall der Lohnwucherei nach § 138 BGB bzw. § 291 StGB. Der Lohnwucher beginnt, wenn der angebotene Lohn oder das angebotene Gehalt 33 1/3 unter dem Tarif oder der ortsüblichen Bezahlung liegt. Der § 121 Abs. 3 SGB III sieht das noch ein wenig anders:

§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher BGB

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

§ 291 Wucher StGB

(1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten

1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen,
2. für die Gewährung eines Kredits,
3. für eine sonstige Leistung oder
4. für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen

Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2Wirken mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Mißverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt,
2. die Tat gewerbsmäßig begeht,
3. sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen läßt.

Für Arbeitslose stellt sich die Frage nach der Zumutbarkeit eines Jobangebots und da geht man in der Broschüre "Leitfaden für Arbeitslose" im Kapitel D, S. 121 ff., 23. Auflage, Stand vom 01.01.2006, Fachhochschulverlag Frankfurt am Main sehr ausführlich ein. In diesem Kapitel wird darauf eingegangen wie man die Sittenwidrigkeit rechtlich sicher beweisen kann.

SGB III § 121 Zumutbare Beschäftigungen

(1) Einem Arbeitslosen sind alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.
(2) Aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifliche oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt.
(3) Aus personenbezogenen Gründen ist eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Minderung um mehr als 20 Prozent und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 Prozent dieses Arbeitsentgelts nicht zumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.
(4) Aus personenbezogenen Gründen ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung auch nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. Sind in einer Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab. Ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs ist einem Arbeitslosen zumutbar, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen wird. Vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einem Arbeitslosen ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs in der Regel zumutbar. Die Sätze 4 und 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund kann sich insbesondere aus familiären Bindungen ergeben.
(5) Eine Beschäftigung ist nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie befristet ist, vorübergehend eine getrennte Haushaltsführung erfordert oder nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die der Arbeitnehmer ausgebildet ist oder die er bisher ausgeübt hat.

Auf Grund des § 121, Abs. 3 SGB III ist die Lohnhöhe und die tatsächlichen Erstattungen bzw. Aufwendungen sehr wichtig zur Beurteilung der Zumutbarkeit.

Zitat § 121, Abs.3 SGB III:

"3) Aus personenbezogenen Gründen ist eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt.

In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Minderung um mehr als 20 Prozent und

in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 Prozent dieses Arbeitsentgelts nicht zumutbar.

Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld."

Sofern Tarifverträge existieren, sollte man dennoch die Jobangebote grundsätzlich per schriftlichem Widerspruch ablehnen, da man sonst der beabsichtigten Dequalifizierung zustimmen würde.

Conrad

Danke schön für die schnelle Antwort und ich sehe das ich als Arbeitsloser völlig in den Ar*** gekniffen bin :-(

Da sollte man doch langsam überlegen ins Ausland zu gehen. Norwegen/Schweden/Finnland, und Dänemark beschränkt.


mfg.

conrad

Wilddieb Stuelpner

Es ist schon erstaunlich wie schnell Hundt, Henkel, Sinn, Bertelsmann und Genossen die soziale Markwirtschaft eines Ludwig Erhardts entsorgen. Binnen der letzten 17 Jahre kräht kein Hahn mehr zum Thema Humanisierung der Arbeit und Sozialpartnerschaft. Jetzt kommt die Fratze des Kapitalismus unmaskiert zum Vorschein, denn die Konkurrenz Sozialismus hat man beseitigt.

TagX

ZitatOriginal von joachimkuehnel
Es ist schon erstaunlich...

...wie brav mitgespielt wird.

LG
TagX
Grüße


Sozialismus!

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